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55 stellen, die sicher aus ihn keinen Bezug haben konnten, deutete er auf sich und seine Erfolge. Er wurde in seinen eigenen Augen dadurch zu einem Riesenwerkzeuge Gottes, bestimmt, die Heidenwelt Asiens dem Christentum zu unterwerfen, Jerusalem den Ungläubigen zu entreißen. Diese seine übermäßigen Vorstellungen von seiner Wichtigkeit stehen, es ist wahr, in einem bedauernswerten Gegensätze zu der Enge seines Gesichtskreises und den Ergebnissen seiner Reisen. Berufene Forscher, wie Alexander von Humboldt, haben ihm auch die Fachkenntnisse abgesprochen, die zu einem so großen Unternehmen nötig waren. Endlich soll nicht verschwiegen werden, daß auch Schatten auf seinen Charakter fallen, daß seine Selbst sucht zuweilen störend für unsere Bewunderung auftritt. — Dennoch aber ist er uns eine gewaltige Erscheinung, der Entdecker Amerikas, was auch andere nach ihm Verdienstliches gethan haben. Es ist ja doch so in der Entwickelung des Menschengeschlechts; das Große, was sie mächtig fördert, geschieht nicht auf einen Schlag; alles bereitet sich langsam vor, ehe es an das Licht des Tages tritt. Einsame Denker erzeugen die Idee, vieler Gedanken arbeiten weiter, führen sie weiter; sie wird Gemeingut aller Denkenden. Wie die Blüte des Baumes in der Knospe, wartet die Idee auf den Sonnenstrahl, der sie zum Leben weckt. Aber im Menschenleben bedarf es der That, der männlichen That, die da quillt aus der Überzeugung des Kopfes, nicht minder aber aus der Wärme des Herzens und dem Glauben an sich selbst. Und dieser Mann der That war Columbns. Wie der Gedanke ihm einmal zur Gewißheit geworden, Indien sei auf westlichem Wege erreichbar, ergreift er ihn niit der ganzen Wärme seiner Seele, um ihn zu verwirklichen. Wir sehen ihn mit zähester Ausdauer von Stadt zu Stadt, von Hof zu Hof wandern; oft zurückgewiesen, klopft er immer wieder an; er heftet sich dem spanischen Königspaare an die Sohlen, er läßt nicht nach, zu drängen, trotzdem er hingehaltcn wird von Jahr zu Jahr. Und als er endlich verzweifelt, dort Erhörung zu finden, nimmt er sein Kind an die Hand, um Spanien zu verlassen und anderswo anzuklopfen. Als er nun auf den gebrechlichen Fahrzeugen in das weite unbekannte Meer hinanssteucrt, als er sein Leben an die Erreichung seines Zieles setzt, als er nicht nur die Wogen des Meeres, sondern auch die von Zweifel und Angst bewegten Gemüter der Genossen beherrscht, da wächst er in unseren Augen zu einer Heldengestalt an. Und diese heldenhafte Ausdauer, diesen unbeugsamen Mut hat er bewährt in tausend Gefahren, bis die Kraft zusammenbrach, der Übermenschliches zugemutet wurde. Wir scheiden von ihm mit dem Gefühle der Trauer, daß es ihm nicht vergönnt war, zu erfahren, welche weltbewegende Entdeckung er gemacht hatte.