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71. Jahrgang. Menokag, ».Mai k>27 Gegrünöel 18S6 Drablantckrtsi, Stachrttht«« Lr«»d«n F«rnwr«ch»r-Samm»lmm»mer! 2v 241 Nur Mr NackiaeivrLcke- 20011 Bezugs-S-bühr SckrMeltmis und AiMviaesckäsirllell«! Wartrnürabe 4-»42 Druck u. Berlaa von Virvia, ck Netckardt in Dresden PostILeck-Konio 1OSS Dre«d«u Nackdruck nur mii deulllcker Ouevenangade «.Dresdner Nackr/i «ulStlig. Unvrrlangle Tckristftücke werden nick! autbewadrt. Pariser Echo der Rede Pomcatts. Der wiedererstandene nationale Block. — Zustimmung der Rechtspresse. „Es ist -er alte Poinearö." Paris. 8. Mai. Die gestrtae Rede Pvincares vor dem Generaliat in Var le Duc wird von der Moraenpreise in großer Ausmachuna wiedergeaeben Daß man den Aus- führunaen beb Ministerpräsidenten aroße Bedeutuna beimißt. gebt aus den bereits heute moraen vorliegenden einachenden Kommentaren hervor. Der osfiziöse „Petit Partiten" hält die Rede besonders deshalb sür bedeutungsvoll weil Potncarö acht Taae vor dem Wiederzulammentritt des Parla ments seine Grundsätze daraelegt habe - Achnlich meint der „GauloiS" Pvincars habe mit der Autorität seines nüch ternen und klaren Wortes gleichzeitig Parlament und Land aus ihre Berantwortuna Hinweisen wollen. Da» „Echo de Paris" bebt besonders den außenpoli- tischen Teil der Rede hervor und schreibt: „Die Auspieluna aas de» Geisteszustand Deutschlands war notwendig. Sie wirb verstanden und lebhast ansaearisfen werden." — Auch der „Figaro" unterstreicht die Stelle, an der Poincar6 davon sprach. Frankreich werde keine von den Garantien ausheben, die ihm die Vcrträae in die Hand aeacben hätten. Das Blatt begrüßt den entschlossenen Ton der Rede von Bar le Duc und fordert die Neaieruna auch zum entschlossenen Handeln aus. — Die „I o u r n ö e Industrielle" ist der Meinung, Poin- cares Sorge sei hauptsächlich aewesen. die politische Sphäre des Vertrauens aufrechtzuerhalten. in der allein die Finanz- Probleme aelöst werden könnten. Ein schlechtes Echo findet Poincarö in dem sozialistischen Organ. dem „Populatre" DaS Blatt meint, mau müsse dem Ministerpräsidenten sür den Freimut danke«, mit dem er das wahre Gesicht der «atioualcn Einiauua enthüllt habe, die Nichts anderes als der wicdererstandene nationale Block sei. Seine Rede lei eine SricaSerkläruna an das Beamtenkartcll und die Gewerkschaften, eine deutliche Weiterung, die Hand zur Abritstuna zu bieten und der vorzeitiaen Rbcinland- ränmuna znzustimmen. Es sei der alte Poincare. Nach dieser Rede müsse das Land wählen: Entweder Opposition gegen eine Macbtvolitik oder Resianativn. — Die linksstehende „Volonte" sicht in Pvincares Rede nur eine Apologie seiner eiaene» Politik seit Ucbernahme des Ministerpräsi- dcntenpostenS. Das Kartcllvrgan, die „Ere Nouvelle", betont aeaenüber dem Appell Pvincares an die nationale Eini gung, dah dieser Appell in erster Linie an den nationalen Block aerichtet werden müsse, der allein die Gesunduna der I Finanzen sichern könne. sT. U.) ' DaS „Sicherhcitsproblem" ausschlaggebend auch sür Wirtschastssragen. Paris, 2. Mai. „Petit Journal" besaht sich in einem Artikel mit der Weltwirtlchaftskonserenz und kommt im Zu» lammenhang damit auch aus das Problem der nationalen Sicherheit zu spreche,». Der Gedanke der Bereinigten Staaten von Europa sei vorläufig eine Utopie. In einem Europa ohne Zollschranken würden sich die Industrien automatisch in den Kohlen, und Erzgebieten ansiedeln Die kohlen, und erzarmen Länder würden damit ihrer Industrien und Verteidigungswaffen beraubt werden. Solange Europa nicht sür sedes einzelne seiner Länder das Problem der Sicher heit ans klare Weise gelöst habe, könne man nicht an eine Ge« samtlösnug des WirtschastsproblemS denken. Keine Garantie -er -enNchen Oflgrenzen! . Berlin. 8. Mai. Von dem ReichSauhenminister nahe- stehender Seite wird zu der Siede deS Rcichsjustizministers He rat auf dem Ostmarkentag der Deutschen Bolkspartei in Beuthen geltend gemacht, dah die Frage, ob es ein Ost- Locarno gebe oder nicht, längst gelöst worden sei. Sie sei in Locarno selbst auSgekämpft und entschieden worden, und zwar zugunsten der deutschen Auffassung, dah eine Garantie der dcntsche« Grenze» im Osten nicht iu Frage komme. An diesem Standpunkt habe sich bisher nicht das geringste ge ändert. Die „zweite Dolstsavstimmung" im Elsaß! Paris. S. Mai. Di« Sieden dxr gestrigen Eröffnungs sitzungen der diesjährigen Sitzungsperiode der französischen Generalräte waren zum größten Teil der finanziellen Wieder- gesundung Frankreichs gewidmet. Eine Reihe von Gencral- räten hat bereits gestern Entschließungen zugunsten der Rück kehr zum Provinzialwahlrecht angenommen. — Im General rat von Kolmar kam der Vorsitzende aus den K o l m a r e r Prozchzu sprechen. Der Redner meinte, der Prozeß sei die zweite Volksabstimmung aewesen. die von einigen so sehr ge fordert werde. Sie habe in vollem Umsange die erste „Volks abstimmung" im Jahre IS18 bestätigt. — Im Mosel departement geißelte der rechtsradikale Senator Guy de Wendel die sogenannte Autonomiebewcgung. Nur eine Politik der Verwirklichung gegebener Versprechen könne eine dauerhafte Beruhigung im Lande schaffen. Er habe zu der Regierung das Vertrauen, daß sie diese Politik in die Tat umsetze. Der Fall Wiking-SlWpia lSuft Weiler. Das lehle Worl noch nicht gesprochen. Berlin, 8. Mat. Mit dem Spruche des StaatSgerichtShoseS, durch den der Bund Wiking verboten bleibt, während daS Verbot des Sportverein» Olumpia ausgehoben wird, ist die Rechtslage hinsichtlich der sich a»S dieser Entscheidung er gebenden Konsequenzen noch ungeklärt. Was die Olympia betrifft, so ist bekannt, daß sie bei der Reichsregierung Schritte unternehmen will, um die preußische Regierung zur Zurück, »ahme des mit Zustimmung der Reichsregierung aus Grund des Reichsgesetzes über die Auflösung militärischer Verbände ergangenen Verbots zu veranlaßen. Die Reichsregierung könnte erst, wenn die ausführliche schriftliche Begrün, düng de» Urteils des StaatSgerichtshosS vorliegt. — waS in etwa drei bis vier Wochen der Fall sein dürste — an Preußen mit dem Ersuchen herantreten, ihre damalige Entscheidung ans Gronb der Stellungnahme des Staatsgerichtshofes einer Nachprüfung zu unterziehen. Ganz anders liegen die Dinge beim Bund Wiking. Er ist endgültig für Preußen verboten, daneben aber auch für Hessen, wo der Bund gegen leine im Anschluß an das preußische Vorgehen erfolgte Auflösung überhaupt nicht protestiert hat. Die auSfühhrlichc Begründung der Ent« scheid«»» des Staatsgertchtshofs hat nun aber dem Reichs» innenmtuifterinm Veranlass»«» »«»eben unter Berufung hierauf diefenigeu Länder, in denen -er Wiking «och nicht ver boten ist. zu ersuchen, über eine derartige Maßnahme anch für ihren Bereich aus Grund der Leipziger Feststellungen sich schlüssig zu machen. 8 17 Absatz 2 deS RepublikschutzgesetzeS gibt der ReichSregierung sogar das Recht, ihrerseits das Ver bot dieser Organisation für dieses oder jenes Land anzuordnen. Die betreffende Länderrcgieruna muß, falls sie dieser An ordnung nicht Nachkommen will, diesen ablehnenden Stand punkt sofort nach Berlin Mitteilen und gleichzeitig innerhalb von zwei Tagen den Staatsgerichishos zum Schutze der Republik anrusen, der dann entscheidet, ob die Anordnung -er ReichSregierung zu Recht erfolgt ist. Theoretisch genommen kann also zum mindesten der Fall Wiking de» GtaätsgerichtShos noch wiederholt beschäftige«. Ob daS wirklich der Fall sein wird, hängt von der Stellung nahme des Reiches bzw. der Länberrcgicrnngen ab. Der- artige Anrufungen des S^otsgerichtShofes durch die Länder können wieder merkwürdige Konsequenzen habe». Sollte beispielsweise Mecklenburg oder Oldenburg oder einer der mitteldeutschen Freistilen eine solche Entscheidung verlangen, dann wäre hierfür wieder der Ntednersenat zu» ständig, der am Sonnabend daS Urteil in Sachen Wiking und Olumpia fällte. Wenn dageoen Bayern oder ein anderer andere« Staudpuukt stellt als der Nteduerseuat. dessen Mit glieder z. B. auch stellvertretende Beisitzer im süddeutschen Senat sind, also unter Umstände« sogar an einem der Ent scheidung vom 88. April widerspreche»-«» Beschluß Mitwirken könnte i. . Das Programm -er Slahlhelmlagung in Berlin. Berlin» S. Mai. Der achte Reichsfrontsoldatentag des Stahlhelm beginnt am Freitag, den ö. Mai. vormittag» mit einer Schulungstagung, in -er die Themen „Grobdeutsche Frage", „Ostpolitik" und SicdlungSfragen beraten werden. Am Abend spricht der Bundesführer Kranz Seldte in der Phil- Harmonie über daS Thema „Der neue Weg des Stahlhelm". Am Sonnabend, den 7. Mai. vormittags wirb die SchnlungS- tagnng mit der Behandlung der Themen „Arbeiterschaft und Nation". „Erziehung der Jugend zur nationalen Politik" und „Ertüchtigung der Ingrid" fortgesetzt. Am Abend findet ein großer Zapfenstreich, verbunden mit Schlachtcnfeueriverk, statt. Die Hauptveranstaltung bildet am Sonntag, den 8. Mai, mittag» der Frontsoldatenappell i« Lustgarten, der nach dem Abschreiten der Front durch die BunbeSführer mit dem Ge- sang des Niederländischen DankgebetS und einer Gefallenen, ehrung beginnt. Dann hält der BunbeSführer Kranz Scldte eine Ansprache, die mit dem Deutschlandlied schließt. Nach dem Gesang des Chorals „Nun danket alle Gott", der ebenso wie der einleitend« Choral von der Domkapelle begleitet wird, formieren sich die Stahlhelmabteilungen zum Bor betmarsch an dem Bundesführer. Am Montag, den V. Mai, endlich treffen dte Mitglieder der Kundgebung in Potsdam etn, wo zunächst zur Garnisonktrche marschiert und an der Gruft Friedrichs deS Großen vorbeidefUiert wird. Der »wette BunbeSführer, Oberstleutnant Düsterberg, spricht darauf im Potsdamer Lustgarten, woraus ein Marsch nach Sancousst zur Besichtigung -es Schlosses und der Gärten erfolgt. Die Rangordnung I» de» preuhischen Schulen adgeschasst. Berlin, 8. Mat. Wie bereit» mttgeteilt, ist kürzlich an den höheren Schulen durch Verfügung des Kultusministers Dr. Becker dte Rangordnung aufgehoben worden. Minister Dr. Becker hat diese Verfügung soeben auf die Volksschulen und dte mittleren Schulen ausgedehnt. München, 2. Mai. Heut« vormittag startete in München ein Verkehrsflugzeug der Süddeutschen Hansa zum ersten planmäßigen Fing nach Mailand. Was erwarlel Moskau von -er Well- wirlschastskonserenz? lBon unserem Moskauer Sonderberichterstatter.) Moskau, Anfang Mai 1927. Zum erstenmal seit Genna nimmt dte Sowjetunion an einer internationale» Konferenz von großer weltwirtschaft licher und weltpolitischer Bedeutung teil. Daß es sich hier- bei um eine Tagung unter den Auspizien des Völker bundes handelt, läßt diese Tatsache noch interessanter und wesentlicher erscheinen. Somit hat die Regelung des russisch- schweizerischen Konfliktes eine neue politische Konstellation in den Beziehungen zwischen Rußland und der kapitalistischen Umwelt geschaffen, dte bereits zu den kühnsten — unter den heutigen Umständen jedoch nur wenig wahrscheinlichen — Kombinationen über die künftige Einstellung der Sowjet- regicrung zum Völkerbünde Anlaß gegeben hat. Wenn sich Rußland bisher konsequent weigerte, sich an solchen internationalen Konferenzen zu beteiligen, die nicht ausschließlich verkehrötechnische, sanitäre oder ähnliche Fragen betrafen, so war dies nicht allein auf den Konflikt mit der Schweiz zurückzuführen. In leitenden Sowjetkrcisen ist man nämlich der Ansicht, daß die sozialistischen Faktoren der russischen Wirtschaft noch nicht stark ge nug sind, um die Belastung regulativer Bindungen an die kapitalistische Umwelt zu tragen. Man befürchtet, daß solche kapitalistische Bindungen sich als Hemmschuh der folgerichtigen Entwicklung der Sowjetwirtschaft zum Sozia lismus erweisen könnten. Die Sowjetregierung sieht viel mehr ihre Aufgabe darin, die schwachen sozialistischen Ele mente der russischen Volkswirtschaft zu schützen. Dieser Schutz wirb vor allem dem wichtigsten Faktor im sozialisti schen Aufbauprogramin — der Industrie — zuteil. Es ist daher verständlich daß die anfängliche Ablehnung der Ein ladung zur Wcltwirtschastskonserenz in Genua auch aus einer gewissen Sorge »m die Integrität der sozia listischen Wirtschaftselemente erfolgte, zu denen nach russischer Meinung die schuhzollfeindltchen und freihänd- lerischen Bestrebungen der Konferenzeinberufer im striktesten Gegensatz stehen. Rußland hat nämlich seit dem 11. Februar b. I. einen neuen Zolltarif, der noch mehr als der alte Tarif ausgesprochen Hochschutzzollcharakter trägt. Die wichtigste Aufgabe des neuen Tarifes besteht in einer Angleichung der Preise für eingeführte Industrie»»«« an die durchweg weitaus höheren Inlandspreise, um durch eine solche Zollbelastung des Importes der einheimischen In dustrie die Konkurrenz des Auslandes zu ersparen. Dabei ist man sehr radikal vorgegangen: die durchschnittliche Zoll belastung der einzelnen Einfuhrwaren ist auf 38 Prozent er höht worden, gegenüber 22 Prozent im alten Tarif. Im Gegensatz zum bisher geltenden Tarif wird von jetzt ab auch die Einfuhr von Industrie-Ausrüstungen und Industrie-Roh stoffen ausnahmslos mit einem Zoll belegt. Die Sowjet presse kündigt sogar eine weitere Erhöhung der Zollbelastung sowie eine stärkere Einschränkung der an sich schon wenig zahlreichen zollfreien Einfuhrpositionen an. Wenn sich die Sowjetregierung trotz allem doch entschlossen hat. die Genfer Wcltwirtschastskonserenz zu beschicken, so müssen sür diesen Entschluß gewichtige Gründe maßgebend ge wesen sein. Das wirtschaftsamtliche Blatt, die „Tkono- mitschcskasa Shisn", schreibt zu der Entsendung russischer Ver treter nach Gens, baß „ohne die Teilnahme der Sowjetunion jeder Versuch, grundlegende Wirtschaftsprobleme zu lösen» von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt" sei. Die Be tonung des Prestige st andpuuktes läßt darauf schließen, daß auch dieses Moment eine aewisse Rolle bei dem Entschluß, in Gens zu erscheinen, gespielt hat. Weitaus charakteristischer und aufschlußreicher ist jedoch die Erklärung der offiziösen „Jswestisa", daß „die Entsendung einer Dele gation nach Genf zur Teilnahme an der Weltwirtschafts konferenz deutlich zeigt, daß die Sowjetunion durchaus nicht die Absicht hat. in einer Selbstisoliernng z« verbleiben." Wenn auch die leitenden Sowietkrcise hinsichtlich ihrer Taktik aus der Konferenz erklärlicherweise nur wenig verlauten lassen, so geht ihr Bestreben doch zweifellos dahin, das russische Wirt- schaftsproblcm, in erster Linie aber das Problem der Wechsel beziehungen zwischen Rußland und der übrigen Welt, vor dem internationalen Forum in Gens in aller seiner grundsätz lichen Bedeutung auszurollen. Durch den Ablauf des deutschen 308-Millionen- Krcdits, dem keine neue Krcditaktion des Reiches gefolgt ist. ist für Rußland die Frage der Beteiligung des Aus landes am Wiederaufbau der Sowjetwirtschast dringlicher als je geworden. Man ist sich in Moskau im klaren darüber, daß das Genfer Terrain die beste Gelegenheit auch für ver trauliche Aussprachen mit den dort versammelten führenden Wirtschaftlern Europas und Amerikas bietet. Die Auswahl der russischen Delegierten beweist, daß die Sowjetregierung im Nahmen der Weltwirtschaftskonsercnz auf rein praktische Momente das größte Gewicht legt. Der Führer der Sowjet- delegation. Ossinski. der Leiter des Statistischen Zentral- amtes der Sowjetunion, ist als ein sehr maßvoller Wirtschaft ler bekannt und hat seinerzeit als Gesandter der Sowjet- regierung in Stockholm viel zur Anknüpfuna der ersten Be ziehungen zwischen dem revolutionären Rußland und Europa beigetragen. Die interessanteste Persönlichkeit nntcr den russischen Dele gierten ist aber zweifellos der ehemalige Finanzkommissar Sokolnikow. Nicht unerwähnt bleiben darf, daß Sokol, nikow noch in seiner Eigenschaft als Finanzkommissar fein«-