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Dresdner Nachrichten : 26.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189902263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990226
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990226
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-02
- Tag 1899-02-26
-
Monat
1899-02
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 26.02.1899
- Autor
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Lette 1VV. BelletriMfcke SountasS-Beilage »u de« «Dresdner Nackrichten". Allerlei friv Hie Avcrrrerrrvett. N rk'p r u ch: Schwer ;u vettiage« ist für eines Mannes Magen Ein Weib, das niemals weiß. wieviel die Uhr geschlagen: Er hat zu rechter >',cit nicht Früh- noch Abendschmaus, Und Ordnung fehl: der Welt, weil sie ihm seklt im Haus. Rückert. Die Sorge. Es dämmert. Am Tische, in kalter Stube, sitzt ein junges Weib. Still ist es im kleinen Gemach. lltur des schlummernden Kiiwes Athemzüge hört mau und das ewig gleichmäßige Tick-Tack der alten! Uhr. Jetzt hebt sie zum Schlage sns. Mit feierlichem Tone verkündet sie § sie Stunde. Das Weib schrickt zusammen nnd seufzt auatvoll aus. „Wie die Zeit vergeht! Schon wieder fünf Uhr!" Von Neuem beugt sich das kummervolle Antlitz über die losen Blätter. Rechnungen — Rechnungen, die bezahlt werden sollen, bezahlt werden müssen — wenn Frau Grete nur erst wußte, wovon! Verzweifelt starrt sie, das blonde Haupt in die Hand gestützt, am den Wust der Papiere nieder. Da knistern teste die todten Blätter - Frau Grete wich bleich — und ein graues Etwas kriecht langsam ans all' den Rechnungen und Mahnbriefen hervor. Das höhnische Gesicht eines ipinmvedcdünnen RtäimleinS grinst sie an. Bebend blickt sie in die unheim lich schillernden Augen des Kleinen. Es ist ihr, als griffen eiskalte Hände «ach ihrem Herzen, als müsse sie ersticken mitcr einem unsagbaren Angstgefühl. „Wer bist Du?" ringt es sich endlich stagend von ihren Rippen. „Hihi! Der Geist der Sorge!" lacht der Graue mit häßlicher Stimme. Stöhnend streicht sich das Weib die blonden Löckchen aus der Stirn. Ta regt sich das Kind. Leise beginnt es zu weinen. Frau Gwte erbebt sich hastig und eilt zu der schmucklosen Wiege. Ihr Kind! Ein flüchtiges Lächeln erhellt die kummermüden Züge Roch verlor sie so nicht Alles! Das Kind — ihr Kind — es ist ihr geblieben. Am Bettchen kniet sie nieder, um das Kleine zu beruhigen. Sie muß za noch arbeiten — rechnen — Und wie sie sich über das dunkle Köpfchen beugt, wie sie sich Trost holen will ans den unschulds- vollen rtinderaugen. da fährt sie mit einem Mate jäh zurück. Ter Geist der Sorge hockr zwilchen den Kissen. Sie hört sein spöttisches Kickern, sie schließt die Augen, Mt sich die Ohren zu — umsonst. Alles umsonst! Ta rafft sie sich aus und sticht aus dem Zimmer. Tiefalhineno steht sie vor der Thür der Werkstatt. Ob sie eüttritt? Zagend legt sie die Hand aus den Drücker. Endlich steht siedrinn in dem weilen, teeren Raume. Hier hat er geschafft, der fleißige, emsige Mann, geschafft, unermüdlich für sie nnd das Kind. Nun ist es so öd' lsier! Das Unglück, das große, unfaßbare ist in das stille Haus gekommen, hat den fröhlichen Manu in den Tod getrieben, hat dem Frieden die Thür gewiesen. Krau Grcle schauert zusammen. Die grüne Ardeits- schürze hängt noch an einem Haken des Fensters, dort in der Ecke liegt noch das Winkelmaß. Sie beugt sich herab, um es nichilheben. Da taumelt sie plötzlich mit einem Angstschrei zur Seite. Sie will die Schürze sortnehmen — entsetzt läßt sie dieselbe zu Boden gleiten Ans dem Winkelmaß saß der Geist der Sorge und starrte sie ans bohlen Augen an, aus den Falten der Schürze grinste ihr des Granen häßliches Gesicht entgegen Wo ße geht nnd steht, überall, überall verfolgt sie das nnheimliche^Gespenst! — Und wieder sitzt sie am Titche vor ihren Rechnungen, und die sorge. die nagende, kriecht ihr n.,merklich vis ür's innerste Herz. Das Kind ist von Neuem ein- geichlummert. Langsam tickt die Ubr — dann bleibt sie stehen. Man dal vergessen, sie auszuziehen. Frau Grete schreibt und schreib!. Jetzt legt sie die Feder bei Seite und preßt einen Augenblick die kühlen Hände an die vochenden, Ichmerzenden Schläfe. Kaum vermag sie zu alhmen. Tie Sorge schnürt ihr die Brust, die Kehle zusammen. Wie soll er cnocn, der Jammer ? Wer wird ihr den Weg sinden helfe« aus diesen! namenlosen Elend? Ans dein schmalen Brett a» der Wand, dem Tische gegenüber, stellt ein kleiner Thorwaldien scher Christus- Wie das junge Weib nun, Verzweiflung im Blick, ausschaut. sieht ihr Auge just des Erlösers liebeathmende Gestalt. La muß sie eines Spruches gedenken, den sie einst gelernt in sonniger Kinderzert. „Alle Eure Sorge werfet auf ihn" — flüstert Frau Grete, die müde» Hände zaghaft fallend. Sie sieht ihn täglich, diesen Elnistns, gleichgiltig ist sic sonst an ihm vorbei gegangen. Und heute! Heute kann ihr Blick nutzt loskommen davon, in die geöffneten Arme möchte sie flüchten, an des Heilands Brust ihr Weh, ihren Erdenlummec vergessen. „Kommet her zu mir Alle, die Ihr mühselig und beladen seid, ich will Euch erguicken" — auch sie will zu ihm gehen — sie will ihn nicht wieder vergessen, wie all' die Jahre hindurch — um den ver lorenen Frieden will sie bitten für sich und ihr Kind. Und dann liegt sie auf den Knieen vor ihrem Herrn imd Heiland, und ihre ganze Seele schreit zu ihm. Da löst sich nach und nach der stacre Schmerz, das Eis in ihrer Brust beginnt zu schmelzen — Gott gab ihrer Verzweiflung die lindernde Throne. Und teile — leise spült die salzige Flut allen Kummer aus dem Herzen, spickt ihn hinweg, den häßlichen, grinsenden Geist der Sorge. Rener Much, neue Zuversicht schwellt ihre Seele, und das Blümlcüi „Gottoertwueu" schlägt die Sterneuangen auf. §lw eindn-r. lieber die Kunst des BriesschrcioenS. Wenn Tu einen Brief schreiben willst, so trachte vor Allen, darnach daß derselbe dem Empfänger Freude bereitet. Wie ost wird gerade hie ui gefehlt' O weh. schon wieder ein Schreiben von Tante Minna!" r»st sie ^ansscan ans. a!S ihr der Postbote einen dicken, umfciiigrcnycp Briej überreicht: „w>e viele Klagen wird"der wob! enthalten '" Und not Unlust macht sie sich an Sa"- Entziffem der eng bc'chrrebenrn Ist Seiten, die ihr nichts lagen, ai- daß die Tante im Sommer ich- unter der Hitze oder eine. » en überttaudene» Erkält ung leidet und im Winter fast vor .Kälte erfeirtt. Ru» öffnet die Hausscau das zweite Schreiben, dessen Verfasserin ihre pstige Cousine au- Berlin ist. lieber ihre drolligen Bemerkungen nnd guten Ca-'-he „>n- nie,! st s lachen- zwar/rnd die Witze zuweilen gesucht, aber wenigstens in, der Schreiberin, zu erheitern. Plötzlich stöhnt der Hausherr beim Leien eines Brieses von seinem Bruder, der ein vielgcplagter Gutsbesitzer ist. Er jammert schon wieder über die „schlechten Zeiten", für die doch wirklich Niemand envas kann. Das Tvchterchen ist auch nicht gerade entzückt üb r ihre Pothin, die ihr wieder aus dem Papier eine Menge guter Rathschläge für s Leben und Verhaltungsmaßregeln giedt. Derartige Briefe erwecken in dem Emosängec nur ein Gefühl des Mißbehagens. und es wäre ihm viel lieber, wenn er keine bekäme. Ta habe ich eine Freundin, die so reckt die Knifft des Brieffchreihens versteht. Sie versetzt sich in Gedanken zu der Perion, an die sie schreiben will. Und als ob sie mit ihr spräche, fragt sie erst nach'dem Ergehen, er kündigt sich, wie das neue Dienstmädchen leine sehr wichtige Person im Letzen der Hausfrau sich mache, ob Paula viele Bälle besucht hat, ob der Logst bestich fort ist: kurz, fragt nach Allem, was sragcnswerth ist. Dazwischen erzählt sie von sich iclbst, ihren Theaterbesuchen, der Sorma. von deren Spiel sie begeistert ist, den neuesten Kamiüeiicrcigiiiffen, sticht auch wohl einen gruen Rath ein, aber niemals in der Absicht, ihre eigene Uebcrlegenkeit zu zeigen, sondern wirklich aus Interesse sür die Adressat,». Solche Briefe sind uns lieb und angenehm. — Stets muß man sich nach der Perion richten, an die man schreibt. Einem fröhlichen Vetter erzähle immerhin von Deinem Bciuck im Centraltheater, einem neuen frnnzösffchen Roman, den man Dir empfohlen, er wird Dich verstehen. Wehe aber, ^ivenn Dir dasselbe einer tugendhaften, alten Dame mrtlbeileii würdest: eine Ohnmacht könnte die Folge davon sei,!. Ihr wirst Tn gewiß die größte Freude bereiten, wenn Du ihr recht viele Vor lohirngeu und slerbefälle aus Deinem Bekanntenkreise nennen kam»!, oder sie um eins ihrer sichönen Häkelinrfftcr bittest. - Mache es Dir besonders zur Regel, Deine Gefühle dem Papier nicht aiizuvertrancn: Dil weißt nicht, ob sic verstanden werden. Durch manches voreilig hingeworsene Wort sind oft Freundschaften zerstört, ja die engsten Familienbande gelockert worden. Es giebt Lenke, die mehr sür sich schreiben, als für den Adressaten. Sie lassen sich hinreißen. folgen ibrcn Stimmungen, ohne sich zu erinnern, daß der Betreffende, den ne mit diesen, oir wirklich sein vsiickolognchen Analwcn ihrer Emosindiingen beehren, dieselben gar nicht zu würdigen wo»;. Wenn Jemnnd das Bedürsniß bat. sich anszuiprcchen, io tlme er es lieber mündlich, oder falls das nicht möglich ist. so erleichtere er sein Herz, indem er den ver schwiegenen Blattern eines Tagebuches «eine Gefühle anvertrcutt : dort werden sie wenigstens nicht nusgevlandert. Vor Allem sei kurz und bündig in Deiner Korrespondenz: was Du schreibst, entspreche dem Interesse des Adressaten: einer mngen Malerin schildere rubig die Eindrücke, welche der Besuch von Arnold's Kunstsalon oder des Sächsischen Knifftvereins in Dir erweckt bat, während Du eine Modedame, die nur Sinn für neue Toiletten nnd Hüte hat. dadurch tödtlich langweilen würdest. Ten To» zu treffen, die Themata enlsprecken, darin besteht in NatMuka eon rüeipünz. zu berühren, die dein Geschmack des Adressaten Wahrheit „Die Knifft des Bries'chrechens". :r ä t l? s e l - L ck e. Mit H beschützt es einen Körpertbeil. Wenn W vorhandeil, mch' in der Flucht Dein Heil! Die G besitzen, sind viel beneidet. Wer M hak, nicht schweigt und still sich bescheidel L, Äui! .?. ES ist ein .Veto. den Dil mir nennen'.nutzt, Von dem ein Dinger dunkle '.Rar uns künde!: Ein veld. in dessen tbatenkübner Brust Die Eifersucht der Rache «tztutb entzündet, Der aut des Dämons tückisch Lort gehört, Verachtend seines guten Engels Flehen, IInv den der Reue wilde Qual verzehrt, AIS seines Zweis-IS blur'gc Thar geschehen. In seinem Namen wohne!. leichi verhülle!. Ein Römerkaiiec aus r'ergrng'nen Dagen. Die Zell verwischte fall sein fluchtig Bild, Denn kur; nur dürft' er Romas Senner tragen. Und wenn Du weiter soriclüi, io grüßt Lick Der Aloenlande mulhiger Befreier, ibald Er. dessen llob zu une> veiuverichallt. Ilirslcrdlich rauscht eS in dck T angers Lever ! 0'üea. Lssunsen der Aufgaben in Nr. 13, 16, 1« nnd 18: Eid. — Hasenfuß. — S i l b e n-R ä tsel: Stahlstich. Elle, Bari Argonnen, Stachelhäuter, Tahiti, Jarnae, Adolph, Noah, Bazaine. Amalfi, Christian. Hyazinthe. Ergiebt: Sebastinn B a ch, Heinrich H e ine.- T v ii a u w ö r t h. — S ka t a n s g a t> e: Vorhand hat: Grün 7, 8. 9. Ober, König: Roth 8, 9, König, Dans: Eichel 8. Hinterhand bal: Schellen 8, 9, Ober. König. 10: Roth 7, Ober: Eichel 7, 9. Dans. Vorhand spielt grünen König aus: t. Stich: Grün-König Eickel Daus. Krün-19 — M Points: 2. Stich (Hiukorhani»: SchcUcn-Iff, Schellen Dans. Eichel-8 2l Points: 8. Stick (Vorhand): Grün-Ober, Eickel-7, Grün-Daus -- l l Points. Mit Summa M PoiiitS verloren. — M aig! ö ck ch e n. — E i r k e l. — G r ii n d » n g Liebfrauenmilch. —Kapitel. —Pantoffel Richtige Lösungeil sanLLcn ein: He'rtzbtincs. Arthur Schubert. Friedrich .Heimle, Crrniie I . Fr In rrud Karl S»oor«e BirUner, Aiar miete Jahn, Johannen Acuter, Felir und Frida A.'r üc. . . . . F'ant Saalbüch. XHvra ScUrpeck, Ernst Lenmrr, Bertha Müller, ^c>lte Schaarschnnr-t, Elisabeth nnd .Ilii - Pahlistsch. Oskar Zieaenhalö. Lzzuchen Hain und "Mar Müller, jammtlich' in Dresden. Aathnr-.na 'S-üüU'ach in Arrsa, Oswald Griestback urw Mar Kluge in .>.>ubertu bürg. Gertrud .Vrppmmm in Burgstadl, Elisabeth Berger in Frelberg. Else K.t . ner : in An. . FneJa und A'-'r?d M-'n'-el in kamen' und ^ei-n' Birl in Ebcr-Ü ach. AellelrilLilche Sonntags-Aeitage io den „Ztts-iirr Nachrichkei". TS. Soilntag, den 26. Februar. issr>. Die chinesische Mauer. Roman von Marie Bernhard tS->r!kiiM'.z.> Ties Athcm holend fuhr der Baron fori: „Meine kluge Tochter könnte sich in ihrer Berechnung irren Und wenn ich selbst die ckincsffcke Mauer sc»! toll, die Dich ab'verrt . . . Dein Wille toll Dir nickt werde»! Hier herein mit Dir. damit Du ungestört Nachdenken kannst, wie sich Töchter gegen ihren Vater z» benehmen haben." Ihn hatte die Wnth nun dock völlig Wiede: übermanitt. Tie Augen schienen von Neuen: bliituitterlarffen. das Gefickt w ir büiniick roch, die Stirn- adern schwollen gleich Strängen an. An der Hand zerrte er Nellu nach sich, zur Tbür seines Schlafzimmers, das an das Arbeitsgemack stieß und keinen anderen Ausgang hatte. Wollte er sic dort einsperren nnd den Ausgang überwachen, daß sie nicht fort konnte? Wollte erste züchtigen wie ein ungehorsames Kind, ihren Willen durch Gewalimnßreacln brechen? Allerlei abenleuerliche Vorstellungen, Romanstagmentk. übettrredeiie Ideen jagten sich in NellnS Gehirn, während sie vergebens bestrebt war. sich seinem gewaltsamen Griff zu entziehen. „Laß mich lvs!" sagte sic zwilchen den zmammengebissenen Zähnen hindurch. „Schämst Du Dich nicht, mich so brutal zu behandeln?" „Nicht im Geringsten!" stieß er unter heiserem Lachen hervor. „Sanfte nnd zarte Behandlung taugt Euch nicht! Hab' ich nickt oft vor Deiner Marter aus den Kicken gelegen und um das gesteht, was schließlich nichts war als mein gutes streckt: um ihre Liebe und Treue? Und wie hat sie mir das gelohnt?' „Sie ist jetzt krank — und ist im Elend." Nell» konnte nicht weitersorcchen. HolmlachcM hlffb der Baron plötzlich stehen und blickte auf sie nieder, obnc indessen ihre Hand frei zu geben. „Im Elend? Wirklich? Und das glaubst Du. das kluge Kind der klugen Muster? War meine chinesische Mauer doch stark genug. Dir das Verständ nis: zu veffchlü'ßcn für Dinge, die . . geling! Es hat mich rasend gemacht, ihre Handschrift zu sehen, ihren Brief zu lesen. eS mackst mich rasend, ihr Ebenbild fort und fort vor Augen zu haben! ' Wieder versuchte er, das junge Mädchen mit sich sortruzerrcn. aber er kam nicht wen. Netto wnr mit der ireieii Hund ff: ihre Kleiderlwchc gefahren und halte die tlciue Pistnle heransgerisien. „Lieber will ich sterben." begann sie — da hatte ihr Vater ihr mit einem jähen Ruck die Waffe aus der Hand gewunden. „Das ist kein Kinderivielzeiig. so klein das Tina auch ist." ries er rauh. „Und ein Menschenleben wiegt nicht leicht, ich weiß davon zu jagen! Lieber sterben! Ja. so sagen wir Alle, so Hab'auch ich gesagt — nnd bin doch leben geblieben — bin doch leben geblieben —" Seine Stimme klang mit einem Male wie tonlos und gebrochen, die Sprache lallend und unsicher. Entsetzt blickte Nello an ihm in die Höhe, da der esieriie Druck um ckre Hand sich plötzlich löste. „Und wenn ich noch jetzt — noch letzt —" Seine Gestalt kam m s Taumeln, die Augen hatten einen glasigen Blick. Langsam »ob sich leine Hand mit der Pistole gegen die rechte Schläfe empor. „Um Gottes willen!" schrie Nellu ans. „stricht das! Nicht das! Tn darfst nicht!" Mit aller Kraft packte sie leinen Arm und riß i'nn bei Seite. In derselben Sekunde ichon entlud sich die kleine Waffe mir einem bellen, scharfen Knall. Der Baron war rmveriehrt geblieben, dennoch wankte seine hohe Gestalt immer noch, wie die eines sinnlos Trunkenen. Nell» veffuckie ihn mit beiden Armen z» stützen, aber ihre Kraft reichte nicht ans. Er glitt seitwärts an ihr nieder nnd stürzte in schwerem Full besinnungslos zu Boden. Draußen gab cs ein Rennen und Laufen, ein Rüffen nnd Schreien, ein Rütteln an der verschlossenen Thür. Sic Hallen den schuß und den dröhne»' den Fall des schweren .Körpers gehört. Nello kiffeie mit verstörtem Gesicht neben den am Boden Liegende!! nieder, während der häßlich riechende Pnlverdampf sich hob nnd in lichten Wölkchen zum offenen Fenster hiiiansflattertc. Das innge Mädchen beachtete nickt das Klopfen nnd Rufen an der Thür, Solvias angstvolle Stimme war deutlich herauszilhören — sie neigte nur ihr Haupt lff s nieder n:n zu lauschen, ob er noch lebte! — noch lebte! ZwAiffang vermochte sie nichts zu vernehmen, die rufenden Stimmen waren auch zu laut; endlich, da ihr Gesicht fast die Brust der hingesilistcueir Gestalt berührte, glaubte sie etwas zu unteffchcide», das wie ein dünnes, scharfes Röcheln klang. Jetzt verstummte es ... . aber mm war es wieder da. Das Gesicht des Barons war enistelll. verzerrt — eines seiner Augen geschloffen, das andere halb geöffnet, mit starrem Ausdruck — eine Seite des Mundes ein wenig schief gezogen, als lächele er. die Wangeniniiskein schlaff herabgcmiikeii. Kein Zweifel, er halte einen Schiaaaiffall erlitten. Nellh griff mit bebenden Händen zu und löste ihm die beengende Hals binde: sofort wurde ihr das dünne Röcheln vernebiuharer. Er lebte — er winde sehen — sie durste sich seinen Tod nicht znin Vorwurf macken! Elastffch sprang sie von ihren Knieen auf. riß die Decke von der daneben stehenden Ruhebank und schob sie ziffammengcballk unter das Haupt des hilflos da liegenden Mannes. Dann drehte sie rasch den Schlüssel im Schloß nm. Beinahe das ganze Personal des Wulsshagener Schlosses strömte in daS Arbeitszimmer des Barons. Frau Starke. Lvlvia. die kleine Jlka, Grau, die Haushälterin, ein paar von den Bedieniuigsmädchen — sie Alle waren zur Stelle — die einen mit Fragen und Klagen, die anderen mit Ausrufen des Entsetzens, des Bedauerns. Mehr oder weniger batten sie Alle den Kopf ver loren. Namentlich Sylvia war fassungslos. Sie kniete neben dem bewußtlos Daliegeirdeü, bod seine schlaffe Hand an ihre Lwveii und redete weinend in ihn hinein: „Papa! lieber Papa, ivas fehlt Dir? Hofft Du mich nicht? Nur einmal siel:' mich an. — nur ein einziges Mal!" Nello schnitt mit einer ungeduldigen Handbewegung all' das Reden und Jammern entzwei. .Das hilft Alles nichts! Er muß in s Bett gebracht werden, und der Arzt muß kommen. Grau, fassen Sie an. — Sic hierher, Nanetle und Julie! Ist keiner von den Lenken sonst da? Svlphe. steh' auf nnd schaff' herbei, wen Dil findest, damit wir ihn von der Stelle bringen könne»!" Sylvia erhob sich verstört und schluchzend, wischte sich mit der flachen Hand die Thrüncn aus den Augen und stürzte fort. Schon aus der nach dem Souterrain hinadlühreiideirlTrepve traf sie den Küchenjungen, der die Tennis- Halle cumammeln Kais, und den Gärtner, Beide durch den Pistolenschuß und plötzlichen Lärm hcrbeigezogen. Mit ihnen im Verein hob Grau den Baron vom Boden am und trug ilm in sein Schlafzimmer, wo er ihn rastb und gcichnkt entkleidete. Der Küchenjunge bekam Befehl, das Anspannen zu bestellen. „Aber Nell, — aber Nell!" stammelte Sylphe erschrocken, und sie berührte die Schwester am Arm. „Du weißt doch, daß Papa nie einen Arzt duldet. Wie wll denn das werden?" Nello zuckte die Achseln. In diesem Zustand kann er unmöglich ohne ärztlichen Beistand bleiben. Oder möchtest Du das verantworten?" . lim Gottes willen, nein!" „Da!»! muß es alw geschehen. Frin; soll mit dem Anspannen eiten, so schnell als er kann, ich schreibe unterdessen ein paar Zeilen an den Arzt in P. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt!" „Es sind zwei Aerzte dort, gnädiges Fräulein!" bemerkte eines der Hausmädcken, das ans P. stammte, schüchtern. „Der Eine ist der alte Kreis- vbisikii? Rötkger, aber den nehmen die Herrschaften nicht gern, er ist schon icbr alti und soll nicht viel verstehen, die Leute sagen, er turnst alle Kranken bios immer mit einem einzigen Mittel. Oauännom heißt es, glaub' ich. Der andere Arzt, da» ist der Doktor Stamm, noch ein junger Herr, der soll aber sehr geschickt sein!" „Gut also, znm Doktor Stamm wird gefahren! Und Sir. Frau Wcide- mann, schicken so rasch wie Sie können ans dem Eiskeller euren Eimer voll Eis herauf. Ick habe gelesen, bei solchen Fällen muß man Eis auf den Kopf legen. Sylphe. Du kannst einstweilen hier blerben und die Umschläge machen. „Ja. nnd wir Beide wechseln uns immer ab. Nell, bis der Doktor da ist!" Nellv warf einen eigenthümlichen Blick auf die Schwester und hob die weithin geschleuderte Pistole vom Boden auf, um sie von Neuem in ihre Tasche gleiten zu lasten. „Hat Tein Pava Dich todnchicßen wollen, Nellv?" fragte die kleine Jlka. fick an Rclly hcrandrängend, in icdem Zug ihres frühreifen Gesichte- sensationslüsterne Neugier. „Schick' doch das Kind hinaus, das ist ja schrecklich!" rief Sylvia, die sich am Lager ihres Vaters zu schaffen machte, in empörtem Ton. indem sie sich umwandte. „Wir werden Alle geben," sagte Nellv kalt und befehlend, indem sie, zu den im Zimmer Anwesenden gewendet, eine nicht mißzuvcrstehende Kand- bewegung machte. „ES hat durchaus keinen Sinn, dag Alles hier im Kranken zimmer umhersleht und sich in Mnthmaßungen ergeht. Jeder Pattem muß Ruhe haben." Die Lenke, die gar zu gern den Zusammenhang zwischen dem Schuß und dem Scdlaganfall des BaronS gemußt hätten, gingen zögernd, mit betretenen Mienen davon. Baronesse Neu» verstand aufznränmen, das mußte wahr sein» und Widerspruch gab es nicht ihr gegenüber. Frau Starte wurde von Nellv weiter nicht beachtet, es war. als wenn ihre Rolle ans Schloß Wulisbagen völlig ansgffpielt wäre, als habe sie gar nichts mehr zu sagen. Sylvia, der die alte Dame leid tdat. wie sie mit ver störtem und gleichzeitig zornigem Gesicht zur Thür ging, eilte ihr nach und fragte sie um Ratd. — vielleicht könnte sie. Frau Starke, noch irgend ein Mittel nennen, das in einem derartigen Krankheitsfälle amvcnddar sei. Frau Starke strich mit ihrer Rechten fluchtig über das weiße Gesichtchen ihrer jüngsten Schülerin, nm ihr gleichsam zu danken, entgeguere ader^mil einem Blick au> Nellu in abweisendem Tone: „Nem, meine kleine Sylphe, ich weiß nichts! Und wenn ich auch etwas wüßte. .... ich bin jetzt hier voll kommen überflüssig! Nellv trifft ihre Bestimmungen und hat allein zu ent scheiden ! Sie diirjen sich mir noch an sie wenden!" Sylvia iah ihre Schwester mit einem sehr beredten Blick an und nrachte ihr ein ausmuirterndes Zeichen mit dem Kovse, sie möge Frau Starke wider sprechen Allein Nellu th,tt nichts Derartiges, und die alte Erzieherin verließ langsam das Zimmer-
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