Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 09.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189903092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990309
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990309
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-09
-
Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 09.03.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Teile 118. Belletristisch« Tonnerstags-Beilagc zu den ..Trcddnce Nachrichten Sylvia, die neben ihrem Vater stand, von seinem Arm lose uinschlungeü. War von einem leichten Schauer erfaßt worden. „Wenn Tu von Deinem Tode sprichst, Papa —" „Kind, ich bin alt — viel, viel älter freilich als meine Jahre!" Zart und linde, wie ein Hauch, strich des Kindes Hand über sein schnee weiß schimmerndes Haar. ..Aber wir haben uns doch eben erst gesunden und wir wollen immer, immer zusammen bleiben!" „Meinst Du, Sylvia ?" Sie verstand das Lächeln nicht, das diese Worte begleitete und mcht den Blick, mit dem er ihr in die Auaen iah. „Und — und — darf ich Dich noch etwas fragen, Papa ?" „Gewiß darfst Tu das!" „Du hast auch der Dame in Avignon nicht geschrieben, daß sie Dir manchmal Bericht abstattcn darf über die kleine Jlka. ob sie auch folgsam ist und gut lernt — und überhaupt — wie es ihr geht?' „Nein, das that ich nicht! Nichts von dem Allen intcreisirt mich, geht mir etwas an. Wäre rch nicht trank geworden, dies Kind wäre mit meinem Wissen und Willen keinen halben Tag hier in Wulst-Hagen geblieben. Ich habe keinen anderen Gedanken gehabt, als mich >o schnell wie möglich wieder von ihm zu befreien." „Das ist aber Unrecht, Papa!" sagte Sylphe, und als er mit einer raschen Kopfwendung seine gebieterischen Augen aus sic richtete, setzte sie muthig hinzu: „Du hast mir erlaubt, ich darf Dir Alles lagen!" Er nickte gedankenvoll und sah prüfend an ihr hinaus und hinab, als habe er sie noch nie gesehen. Ohne daß er sich darüber klar wurde, that cs ihm wohl, daß sie so in keinem Zuge ihrer Mutter glich. „Warum findest Tu cs denn unrecht?" fragte er ruhig. „Ja — weil — weil — es ist schwer zu sagen — aber nun hat daZ Kind doch gar keinen Halt ans der weiten Welt, steht ganz allein da — nnd immer o unter Fremden .... ist das nicht traurig?" „Ich glaube nicht, daß dies Kind das als besonders traurig empfindet, und wenn selbst... ich könnte nicht anders handeln. Tu verstehst niich darin nicht, bist noch zu Ving, um — wie alt bist Tn doch, Sylvia?" ..Sechzehn, Papa!" Er seufzte. Tann, sie leicht von sich schiebend, sagte er in verändertem Ton: „Wir wollen unser Mittagsmahl beenden. Du kannst nach Gran klingeln. Willst Tu später nicht in s Freie hinaus? Es wird ein schöner Tag werden, wenn die Sonne erst die Feuchtigkeit mehr aufgeiogcn hat." „Ich werde in den Park gehen." „Nur in den Park?" „Darf ich denn weiter hinaus? Darf ich an den Fluß?" „Natürlich. Sagte ich Dir nicht. Du konntest rhun und treiben, was Drr gefällt ?" „Und ich dars auch Antwort geben, wenn Jemand kommt und mit mir reden will ?" „Das wird sich schwerlich ereignen!" „Aber cS hat sich st schon ereignet Wieder fuhr der Baron herum, und seine stammenden Augen maßen das Mädchen mit einem argwöhnischein Blick. Aber die blauen Augen, die zu den seinen cmporsahen, behielten ihren unbefangenen, zutraulichen Ausdruck. „Ich Hab' einmal eine Begegnung gehabt drüben im Walde," fuhr Sylvia fort, „lind ich Hab' es mir so sehr gewünscht, mit Dir darüber sprechen zu können, aber wie hast' ich das wobl anfangen sollen ?" „Wer ist Dir denn begegnet? Vielleicht Herr Nicolas von Pernhezewski?" Es klang scharf und schneidend. „Nein," sagte Sylphe kopfschüttelnd, „den kenne ich nicht. Wer ist das?" Es schwebte ihrem Vater aus der Lippe, auszuruscn: „Weißt Tu das wirklich nicht?" aber er schwieg War Sylvia in der That nicht eingeweiht in die Details von Ncltys Flucht? Sder war cs dicstm Kinde vielleicht auch schon gegeben, sich in solchem Maße zu verstellen ? Schlaugenkalt kroch Miß trauen und Memchenverachtnng auf's Neue an das Herz heran, das eben begonnen hatte, sich unter feines Kindes Liebe langsam zu erwärmen. „Der. den ich im Walde traf," fuhr Sylvia nach einer Panse, während sie vergebens auf Antwort gewartet hatte, in etwas eingesthnchtettem Tone fort» „hieß Günther von Döhlen und war ein Maler I" „Und was hat er mit Dir gesprochen?" „Allerlei — was er gemalt hat. nnd was er noch malen will, nnd ob er wohl eine Skizze von mir machen dürfte, — von keinen Reisen, und daß er lodtkrank war nnd eine sehr liebe Mutter gehabt hat —" „Und weiter nichts ?" ..Tann hat er erzählt, er war' jetzt hier zum Besuch bei seinem Onkel, nnd der — ja, der hieß so, wie Tu ebcir sagtest, Papa. — wenn Tn den Namen noch einmal nennen wolltest —" „PernyczewSkl." „Richtig! Nnd warum sollte mir gerade der begegnet sein? Ist er so viel im Wald zu finden ?" Wulfen nthmete tief auf, und sein kalter, böser Argwohn sing an zu Weichen, wie Nebel vor der Sonne flieht. „Laß jetzt das Alles!" cntgegiietc er. kurz abbrcchcnd. „Klingle, damit Grau kommt und tvir mit unserer Mahlzeit fertig werden!" Mit einem reuevollen Blick that Sylvia, wie ihr besohlen war nnd ließ Reichs Brief möglichst rmbemerkt in ihre Klridcrkasche gleiten, lieber der Scene mit ihrem Pater hatte sie diesen Brief fast vergehen, den sie so un gestüm herbcigesehnt hatte. Berslohlen schaute sic nach der Weinkarafse. die der Baron soeben zu sich hcranzoa. In ihrem enthusiastischen, kindlichen Empfinden bildete sie sich ein, cs müsse vom heutigen Tage ab eine völlige Wandlung mit ihrem Vater Vorgehen, er werde durch die Liebe zu ihr und dadurch, daß er ihr erlaube, ihn zu lieben, ein neuer Mensch werden, der mit allen schädlichen Gewohn heiten breche und ein besseres Leben mffanae. Als der Baron, schweigsam wie sonst, Glas um Gl's leerte, bis nur noch ein schaler Nest in -er Karaffe 21. Kapitel. Sylvia stand am Ufer des Flusses. Es war etwa sechs Uhr, nnd die Sonne, die noch hoch genug stand, haste hier im freien Felde rasch alle Feuchtigkeit, die -ich die Tage zuvor nnd auch noch am nämlichen Vormittag angesammclt, ausgesogen. Tie Blätter der Bäume glitzerten in metallenem Glanz. — was von wilden Blumen noch da war, stand krisch und schön, und die erg-sickte Erde strömte herben Tust aus. Wohl wehte bereits ein lener, kaum merklicher Hcrbsrhauch durch die wanne Lust, aber er hatte noch nichts von Sterben^und Vergehen an sich, nur etwas von der stillen Wchimtth. die sich zum Scheiden rüstet, und der dies Scheiden schwer fällt, weil cs letzt -- eben reizt — ft schön ist. Ter 'achte Wind, der sich feit dem Aufhörcn des Regens Ungesunden hatte, ließ die leicht dahinströmcnden Wellen des Flusses in eine wiegende, tanzende Bewegung gcrathcn. llnd mit den Wellen wiegten sich und ranzten tausende und abcrtaroendc von Sonnen funken, und weiterhin, wo der Strom für das Auge ruhiger erschien, lag der Sonnenschein wie ein gleißender GolL- mantcl gebreitet zwischen Len stuft arnsicigenden Höhenziigcn, die dort die Ufer bildeten. Sylvia hatte den Fluß immer gelebt, war aber sehr selten nur in seine Rahe gekommen. Er war ein beträchtliches Stück Weges vom Schloß entkernt, und da Relly keine besondere Neigung für das Wasser hatte, sondern den Wald vorzog. so waren die Mädchen nicht häufig hierher gelangt bei ihrem „ver botenen" Streifereien, so viel auch Sylphe darum gebeten hatte. „Es ist -a so schön am Fluß, das Her; wird einen: lo weit, wenn man^n'-f- und abblickt, und es ist kein Ende zu sehen. Und zu denken, wie der Strom weitcrziehr nnd sich rn's Meer ergießt, in das ewige, unendliche Meer, das ich nicht kenne und für mein Leben gern einmal sehen möchte . . . ist das nicht Alles herrlich?" So hatte die Kleine enthusiastisch ausgcrufen, ^.be: Relly hatte kühl die Achseln gezuckt: „Ich weiß nicht, was Tu an demLktß, findest. Mich macht er ruhelos! Ich möchte mich am liebsten! auf ein Schiss sitzen und hinunter fahren, weit, ganz weit sott, daß ich nichts mehr von Allem, was mein ödes, sogenanntes „Leben" hier vorstellt, sehe und höre. Ta ich. Las aber für s Erste noch nicht kann, — warum nur durch diesen "walen F!uß unnütz so viel vergebliche Wünsche wecken ?" So hatte Nclln gesprochen, und da chre odcen stets maßgebend waren, so hatte Sylvia dem Strom fern bleiben müssen. Jetzt stand sie. die nicdergesunkcneu Hände lässig 'neinander gelegt, an einer hohen Stelle des Ustrs, von welcher eine weite Umschau, möglich war. und weidete ihre Blicke an dem lange entbehrten Bild Rechtshin standen ein paar weiße Segel unbeweglich gegen Len Horizont; lauge, stäche Kähne wurden am icnseitigen Ufer be-aden, und eines von den Flößen, wie man sie hier häufig sieht, wurde langsam vorbeizctricdcn. Tie Schiffer stießen ihre langen Stangen gegen das Ufer, unter eine: vir: von eintönigem Gesang, vier, si'mf Töne, die sich immer wstderyeNen; ein paar Männer legen lang ansgesttrckt auf dem Floß und schliefen, ein rtcüirs Kind kroch zwischen ihnen« herum, von einem zottigen Pudel behütet. Links hinüber 'cho'stn kleine, 'chlanke Ruderbrstc wie dunkle Schwalben über den sonnenhellen Strom; Sylvia tonnte deutlich erkennen, wie ein paar junge Bnrfchen in einem dieser Boote LaS Scge! amhitzten, das Fahrzeug sich ein wenig drehte und nun wie ein Schwan dahinglitt, ruhig und doch :a?ch, kaum merklich von den Wellen gctragcn. Ein Seufzer hob des Kindes Brust. Wer 'o hätte dahinsthren können. Aber Relly hatte dazu gesagt: „Ach, Unsinn' Was Tn auch immer für absurde Einfälle hast, K leine! Wer wird denn aus dem Wasser sichren wollen? Wir verstehen Beide nicht zu rudern, stellen wir vielleicht ein unfreiwilliges kaltes Bad nehmen?" „Ach ja. — Relly!" Sle harte sitten, 'ast nie, das g-nhan, was die i kleine Schwester wollte, nnd doch, wie vermisste diese sie. Was hätte sie t darum gegeben, sie jetzt bei sich zu haben, heute zumal, wo ihr das Her; -o voll war. Wie gut Papa zu ihr gewesen war, wie saust und freundlich er mit ihr gesprochen hatte. Sie fühlte immer noch seinen Kuß ans ihrer Stirn, ihren Angen. seine streichelnde Hand auf ihrem Haar. Würden nun nicht bessere Tage für sie kommen, ein anderes Leven beginnen? Hatte Gott ihr die Schwester genommen, nur ihr den Vater dafür zu geben? Denn genommen war ihr Relly, und wohl unwiederbringlich und für immer, das hatte Sylvia heraus-gesühlt. schon damals, als die Schwester von thrj ging, und heute in verstärktem Maße, nachdem sie ihre:: Brief gcleien hatte. Er sagte ihr herzlich wenig, dieser so heiß herbeigcsehnte Brief. Sichtlich in größter Hast und Elle geschrieben, von dem Gesicht drkt-tt: „Tu mußt doch endlich Tcincr einzigen Schwester Nachricht von Dir -eben!" berichtete Relly ihrer kleine!» Sylvhe, daß es ihr vollkommen nach Wunsch ginge, sie eins aus gezeichnet gute, nicht zn rheure Pension, Drrie einen vortrefflichen Gesanglehrcr genmden hätte, der „natürlich" von ihmr stimme und ihrer Begabung cnttmsias- müt fei, — w:c ihr Paris über alle Maßen gefiele und sic bereits eine Menge Menschen kennen gelernt habe, die ihr Alle auf das Liebenswürdigste entgegen- kämen. Sie ftudrre fleißtg und habe die siste, Ucberzengung, ungewöhnlich rasche Fortschritte zu machen — was ihr der ..Maestro" vollauf bestätigte — so daß sie kaum die Hälfte der Zeit, die andere Kunftnovizen für das Studium brauchten, auf sich verwenden dürft — nnd wenn sie erst .cheranskäme", fei ihr Glück natürlich gemacht, daran zweifle Niemand, und sie silbst am aller wenigsten. Wenn inzwischen auf einem irgend unvorhergesehenen Wege ein Gerücht über die Art ihrer Flucht aus dem Vaterhaus« ?.n Sylvias Gehör gekommen sei, so solle kft nur das daveu ssi-sien, was sie mit sirem. Rrffys. BeUenftstsfchc To»»nerstaas Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Seite IIS. Wesen vereinbaren könne. Alles, was an böswilligen Klatsch streife, sei erkunden, sie könne Jedermann ruhig in s Auge sehen und habe sich nicht das Mindeste vorzuwcrftn. Taß die Persönlichkeit, die ihr zu dieser Flucht ver holst» habe, zufällig ein junger Mann sei, falle weiter nicht in s Gewicht, sie wäre ebenso gern mit einem alten Mann oder mit einer Dame gegangen, vorausgesetzt, daß er oder sie sich ihr ft besonders nützlich hätte erweisen können, wie cs hier gerade der Fall gewesen »ei! — Das war Ncllys Brief I Keine Bitte um baldige Antwort, keine Frage: ./Wie lebst Du? Wie geht es Dir? Sehnst Tn Dich nach mir und denkst Tn meiner?" Kein Wort über den Vater, der unmittelbar vor Rellys Flucht ft schwer erkrankt war, kein zärtliches Beschwichtigen des Kummers, den ihr Fortgehen — sie wußte --Z, mußte cs wisst»! — der mögen Schwester bereitet hakte! Und am Rande de-s Briefes nur das hingeworstne Postskriptum: „Ich habe es zuerst mit 'Raum versuchen wollen, und sie auch glücklich ausfindig gemacht — aber es rst nichts damit geworden! Sie ist mcht mehr für uns vorhanden, und wir sind nacht mehr ftr sie da! Ties für Dich zur Nachricht, damit Tu Dir ui bt unnütze Gedanken machst. Anne, kleine Sylphe, wie ich Dich kenne, wirst Tu nie den Mutt, haben, die „chinesische Mauer", die Dich umgiebt, zu übersteigen! Ich für meine Perftii bm glücklich, sie für immer hinter mir zu haben! In Eile Deine Relly I" R uch und heiß waren deS Kindes Thränen aus diesen Brief niedergefallen, der ihr dos bestätigte, was sie dunkel geahnt, was sic nicht hatte glauben wollen und in Gedanken wie ein Unrecht von sich ge>'chobcn hatte: daß Nclly ihr verloren war! Wie hatte sie in ihrer Seele Kultus mit ihrer Mutter getrieben, auch dann — -7,,«. r„ Schatten ans das . . nickt. Vieles ihr . sich. Konnte nicht dennoch eine Zeit kommen, die ihnen, den Töchtern, die Mutter wieder zuführte, selbst eine Versöhnung zwischen den Eltern, die ft lange Jahre hindurch von einander getrennt waren, zu Staude brachte? als sie die Tochter wieScr'ah, hatte sic sie gleich erkannt ? War die Mutter kehr verändert, war sie voller Thcünahmc und Mitgc'ühl gewest»? Hatte sie aar nicht nach ihrer kleinen Sylphe gefragt? Bezog sich das Wort: „Es ist nichts damit geworden!" au, Mamas äußere Verhältnisse, Sie es ihr vielleicht unmöglich machten, lhärigen Antheil an dem Geschick ihrer Kinder zu nehmen, oder hatte die Mutter nicht den Willen dazu? Ein Ehaos von Fragen und Verntuthnngen, Kindes. diRsttts derselben war, genau Rechenschaft ablegen von Allem, was sic erlebt > Blendete das Sonncnsnnkcln auf dein Fluß Sylvias Augen oder waren es neue Thränen, die darin glanzte:;, in diesen Auge!', die heute schon so viel geweint ? Allein! Immer allein! Zn ihren Füßen lagen Kastor und Pollux im Grast — sie hatten unterwegs einen tollen Wettlaus mir einander vollsührt, sich gebalgt und überkugelt und lustig gebellt, daß ein Echo wach wurde und den Schall wiedergab. Ja, die Hunde, die hatten cs gut, die waren zwei treue Kameraden! Sylvia kauerte sich zu ihnen nieder und streichelte ihnen die glatten Köpfe. rr.se Wolfshunde bückten beunruhigt zu ihr empor nnd drängten sich leist winselnd an sic — genau wußten sie es, daß die junge Herrin traurig war! Und sic harren auch die Witterung des blauen Kleides, das sie trug und das Nelly gehörte, ebenso wie die lichtblaue Tellermütze, die sie aus dem Kopf hatte. M-e hatte Sylvia ihre „goldene Nell" mit diesem Mätzchen geliebt, wie feurig rbr belheucrt, daß sie himmlisch, entzückend damit aus'ehe 1 In dein breiten Goldstrcifen. den die Sonne über den Strom warf, kam ein dunkler, kleiner Nachen hcrangeschwonmien. Nur lässig regierte der einzige Jnsa'st des- Bootes, ein schlanker, junger Maun, 'ein Fahrzeug; die Ruder hoben sich langsam, renkten sich rn's Wasicr, 'chleiftcn ein Stück mit, ohne bewegt zu werden, und zogen leuchtende Strudel hinter sich her. wie sie die Fluty durchschnitten. Es ließ sich schön nnd gefahrlos hier treiben, die Segel schiffe waren weitab nnd Tamvfboote gay es nicht ans diestm Ende des Iltisses, oder doch nur äußerst selten. Ta rauschte und wirbelte und schnaufte es mit einem Mal in der Nähe des Kahnes, so daß der Träumer aus seinen Gedanken auffuhr und um sich blickte. Am jenseitigen Ustr hatte sich ein Stein losgelöst, war von ziemlich beträchtlicher Höhe in's Waffer gefallen, und zwei große Hunde mochten dies wohl ffir eine Aufforderung gehalten haben, den; Flüchtling uachznspringcn, und pläffcherten rinn, die Köpfe unmittelbar über dem Wasserspiegel, rin Fluß umher, ziellos und zwecklos, offenbar vergnügt, sich einmal im feuchten Element bewegen zn können. Halb ärgerlich nnd halb lachend war ihre Herrin drüben am User aus die büße geftrungcn nnd rief die Durchgänger abwechselnd beim Namen. Ter ihre Lippen lachten, und die jetzt schnaufend und an dieser Stelle ziemlich > : Himmel ^Grüßend schwenkte er den Hut und erhob sich-im Book, wodurch dasselbe bedenklich in'S Schwanken geriet!, — aber die Gestalt am Ufer blieb unbeweg lich und beachtete ihn nicht. Da setzte er sich rasch wieder, griff zu den Rudern, und wie der Pfeil von der Lehne schnellt, so flog der leichte Kahn dem Nstr zu. . ^ ... Jetzt war Sylvhe dennoch aufmerksam geworden, sie wußte sowrt, wer das st!, der da unten im Boot alle feine Kräfte daransttzke. um möglichst rasch bei ihr zu sein; ihre Augen leuchteten glücklich auf. ohne sich weiter um ihre Wolfshunde zu kümmern, sprudelnd den; Ufer zuschwammeu, begann sie die steile Böschung herabzuklettem. „Grüß Gott!" ries Günther freudig, als er nahe genug heran war, um verstanocii zn werden. „Aber nehmen Sie sich dein, Abstieg in Acht, Fräulein Sylphe, das Ufer ist hier ft abschüssig. Sie könnten leicht m s Wasser fallen t" ' „Tann würde» Sie mich doch hcrausholen. oder verstehen Sie nicht zn schwimmen?" gab sie übermüthig zurück. Was sie an kindlichem Frohsinn besaß, war mit einem Rial in ihr erwacht, war ihr wiedergegeben. Sie konnte nicht anders, als sich freuen, unendlich freuen, ihren „Freund vom Walde" wicderznsthen, und es siel ihr nicht eine Sekunde ein, diese offenbare Freude könne „unschicklich" fein, nnd es wäre vielleicht besser, sie zu verbergen. Was , 'wußte dies Kind von de» Regeln der -guten Gesellschaft", die es einem jungen Mädchen auf das Genaueste vorschricben, wie weit es einem jungen Mann etwa cntgegeiikoinmen, eine Art von Interesse für ihn zeigen darf. Sylvia zeigte mcht eine Art von Interesse, cs war das volle Interesse selbst, das sich in ihrem ganzen Wesen aussprach. Sie war so froh, so froh. End- > lick, einmal wieder ein Mensch, nnd ein sunger Mensch, gegen den sie sich ft ganz ungehindert und offen aussprechcn konnte. Tic Begegnung mit ihm war s in ihrem Stillleben ein ft großes Ereigniß gewesen, Sylphe sah ihn im Geist ft deutlich vor sich, entiaiin fick, genau feiner Geberden. seines Slimoren- klaiigs. seiner Unterhaltung, ja. sic hatte inest Unterhaltung für sich fortgesetzt, hatte bei Allem, was sie inzwischen erlebt, sich gefragt: „Was würde er dazu sagen?", daß die Thatsache ihrer gegenseitige» kurzen Bekanntschaft ihr durch aus nicht zum Bewußtsein kam. Und auch er. der Maler, sah mit strahlendem Blick zu ihr empor und weidete sich an ihren leichten, zierlichen Bewegungen, wie sie da so vorsichtig, ein Füßchen vor das andere setzend, in ihrem lichtblauen Kleidchen zn ihm herabgeskicgcn kam. Er vergaß das Anlanden, hielt die Ruder in beiden Händen an sich gezogen und bewunderte seine Dryade. „Kommen Sic doch näher heran, daß ich in's Boot steigen kann!" ries Sylphe ungeduldig, als sie beinahe unten angelangt war. „Wollen Sie denn mit mir fahren?" fragte er etwas verwundert zurück. „Aber natürlich! Das trifft sich ,a wundervoll! Ich war nämlich noch nie auf dem Wasser nnd bab' mir's immer gewünscht!" Er zögerte nur einen 'Augenblick, dam: brachte er den Kahn mit ein paar Rudmchläaen an's User. Mochten doch Leute, die ihn kannten nnd vielleicht heute gleichfalls den Fluß befuhren, ihn irebcn diesem Mädchen sehen, Kompro- mitttrondes für Sylvia gab es dabei nicht, sein Gefühl für sie war rein und licht wie der blaue Himmel über ihm. nnd welch' eine Welt wäre das. in der zwei gute Freunde, selbst wem: sic jung und verschiedenen Ge'chlechtes waren, nicht ein Stündchen mit einander den Fluß hinatffahren durften. Sie mußte in's Boot hinabspringcn, da das Ufer auch hier unten etwas steil abfiel, aber sic sprang geschickt, und ebenso geschickt fing er sie in seinen Armen aus. „Herr Günther von Töhlen!" sagte sie tief aufaihmeud, während sie sich ihm gegenüber setzte nnd an ihrem blauen Kleidchen glättete und zupfte. «Wie schön, daß wir uns endlich Wiedersehen. Ich habe Ihnen so viel, so viel zn sagen!" „Wirklich?" Er konnte nicht anders, ließ das rechte Ruder los. nahm eines der gesthäftigen Händchen gefangen und küßte sie zärtlich. „Das macht mich glücklich. Ich habe Ihrer oft gedacht!" „Wegen des Bildes?" warf sie unbefangen ein. „Nicht allein deshalb, aber auch freilich nur des Bildes willen." „Wie weit sind Sie denn damit? Mit dem Bilde mein' ich, auf dem ich das Meerwcibchen vorstellen soll?" „Es sind mehrere Entwürfe dazu fertig, und der letzte scheint mir am gelungensten, nach ihn: mochte ich malen. Schade, daß Sie tue Skizze nicht sehen können!" „Ja, schade!" stimmke Sylvia bereitwillig zu. „Und em Potträt von Ihnen habe ich gemach!; aber jetzt, da ich Sle so nahe habe, will cs mir doch scheinen, als wäre es nicht ganz ähnlich." „Fahren mir denn aber nicht bald ?" rief sie in leichter Ungeduld. Er hielt immer noch die Ruder still und sah sic unverwandt an. „Sie verzeihen!" Hastig regte er die Arme, und leicht flog der Nachen über das funkelnde Wasser. ,.T. ist das schön! Ist das aber schön!" ries sie enthusiastisch und schlug die Hände zusammen. „Aehnlich muß es einem Vogel zu Muthc fein, wem, er ferne Schwingen hebt. Wollen wir nicht dort hinüber, wo die Bäume ihre Aeftc ft tief in's Wasser hängen lassen ?" „Gewiß,^natürlich! Und dann fahre ich Sie zur Insel." „'Ach! Eine Insel gicbt's hier auch?" „Eine sthr hübsche sogar. Sic sollen staunen! Ich bln als Knabe oft mit meiner Mutter dort gewesen, um Wasserrosen zn holen, die sie besonders liebte!" „Ritt Ihrer Mutter!" Sylvias lachende Angen trübten sich, aber gleich kam das Lachen wieder: „Sehen Sie doch mir Kaswr nnd Pollux I" Tic .Hunde waren dein Kahn ein Weilchen nachgeschwomme». sprangen jetzt an s Ufer nnd schüttelten sich gewaltsam, daß ihre Halsbänder klirrten uns die Wasstrtropstn wie Brillantsenenverk in der Sonne um sie brr stoben. Jetzt ragten sie mit freudigem Gebell den Rain entlang, um sich dann plötz lich von einer besonders bohcn Stelle des Ustrs kurz nach einander rmt gewaltigem Satz in den Fluß zu stürzen, dessen Wellen rauschend über ihren Köpfen zuiammcnschlugen. _ „Wie sie ansgelasstn sind. Das ist ein ganz neues Beranugen für sie heute — und für mich auch. Ich muß ein wenig die Augen Wketz«, dann ist's. als ob ich in einer Wiege läge nnd sanft geschaukelt würde. cLouitt'U'g Scan!,».!
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)