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»95 Erste Beilage zu Nr. 87 der Bautzener Nachrichtm. Montag den 18. April 18S8. liberalen Delegiertentag wertvoll sein, von dieser Politik der Bosheit unter nationalliberaler Flagge, Kenntnis zu erlangen. Man wird darauf gespannt sein dürfen, wie sich der Dele giertentag zu dieser neuesten Krastleistung des vielfach „ab- geschüttclten' Berliner Organs stellen wird. Eine unzwei deutige Stellungnahme wird nicht zu umgehen sein. — UU Der Erlaß an die Beamten in polnischen Lan!d^steilen (vergl. Nr. 83 d. Bl.) ist von allen Staats bürgern, denen das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, als eine klärendeThat begrüßt worden. Selbst polnische Staatsangehörige werden, sofern sie unbefangen urteilen, in diesem Schriftstück nichts Aggressives oder ihre berechtigte Eigenart Verletzendes finden können. Die Beamtenschaft wird darin nur an ihre durch den Diensteid bekräftigte Amts pflicht erinnert, zugleich aber wird ihr aufgegebcn, den pol nischen Mitbürgern gegenüber volle Gerechtigkeit walten zu lassen. Es handelt sich mit einem Wort nicht um einen Angriff auf die polnische Eigenart, sondern um eine Abwehr großpolnischer, pvlonisierender Bestrebungen, welche die deutsche Art in den Ostprovinzen gefährden und dadurch den inneren Frieden bedrohen. Es berührt darum sehr peinlich, daß sofort nach Veröffentlichung des Erlasses, bevor noch die Polen selbst darüber sich äußern konnten, die Presse der Demokratie und des Ccntrums das Vorgehen der Staatsregierung als unberechtigt und sriedenstörend hinzustcllen sucht. Gerade dieses Dazwischentreten zwischen die, ihr Natioualgefühl nnd ihre nationale Ehre wahrenden Deutschen in den Ostprovinzen und die »och nicht in großpolnischem Sinne aufgehetzten Polen ist eminent friedenstörend. Insonderheit ist es das Bestreben der .Germania" und anderer Ccntrumsblätter, die den Sinn des Erlasses so verdrehen, daß schließlich fol gende Schlußanwendung herauskommt: „Germanisierung und Protestantisierung werden also wieder (!) in den betroffenen katholischen Landesteilen Hand in Hand gehen." Das ist eine ganz illoyale Unterstellung. Die Ceulrums- politiker selbst würden am besten imstande sein, dieser angeb lichen „Germauisierung und Protestantisierung" einen Damm entgegcnzustellcn, wenn sie offen nnd unzweideutig gegen die bedrohlichen großpolnischen Treibereien auftreten und dahin wirken möchten, daß auch die Geistlichkeit der „betroffenen katholischen Landesteile" aufhörte, „PoIonisierend und katholisierend" aufzutreten. — Ein neuer großer polnischer Verein soll unter dem Namen Sanitätsverein der Polen Berlins (Potvarr^.^ov Lüuitaruo Uolakon iv Uorlinio) ins Leben treten. Er will eine Art speeiell polnischer Kranken-Zuschußkasse darstellen, deren Mitglieder gegen einen geringen Monatsbeiirag un entgeltliche ärztliche Hilfe in Krankheitsfällen, ermäßigte Preise für Arzneien, außerdem noch ein Kranken- bezw. Sterbegeld erhalten sollen. Der wegen Verrats militärischer Geheim nisse in Metz in Untersuchungshaft sitzende Schriftsteller Min sier aus Edenkoben ist schon wegen unberechtigter Führung des Doklortitels zu Gefängnis verurteilt worden. Er ging später nach Zürich, nachdem er zuvor an verschie denen Orten Deutschlands, die er als Schriftsteller oder als reisender Journalist unsicher gemacht hatte, wegen Zech prellerei Unterschlagung, Diebstahls bestraft worden. Minsker wurde vor einigen Monaten auch in Landau i. d. Pf. ge fänglich eingezogen. Im dortigen Amtsgerichtsgefängniffe stellte er sich jedoch so leidend, daß seine Ueberführung ins Krankenhaus erfolgte. Von dort gelang es ihm, in einer regnerischen Nacht zu entweichen. Vian hörte längere Zeit nichts von ihm, als die Kunde kam, daß er wieder in Metz ergriffen sei. — In den Osterfciertagcn haben in ganz Deutschland zahlreiche socialdem okratischc und gewerkschaftliche Kongresse und Versammlungen stattgefunden. Es tagten u. a. eine Landesversammlung der Socialdemokraten Württembergs, ein Kongreß der centralisierten Gewerkschaften Deutschlands, eine Provinzial-Konferenz der brandenburgischen Maurer, eine Generalversammlung der deutschen Textilarbeiter, eine Generalversammlung des socialdcmokratischcn Bergarbeiter- Verbandes, ein Kongreß der deutschen Schuhmacher, eine Generalversammlung des deutschen Holzarbeiter-Verbandes. Eine große Zahl svcialdemokratischer Führer war unterwegs, um in diesen Versammlungen zn repräsentieren, u. a. hat auch Herr Bebels bei den Württemberger .Genossen" eine „große" Rede gehalten. Ueber den Inhalt aber schweigt der „Vor wärts" — warum nur? — Wie aus Shanghai berichtet wird, ging die „Gefion" heute vormittag 9 Uhr 30 Min. in Höhe der Gutzlaffiusel vor Anker. Es herrscht starker Nebel. — * S. „Loreley", Kommandant Kapitänlieuteuant v. Witzleben, ist in Konstantinopel angekommen. S. „Olga" ist in Helgoland eingetroffen nnd gestern wieder in See ge gangen, SS. „Mars", „Carola", „Ulan", „Aegir", .Beowulf" und „Frithjof" sind in den Kieler Hafen cin- gelaufen; S. „Comet" ist in Dienst gestellt und S. „Blitz" von Danzig in See gegangen. — Am 15. d. ist in Kiel nachstehende Zusammensetzung der Torpedo bootsdivi- sionen (Reserve) eingctreten: Tpdivbt. „O 3" bisher 5. Tpdbt.- Div., Reserve» und Tpbte. „8 58", „8 59", „8 00", „8 61", „8 63", „8 64", „8 65" (bisher 1. Tpbtdiv., Res.) sind in die 3. Tpdiv. (Res.) eingestellt. Tpdivbt. ,,I) 1" und Tpdbte. „8 7" bis „8 14" (bisher 3. Tpdbts.-Div., Res.) sind in die 5. Tpbtsdiv. (Res.) eingestellt worden. Tpdivbt. „v 7" ist in Kiel nutzer Dienst, Tpdivbt. „v 4" an dessen Stelle in Dienst gestellt worden. Tpdbte. „8 82" und „8 83" sind in Kiel, Tpdbt. „8 87" in Elbing in Dienst gestellt worden. Lieutn. z. S. Taegert hat das Kommando von Tpdbt. „8 84" (bisher Tender des Torpedoversuchskommandos) von Kapitänlieulenant Hädicke, Lieutenant z. S- Türk das Kommando von Torpedoboot „8 85" von Lieutenant z. S. Pollmann, Lieutenant z. S- von Kamele das Kommando „8 86" von Kapitän-Lieutenant Hebbinghaus übernommen. Tpdivbt. „v 4" und S. M. Tpdbte. „8 82" bis „8 87" sind in die 1 (L) Tpdbtdiv. eingestellt. Tpdbte. „8 67", „8 68", .8 70", „8 71", „8 72" und „8 73" der 6. Tpdbtdiv. (Res.) sind in Wilhelmshaven in Dienst ge stellt worden und bilden mit Tpdivbt. „0 8" die 6. (v) Tpdbtsdtv. Die Torpedobootsflottille ist somit formiert. Die 6-Tpdbtsdiv ist von Wilhelmshaven nach Kiel in See gegangen. — sKolonialpolitisches.j Das „Kolonialblatt" veröffentlicht eine Verordnung des Landeshauptmanns von Togo vom 21. Januar über den Impfzwang. Durch die letztere wird, nach dem Vorgänge in Deutsch-Ostafrika, die gesamte eingeboreue Bevölkerung der Impfung und Wieder impfung unterworfen. — sParlamentarisches.j Die pfälzische Cen- trumsp artei beschloß, in sämtlichen sechs pfälzischen Rcichs- tagswahlkreisen eigene Kandidaten aufzustellen. * Lübeck, 16. April. Zu Ehren des Generalobersten Grasen von Waldcrsee gab der Senat hente nachmittag im Ratsweinkeller ein Festmahl. Abends wurde dem Grasen von Waldersce von den militärischen Vereinen ein Zapfen streich nnd Fackelzug gebracht. Abends 10'/^ Uhr erfolgte die Abreise des Grafen. Oesterreich. * Wien, 16.April. Die heutige Frühjahrs-Parade der Wiener Garnison verlief in glänzendster Weise. Im Ge folge des Kaisers befanden sich sämtliche Erzherzoge, dar unter auch Erzherzog Franz Ferdinand, sowie die Gene ralität und die fremden Militär-Attachös. Das diplomatische Corps wohnte der Parade auf einem reservierten Platz bei. Nach einstündiger Besichtigung ritt der Kaiser unter lebhaften Ovationen des Publikums nach Schönbrunn. * Pola, 16. April. Das von Kreta zurückberufenc österreichisch-ungarische Geschwader ist mit dein In fanterie-Bataillon an Bord hier eingelauscn. Das aus Kreta zurückkchrcnde österreichisch-ungarische Bataillon wurde bei der Landung von dem Kriegsminister, dem Corpskomman- danten, den dienstfreien Offizieren, unter denen auch Contre- admiral Hinke sich befand, und zahlreichen Zuschauern em pfangen. Der Kriegsminister schritt die Front des Bataillons ab, hielt eine Ansprache an das Osfizicrcorps, um im Kaiser lichen Auftrage der Zufriedenheit des Kaisers mit der Dis- ciplin und der Haltung des Bataillons während seines Auf enthaltes in Kreta Ausdruck zu geben. * Triest, 16. April. Die Kundgebungen gegen die antisvrialistischc Konferenz in der Antonius-Kirche wiedcrbolteu sich gestern abend in verstärktem Maße. Die Sicherheitswache wurde beim Zerstreuen der Manifestanten mehrfach mit Steinen beworfen, wobei zwei Wachtlente ver wundet wurden. Zahlreiche Verhaftungen wurden vorge nommen. Militär war ausgerückt, ist jedoch nicht in Aktion getreten. Um 11 Uhr war die Ruhe wicderhcrgestcllt. Pesth, 16. April. Infolge maßloser Agitationen so- cialistischer Führer hat sich die Regierung veranlaßt ge sehen, eine Anzahl derselben aus Pesth auSzuweiscu. Der hier weilende deutsche Abgeordnete Singer erklärte, die Ver folgung der ungarischen Socialisten im Reichstage zur Sprache bringen zn wollen. ' Budapest, 16. April. Gestern abend gab die hiesige Stadt zu Ehren der hier eingctrosfencn Abordnung der Ber liner Stadtbchördcn ein Abendessen. Der hiesige Bür germeister brachte einen Trinkspruch aus, in welchen, er mit hoher Befriedigung hcrvorhob, daß Vertreter des hochent wickelten ersten Gemcindewesens des Deutschen Reiches hierher gekommen seien, nm die hiesigen Einrichtnngcn zu studieren. Gleichzeitig dankte er für die Freundlichkeit, mit welcher Berlin der ungarischen Hauptstadt wiederholt an die Hand gegangen sei. Namens der Gäste antwortete Stadtbaudirektor brause, dankte für den freundlichen Empfang und trank auf das Emporblühen der ungarischen Hauptstadt. — Im Abgcord- nctcnhansc erklärte Koloman Tisza gegenüber den gestrigen von mehreren Rednern gegen die Vorlage, bctr. die Kongrua nichtkatholischer Geistlicher geäußerten Bedenken, daß er als treuer Sohn seines Vaterlandes nnd seiner Kirche die Vor lage frcndig begrüße und annehme. Der „Jntcrnational-Socialdcmocratic Club Whitechapel" zu London hat, dem „Vorwärts" zufolge, dem ungarischen A ck e r b a um i ni st c r die folgende Resolution übersandt: „Die Ungarn, Deutschen, Polen, Russen und Engländer, vertreten in der öffentlichen Protestversannnlung am 3 April l898 im Saale des (Internationalen Socialdemokratiichen Klubs 83 Whitechapel Road, London E., erklären sich mit den unterdrückten ungarischen Landarbeitern solidarisch und protestieren gegen dis Brutalität der ungari schen Regierung, protestieren gegen die Ungerechtigkeit des am 1. März in jsrasl getretenen Feldarbeitergcsetzes, dessen Schöpser sie mit Berachtung straff. Die Versammelten erklären das Vorgehen der ungari schen Regierung als das Produkt ihrer Verlegenheit, hervorgernsen durch den Druck des ungarischen Großgrundbesitzes, welcher mir seine Interessen in der gemeinsten Weise zu vertreten sucht. Die Versam melten verlangen nicht blotz die ivjortige Autzerkrasttretnng dieses Gesetzes, wildern eine gesunde Arbei lers chn tz-Gcsctz gcbun g jür die Landarbeiter Ungarns, die den gerechten Wünschen der Arbeiter cnlgegenkvmnu." Eine größere „internationale" Unverschämt heit dürste noch nicht dagewescn sein. Die Ungarn werden diese englische Provokation voraussichtlich nicht mit Seelen ruhe hinnehmen Italien. * Rom, 16. April. Durch eine heute veröffentlichte Verordnung wird der Kriegsminister Generallieutcnant Asi- nari di SanMarzano wegen Ueberschreitung der Alters grenze in den Ruhestand versetzt und scheidet damit aus der aktiven Armee aus. — Die Kammer beschloß, zwei gegen das Duell eingebrachte Anträge in Erwägung zu ziehen und an die Bureaus zu verweisen. Der eine von dem Deputierten de Martino eingebrachte Antrag betrifft die Ein setzung einer Ehren-Jury, der andere, vom Deputierten Bernini im Namen der Socialisten eingebrachte, die Anwendung des gemeinen Rechts auf das Duell. — Gegenüber anders lautenden Zeitungömeldungen stellt das Journal „Esercito" fest, daß der Militärattache der italienischen Botschaft in Paris, Oberst Panizzardi, sich aus dienstlichen Gründen nach Brüssel begeben hat; ferner, daß Panizzardi sich nicht auf Urlaub befindet und daß er sich nicht nach der Schweiz begeben wird. * Turin, 16. April. Der Graf von Turin wird heute abend, begleitet von dem Major Carpeneto, nach London ab reisen und sich am 27. d. in Southampton zu seiner Reise um die Welt zunächst nach New-Dock einschiffen. Belgien. Die Anerkennung des Vlämi schen als Staatssprache in Belgien ist nunmehr auch vom belgischen Senat ge nehmigt worden. Am Freitag hat dieser das Gesetz, das den Erlaß aller Gesetze in französischer und vlämischer Sprache anordnet, mit 47 gegen 39 Stimmen angenommen; drei Senatoren enthielten sich der Abstimmung, j, W W Niederlande. Die Verlobung der Königin Wilhelmine mit dem Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar soll, der „Amsterdam-Harlemer Zeitung" zufolge, am Tage der Voll jährigkeit der jugendlichen Königin amtlich bekannt gegeben werden. Gelegentlich ihrer letzten Unterrichtsstunden, die am Schluß dieses Quartals ihr Ende erreicht haben, schenkte Königin Wilhelmine von Holland jedem ihrer Lehrer ihr Bild mit eigenhändiger Widmung, während die Königin- Regentin mit herzlichen Dankesworten Ordensauszeichnungen verlieh. Die junge Königin soll besonders in Mathematik und Geometrie große Kenntnisse besitzen. Sic spricht außer ihrer Landessprache deutsch, italienisch, englisch und französisch mit gleicher Fertigkeit, und zeichnet künstlerisch schön. Auch für den Sport faßte sic große Passion, besonders liebt sie Schlittschuhlaufen und Rudern. Die Benutzung des Fahr rads ist ihr untersagt worden. F-raulretch. Paris, 15. April. Das „Echo de Paris" meldet, dem früheren Beschlusse entgegen würden die Mitglieder des Kriegsgerichts, das Esterhazy abnrteilte, auf das per sönliche Auftreten als Civilpartei verzichten und sich damit begnügen, durch den Stabträger der Advokaten, Ployer, zur Wahrung des Grundsatzes gemeinsam 1 Franken Schaden ersatz nebst Einrücken des Urteils in die Pariser Blätter und eine Reihe Provinzblätter zu verlangen. — Zn der Abberufung Panizzardis schreibt der „Eclair", der Botschafter Toruiclli habe viermal beim Minister des Aus wärtigen ungefragt, ob der französischen Negiernng die Ab- berufnng erwünscht sei, jedesmal aber habe Hanotaux erklärt, der Oberst möge nur iu Paris bleiben. Der Oberst blieb denn auch, obwohl seine diplomatische Stellung beinahe dieselbe war, wie die des Obersten v. Schwarzkoppen. Er vermochte nichts abzuleugnen und nichts zu behaupten, so daß er selbst um seine Abberufung bat. Unter diesen Umständen, meint das „Siöcle", sei Panizzardis Abberufung ein weiteres Ge ständnis für Esterhazys Schnld. — Der Antisemit Max Ndgis ist von der Strafkammer zn Algier wegen seiner Beteiligung an der dortigen Judenhetze freigesprochen worden und hat darauf den Jubel des Pöbels genossen. Seine Freisprechung spitzt die Wahlcampagne zn, in der Drnmont sich um einen Abgeordnetensitz für Algier bewirbt. Nögis wurde wieder ins Gefängnis geführt, da er sich noch wegen der Pariser Hetzereien zn verantworten hat. — Die Pariser Journale veröffentlichen eine Bilanz der abgclanfeuen Legislatur des Parlaments. Man hat ausgerechnet, daß die Dcputiertcnkamincr von 1893 bis 1898 633 Sitzungen abgehalten, 333 Kommissionen eingesetzt und 41920 Petitionen geprüft hat. Fünf Kabinette, Dupuy, Casimir Pericr, Dupuy, Ribot und Möline, deren letztes sich einer Lebensdauer von zwei Jahren crsrcnt, sind im Laufe der viereinhalb Jahre 291mal interpelliert worden, abgesehen von 115 Anfragen, auf die sie zu antworten hatten. Von 3392 Angelegenheiten hatte die Kammer 2515, darunter 993 von allgemeinem Interesse, erledigt, doch wurden die meisten Vorlagen erst in den letzten Wochen, als die Deputierten schon an ihre Wiederwahl denken mußten, fast ohne jede De batte genehmigt. Die meiste Zeit wurde eben mit Inter pellationen vertrödelt. Das Ministerium Möliue hatte allein deren 118 zu beantworten. Außer den Budgets für 1895, 1896, 1897 und 1898 genehmigte die Kammer eine Reihe von wertvollen Gesetzentwürfen, unter denen die Aufhebung der geheimen gerichtlichen Untersuchung, sowie das Revisions verfahren und die Entschädigung unschuldig Verurteilter, die Arbeiterunfallversicherung, Verschärfung der Strafen für die Mißhandlung von Kindern ?c. bleibende humanitäre Be deutung haben. * Paris, 16. April. Die „Libre Parole" verlangt heute neuerdings in nachdrücklichster Weise die Ausweisung der fremden Zeitungskorrcspondentcn, die eine für Zola freundliche Haltung einnehmcn. Von anderer Seite wird gemeldet, die Regierung habe auf die ihr ergebenen Blätter dahiu cingewirkt, daß sie in der Angelegenheit Dreyfus-Zola eine maßvolle Sprache führen. — * Nach einer amtlichen Zollstatistik betrug der Wert der Einfuhr in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 1 130201000 Fres, gegen 1012925000 Frcs. im gleichen Zeitraum des Vorjahres; der Wert der Ausfuhr in derselben Zeit 800 018000 Frcs. gegen 815587 000 Frcs. in dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Nizza, 16. April. Präsident Faure wohnte heute an Bord des „Brennus" den Seemanövern bei. Bei seiner Rückkunft wurde er von dem englischen Panzerschiff „Namil- lics" und der Jacht der Königin von England, „Astrea' mit 21 Schuß salutiert. Der Präsident begab sich darauf nach Cimiez zurück und tauschte mit dem Prinzen Thron folger Ferdinand von Rumänien Besuche aus. Russland. * Petersburg, 16. April. Die „Nowoje Wremja" sagt: In den Liebenswürdigkeiten des Kaisers Wilhelm England gegenüber und in der Beglückwünschung zu dem Siege am Atbara erblickt man in hiesigen politischen Kreisen und in dcr russischen Bevölkerung nichts Alarmierendes. Die Vorgänge im fernen Osten bieten nichts Unerwartetes dar. — Das Ministerium des Innern hat, wie verschiedene Blätter melden, die städtischen Behörden angewiesen, kranke Ausländer ohne weiteres in Krankenhäuser aufzunehmen und die Kurkosten eventuell nachher auf diplomatischem Wege einzuziehen. Die „Köln. Ztg." meldet aus Petersburg: Man ist hier der Ansicht, daß, wenn die inneren Wirren in Korea nicht schleunigst abgestellt werden, Rußland ohne Verzug zur Besetzung Koreas schreiten werde, da die Zurückziehung der russischen Instrukteure aus dem koreanischen Heere unter der Bedingung aeschah, daß die koreanische Regierung selbst die Unabhängigkeit des Landes, sowie auch die Ruhe und Ord nung im Innern wahren werde. lieber einen Hochverratsproreß in Petersburg wird der „Bresl. Ztg." berichtet: Es ist in der politischen Welt bekannt, daß der Besuch des österreichischen Herrschers an dem