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119 Leser leben in nördlichen Breiten, in einem Lande mit Seen, Teichen, Flüssen, Quellen und Brunnen; Durst hat noch keiner von ihnen ge fühlt ; keiner weiß, was es heißt, kein Wasser haben. Sie klagen über seine Härte, über seine Weiche, über den Mangel an krystallheller Klarheit. Wie ganz anders der Wanderer in der Wüste, der Reisende in der Prairie! Wasser ist sein erstes und wichtigstes Bedürfnis;, Wasser die Gottheit, die er verehrt! Den Hunger kann er stillen, so lange noch ein Fetzen seines Lederanzugcs an ihm hängt. Zeigt sich kein Wild, so kann er Eidechsen und Prairiegrillen fangen. Er kennt jede Wurzel, jedes Kraut, welches das Leben zu erhalten vermag. Man gebe ihm nur Wasser, so kann er leben und sich durchkämpfen, und überdies kommt er mit der Zeit einmal aus der Einöde heraus. Hat er aber kein Wasser, so muß er neben dem geschlachteten Büffel, mitten im Ueberfluß sterben. Ach, der Durst ist etwas Furchtbares; in der wil den Wüste im Westen bereitet er dem Reisenden schreckliche Qualen und ein noch schrecklicheres Ende. Kein Wunder also, daß die Verzweiflung mich erfaßte. Ich glaubte etwa in der Mitte der Todesreise zu sein, und wußte recht wohl, daß ich ihr Ende ohne Wasser nicht erreichen konnte. Die Qualen begannen bereits; Zunge und Schlund waren vertrocknet durch den Durst und den Wüstenstaub und ein hitziges Fieber brannte in meinen Adern. In Socorro hatte ich von einer Quelle gehört, welche westlich von dem gewöhnlichen Wege liegen sollte. Bisweilen enthielt sie Wasser, oft aber fanden sie die Reisenden, die sich mühsam zu ihr hinschleppten, ausgetrocknet und verdursteten an ihrem Rande. Einige Minuten schwankte ich; dann zog ich den rechten Zügel meines Pferdes fast un willkürlich an und lenkte es nach Westen. Zch wollte die Quelle auf suchen und, wenn ich sie nicht fand, den Versuch machen, den Fluß zu erreichen. Zwar kam ich dadurch von meinem Wege ab; aber Wasser mußte ich haben, wenn ich mein Leben retten wollte.