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Dresdner Nachrichten : 26.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189902263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990226
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990226
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-26
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 26.02.1899
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Die konservative Fraktion beS Reichstags hat Freitag Abend im Hohe»uolleriisaal des „Hotel Kailerhvs" ihr Fraktionsdiner unter vollzähliger Betheiligung ihrer Mitglieder abgehalten. Neben dem Vorsitzenden der Fraktion v. Lcvetzow sahen die Gäste: der Präsident des Reichstags Gras Ballestrem, die Staatssekretäre Graf v. PosadowSky-Wehner und v. Podbielski. ferner der Kriegs minister v, Gohler. Das einzige „Hoch" galt dem Kaiser und König. Der Fraktionsvorsitzende v. Lcvekow brachte es aus: er betonte namen lich: wen» auch bei uns Viele unzufrieden wären, so wäre es doch in Deutschland bei Weitem besser, ais in anderen Ländem. Und das verdanken wir der Monarchie und deren Träger, dem Kaiser. Dem Festmahl folgte ei» fröhlicher Bier abend. Bei diesem gedachte Freiherr v. Wangenheim des Präsi denten des Reichstags, Grasen Bnllcslrem, in dankenden Worten für sein Erscheinen und bekräftigte diesen seinen Dank durch das „Reiben eines Salamanders". — Gras Vallestrein antwortete. Er sei. so etwa sagte er, der Einladung gern gefolgt, weil die beiden Fraktionen, die der Konservative» und des Eentrums, sich eins suhlten aus dem Hoden der Anerkennung der gemeinsamen Autorität: der göttlichen wie der monarchischen. Einen Sala mander könne er nicht reiben, doch trinke er auf das Wohl der Parteien, die gemeinsam für die Stärkung der Monarchie und der gesetzlichen Autorität eintreten. Am 24. Februar, dem Geburtstage des verstorbenen Grafen von Caprivi. glaubte, das „Bert. Tagebl." den, Andenken des ver storbenen Freundes einen Dienst erweisen zu sollen, indem es eine Anzahl von Privatbricfen veröffentlicht, die der „Einsiedler von Skyren" a» den Redakteur des Blattes Nicolai nach seiner Ent lassung geschrieben hat. In einem dieser Briese Hecht es: „Ein nicht unerheblicher Theil meiner Motive (als Reichskanzler) hatte Bezug aus den Fürsten Bismarck, und ich darf so viel wohl Ihnen gegenüber aussvrechen, daß ich bei aller Anerkennung des Glanzes seiner Person und unserer Heldenzeit, schon che ich Kanzler wurde, erkannt zu haben glaubte, wie schwere Schäden die Kehrseite jener glänzenden Medaille zeigte. Der Ration behilflich zn sein, daß sie ohne an den neugewonnenen nationalen Gütern Schaden zu leiden, m ein Alltagsdaiein zurücktehrte, in dem sie ihre alten Tugenden Wiederfände. ichien mir das nächste, voraussichtlich nur im Laufe der Jahre zu erreichende Ziel. Fürst Bismarck hatte, wie ja schon oft ausgesprochen ist, die innere Politik mit den Mittel» Ver äußeren geführt, und die Station war in Gesahr. ihren sittlichen Standard sinke» zu sehe». Jndcß auch mir hierauf jetzt »aber ein- rugehen, würde mir nicht recht scheinen. Weiter werden Sie sich selbst sagen, ivie vorsichtige Behandlung das persönliche Verhältnis; zwilchen Kaiier und Kanzler fordert, wie tief es i» die Amtshand lungen des Letzteren eingreist und wie wenig davon an die Oeffentlichkeit komme» darf." Hierzu bemerkt die „Dtsch. Ztg.": Dieser Brief ist sehr werthvoll. Er enthält den dokilinentarischen Beweis dafür, daß Eaprivi immer ei» Gegner des Fürsten Bis marck gewesen ist. daß Fürst Bismarck Recht gehabt hat mit seinen Vorwürfen: Caprivi habe gegen ihn gearbeitet, und cs ist endlich der Beweis da. daß Herr v. Eaprivi mit dreier durch kein staats- männffches Wissen gestützten, durch kein staatsmänniiches Arbeiten echrobten. grundsätzlich antibismarckschen Gesinnung cs gewagt hat, die erste Stelle im Reiche einznnehmen mit dem kecken, unglaub lich unverantwortlichen und Sclbstvewnßksei» athmende» Entschlüsse, Alles anders zu machen, als cs in der Bismarck'ichen Aera war. Und diesen Mann nennt das „Berl. Tagebl." „bescheiden"! Un glaublich anmaßend erscheint wohl Jedem das Ziel, was er sich gesteckt haben wollte: das deutsche Volk zu seinen durch Bismarck verdorbenen „alten Tugenden" zurückzuführen, ihm nach dem Sumvf der Bismarck'schen Zeit wieder einen „höheren sittlichen Standard" zu verschaffen Der Erfolg hat es ja gelehrt: Wir haben aus alle» Gebieten zurückkehren müssen zu der Bismcirck'schen Politik. ZurUckkehi.cn müssen!' Auch die ..Nat. Zta." findet, daß mit der Veröffentlichung des „B. D." dein Grafe» Eaprivi schwer lich ein Dienst erwiesen werde. Er erscheine darin politisch eher noch unbedeutender, als man ihn bisher cinzuschänen hatte. Tie ,B. B.-Ztg." sagt: Es ist unbegreiflich, wie eine Zeitung sich dazu hergeben konnte, solche Acnßerniigen aü einen ihrer Mitarbeiter ab- ziidriickcn, da sie doch fraglos als vertraulich gelten mußten. Unbegreiflicher noch, daß mit dem Abdruck der zweite Reichskanzler gcehrt werden sollte. Dieses Zeugnis; unglaublicher Selbst überschätzung wird die größte Sentativn machen und den Manen des Grafen v. Caprivi mehr schaden, als selbst der bekannte Brief nach Wien dem Lebenden zu schaden vermocht halte. Die Logik des Angriffes gegen Bismarck in diesem Schreiben ist waghalsig und ungeheuerlich. Bismarck steht zu hoch, um ihn in Schutz zn nehmen, wenn jetzt vnblizirt wird, daß sein einstiger Nachfolger den Mnth hatte, der Befürchtung Ausdruck zn geben. Bismarck s Art zu regieren, werde den sittlichen «Standard der Nation schädigen. Das schrieb der Mann, der unter Bismarck arbeitete und Kaffer Wilhelm des Große» Rathgeber wie Jenen selbst nahe genug sah, um sic nach Verdienst zn benrtheilen. Tenn was hier von Bismarck gesagt wird, fällt auf den greisen Monarchen mit zurück, der Bismarck s Politik prüfte und billigte. Aber der Ge schichte ist niit dieser- Publikation ein großer Dienst geleistet worden. Jetzt wissen wir, warum der zweite Kanzler sich beim großen ersten nicht Raths erholte — er wußte ihn nicht zn würdigen, er verkannte ihn mit einer Seele, die zu klein war, um das Geniale erfassen und verstehen z» können! Bei der Andren; des Vorsitzenden des Vcrwaltiingsmthes der Aachen-Münchcncr Fenerveisicheinngs-Gesellschast überreichte dieser dem Kaffer 250,000 Mark zur freien Verfügung für gemeinnützige Zwecke. Der sozialdemokratische Terrorismus, schreibt die „Kons. .Korr.", hat sich in den letzte» Tagen bei der Besprechung des „Löbtancr UrtheilS" im Reichstage so eklatant gezeigt, daß minmehr kein Zweifel darüber mehr bestehen kann. Die sozialdemokratischen Redner, die sich Anfangs bar Aenpernngcn in dieser Sache drücke» wollten, aber durch das energische und sieghafte Verhalten deS sächsischen Oberstaatsanwalts aenöthigt wurden, ihre in ihrer Presse hernmgeschleiften Verdrehungen auch im Parlament zu ver treten, vermochten trotz ihres zahlreichen Auftretens und ihrer un endlich langen Auslastungen die Korrektheit des UrtheilS nicht zu entkräften. In dieser Lage suchte nun die gcsammtc sozialdemokra tische Kohorte durch Terrorismus zu wirken und die gegen sic ans- tretendeir Redner nieder zn schreie», durch Zwischenrufe zu ver blüffen oder sonst am Rede» zu hindern. Das gelang den Herr schaften aber nicht: weder der sächsische Oberstaatsanwalt noch der konservative Redner Dr. Oertcl, der mit großer- Treffsicherheit und mit augenscheinlicher Wirkung für de» sächsischen Richterstand warm eintrat und als die wahrhaft Schuldige» in dem Löbtancr Prozeß die Sozinldcmolmte» bezeichnete, verloren ihre Ruhe leinen Augenblick, und die „Genossen" mußten dieses nachträgliche Gericht trotz rillen Tobens über sich ergehen lnssen. Ein der Svzinl- deinvkratie so wohlgeneigtes Blatt wie die Berliner „Volks- zeilung" schreibt, „eS bracb ein Sturm hervor von einer Gewalt, wie er seit Langem nicht im Deutschen Reichstage dagewcsen ist". Nach dem Eingreifen des zweiten Vicevräsioemcn gegen die toben den ^Genossen . das das genannte demolratische Blatt natürlich mißbilligt, „erhoben die Sozialdemokraten einen gewaltigen Lärm". „Während dieses Aufruhrs (!) siel ans der Mitte der Sozialdemo kraten der Ruf „Frechheit". Als Herr Dr. Oertel zu sprechen be gann. wurde der a»danernde Lärm noch betäubender. Die Sozial demokraten riefen fortgesetzt „zur Tribüne" und verhinderten da durch den Redner am Sprechen. Ma» hatte den Eindruck, als beabsichtige die äußerste Linke Obstruktion zu treiben." So die -Volkszeitnng". In der Thai machte das terroristische Gebahren der „Genossen" den Eindruck, als verhindere die Herren Sozial demokraten nur das Bewußtsein ihrer »nmeriichen Schwäche vor dem Drausaehcn mit Fäusten ü la Löbtau. Deutlicher als durch dieses Trervcn, das, wie ans einer Bemerkung der „Kölnischen Zeitung" ersichtlich ist, thcilweise von Herrn Singer dirigirt wor den zu scin scheint, kann die Berechtigung der Behauptung, daß die Löbtauer Vcriirtheilten die Opfer der sozialdemokratischen Auf reizung und Neigung zu Gewaltthaken nicht illnstrirt werden. Einen anmnthigcren Ausblick auf die Behandlung volitischer Geg ner im sozialdemokratischen Ziikunfsstaate kann man sich nicht denken. Zu den letzten Ekandahecnen im Reichstage bemerke» die liberalen „M. N. N.": Die Auftritte, die nicht zu Ehren der deutschen Volksvertretung die Reichstags-Sitzung vom Donnerstag verunziert haben, dürfe» nicht ohne nachdrückliche Verwahrung hin gehe». wenigstens vvn jenem Theil, der die öffentliche Meinung vertretende» Organe, der unser Parlament nicht aus das Niveau attdecer, lan Skandalseeucn gewöhnter Parlamente berabsinkcn heben möchte. Begreiflich genug ist der Zorn und Ingrimm der Sozialdemokraten, die cs bitter empfinden, daß die unanshöiliche Wiederholung der hetzerischen Rede» im Reichstag nicht den Ein druck macht, an de» sie in ihren Versammlungen gewöhnt sind. Und verzehnfacht wurde dieser Verdruß durch die Wahrnehmung, daß mit dem Lobtauer Urthell nicht die agitatorische Berwerthung dmchzusetzen war» die man sich davon versprochen hatte Aber in dieser Gemüthsstimmung liegt selbstverständlich nicht eine Ent schuldigung für den brutalen Versuch, die Gewohnheiten leiden schaftlich erregter Partei-Versammlungen, das Niederbrüllen aeg- nerhcher Redner und daS Einschüchtern anders Gesinnter, aus den Reichstag »u übertragen. Die Sozialdemokraten befolgen mit Vor liebe eine Taktik des Verleugnens eigner Thalen, aus die immer Wiede, aufmerksam gemacht werden muß, weil sie von den gut- müthigen Leuten, die sich in den holden Wahn von einer Mauicr- ung der Partei kineinreden lassen und tn der Sozialdemokratie einen Bundesgenossen bei emster lozialreformatvrttcher Arbeit erblicken möchten, nicht genügend beachtet wird. Geleugnet werden die sozialdemokratischen Ausschreitungen bet Streiks, obgleich die Chronik dieser Ausschreitungen zahlreiche Blätter ansüllt: geleugnet wird das brutale Aultrete» gegen andere Parteien, obgleich die Zahl der von sozialdemokratischen Eindringlingen gesprengten Ver sammlungen Legion ist; geleugnet wird die Beschönigung der mörderischen Löbtauer Rohheiten: geleugnet wird die Verrohung des varlamcntarijchen Tones durch die Sozialdemokratie, eine Ab leugnung. die ihre beste Illustration in der Reichstags-Sitzung vom Donnerstag sindet. Tie Ausweisung des Wiener Korrespondenten Dr. Frischauer aus Paris macht ziemliches Aufsehen. Auch wir. schreiben die „B. N. N.". können einen Beitrag zu der Thatiache liefern, mit welcher drakonischen Strenge zur Zeit in der französischen Republik die Eeniur. beionders für Telegramme nach dem Auslände, geübt wird. Unserem Pariser Korrespondenten wurden in einem einzigen Telegramme 50 Worte gestrichen, andere seiner Telegramme wurden gar nicht befördert, obwohl sie nur ruhig objektive Mittheilungen der Vorkommnisse und Schilderungen der Lage enthielten. Baron Reuter, der Begründer des Reuter'schen Bureaus in London, ist im Alter von 78 Jahren in Nizza gestorben. Oesterreich. Der Wiener Stadtrath hat einstimmig einen Antrag angenommen, nach welchem den Berichterstattern der „Neuen Freien Presse" wegen absichtlich entstellter Darstellung der öffentlichen Einrichtungen, sowie der wirthschnstlrchen und gesell schaftlichen Zustände Wiens und wegen ihrer feindseligen Haltung gegenüber der Gemeindeverwaltung der Eintritt in den Sitzungs saal des Wiener Gememderaths verboten wird. Frankreich. Im Gemeindcrath zu Bordeaux spielte sich ein politlicher Zwiichenfall ab. Der Maire hatte eine Glückwunsch- Adresse an Herrn Loubet vorgeichlage», als der Stadirath Borcau- Lajanadie energisch vrotestirte und ausrief, er werde sich nie an einer Svnivatlsiekundgebung für den Panamapräsidenten bclheillgen. Diese Worte riesen eine ungeheure Erregung hervor und gaben zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den'Stadträthen Veranlass ung. Besonders laut ertönte der Ruf: „Es lebe die soziale Revolution!" Die Streitigkeiten setzten sich auch »ach der Sitzung fort, und es kam z» Schlägereien in den Vorhallen des Stadthauses. Die Zeitung „Petit bleu" veröffentlicht eine Unterredung mit General Roget. der erklärte, er erinnere sich nicht daran, daß Deroulede ihm zngeruse» habe, er solle nach dem Elysee marschiren. Man mache, sagte der General, keine Revolution mit einem zadcaencral; dazu seien höher stehende Militärs nöthig. Er sei der Ansicht, daß Deronlcdc nicht ganz bei Verminst sei. Brigadeaencral; dazu seien höher stehende Militärs nöthig. sei der Ansicht, daß Deronlcdc nicht ganz bei Verminst Mehreren Blätter» zufolge habe Teronledc beim ersten Verhör ge leugnet, gerufen zu haben: „Nach dem Elhü-e!" Andere Blätter theilen mit. Tvrvulede habe sich dem Potizeilommissar gegenüber geradczu gerühmt, daß er gegen das Elhiee zu marschiren be absichtige. Ter Ehes des Sicherheitsdienstes in Paris Hot begonnen, am Sitze der Patriotenliga in dcr Rne des Petits Ehamvs HauSsnchniig zu hatten. Zur O cffnung der Schlösser wurde ein Schlvsser hinzugezogen. die Haussuchung dürfte längere Zeit in Anspruch nehmen. (Wiederholt.) In der Rue Saint Paul in Paris sollte eine Versammlung der Patriolenliga stnttfinden, in welcher Millevvhe sprechen wollte. Die Polizei untersagte indessen diese Versammlung. Trotzdem sammelte sich eine große Menschenmenge in der Straße an. Die Polizei nahm erwa 20 Verhaftungen vor. Kein ernstlicher Zwffchen- fall ist Vvrgekommen. Millevope, der anwesend war, war bemüht, seine Freunde zu beruhigen, damit der Fall Täroulede-Habert nicht »achlheilig beeinflußt werde. lieber die strafrechtliche Verfolgung der Tepntirteu Dörouledc und Hadert werden folgende, bereits in einem Theil» der gestrigen Auslage mitgctheilte E-in;e!beiten berichtet: In der Sitzung der Depnlirtenkammer herrschte lebhafte Bewegung. Prä sident Deschanel theilte dem Hause mit, er habe ein Gesuch uni Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung der Teputirtcn Deroulede und Marcel Hadert erhalten. (Rufe: Vorlesen.) Teschanel verlas das Schreiben des Geiieralstaatsaiiwalts. worin er in seinem Schreiben um die Ermächtigung nachsucht. Deroulede und Hadert gerichtlich verfolgen zu dürfen, weil sie die Truppen ihrer Pflicht abwendig machen wollte». Eastelin brachte einen Antrag ein. Derouleae und Hadert vorläufig in Freiheit zu setzen, ohne der weitere» Verfolgung der Angelegenheit vor- zngreffen. Redner betonte die Liebe Döroulede's und Habert's zur Repnblil und gab der Ansicht Ausdruck, daß seine Freunde nicht in dem Maße schuldig seien, wie man behaupte. Minister präsident Tnpnn erklärte, die Frage der gerichtlichen Verfolgung müsse in kürzester Frist entschiede» werden und beantragte, die Kammer möge iofon in den Bureaus die betreffende Kommission ernennen, damit der Bericht noch heute eingebracht werde. (Beifall.) Lasies (Nationalist) sagte, er sei bis znm Kaseriienthvr in der Ge sellschaft Dvrouläde'S sind Habert's gewesen, und verlangte, in die gerichtliche Verfolgung einbegriffen zu werde». Nach der Er klärung des Präsidenten Teschanel, die Kammer werde in den Bureaus zusammcittreten. wurde die Sitzung siiSpendirt. Um 5 /< Uhr winde sic wieder ausgenommen. Millcbone, der in Frei heit gesetzt worden ist, nahm an der Sitzung Theil. Die meisten Minister waren zugegen -. das Haus und die Tribünen waren dicht besetzt. Tepntirier Sanzet verlas den Bericht, welcher besagt, die Kommission sei einstiiunilg für die Genehmigung der strafrechtlichen V>-rsolgnng D^ronlede's und Habert's und sürdieAnfrecherhaltirng der Gefangcnbaitnng beider Depntirten. Wenn die Angaben uber das Verhalten Beider sich als zutreffend erweisen würden, könne man dasselbe nicht stark genug tadeln, denn es wäre ein Attentat gegen die Republik und eine Beleidigung der Armee. Ter Bericht rühmt schließlich die Haltung der Pariser Bevölkerung. Eastelin (Nationalist) erklärte, er bekämpfe nicht die strasiechtttche Versvlgnng der beiden Depntirten. denn er glaube, daß Däwnledc und Habert selbst sie wümchen. (Ironische Zurufe.) Millevohe führte ans, es liege nicht im Charakter eines großen Patrioten wie Deroulede, vor der Verantwortlichkeit zurückznwcichen: aber er. Redner, be greife nicht, wie man, wenn man die besten Bürger verfolge, andererseits seit einem Jahr Leute straflos herunilaiisen taffen tonne, die mit dem Ausland konipirirt hätten. (Große Unruhe.) Tie Kammer beschloß hierauf, indem die zustimmenden Mitglieder die Hände erhoben, die Genehmigung zur Strasverfvlgnng Termilode's und Habert's zu crtheilen. Ter Antrag Eastelin, die beiden Devntieten prvvffvrffeb in Freiheit zu setze», welchen Antrag der Antragsteller anfrecbt erhielt und den die Regierung bekämpste, wurde mit -lM gegen 100 stimmen abgclehnt und die Sitzung hieraus geschlossen. — Deroulede und Hadert wurden Abends 6 Uhr in das „Prison de la Sank«" übergesührt. — I» einem Briefe an den Ministerpräsidenten Dnpnv erklärte Döronledc. er iei nicht verhaftet worden, weil er in die Kaserne cingedrunge» sei, iondeni weil er in dem Kaiernenhofe eine Ansprache a» die Truppen gebalte» habe, nachdem er versucht hatte, sie »ach der Place de la Nation mit sich zu ziehen. Jede andere Versio» ici falsch; er wolle sich hinter keinerlei Zweideutigkeit verschalle». — Der Brief, durch welchen der Generalstaatsanwalt den Präsidenten der Kammer um die Ermächtigung bittet, die gerichtliche Verfolg ung der Depntirten Dorvuledes und Habert einzuleitcn. hat daß ans der Place de la Nation, als der Generat an der Spitze einer Brigade zu der Beisetzung des Präsidenten Felix Fanre zur Kaserne von Rensllv znrückkrhrte. eine Bande von etwa 200 Per sonen uiiter Führung Deroulsde's sich auf die Kolonne gestürzt und sich zwischen den General und die Sapeurs gedrängt hat: daß sodann eine dieser Per-sonr» versucht hat. das Pferd des Generals aiifzilhnltcn. welches sich jedoch frei gemacht hat; daß die Bande, welche, ivie es schien, dem Däronlede gehorchte, den Sapeurs gefolgt ist unter den Rufen Viva I'niinsa; daß ferner der General, welcher z» bemerke» glaubte, daß man versuchte, die Truppe nach der Rne dn Janbonrg Saint Antoine abziilcnke». die Truppe durch ein Zeichen mit dem Säbel in der zu verfolgenden Richtung festgehalten hat; daß es einem Zuge, dem der General befohlen hatte, zu versuche», die Personen, welche sich zwischen die Truppen gemengt hatten, zu vertreiben, nicht gelungen ist. die Leute zur Seite zu bringen; daß an der Rue de Reuilly, als die Truppe nach rechts einvog, um in die Kaserne elnzumarschiren, der General > geglaubt hat. Rufe zu vernehmen »L Karl»" und dazwischen Ruf» „vivo l'armes", dag eS denjenigen Theilnehmrm an der Kund gebung. welche ln der ersten Reihe waren, gelungen ist. zugleich s mit den SapeurS ln die Kaserne einzutreten. etwa 18 Personen: . daß der General den Kalernenhos räumen ließ, aus welchem dann nur zwei Personen »uriickblieben. Dsrvulsde und Marcel Habert. bekleidet mit ihren Abgeordneteiiabreichen: daß der General von Weitem diele beiden Herren Rufe hat ausstoßen hören, ohne aber bestimmte Worte unterscheiden zu können: daß Tsroulöde sodanir sich an einige Offiziere des 82 Linien-Regiments zu wenden schien, welche i» seiner Nähe waren: daß diese Scene sieben bis acht Minuten gedauert hat: daß Tsroulsde und Habert sich geweigert haben, der Aufforderung, die Kaserne zu verlassen. Folge zu leisten, und daß daraus der General sie hat sestnehmen und in die Wach stube führen lassen, schließlich, daß Deroulede dort zu ihm gesagt hat, der General habe persönlich Unrecht, die Sache nicht so ernst ansznfaffen, als sie es sei. denn dieser Umstand könne ihn nur kvmpromittiren und ihnen selbst nützen. Nach der Verlesung des Verhastsbesehls erklärte Deroulede Cochesert, er habe sich nach der Place de la Nation in der Absicht begebe», die Truppen zu einer ausslündischen Bewegung fortzureißen und die parlamentarische Republik zu stürzen, um eine plebiszitäre Republik an ihre Stelle zu setzen. Da die angegebenen Thntsachen derart sind, daß sie. wenn sie erwiesen werden, das Vergehen einer durch Reden und Ausrufe an öffentlichen Orten gegen Angehörige des Landheeccs in der Absicht verübten Provokation bilden, die Letzteren von ihren militärischen Mickten und dem Gehorsam abwendig zu machen, welche sie ihren Führern im Dienste schuldig sind, ein Vergehen, welches nach Art. 25 des Gesetzes vom 20. Juli 1881. das durch Gesttz vom 12. Dezemver 1893 nwdffizirt wurde, bestraft wird — und da ferner Dvrvnlede und Marcel Habert auf frischer That verhaftet sind, ist gegen sie aus Grund besagten Artikels die Unter suchung eröffnet worden." Schweiz. Das langiährige Mitglied des Bundesratbs Welti. welcher iechs Mal Bnndesvräsident gewesen ist. ist gestorben. Russland. TaS Stockholmer „Aftonbladet" enthält einen Bericht aus Helsingfors. in dem es heißt, nachdem der russisch! Kaffer abgelehnt habe, das Präsidium des sinuländiichen Landtags zu empfangen, bleibe dem Landtag nichts Anderes übrig, als die Weiterbcrathung der Militärvorlaae zu verweigern. Ti? Unruhe im Lande nehme zu; die Bevölkerung beginne. Trauerkleiduiig anzulegen. Türkei. Ein Jrade zur Einberufung der unisormirtrn Ersatz bataillvne des 2. und 3. Korps behufs Koiikrvle der Mannschaften und znm Zwecke von Nebnnge» ist erlassen worden Tie Cinberui- ung der Adrianoveler Bataillone hat begonnen. -- Bei zahlreichen in Kvnstantlnvpel lebenden Macedvnicrn haben Haussuchungen siattgesimde», mcbrcre Verhaftungen wurden vorgenvmmcn. Anicrika. General Otis meldet ans Manila: In dev Nächte» des 2l. und 22. Februar und am 23. früh gelabten die Truppen der Insurgenten biL zu den Ausläufern der L-tadt in de» Rücken der amcritmiischcu Linien. Etwa l000 derselben hatten sich verschanzt. Sie wurden vollständig geschlagen und hatten einen Verlust von 500 Tvdten und Verwundeten; 200 wurden gefangen genommen. Ter Verlust auf amerikanischer Seite ist sehr gering. Die Stadt ist ruhig; das Vertrauen der Bevölker ung ist wieder hergeilellt und der Geschäftsverkehr nimmt seinen Fortgang, (Wiederholt) Die Bitte General Dewey's um Entsendung des Schlacht schiffes „Oregon" hat die amtlichen Kreise in Washington überrascht. Dort herrscht einige Besorgnis;, ob Tewev nickt nach Mitteln suche, um einer möglicher Werse bevorstehenden Intervention der europäische» Mächte ans den Philippinen zuvor zu kommen. Mau glaubt, daß bei den letzten Bränden viel fremdes Eigenthum zer stört worden ist und daß einige Kommandanten der i» den dortigen Gewässern stationirten srcmden Kriegsschiffe erklären könnten, daß das Interesse ihrer Landslenie geschützt weiden müsse. General Otis will in einer Woche 2500 Mann Berstärkniig haben. Marine sekretär Long erklärte, es sei sicher, daß die Bezugnahme Dewen's ans politische Gründe in seinem telegrapbiichen Gesuch um Ent sendung der „Oregon" keine internationale Bedeutung habe. In anderen der Marine nahestehenden Kreise» ist man der Ansicht, daß Tewev die „Oregon" brauche, um eine Anzahl kleinerer Schisse seiner Flotte zum Zwecke der Einsetzung der amerikanischeil Herrschaft nach den übrigen Inseln des Archipels entsenden zu können. Ter frühere Jnsurgeuteusührer Marimo Gome; ist gestern Nach»iittag. begleitet von dem General Lndlvw und seinem Ltabe. einer Abiheilniig Kavallerie und von 200 bewaffneten Enbanern zu Pferde und zn Fuß in die Stadt Havana eingczogen. Unter oer Benolfernna benscht große Begeisterung. Asien. Die Kaiienn-Wittwe von China ist höchst entrüstet über die Tödtniig der Chinesen in Tasiemvan; sie hat das Tsungli Namen aiigeivieicii. in schärfster Sprache gegen das un erhörte Vorgehen der Russen zn protcstiren. welche ganz direkt die Bestimmungen der Konvention von Port Arthur verletzt hätten, in der keine Klausel enthalten sei, welche den Russen die Ermächtigung gäbe, Steuern zn erheben. Kt sei kn. Meldungen aus Tsibuti zufolge bemächtigte sich Meuelik Ras Mangascha's und kehrte mit Leouijew nach Avis Abeba zurück. Knust und Wissrnschast. -s- König!. H o fs ch a u s p i e!. Ein neuer Prätendent für das in Bälde erledigte Fach eines ersten Bonvivants an unserer Hofvühne stellte sich vorgestern in Herr» Lebius vom Stadt- theatcr in Stettin vor und zwar als Röcknitz in Sudermann'S „Glück im Winkel". Tic Rolle dari nicht als ausschlaggebend für die Beurtbeilung eines Darstellers betrachtet werden, vollends nicht für die eines solche», wie ihn linier Ensemble gerade in diewm Falle braucht: dafür ist sie zu exceptionell und wird schließ lich von jedem Fach in gleicher Weile in Anspruch genommen werden können. Dazu kommt, daß man de» ostelbsichen Herren menschen sehr verschieden anffuffen kann und daß gewisse äußere Vorzüge, über die der Galt übrigens in beträchtlichem Maße ver fügt, für den Erfolg maßgebend sind. Herr Levins spielte den ber Licbte geiehcn recht theatralisch schillernden Renommisten in glücklichster Repm'entatiou als den heiteren, etwas brutalen Genußmenschen, dem ma» trotz seiner Gefühlsduseleien, die ihm doch nur Mittel znm Zweck sind, nicht wett traue» darf. Eine gewinnende Manier, ein chevaleresker Ton und eine natürliche Art, sich zu bewegen, sowie eine verläßliche Bühueusichcrhest nahmen im ersten Akt für den Künstler ein, der die „forsche Männlichkeit", daS Jnnkerhafte in dieser Figur recht geschickt be tonte. Im zweite» Akte, i» der großen «scene zwischen Röcknit; und Elisabeth, wußte er durch den wannen Ton eine, künstlerisch ökonomisch veewertheten und gut gesteigerten Leidenlchüflttchkeit: den günstige» Eindruck, den er schon vorher gemacht hatte, noch zu erhöben, wenn auch hier vielleicht Manches noch zu äußerlich und zu lärmend, nicht ruhig und sicher genug in der Anlage war. WaS wußte Mitterwurzer auS dieser Scene zu mache»'?! Er hob durch die vezwimgende Macht seiner starten Persönlichkeit von vorn herein diese Theatersigur von Sndeimann's Gnaden zu der auf richtige» Größe eines heiter lächelnde» Siegers a Ir Ton Juan und wnßte dein Röcknitz etwas Giganteskes zu geben. da-S iede Niedrigkeit von seinem Charakter nahm. Das gab dem Ganzen auch lene Geschlossenheit der Wirkung, die der ans der Messerschneide tialmicirendcn «Lcenc alles Abstoßende nahm: vorgestern wurde man dagegen wieder de» Eindruck nicht los, als ließe sich Elisabeth doch nur durch die äußeren, phvsische» Vorzüge dieses renvmmiren- den Kraftmenschen bestechen. Eine Minderung gewisser provinz- mäßiger Spielzuthateu, als da sind: beständiges mit de» Augen zwinkern, Zähnefletschen »nd Fäusteballen, wird sich Herr Lebius hoffentlich noch abgewöhnen. Amt, dein Organ wäre mehr Farbe und ModulativiiSfähigkeit zu wünschen. Aber schließlich ist nicht immer Alles beisammen, und der erste Eindruck, den Herr Lebius vorgestern hinterstes;, war ei» derartig vielversprechender, daß man seinen Heiden nächsten Cngaaementsgastsvielen nicht ohne Interesse entgegensieht. — Die Ausnahme des Gastes war beim Publikum nicht »»sreuiidlich, aber ziemlich reservirt. Man war augenschein lich nicht in Geberlaune. IV. -j- Der Dresdner Tonkünstler-Verein wählt für seine Ausführungs-Abende i» der Hauptsache bekanntlich selten gebürte oder in der Besetzung und Ausführung nicht allen Knmmeriiuisik-Bereinignngen zugängliche Kompvsitione» von klassi scher und hervorragend moderner Provenienz. Daß besondere Raritäten im Verein von Zeit zu Zeit eine Wiederholung er fahren, ändert nichts am Prinzip vieler Bestimmungen, iin Gegen- theil führen gerade die Wiederholungen zu der oft sehr lehrreichen intimeren Bekanntschaft der mnsikalischen Seltenheiten. Der vor gestrige zweite Aufsühruugs-Abend — ansgezeichiret durch den Besuch Sr. Majestät des Königs, der Kvuigl. Hoheiten Brü- V*«»-irer Nachrichten. 57. Leite 3. M» Sonntag. 2<i. Februar 188N
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