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Bautzener Nachrichten : 01.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1887328319-189809012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1887328319-18980901
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1887328319-18980901
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- Saxonica
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
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- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Bautzener Nachrichten
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-01
-
Monat
1898-09
-
Jahr
1898
- Titel
- Bautzener Nachrichten : 01.09.1898
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* New-Nork, 1. September. (Telegr. der Bautzener Nachr.) Die .New-Jork Sun" meldet aus Manila: Aguinaldo soll an die fremden Mächte eine Proklamation gerichtet haben, worin er um die Anerkennung der Unab hängigkeit der Republik auf den Philippinen ersuchte. Neueste Telegraphische «orrespoateuz. 'Prag, 1. September. (Tel. der Bautzener Nachr., Durch einen Gerüst ein stürz bei einem Neubau wurden vier Arbeiter getötet und drei schwer verwundet. Ein Schuldtragender wurde verhaftet. Haag, 31. August, nachm. Königin Wilhelmine nahm mit der Königin-Mutter an einem Gottesdienste in der Großen Kirche teil, welchem auch der Großherzog von Sachsen - Weimar. Eisenach, die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, der Fürst und die Fürstin zu Wied, sowie viele Vertreter der Behörden und etwa 4000 andere Personen beiwohnten. In der katholi schen Kirche wohnten der Jnternuntius, die Gesandten Oesterreich-Ungarns, Italiens, Belgiens, Frankieichs, Spa niens, Portugals und Japans dem Festgottesdienste bei. Paris, 31. August, mittags. Die .Agence Havas" meldet aus privater Quelle: Cavaignac hatte sogleich nach seiner Ernennung zum Kriegsminister einen Offizier seines Kabinetts damit beauftragt, die Akten des Dreyfus-Prozesses eingehendst zu prüfen. Schon am 15. August hatte dieser Offizier eine Fälschung bemerkt, er machte aber davon erst Meldung, als der Minister nach Paris zurückgekehrt war. Gestern wurde Oberstlieutenant Henry durch General Gonse in das Kabinett Cavaignacs geführt, in welchem sich die Ge nerale Roger und Boisdeffre befanden. Oberstlieutenant Henry, welchem das betreffende Aktenstück vorgelegt wurde, behauptete anfangs dessen Echtheit; erklärte jedoch auf weitere Vorhaltungen, das Schriftstück sei ihm unvollständig zu gegangen und er habe die Schlußwendung hinzugefügt und gestand schließlich ein, er habe das ganze Dokument selbst angefertigt. Henry wurde hierauf nach dem Mont Valerien gebracht. Man versichert, die Ueberzeugung des Kriegs ministers bezüglich der Schuld von Dreyfus sei durch die Entdeckung der Fälschung nicht erschüttert worden, derselbe sei aber entschlossen, alle Schuldigen, welches auch ihr Rang und ihre Stellung sein möge, zur Rechenschaft zu ziehen. Daß noch eine neue ergänzende Untersuchung infolge des linnpnrknpt wirk ^-,—.-...,1— —— —— r r, — """ nicht. Henry wlrd vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Parts, 31. August, abends. In dem heute vormittag abgehaltenen Ministerrate unterzeichnete Präsident Faure die Dienstentlassung des Majors Esterhazy. — Nachmittags trat der Ministerrat zu einer zweiten Sitz ung zusammen, in welcher der Minister des AeußerenDel- cassä Mitteilung von dem Rundschreiben des Grafen Mu- rawjeff machte. Der Kriegsminister Cavaignac teilte seinen Kollegen die näheren Umstände der Verhaftung des Oberstlieulenants Henry mit. Ferner gab der Finanz- minrster sein Expose über das Budget. * Paris, 1. September, früh. (Tel. der Bautzener Nachr.) Oberstlieutenant Henry entleibte sich im Ge fängnis, er durchschnitt sich die Kehle mit einem Rasier messer. — Der Generalstabschef Boisdeffre erbat wegen der Henry-Affaire seine Verabschiedung. Cavaignac nahm die Demission auf Dringen Boisdeffres unter Aner kennung von dessen Loyalität an. * Paris, 1. Septbr., vormittags. (Tel. der Bautzener Nachr.) Dem „Soir" zufolge sollen Brisson, Trouillot und Maruöjouls im gestrigen Ministerrate energisch die Revision des Dreyfusprozesses und die sofortige Entlassung gewisser Generale gefordert haben. Cavaignac habe jedoch mit seiner Demission gedroht, falls diese Forder ungen aufrecht erhalten würden. * Parts, 1. September, nachm. (Tel. der Bautzener Nachr.) Der Selbstmord des Oberstlieutenants Henry wurde nachmittags fünf Uhr entdeckt, als der Diener ihm Essen brachte; Henry lag am Boden, der Schnitt war so heftig geführt, daß die linke Halsschlagader ganz durchschnitten ist, auch die rechte ist verletzt. Auf dem Tische lagen mehrere Briefe: an seine Frau, an den Kriegsminister und an Bois deffre. Es wurde seiner Gattin erlaubt, während der Nacht bei der Leiche zu bleiben. Helfiugfors, 31. August, abends. General Robri- kofs ist zum General-Gouverneur von Finnland ernannt worden. 31. ÄUguA, roSlaff" der russischen Freiwilligenflotte passierte mit 1000 Soldaten und Auswanderern an Bord den Bosporus; dasselbe geht nach Wladiwostok. Mew-Mork, 30. August, abends. (Schluß-Kurse.) An fangs höher, Schluß fest. Leid für Regierungsbond», Prc- z«npatz 2 do. für andere Sicherheiten do. 3 "/». Wechsel aus London (60 Lagei 4,83. Lable Transfer, 4P5'/.. Wechsel aui Paris (60 Tage) 5,22'/«, do. aus Berlin (60 Tage) 94'/,«. Atchilon topekv und Santa FS » Aktien 13'/«. Lanadian Pacific-Aktien 85'/,. 4m- tral-Pacific-Aktien 20. Chicago-, Milwaukee» und St. Paul-Aktien 113. Denver K Rio Grande Preserred 55'/,. Illinois Central-Aktien 112. Lake Shore ShareS 192'/,. Louitvtlle- und Nashville-Aktien 58'/,. New-Uo»k Lake Erie Share» 14'/,. New-Aort Lmtralbahn 118'/,. Northern Pacific-Presrrrrd (neue Emifi.) 76'/,. Norfolk and Western Preserred (Interim«-Anleihescheinen) 54'/«. Philadelphia and Readirg First Preserred 43. Union - Pacific - Aktien (neue Emission) 34. 4»/, Bereinigte Staaten - Bondi pr. 1925 127. Silber, Loounercial Bari 59'/,. kruden, für Geld: Leicht. — Warenbericht. Baum »olle- Prei» w New - Bort 5'/„ do. für Lieferung pr. Septbr. 5,51, do. für Lieferung pr. Novbr. 5,58, do. do. in New-Orleans 5»/,. Petroleum Stand, white in New-Bork 6,50, do. do. in Philadelphia 6,45, do. Re- fined (in Lafe«) 7,15, do. Eredtt Balance« at Oil Sich 100. Schmal, Western fteam 5,50, do. Rohe und Brothers 5,75. Mai» Tendenz: fest, do. pr. Septbr. 34'/«, d». pr. Dezbr. 35V,- Weizen Tendenz: stetig. Roter «interwetzen loco 75. Weizen pr. Septbr. 6S'/„ do. pr. Dez. 66'/,. Lekeidesracht nach Liverpool S'/,. Kaffee fast Rio Nr. 7 6'/», do. Rio Nr. 7 Pr. Septbr. 5,65, do. oo. pr. Novbr. 5,80. Mehl, Svring-Wheat clearS 3,1S. Zucker 3'/«. Zinn 15,90. Küpser 12,50. rrv» Deutsche» «eich. ' Bautzen, 1. September. Herr Kreishauptmann von Schlieben hat heute einen mehrwöchigen Urlaub angetreten. Für diese Zeit ist die Leitung der Geschäfte der Königlichen Kreishauptmannschaft von Herrn Geheimen Regierungsrat von Wilucki übernommen worden. Dresden. Se. Majestät der König bat, wie schon er- wähnt, dem Präsidenten der OberrechnungSkammer Frei herrn von Salza und Lichtenau bei seinem Uebertritt in den Ruhestand den Titel und Rang eines Wirklichen Geheimen Rats und dem praktischen Arzte l)r. weck Jury Wehle zu Dresden den Titel und Rang als Hofrat zu verleihen geruht. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist der Maschineninfpektor bet der Staatseisenbahn Verwaltung Baurat Beer in Chemnitz in den Ruhestand versetzt worden. — Daß die Veranstaltung einer allgemeinen Ge dächtnisfeier für den Fürsten Bismarck, den Ehren bürger Dresdens, in den Herzen der gesamten Büryerschaft lauten Widerhall finden werde, war bei dem patriotischen Geiste und der Verehrung für den Fürsten-Reichskanzler in unserer Stadt etwas Naturgemäßes. So vermochte denn der Raum der städtischen Ausstellungshalle alle die Tausende nicht aufzunehmen, die den Wunsch hegten, der Trauerfeier beizuwohnen, die die städtischen Körperschaften unserem ver ewigten Ehrenbürger heute abend gelüstet hatten. Gedämpft zur feierlichen Trauer um den verewigten Ehrenbürger, durch weht vom Schmerze um den Verlust des herrlichen nationalen Helden war die Empfindung der Bürgerschaft Dresdens, die heute in der Bismarck-Gedächtnisfeier, im düsteren Trauer- gepränge der Stadt und der öffentlichen Gebäude, in den wallenden Fahnen, im feierlichen Blumenschmucke des Ger maniadenkmals und am eindringlichsten durch die gewaltige Macht der Töne und des geisterfüllten Menschenwortes im städtischen Ausstellungspalaste zum Ausdrucke kam. Von den vier hohen Masten am Haupteingange deS Gebäudes grüßten halbmast gehißte Fahnen herab, mit Trauerwimpeln und langen Schleifen ver sehen. Die Halle machte in ihrem Trauerschmucke einen weihevollen Eindruck: mit künstlerischem Verständnisse war mit verhältnismäßig wenig Mitteln große Wirkung erzielt. Zwischen den Säulen hingen schwarze Drapierungen herab, ebenso waren die Balustraden der Galerie mit schwarzen Stoffen verkleidet, die hier und da Jmmortellenkränze und Palmenzweige trugen. Lorbeerbäume in Kugel- und Pyramiden form waren in den Galerien ausgestellt und durch schwarze Florgchänge miteinander verbunden. Die Portale und Nischen zu ebener Erde deS Saales waren durch schwarze Draperien und PortiLren verdeckt. Links und rechts vom Haupteingange standen mächtige Gruppen von Palmen, Koniferen und Lorbeerbäumen, die eine imposante Wirkung hervorriefen. Den gleichen stimmungsvollen Eindruck machte auch die an der Ostseite ausgestellte gigantische Pflanzengruppe, in deren Mitte sich die bronzene Kowssalbüste des Verewigten aus ragendem Postamente erhob. An der westlichen Langseite war, um einige Stufen erhöht, eine ebenfalls schwarz ausgeschlagene und mit Palmen dekorierte Königliche Loge errichtet. Die Südseite des weiträumigen Hallensaales füllte daS sich amphitheatralisch ausbauende und durch Jntertmstreppen von der Südgalerie aus zugäng liche Orchesterpodium. Die Trenklersche Kapelle nahm die untersten Stusen, die Sängerchöre die sich darüber erhebenden und endlich der Alumnenchor der Kreuzschule die obersten Stusen ein. Vor dem Orchester stand das erhöhte, schwarz-weiß drapierte Rednerpult und zu beiden Seiten des Orchesters, die Ecken füllend, erblickte man die mit Trauer schmuck versehenen Vereins- und Jnnungssahnen. Der gesamte Saal raum war mit etwa 1300 Stühlen besetzt, die in verschiedene Abteilungen getrennt waren; für ebenso viele Stehplätze war im Saale und auf den Galerien Vorsorge getroffen. Bereits von '/«6 Uhr an füllten sich die weiten Räume mit den geladenen Gästen des Rates und der Stadtverordneten. Unter der Trauer versammlung sah man Herren des diplomatischen Corps, der Generalität, den Oberpostdirektor mit mehreren Räten der hiesigen Oberpostdirektion, Ehrenbürger der Stadt, Landtagsabgeordnete, Abteilungsdirektoren und Vortragende Räte aller Ministerien, Vertreter der Königlichen Generaldirektion der Staatseisenbahnen und verschiedener Ministerialabtellungen, der Krcishauptmann- chast, der Amtshauptmannschaften, der Poltzeidirektton, des üandesmedizinalkollegiums, deS Landeskulturrates, der Handels und Gewerbekammer, der Kunstakademie, der technischen Hoch schule, der tierärztlichen Hochschule, Mitglieder deS Bürgeraus- chusses für patriotische Kundgebungen; vollzählig waren die Herren des Rates und des Stadtverordnetenkollegiums erschienen, Geistliche und Kirchenvorstandsmitglieder aller hiesigen Kirch gemeinden, Stadträte a. D., frühere Stadtverordnete und Bürger auS allen Berusskreiscn, ferner Mitglieder von Militärvereinen, Innungen, Wohlthätigkeits-, Verkehrs-, Gemeinnützigen Vereinen, Ratsbeamte und Bürger der Stadt, welche öffentliche Ehren ämter bekleiden. Die Herren vom Rate und vom Stadtver ordnetenkollegium, geschmückt mit den städtischen Ehrenketten, nahmen vorbehaltene Plätze zunächst der Königlichen Estrade ein. Herr Oberbürgermeister Geh. Finanzrat Beutler und Herr Stadtverordnetenvorsteher Geh. Hosrat Or. Ackermann begrüßten namens der Stadt Dresden Se. Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich August, welcher kurz vor 6 Uhr, in Begleitung des Adjutanten Rittmeister v. Tümpling, am Ausstellungsgebäude vorfuhr und geleiteten ihn nach den Ehrenplätzen auf der Estrade des Saales. Als Vertreter Sr. Majestät des Königs war anwesend Obersiallmeisier General v. Ehren st ein. Sonst nahmen noch aus der Estrade Platz die Herren: Kricgsminister Edler v. d. Planitz, Kultusminister vr. v. Seydewitz, General der Kav. z. D. v. Carlowitz und Stadtkommandant General lieutenant v. Schmaltz, General L la suits Sr. Majestät des Königs, Generalmajor Hingst, Generalintendant Kammerherr Graf Seebach, Hofmarschall v. d. Bussche-Streithorst, Polizei präsident Kammerherr Le Maistre, die Kgl. Adjutanten Major Senfft v. Pilsach und Major v. Larisch, sowie Offiziere der Be gleitung der anwesenden Generalität. Kurz nach 6 Uhr begann die Feier. Dumpfer, feierlicher Paukenwirbel erscholl und die weihevollen Klänge deS Trauermarsches aus Richard Wagners »Götterdämmerung", vorgetragen von der Gewerbehauskapelle unter Leitung deS Kgl. Musikdirektors A. Trenkler, zogen durch den Raum. Darauf sang ein aus Mitgliedern deS Dresdner Lehrergesang vereins, der Dresdner Liedertafel und des Männergesangvereins Zusammengesetzter Massenchor das kraftvolle Bismarck-Lied ,So lang' der deutsche Elchwald braust" von Kurt Geucke, Musik von Franz Curtl, unter Leitung des Kgl. Musikdirektors Pros. Wermann, scharf Im Rhythmus und vorgetragen mit dem ganzen Schwung der Begeisterung. Als Ueberlettung zur Rede erklang darauf feierlich und getragen die Hymne „Loos, guomoäo mo- ritur justus" von Jakob Gallus, die der Kirchenchor der Kreuz» ktrche mit herrlichem Ausdrucke zum Vortrage brachte. Sodann sielt Herr Superintendent Oberkonsistorialrat v. Dibelius die Gedächtnisrede: Sprechet nicht laut in die Welt hinaus, Redet leise — 'S ist Trauer fin HauS, Trauer im Hause Deutschland und Not, Unser Bismarck ist tot! Der Dichter sang'S mit autem Recht, er drückte nur unser aller Empfinden auS, als nach dem 30. Juli die Bäume an hoben zu rauschen im Sachsenwald, als das SturmeSwehen sich soll» pflanzte durch alle deutschen Gauen und eS al-bald zitterte durch di« ganze weite Welt: der deutschen Eichen stämmigste, sie brach! Da trieb » den Deutschen in die Einsamkeit und Stille, zu sinnen, was Otto von Bismarck unserem deutschen Volke gewesen einst und jetzt, ja, waS er noch gestern ihm gewesen; und zu trauern, daß wir seine Reckengestalt nicht mehr sehen, sein scharfe» Auge unter den buschigen Brauen nicht mehr schauen, sein markiges, mahnendes Wort nicht mehr hören, sein Ausblicken zu dem Polarstern seines politischen Leben» „»»tu» publica« nicht mehr gewahren sollen. Aber jedes Wort, das dieser Trauer AuS. druck geben mochte, schien unS zu arm; jeder Nachruf, den man ihm widmen mochte, schien unserer verehrungsvollen Liebe nicht vollkrästig genug; so ist es, wenn um ein Fomilienhaupt man kauert — »leise, bis daß wir in Einsamkeit sertig geworden mit unserem Leid". Doch anders nun, nachdem schon Wochen dahin gegangen, nun, da die tausend Kränze uni seinen Sarg her anfingen zu welken, nun, da eS in Fried- richsruh so still, ganz still geworden: nun werde es laut ringsum im deutschen Land! Nicht als wollte jetzt sich jemand untersangen, in kurzer Rede zumal, dem Inhalt eines Lebens gerecht zu werden, dat Politikern und Historikern, ja unserm ganzen Volke, aus ungemessene Zeiten hinaus noch viel zu denken und viel zu lernen geben wird — zum mindesten deute» Sie nicht so mein schlichtes Wort! — aber gleichwie an geschichtlich denkwürdigen Tagen Flammenzeichen auf den Bergen in deutschen Landen hin und her zum Himmel lodernd es bekunde», daß unser Volk des unvergessen bleiben will, was Gottes Gnade in der Vergangenheit an ihm gethan, so sollen jetzt in dieser bedeutungsvollen Zett, da deS Deutschen Reiches erster eiserner Kanzier sein thatenreicheS Leben nach Gottes Willen geschlossen, Bismarck-GcdächtnISseiern lingi- umher, soweit die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt, daS eine bezeugen: unser deutsches Volk ein dankbares Volkl Das sei die Bedeutung auch dieser festlichen Abendstunde. Dem Leben, dm hat unsere Stadt gehuldigt nicht nur in glanzvollen Tagen, als sie den Ebrenbürgerbrief im bot 1871, nein erst recht, als die Sonne nicht dazu geleuchtet, in viellausendfachem Fackeischein 1892; nun soll über dem Verstorbenen diese Stunde es offenbaren: Laxooes »not 8»x»! Sachsen stehen felsenfest! Unser Dank stirbt nimmermehr! Was Fürst Bismarck unS gab — was er uns war — waS er uns ist und bleibe» wird: ein jeder in unserer Mitte weiß es; unser aller Herzen schlage» höher bet dem Gedanken daran; dennoch andeuten möchte ich es, unseren gemeinsamen Gefühlen Ausdruck zu geben und laut und öffentlich eS zu bezeugen: auch in Dresden bleiben die Herzen warm in Verehrung und Liebe, In Dankbarkeit und Treue für »der Zwietracht eisernen Er. Würger, des Deutschen Reiches Ehrenbürger". Und zu solcher Stunde nicht nur ein Vertreter unseres allergnädigsten Königs und Herm, nein auch ein erlauchter Prinz unseres Königshauses selbst in unserer Mitte; wir danken's ihm, wir huldigen in aller Ehrerbietung ihm, und in der Dankbarkeit gegen Deutschlands großen Sohn vereinigt sich Dresdens Bürgerschaft mit ihm. WaS Fürst BiSmarck uns gab?— 1858 war'», als der Heroldsrufer des Deutschen Reiches, Emanuel Geibel, wehmuts. voll fragte: Wann doch, wann erscheint der Meister, Der, o Deutsch land, dich erbaut Und er hat's noch gesehen, der gottbegnadigte Prophet. Er hat's noch erlebt, wie der Bundesbogen sich spannte über die deutschen Lande vom Fels zum Meer; er hat es noch vernommen, das Harsenspiel der deutschen Stämme im rauschenden Accord, zuerst getragen vom Kanonendonner der Schlachten, dann von den Klängen der Stegeshymnen, zuletzt von der FriedenSglocken Geläut; und wir haben es mit ihm ersahren, wie das heisere Krächzen der Raben um den Kyffhäuser her, alles bange Fragen: „WaS ist des Deutschen Vater land?" und all der hcißc EinheiiSdrang der dcuischcn Stämme, der in allerlei Weile Ausdruck gefunden und Ausweg gesucht, sich schließlich aufgelöst in den Dankespsalm: Welch eine Wendung durch GotteS Führ- ung! O, daß man's der deutschen Jugend immer wieder lebendig vor Augen stellen wollte, was damals In großer Zeit errungen ward. Ehre, dem Ehre gebührt: vom großen, unvergeßlichen Kaiser an, Ehre alle» Fürsten und Generalen, Ehre allen tapferen Streitern, den Gefallenen erst recht; Ehre allen Männern und Frauen, die ein jeder aus seinem Posten gestanden In bedeutungsvoller Zeit. Aber wenn In den Jahr- zebnten zuvor die Diplomaten am grünen Tisch so manchmal sich wieder nehmen ließen, was auf blutgetränktem Feld die Heere errungen zu haben meinten; wenn's zuvor leider manchmal für uns Deutsche galt: „Wo Franzmann, Britt' und Rnsse nach ihrem Sinn getagt, ziemt» uns, daß man zum Schluffe gehorsamst Amen sagt!" daß eS 1871 nicht also geschehen, wir danken's dir, der Favre und ThierS nicht nur äußerlich in Kürassierunisorm entgegentrat; doß damals nicht unlautere Geschäfte an der politischen Börse zustande kamen, wir danken's dir, du ehrlicher Makler; daß wir Elsaß-Lothringen wieder haben, dies Glacis gegen Frankreich, wir danken s deinem unentwegten ovtsram o»u88o!, daß damals Deutschland glücklich in den Sattel kam, wir danken's dir, den unseres jetzigen Kaisers Majestät mit gutem Recht zum Generaloberst der Kavallerie ernannt; daß zu unseren Zeiten in aller Welt zu Wasser wie zu Lande an Stelle deS Witzelns und Spöttelns über den deutschen Michel Respekt vor dem deutschen Michel getreten und solch Umschwung Deutschlands Wissenschaft und Kunst, Handel und Wandel zu gute gekom men, wir danken dir's, der du mit Großthaten, den zwölf Arbeiten des Her kules vergleichbar, deinem geflügelten Worte Nachdruck verschafft hast: „Wir Deutsche sürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt." Wir wollen keinen Menschenkultus treiben, aber dankbar wollen wir sein. Dankbar wollen wir'S rühmen, daß nach dem großen Kriege du uns mit GotteS Hilfe den Frieden erhalten. Dankbar wollen wir's bewundern, wie du nach glänzendsten Erfolgen die große Kunst des Maßhallens geübt und durch diese weise Mäßigung cs fertig gebracht hast, grimmige Feind schaft in begeisterte Freundschaft zu wandeln; ich denke an München, ich erinnere an Wien. Dankbar wollen wir für immer eingedenk bleiben, wie du dem großen Kaiser treulich geholfen, daS LoS der handarbeitenden Klassen zu erleichtern und ihnen Wohlthaten zu gewähren, die nur Ver blendete nicht sehen. Mag sein, daß viele allerlei an Fürst BiSmarck zu tadeln hatten — viel Feind, viel Ehr! — mag sein, daß auch ehr lich deutschgesi'nnte Männer seinen Maßregeln nicht immer zustimmen konnten — unsere Verehrung ist keine blinde! — aber wahrlich, kleine Geister sind's, die darüber das Große vergessen können, was als de» gnädigen GotteS Werkzeug Fürst Bismarck uns gab — unser deutsche» Vaterland. ES ist die Art der Zwerge, die keine riesengroße Gestalt neben sich dulden wollen, zu nörgeln und den Irrtum zu verbreiten, als hätten die Umstände alles gemacht, als wäre daS Deutsche Reich auch ohne Bismarck geworden. »Nicht Umstände und Verhältnisse", so ägt ein großer Historiker, „machen Geschichte. Wer Geschichte macht, das sind die Männer." Fassen wir's auch kurz zusammen, was er un» war. Ein Norddeutscher, ein Sohn der Mark, ein Bismarck! Von hünenhaftem Körper, darin eine gesunde Seele wohnte, von Natur eine Christin. Aeußerlich strotzend von Kraft bis zur Derbheit, hart und knorrig, wie auS Granit gehauen, und in ihm doch ein Pulsschlag, em pfänglich für alles Hohe, was Menschenherz erhebt, für alles Edle, wa» Mri.schenbrust durchbebi. Gottesfurcht uno Treue, Gründlichkeit und Aufrichtigkeit, strenges Pslichtbewußtsetn und naturwüchsiger Humor: so teht echt deutsche Art in Otto von Bismarck unS vor Augen. Und ob er seit Jahren nicht mehr am Steuerruder gestanden, die Wucht seiner Persönlichkeit wirkt« sork dann und wann vernahmen wir Kundgebungen einer unerschütterlichen Liebe zum deutschen Volk, Mahnungen: vickeant auosules! Ermutigungen, wie hier in Dresden: „ES war eine schwere Arbeit, unS zusammenzubringen; aber noch schwerer dürfte eS sein, un» wieder zu trennen!" Er war noch bei unS ! Doch nun? — „Wa» wir durch dich geworden, Wir wissens und die Welt, WaS ohne dich wir bleiben, Gott sei's anheimgestellt!" Ja, wie dem großen Gott wir danken, daß er diesen gewaltigen Mann unS gegeben, so hoffen wir zu versichtlich zu Gott, er werde ein Volk nicht verlassen, das aufrichtig um seine Helden kauert und über BtSmarckS Sarg sich ernstlich daraus besinnt, was er, der Heimgegangene, uns ist und bleiben soll. Ein Lehrer soll er unS sein, ein mahnender Freund soll er unserem Volke bleiben, fluf! geloben wirS mit ganzer Inbrunst unserer Seele: seinem Beispiel, einem Vorbild nach! Wir wollen Gott sürchten, daß wir sonst nicht» ;u sürchten haben in der Welt! ja, Gottesfurcht in unserer eigenen Seele vertiefen und in die Herzen der Jugend Pflanzen, die Furcht de» Herrn, der Weisheit Anfang. Wir wollen in goldener Treue für König und Vaterland einstehen und wider das undeulsche Treiben vaterlands loser Genossen zusammenstehen! Wir In deutschen Landen — „wir wollen fein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not unS trennen und Gefahr!" Und wenn Sonderinteressen uns zum Nörgeln verleiten wollten, wenn selbstsüchtige Gedanken unS zum Grollen und Schmollen 'erführen sollten, wenn innere Stürme wüten, wenn von außen Ge- ahren drohen: wir sehen vor uns deine Reckengestalt, wir hören aus »ein mahnendes Wort: „Das Vaterland, nicht die Partei!" Was sür Seiten aber kommen mögen, welche Führer auch unserem Volke erstehen mögen: wollte jemand dich als unseren Lehrer und unseres Volkes besten Freund entlassen, wirruseneS demaltenKaisernach: Niemals! Niemals! Die Rede hinterließ sichtlich den tiefsten Eindruck: gleich rei von schwärmerischem Personenkultus, wie von schim mernder Wortprachi, war sie in ihrer gedrungenen Kürze, in ihrer lebendigen Wärme und ihrem tiefen Geist, vor-
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