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64 streifte nur an das Kolorit der Indianer. Seine Haare waren nur über den Ohren stark und bedeckten sie ganz mit ihren Locken, Er hatte einen schwachen, aber wohl aussehenden schwarzen Bart. Sein Gesicht war länglich und heiter, und seine wohlgeformten Augen drückten, je nachdem es paßte, Liebe und Ernst aus"*). Indes waren beunruhigende Nachrichten von der Küste eingelaufen. Der dort befehlende Beamte des Königs hatte die spanische Besatzung, welche Cortez zurückgelassen, überfallen, einige Leute getötet und auch den Anführer ermordet. Cortez mußte fürchten, daß der Verrat nicht ohne Billigung des Königs geschehen sei und daher für seine eigene Sicher heit besorgt sein. Schwebte er doch mit seiner handvoll Leute ganz in der Luft! Er kam daher auf den verwegenen Gedanken, den König in seiner Hauptstadt, inmitten eines zahlreichen und wohlbewaffneten Volkes ge fangen zu nehmen. Er teilte nun dem Könige mit, daß er ihn als Ur heber jener Gewaltthätigkeiten in Verdacht habe. Vergebens erklärte dieser sich bereit, die Schuldigen zu bestrafen; Cortez forderte, daß er seine Wohnung in das Quartier der Spanier verlege. Vergeblich erbot sich der König, seine Kinder als Geiseln zu geben. Aber durch Drohungen, welche aus dem Gefolge des Spaniers laut wurden, erschreckt, gab er nach, sicher mit schwerem Herzen. Schwerlich hat auch das Volk geglaubt, daß diese Übersiedlung eine freiwillige sei, wie Montezuma versichern mußte. So wurde dieser ein Gefangner, aber die gute Behandlung, die er anfangs erfuhr, wich bald einer andern, die darauf berechnet war, ihn in den Augen des Volkes so zu demütigen, daß sein königliches Ansehen vernichtet werden mußte. Als nämlich die Rädelsführer jenes Überfalls, fünfzehn an der Zahl, den Spaniern ausgeliefert waren und nun an- gaben, daß Montezuma wirklich der Urheber jenes Verrats sei, so ließ Cortez sie verbrennen, den König aber fesseln. Er gab ihn freilich bald daraus frei und gestattete ihm sogar, in den Palast zurückzukehren; aber der König fühlte sich in den Augen seines Volkes so herabgewürdigt, daß er vorzog, zu bleiben, wo er war. Cortez hatte erreicht was er wollte, der König fürchtete sein eigenes Volk, weil er sich in dessen Augen ver ächtlich gemacht hatte. Der Plan eines Neffen Montezumas, den König zu befreien, entging der Wachsamkeit des Cortez nicht; der Versuch wurde vereitelt, der An führer gefangen genommen. Nun mußte Montezuma öffentlich erklären, jene Prophezeiung sei in Erfüllung gegangen, der König von Spanien sei der rechtmäßige Herr scher des Landes, und den Unterthanen befehlen, ihm Gehorsam zu leisten und Abgaben zu zahlen. So ging auch der Form nach die Herrschaft des Landes an Cortez, den Statthalter König Karls von Spanien, über. *) Rüge, S- 374.