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243 heit beruhende Mittheilung lesen? Zu allen Zeiten hat es Mütter ge geben, die mit aufopfernder Liebe und Hingebung nur für die Bildung und Veredelung ihrer Kinder gelebt haben; aber einen so langsamen und beschwerlichen Weg, wie Fanny Moore, hat vielleicht noch nie eine Mutter zurücklegen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Und was sie that, ist ihr doppelt anzurechnen, da das rauhe Gewerbe, welches sie zur Ernährung ihrer Kinder betreiben mußte, sehr geeignet war, den Sinn für Geistes- und Herzensbildung in ihr zu ertödten. Als die treffliche Frau fünf Jahre in Missouri gelebt hatte, mußte sie abermals ihren Wohnsitz ändern, denn die Fluth der Einwanderung hatte auch dieses Gebiet erreicht und Bären, Rehe und Truthühner verscheucht. Diesmal wanderte sie nach Texas und ließ sich einige Meilen jenseit des Brazos-Flusses nieder. Der Zufall wollte, daß sie hier die Nachbarin einer Frau wurde, die in vielen Beziehungen mit ihr die größte Aehnlichkeit hatte, in anderen aber wesentlich von ihr verschieden war. Frau Dust — so hieß die Nachbarin — hatte auch ihren Gatten verloren und ernährte, wie Fanny Moore, ihre zahl reiche Familie durch die Jagd auf Bären, Büffel, Hirsche, Rehe und Truthühner; wie diese, übertraf sie die meisten Jäger des Landes durch die Sicherheit ihres Auges und die Festigkeit ihrer Hand; aber das Jägerleben hatte ihr den milden Sinn und die zarte Weiblichkeit ge raubt, welche Fanny bei ihrer rauhen Lebensweise bewahrt hatte. Darum kümmerte sich Frau Dust auch wenig darum, daß ihre Kinder in derselben Unwissenheit, wie die jungen Indianer des Landes, auf wuchsen, denn das Einzige, was sie von ihnen verlangte, war Muth, Standhaftigkeit und Unerschrockenheit, und wenn sie die Körperkraft erlangt hatten, um eine Waffe führen zu können, Gewandtheit in der Handhabung derselben. Die Hütten der beiden Frauen waren kaum eine halbe Stunde von einander entfernt, und eS konnte nicht fehle», daß die beiden Fa- 16*