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Dresdner Nachrichten : 13.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189906132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990613
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990613
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-13
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 13.06.1899
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Teile 274. Belletristische Tienstags-Beilagc zu de« ..Dresdner Nachrichten Preis dafür zahlt, der den ursprünglichen bei Weitem übertrifft, ist nieiner Ansicht nach mehr oder weniger verrückt, da ei einen Liebhaberpreis sür etwas irbt. daS keinen inneren Werth mehr besitzt." .Taffelbe könnten Sie auch von Gemälden sagen. Der innere Werth, der durch die Leinwand und die Harden dargestellt wird, ist sehr gering, und doch werden Tausende von Dollars für Gemälde ansgegebe».' »Das ist natürlich auch eine gewisse Art von Verrücktheit, die sich nur reiche Leute gestatten können, aber es ist doch nicht ganz so toll, wie das Sammeln von alten Briefmarken. Allerdings wenn Jemand ein Vermögen für ein einzelnes Bild bezahlen wollte und es dann so in seinem Hause aus- hinge, daß es Niemand zu sehen kriegte, dann würde ich den Menschen für verdreht halten. Ebenso ist es mit Edelsteinen —" .Edelsteine?" „Edelsteine haben ihren Marktwert- und ihren Platz in der Welt: wenn aber ein Mensch jeden prächtigen Stein, dessen er habhaft werden kann, kaust und dann seine Schätze in einem Gewölbe verschließt, dann ist er einfach verrückt." „Was hat das mit den» vorliegenden Halle zu thun?" .Sehr viel. Bei meinem Freunde ist in Hinsicht auf Edelsteine entschieden eine Schraube los. So verständig er im Allgenieinen ist. braucht nur der Name eines Edelsteines in seiner Gegenwart genannt zu werden, und sofort erzählt er eine lange Geschichte von diesem oder jenem berühmten Steine, und ganz besonders ist er daraus versessen, die furchtbaren Verbrechen zu erzählen, die im Zusammenhänge mit fast jedem bekannten Stein von großem Werthe begangen worden sind." .'sie meinen also, daß er sich durch die beständige Beschäftigung seines Geistes mit solchen Dingen an den Gedanken eines Verbrechens im Zusammen hang mit Edelsteinen gewöhnt habe?" .Sie haben's getroffen. Es ist eben schlimm, daß sich der Mensch an Alles gewöhnt. So sind zum Beispiel fast alle Leute Leichen gegenüber befangen und können sich eines Grausens nicht erwehren, während Mediziner, die an Leichen gewöhnt sind, sie nicht viel anders betrachten, als ein Metzger das Fleisch, das er verkauft." „Ihre Beweisführung ist nicht übel, Mr. Randolph. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß Ihr Freund trotz seiner Bildung und Ehrenhaftigkeit bei dieser Sammelwut- für Edclestine und seiner Kenntniß der Verbrechen, die oft um ihrer Erwerbung Willen begangen werden, der Versuchung, zu stehlen oder >elbst zu morden, wenn » der Befriedigung seiner Leidenschaft gilt, nicht io fest gegenübersieht. Ja, ja, wir leben in einer seltsamen Welt." „Nieinen Sie. day er in einem solchen Falle als wahnsinnig nicht zur Verantwortung gezogen würde?" „Nein, soweit gehe ich doch nicht. Ich gebe zu, daß Sic psychologisch rech! haben, und ein Menich, der aus diese Weise zum Verbrecher wird, verdient unsere größte Theilnahme, aber vor dem Geietze würde er schuldig sein. Die Frage, um die es sich handelt, ist aber die: Hat er die Juwelen gestohlen? sie haben in jener Nacht mit ihm zusammen in derselben Abtheilung geschlafen. Was nieinen Sie?" Ich weiß nicht, was ich denken soll. Er konnte sein Lager nicht verlassen ohne über mich hinwegznklettem, und das hätte mich sicher erweckt, und dann, wenn er wirklich die Abtheilung verlassen und die Steine genommen hat. wo kann er sie verborgen haben und wie sind sie nach New-Haven gekommen ? Nebenbei bemerkt, Sie haben doch die Beschreibung des Mannes, der das Täschchen dort zuriickgelassen hat? Paßt sie ans meinen Freund?" „Das kann ich nicht sagen: sie ist etwas unbestimmt und kann aus lausend Menschen passen, die einem in einer Viertelstunde auf dem Broad way begegnen." «Ich glaube ani Ende doch, daß Jemand anders der Dieb ist." „Das wolle» wir hoffen, Mr. Randolph. und wenn es Ihnen eine Be ruhigung ist. will ich Ihnen noch sagen, daß bis jetzt noch keine genügenden Gründe zu einer Verhaftung vorliegen." Ter Detektiv hatte seiuen Zweck dabei, als er dies sagte. Dadurch, daß er Randolph deruhiglc, hoffte er ihn mittheilsamer zu machen. „Sie kennen Mr. Mitchel schon seit einer Reihe von Jahren ?" fragte er nach einer Pause. „Nein, nicht länger als anderthalb Jahr. Er ist noch keine vollen zwei Jahre in Newyork" „So, so. Stammt er aus Boston?" „Nein, ich glaube ans New-Orleans." Ein eigenthümliches Gefühl durchrieselte Barnes, und das inachte ihn stutzig, denn eine ähnliche Empfindung hatte er häufig gehabt, wenn er gerade auf eine Spur gestoßen ivar. Deshalb veranlagte sic ihn auch jetzt zum Nachdenken. Randolph hatte weiter nichts gesagt, als, er glaube, Mitchel stamme aus New-Orleans. aber im Augenblick blitzte auch die Erinnerung in Barnes auf, daß die Ermordete ihm erzählt hatte, sie habe in New- Orleans gelebt. Harte diese Thatsache eine Bedeutung? Hatten die Beiden sich schon in jener Stadt gekannt ? „Woher wissen Sie. daß er aus dem Süden gekommen ist ?" fragte Barnes. „Nun, das hört man ja schon an seiner Sprache," erwiderte Randolph. .Obgleich er nicht leugnet, aus dem Süden zu sein, scheint es mir doch, als ob er nicht gern von seiner Heimath spreche. Es schwebt mir etwas dunkel vor. daß er mir einmal erzählt hat. er sei in New-Orleans geboren, habe aber peinliche Erinnerungen an die Stadt. Das ist übrigens das einzige Mal gewesen, daß er dararif angespielt hat." „Ich mochte mir noch erlauben, eine einen anderen Herrn betreffende Frage zu stellen, und ich bin neugierig, ob Sie wohl schon einmal mit ihm jusammengetroffen sind, «sein Name ist Thauret." „Alphonse Thauret? Ja, den kenne ich, kann ihn aber nicht leiden." ..Warum nicht?" „Das weiß ich selber nicht genau, und vielleicht ist cs nur ein Vorurtheil. Wir bilden uns ia manchmal sehr rasch ein Urtheil über d!c Menschen, und ich habe diesem von Anfang an mißtraut." „Mißtraut?" „Ja. ich kann mich zwar irren, und dürste Ihnen die Geschichte wohl eigentlich nicht erzählen, will es aber doch thun. Vor einigen Wochen spielten einige Herren in unserem Klub Whist und darunter auch dieser Thauret. Die Einsätze waren gering, aber cs stand immerhin einiges Geld auf dem Spiele. Thauret und sein Partner schienen merkwürdiges Glück zu haben, und es fiel mir auf, daß Thauret die Karten aus eine ganz eigenthünilichc Art mischte, wie ich es noch nie gesehen habe. Beschreiben läßt sie sich nicht. Er und sein Partner gewannen zweihundert Dollars an jenem Abend." „Wer war sein Partner?" „Ten kannte ich nicht." „War auch Mitchel an jenem Abend anwesend?" „Ja, und er war ebenfalls meiner Ansicht, daß der Manu ein Falsch spieler sei. Ich habe ihn seitdem übrigens auch in demselben Spiele verlie ren sehen, und wir thun ihm vielleicht Unrecht." „Nnn, ich bin Ihnen für Ihre Mittheilnngcn sehr vcrpslichtct, Air. Ran- dolph, und versichere Ihnen, daß es mich »ehr glücklich machen wird, wenn cs sich hcrausstellt. daß Ihr Freund nichts mit dieser Sache zu ihn» hat." Der Detektiv erhob sich und Randvplh betrachtete dies als einen Wink, daß die Unterredung beendet sei Nachdem er sich entfernt hatte, setzte sich Barnes wieder hin und dachte darüber nach, ob dieser unbekannte Partner beim Whistspiel Thauret's Spießgeselle beim Jnwelendiebstahl und der Mann gewesen sein könne, der die Steine im Gasthaus in New-Haven zuriickgelassen hatte. Warum er das aber gethan haben sollte, war ein Räthscl. Kurz darauf ging Barnes ans und fuhr mit der Hochbahn nach der scchs- »ndsiebenzigsten Straße, wo er au einem kleinen Hanse klingelte, worauf er ! von dem erschienenen Dienstmädchen in ein bescheiden ansgestattetes Wohn zimmer geführt wurde. Einige Minuten sväter trat ein ganz hübsches inngcs Mädchen ein, mit dem er eine Weile im Flüstertöne sprach, woraus sich das Mädchen entfernte, aber sehr bald zum Ausgehen angeklcidct wieder erschien. Dann verließen sie zusammen das Haus. Vier Tage später erhielt Barnes einen Brief, der weiter nichts enthielt als die Worte: „Kommen Sie." die ihm aber zu genügen schiene», denn er war sehr bald auf dem Wege nach der sechsnndsiebenzigstcn Straße, wo er das innge Mädchen wieder in dem einfachen Wohnzimmer traf. „Nun?" fragte Barnes. „Ist cs Ihnen gelungen?" „Selbstverständlich," versetzte das innge Mädchen. „Ist mir schon icinals etwas nicht gelungen? Sie stellen mich doch hoffentlich ii'chi mit Wilson ans eine Stufe ?" „Lassen Sie Wijlon aus dem Spiele und erzählen Sie mir Ihre Geschichte." „Na also: Sie verließen mich im Madison Saume Park, wo ich mich aus eine Bank setzte und Wilson beobachtete. Nach zwei Stunden kam ein Herr aus dem .Hotel und Wilson folgte ihm. Ich mußte wirklich lachen, als ! ich den Tölpel so ungeschickt hiiiterherschleichen iah, daß ein Blinder hätte sehen können, daß er diesem Mitchel folgte. Sie scheu, ich habe seinen Namen hera.nsgebracht, auch ohne daß Sie rhu mir genannt haben, das war mir eine Kleinigkeit. Ta ich mir ihn einmal ordentlich mischen wollte, sprang ich ans einen Pferdebahnwagen, erreichte die dritte Avenue vor ihm und lies ! mich in den Wartesaal der Hochbahn. Bald erschien Mitchel und ging an s , Ende des Bahnsteigs, während Wilson in der Milte stehen blieb und un befangen cuiszWtlmi versuchte, was ihm natürlich nicht gelang. Als der Zug kam. stieg ich ein, ging durch den Wagen und setzte mich Mitchel gerade ! gegenüber. Daß ich sein Gesicht gründlich slnd'.rt habe, darauf können Sic Gift nehmen." „Ja. Miß. und er das Ihre. Sie sind ungehorsam aeweseu. denn ich hatte Ihnen besonders eingeschärft, sich vor dem schlauen Satan nicht blicken zu lassen." „O. das hat nichts geschadet, cs ist Alles ganz gut gegangen. An der zwciiliidvicrzigsten Straße stieg er ans, Wilson ebenfalls, ich aber nicht." „Warum nicht?" „Weil er dann vielleicht etwas gemerkt hätte. Rein, 'o dumm bin ich nicht. Ich fuhr bis nach der siebcnundvierzigstcn Straße und wartete dorr, bis Mitchel wiederkani. Diesmal war er allein und hatte augenscheinlich Wilson wieder eine Nase gedreht. Er nahm den Zug nach der unteren Stadt, ich dito: diesmal aber lieg ich mich nicht von ihm sehen. Er ging geraden wegs nach einem Hanse am Jrvingsplatz. Hier ist die Nummer." sic reichte Barnes eine Karte. , „Das haben Sie gut gemacht," sprach er, „aber warum habe» Sic mir nicht sofort Bericht erstattet ?" „Ich bi» noch nicht fettig. Wenn ich einen Fall in die Hand nehme, dann sichre ich ihn auch bis zum Ende durch. Meinen Sie. ich würde den Mann ^ansipüren. damit Sie nachher Wilson wieder aus ihn loslassen? Nein, ^-renndchen, so haben wir nicht gewettet! Am nächsten Tage ging ich nach dem Hause, zog die Klingel und sragic nach der Herrin. Da das Mädchen, das mir öffnete, noch mehr wissen wollte, log ich ihr etwas vor, und machte sie gesprächig. So erfuhr ich, daß das Hans ein Mädchenpensionat ist, und daß sich ein Kind von etwa vierzehn Jahren Namens Rose Mitchel dort befindet, deren Vater unser Mann ist. Was sagen Sic min?" „Sie sind ein Genie: aber Alles das wußten sie doch schon vorgestern. Warum haben Sie nicht früher berichtet?" „Weil ich gestern noch einmal da gewesen bin, um noch mehr in Erfahr ung zu bringen. Ich setzte mich in den Park und beobachtete die Mädchen beim Spaziergang. Ansprechen konnte ich Rose Mitchel nicht, aber ich hatte meine Camera bei mir und habe sie photographirt- Was meinen Sie dazu? Habe ich meine Zeit etwa verloren ?" „Nein, wahrlich nicht. Sie sind Pfiffig, aber Sie werden doch niemals etwas Großes leisten, weil Sie zu eitel sind. Heute aber habe ich nur Lob für Sie. Holen Sie mir das Bild." Das junge Mädchen entfernte sich, kehrte aber bald mit einer kleinen, etwas unklaren Photographie zurück, die ein hübsches junges Mädchen dar- stcllte, und reichte sie Barnes- Etwa eine halte Stunde später verließ dieser das Hans. Bclkctristilelie Dienstags-Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Seite 27S. 8. Kapitel. Lucette. Zwei Tage nach diesem Vorfall theilte Miß Reinsen s Mädchen feiner Herrin mit, cs habe webe» Nachricht erhalten, daß seine Mutter schwer er krankt sei und es sobald als möglich nach Hause komme» solle: seine Cousine Lucette könne cs während seiner Abwesenheit vertreten. Ans die Frage, ob diese Cousine auch dazu befähigt sei, antwortete das Mädchen. Lucette sei sehr tüchtig und ganz besonders geschickt im Jrisircn, das sie bei einem sranzösucheii Haarkünstler gelernt habe. Miß Rennen gab ihre Einwilligung und Lucette trat am Nachmittag ihren Dienst an. Emil» war angenehm überrascht, denn sie hatte eine ge schwätzige, ansdringliche, schittvvnch-kokettc Person erwartet, wie das französische Kaminerzosen in der Regel sind, und fand statt dessen ein ruhiges, bescheidenes Mädchen, das mit seine» Pflichten vollkommen vertraut war. Auch Dora war so entzückt von der Zose, daß sie ihrer Schwester gegenüber die Absicht üntzeric, Lnecitc nach Rückkehr des beurlaubten Mädchens in ihren eigenen Dienst zu nehmen. „O sa," entgegnen: Emil» aus diesen Vorschlag. „Lucette ist sehr gewandt, aber laß sic nur nicht merken, daß wir so zufrieden mit ihr sind, das könnte sie nachlässig machen. — Nnn, sag' mir mal, liebe Dora, wer kommt denn diesen Nachmittag?" „Nnn, wahrscheinlich die gewöhnlichen Lcnic; wir werden wieder ein Gedränge haben." „Tic gewöhnlichen Leute? Einschließlich Mr. Randolph's?" „Königin, Mr.Randolvh ist mir ein Räthscl. Hör' nur einmal. Zunächst ist er über eine Woche nicht hier gewest», und dann bin ich ihm gestern in der fünften Avenue begegnet, doch — es ist kaum zu glauben — gerade, als er ans Grußweitc gekommen war. bog er i» eine Nebengasse ein." „Er hat Dich gewiß nicht gesehen, Liebchen, sonst hätte er Dich sicher angciprochen: denn er würde sich mir zu sehr über die Gelegenheit gefreutbaden." ..'Nun, wenn er mich nicht gesehen hat, dann muß er plötzlich kurzsichtig geworden sein, weiter sage ich nichts." Bald darauf begannen die Gäste cinzntreffcn. und cs dauerte nicht lange, io herrschte wirtlich ein Gedränge in den Räumen. Dora war von einer Anzahl von Bewunderern belagert und machte sich das boshafte Bergnügen, Randolph nuszuweiche», der sich bemühte, sie in die Abgeschlossenheit einer ruhigen Ecke zu locken, ein Bestreben, das die junge Dame zu durchkreuzen verstaue, ohne daß man die Absicht merkte. Auch Thauret war anwesend, blieb aber nicht lange. Nachdem er eine Zeit lang mit Emil» über gleich- giltige Dinge geplaudert hatte, wußte er sich an Dom s Seile zu drängen, wo er länger verweilte. Ec sagte ihr einige Schmeicheleien, wie sie sie auch schon von anderen Herren gehört hatte, aber i» einem Tone, der arizndeuteii schien, daß ihm seine Worte wirklich ans dein Herzen kämen, und der nicht verfehlst, ans ein so wenig erfahrenes Mädchen wie Dora einen gewissen Eindruck zu mache». Nachdem er gegangen war, fand Randolph endlich den lange gesuchten Platz an Doms Seite. „Miß Dora." begann er sogleich, „wie können Sie einem so erbärmlichen Menschen gestatten, Ihnen den Hof zu machen ?" „Sprechen Sie von meinem Freund. Mr. Tbaurct?" Sie legte besonderen Nachdruck aus das Wort Freund, nur uni Randolph zu reizen, und das gelang ihr ausgezeichnet. ..Der ist nicht Ihr Freund; er ist überhaupt nur sein eigener Freund." „Dieser Gedanke zeichnet sich nicht gerade durch seine Neuheit aus. denn das sagt man von vielen Leuten." „In allem Ernst. Miß Dora, Sic dürscn diesem Menschen nicht gestatten, sich in Jbre Kreise eiiizudrängen, und noch weniger ihm erlauben. Ihnen den Hof zu machen." „Sic setzen mich wirklich in Erstaunen, Mr. Randolph, denn ich hatte bis setzt keine Ahnung, daß Mr. Thauret mir den Hof mache. Ich könnte Alles wiederholen, was er mir gesagt hat, und es würde Ihre 'Annahme schwerlich bestätigen." „Das ist ja eben seine Schlauheit; er ist viel zu durchtrieben, so früh schon deutlich zu sprechen." Ter kluge. lungc Mann glaubte Andere durch schaut zu haben, war aber nicht klug genug, cinzusehen, daß er seine eigene Sache bei Tora schwer schädigte, indem er ihr Dinge in Len Kops setzte, woran sie noch gar nicht gedacht hatte. „Mr. Randoplh. Sie werden wirklich komisch. Wie Ton Quixote kämpfen Sic gegen Windmühlen, bildes^sich etwas ein und warnen mich. Das ist ganz überflüssig, ich versichere Tie. Mr. Thauret hat nichts von dem gethan, was Sic vcrmntheu." „.Hoffentlich sind Sic mir nicht böse, denn Sic wissen, was mich veranlaßt hat, so zu sprechen." „Nein, ich fürchte, ich bin nicht klug genug, anderer Leute Beweggründe zu crrnthen." „Aber Sic müssen doch gemerkt haben —" „Was soll ich genierkt haben ?" Dora sah ihn offen an, wodurch er verwirrt wurde. Jetzt war für ihn die Gelegenheit gekommen, sich zu erklären, und er hätte sie vielleicht auch benützt, wenn nicht in diesem Augenblick Mitchel cingetrestn wäre. Als er ihn erblickte, siet Randolph die peinliche Stellung ein, worin er gcrathc» müsse, wenn es sich herausstellte, daß sein Freund ein Verbrecher sei. Deshalb zögerte er und verpaßte eine Gelegenheit, die für lange Zeit nicht wicderkehren sollte. Er antwortete mit einem Scherz und verließ bald darauf das Hans. Tie Gäste waren gegangen, Dora hatte sich nach ihrem Zimmer begeben und Mitchel und Emil» allem gelassen. „Emily, meine Königin," sprach Milchet, zärtlich ihre Hand ergreifend und sie neben sich auf ein Sopha ziehend, „ich glaube beinahe zu träumen, wenn ich denke, daß Du mich liebst." „Warm», Roy?" „Hör' mich an. mein Lieb, ich bin heute in einer seltsamen Stimmung und möchte mich mit Dir aiissprcchcn. Darf ich?" Sie beantwortete die Frage mit einer liebkosenden Bewegung ihm freie» Hand und einer zustimmendcn Neigung des Kopses. „Dann höre mein Bekenntniß. Ich bin anders als die meisten Männer, ebenso wie ich Dich für anders als die meisten Frauen halte. Biele habe Ich in allen Hauptstädten Europas und hier in meinem Baterlande kennen ckelernt. aber keine hat st die Empfindung in mir hervorgerufen, die mich erfüllte, als ich Dich sah. Gleich bei meinem ersten Zusammentreffen habe ich Dich zri meinem Weibe erkoren. Bin ich zu anmaßend gewesen?" „Nein, mein Roy. das warst Du nicht. Evenso wie Dir sagte auch mir beim erste» Zusammentreffen eine innere Stimme: Das ist Dein Herr." „Gott segne Dich, meine Emilv — aber laß mich fortfahren. Ich habe Dich zu meinem Weibe erwählt und der Himmel sei mein Zeuge, ich werde Dich nie in der geringsten Kleinigkeit täuschen, aber — und daS ist ein« schwere Prüfung, die Deine Liebe bestehen muß — ich kann zu Zeiten gci zwungen sein, Dich über manche Dinge in Nnkenntniß zu lassen. Glaubst Du mich genug zu lieben, um überzeugt zu sein, daß ich, wenn dieser Fall cintritt, nur aus Liebe zu Dir vor Dir etwas geheim halte?" „Roy. vielleicht ist es Selbstüberhebung, aber wenn es das auch ist. will ich doch aussprcchen, was ich denke. Eine schwächere Liebe, als die meine, würde sagen: Ich traue Dir, aber meine Liebe zu Dir ist so groß, daß Du nicht zu zögern brauchst, mich Dein Gcheimniß theilen zu lassen. Ich dagegen antworte Dir. daß ich Dir rückhaltlos vertraue rurd zufrieden bin mit dem. was Tn beschließest, ob Du mir Deine Geheimnisse anvertraueu willst oder nicht." „Ich wußte, daß Tu so sprechen würdest, und wäre enttäuscht gewesen, wenn Tu weniger gesagt hättest. So will ich Dir denn gleich mutheilcn, daß cs ein Gehcimnitz in meinem Leben giebt, das ich mit Niemand aethrllt habe und auch Dir nicht anvertraueu kann. Bist Du immer noch zufrieden?" „Zweifelst Du daran? Glaubst Du, ich würde Dir etwas versichern, nur um schwach zu werden, wenn Du mich beim Worte nimmst?" „Nein, nieine Königin, aber cs ist viel verlangt, wenn ein Mann sein Weib bittet, seine Lebensgefährtin zu werden, während er gleichzeitig bekennt er habe ein Geheimniß, das er ihr nicht mittheilen könne, besonders wenn es Leute giebt, die glauben, er habe etwas zu verbergen, was ihm Schande oder Schlimmeres bringen könne." ..'Niemand wird wagen. Dich falsch zu beurtheilen." „Ta bist Tu doch im Jrrthui». Wie, wen» ich Dir nun sagte, daß mich ein Detektiv Tag und Nacht bewacht?" „O. das würde mich nicht im Geringsten erschrecken; Du hast mir ja Alles mit der Wette erklärt. Hat Air. Barnes ein Auge aus Dich? Ist es das?" „Ja, aber er thnt es auch zum Theil, weil er glaubt, ich hätte etwas mit den, Morde zu thun. und da hat er in gewisser Weise Recht." „Tn meinst, daß Tn die Ermordete gekannt hast?" „Ja." Mitchel 'chwicg, ivcil er sehen wollte, ob sie nach diesem Zu- gcslüiidniß noch weitere Fragen stellen werde, allein sie hatte in vollem Ernst gesprochen, als sie gesagt hatte, sie vertraue ihm rückhaltlos. „Natürlich möchte Barnes gern mehr in Erfahrung bringen," fuhr Mitchel fort, „aber ich habe ewichtige Gründe, daß das nicht geschehen soll, nnd dabei kannst Du mir elfen." „Tas will ich gern thun." „Tn weißt noch nicht, was ich wünsche." „Das ist mir auch einerlei : ich werde thun. was D» verlangst." „Tn bist nieiner Liebe würdig." Er zog sie sanft an sich und küßte sie leise ans die Lippen. „Ich iage das nicht in Selbstüberhebung, denn ich liebe Dich so innig, wie »nr ein Mann lieben kann. Hätte ich Dich meiner Liebe unwürdig gesunden, dann wäre es mit ihr auf ewig aus." „Tu darfst mir vertrauen, Roy." Ihre Worte waren einfach, aber es lag eine leidenschaftliche Wahrheit in dem Tone, worin sie gesprochen wurden. „Tann will ich Dir sofort sagen, was ich wünsche, denn es muß bald geschehen. Du mußt bereit sein — wer ist das?" Mitchel sprach diese Worte in einem scharfen Tone, erhob sich und Kat einen Schritt vor. Das Zimmer war mir schwach erleuchtet, kdenn Emily konnte ein grelles Licht nicht leiden, und am anderen Ende des Zimmers stand Jemand, der Mitchells 'Anfmerksamkeit erregt hatte. Es war Lucette. „Ihre Frau Mutter schickt mich," sprach diese sofort, „und läßt fragen, ob Sie nicht zum 'Abendessen hcrüberkommen wollten." „Wir werden im 'Augenblick erscheinen," erwiderte Emily, und Lurclte verließ das Zimmer. „Was war das für ein Mädchen?" fragte Mitchel, und Emily erklär!» ihm, wie die Zofe in's Haus gekommen sei. „Sic scheint ein ruhiges, verständiges Mädchen zu sein," sprach Mitchel lauter, als nöthig war. „etwas zu ruhig, denn sie hat mich erschreckt, als sie hereinkam. Wollen wir Hinüberachen? Was ich DK zu jagen habe, har noch Zeit; es ist etwas, was ich Dich übermorgen für michzn thun bitten will." Stach dem Abendessen führte Mitchel die beiden Schwestern und ihre Mutter in's Theater, und da sie Hin- und Rückweg zu Fuße zurücklegtcn, hatte er Gelegenheit genug, seiner Braut anseinanderzrisetzcir. was er von ihr wünschte. „Du wirst mich also ein paar Tage nicht sehen." sprach er, als er sich an der Hausthür von ihr trennte, „bleib mir hübich gesund so lange." Lucette, die die Hausthnr geöffnet und diese Worte gehört hatte, war demnach nicht wenig erstaunt, Mitchel am anderen Tage um Zehn Uhr ein- tretcn zu sehen : noch überraschter aber war sie, als ihre Herrin ihr verkündete, sic werde ansgehcn, und am rätbsclhastesten war es ihr, daß Emily das Haus allein verließ, nnd Mitchel im Wohnzimmer zurückblieb. Dieser Umstand schien ihr zu denke» zu geben, nnd als sie endlich mit sich in'S Retne gekommen war, bereitete sic sich selbst zu einem 'Ausgang vor. Als sie über den Gang ging, öffnete sich indessen plötzlich die Thür des Wohnzimmers und Mitchel stand vor ihr. -ForNehÄig Toimetttc.g.)
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