120 Hum Tode ermattet, hing ich im Sattel und ließ mein Pferd gehen, wie es wollte. In dieser Weise wanderten wir manche Meile nach Westen, wie der Stand der Sonne zeigte. Plötzlich wurde ich aus meiner Erstarrung aufgeschreckt, denn — herrlicher Anblick! — ein See, ein krystallheller See lag vor mir. Durfte ich meinen Augen trauen, oder war es eine Luftspiegelung? Nein, die Ufer waren zu scharf begrenzt; auch hatte das Bild nicht das nebelige, weiße Aussehen, welches jene Erscheinung auszeichnet. Nein, es war keine Luftspiege lung, es war Wasser! Unwillkürlich gab ich dem Pferde die Sporen, aber daS war nicht nöthig. Moro hatte das Wasser auch bereits erkannt, und jagte mit erneuter Kraft darauf los. Einige Minuten später hatten wir daS Ufer erreicht. Mit einem Sprunge war ich aus dem Sattel und wollte eben mit der hohlen Hand Wasser schöpfen, als mir das-Verhalten meines Pferdes auffiel. Statt gierig zu trinken, schüttelte es den Kopf und schnaubte. Auch der Hund trank nicht, sondern lief winselnd und heulend am Ufer hin. Ich wußte wohl, was dies bedeutete, aber mit dem Eigensinn, der alle Zeugnisse außer dem der eigenen Sinne verwirft, holte ich einige Tropfen empor und hielt sie an meine Lippen. Sie waren brennend salzig. Ich hätte dies wissen können, ehe ich den See er reichte, denn ich war über ein mächtiges Salzlager geritten, welches die Ufer wie ein Schneegürtel umgab. Was sollte ich nun beginnen? Da, wo ich war, durfte ich nicht bleiben; ich stieg also mit Mühe wieder in den Sattel und ritt an dem Seeufer über schneeweiße Salzfelder hin. Hier und da stießen die Hufe meines Pferdes an bleichende Thiergebeine, die Ueberreste manches Opfers, das in einer ähnlichen Lage, wie ich, hierhergekommen war. Mit vollem Rechte heißt der See bei Mexikanern und Indianern der Todessee.