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52 Braven-das rettende Gestade, wo sie von Eingeborenen freundlich aus genommen und mit Nahrungsmitteln reichlich versehen wurden. Bei der lebhaften Bewunderung dieser heldenmütigen That erwarten wir, daß sie bei den Landsleuten auf Hispäna sremrdliche Aufnahme gefunden hätten, und staunen daher über die Gleichgültigkeit, ja Kälte, mit der Ovando, der damalige Statthalter, die Botschaft und die Boten aufnahm. Mendez fand ihn in Domingo nicht vor; er reiste ihm in eine ent fernte Gegend der Insel nach, wo er eben mit den Eingeborenen Krieg führte. Mendez mußte hier sieben Monate auf die Entscheidung warten. Auch dann zeigte sich Ovando noch keineswegs bereit, die Schiffbrüchigen zu retten, sondern er sandte zuvörderst ein Fahrzeug nach Jamaica zur Feststellung des ihm zweifelhaft erscheinenden Thatbestandes. Der Kapitän desselben gehörte zu den alten Gegnern des Admirals; er konnte freilich die Thatsache nicht in Abrede stellen, daß dieser wirklich schiffbrüchig auf Jamaica liege, aber er segelte davon, ohne ihn aufzunehmen unter dem Vorgeben, daß sein Schiff zu klein sei, um alle die Schiffbrüchigen zu bergen. Nun schickte Ovando nicht etwa ein größeres Schiff ab, sondern überließ es Mendez, sich ein solches zu verschaffen. Dieser mußte auf die Gelegenheit noch über ein halbes Jahr warten. Da erst waren geeignete Fahrzeuge aus Spanien angclangt. Er belud ein solches mit Brot, Fleisch, Wein, Schweinen, Schafen und schickte es ab, um dem Admiral die heiß ersehnte Rettung zu bringen. Dieser bekannte, er habe in seinem ganzen Leben keine solche Freude empfunden, als beim Anblicke dieses Schiffes; denn er habe bereits die Hoffnung auf Rettung tief sinken lassen, nachdem er die lange Zeit hindurch tagtäglich und vergeblich nach einem Schiffe ausgeblickt hatte. Es war ein Wunder, daß er noch am Leben war, denn es hing ganz von dem Willen der Indianer ab, ihm das schwach glimmende Lebenslicht auszublasen. Sie schienen auch dazu entschlossen zu sein, denn wenige Tage nach Mendez Abfahrt begannen sie, ihre feindliche Gesinnung gegen die Spanier dadurch an den Tag zu legen, daß sie sich weigerten, ferner Lebensmittel zu liefern. Zuin Glück wußte Kolumbus, daß am 29. Februar (1504) eine Mondfinsterniß eintreten werde. Er benutzte nun dieses Ereignis, um die Indianer zu schrecken. Die Götter, sagte er, zürnten ihnen wegen ihres Treubruchs und würden ihren Zorn durch die Verfinsterung des Mondes anzeigen. Als diese nun wirklich und pünktlich eintrat, brachten die erschreckten Indianer Lebensmittel, so viel man verlangte. Aber auch mit den eigenen Leuten blieb dem vielgeprüften Manne der Kamps nicht erspart. Unter der Führung zweier Brüder meuterten an 50 Spanier, suchten ebenfalls aus Booten nach St. Domingo zu ent kommen, und als ihnen das nicht gelang, bemächtigten sic sich des Anker-