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2872 arbeit auf die Lage der freien Arbeiter. Auf seinen Antrag wurde beschlossen, eine Erhebung zu veranstalten nach folgendem System: 1) Name und Ort der Gefangencnanstalt; 2) wie viel männliche und wie viel weibliche Gefangene enthält dieselbe: 3) wie viel werden davon in den rcspectiven Ge werken beschäftigt? 4) In welcher Branche (möglichst speciell) und in welchem Tagelohn? 5) Wie ist der Durchschnittslohn der freien Arbeiter in derselben Branche und Gegend? Gleichzeitig beauftragte der Verbandstag auf Antrag Kellers, Breslau, die Anwaltschaft der deutschen Gewerkvereine, so bald als möglich auch eine Petition an das Reichscanzleramt und an den Reichstag, betreffend die schleunige Vornahme einer Erhebung über die Gefangenenarbeit in Deutschland, auszuarbeiten. Der nächste Gegenstand der Verhandlung war die F rauen - undKinder - arbeit, über welche Herr Lücke, Zittau, referirte. Nach längeren Debatten wurde der Antrag Keller angenommen, dahin gehend: DerVerbandstag erwartet auf das Bestimmteste, daß die Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung über die Beschäftigung der Kinder und Frauen in den Fabriken nicht nur aufrecht er halten, sondern im Interesse körperlicher und geistiger Entwickelung unserer Nation und zum Segen der Industrie fortschreitend in humaner Richtung ver bessert werden mögen. I. Insbesondere wünschen wir: 1) daß Kinder unter 14 Jahren in Fabriken, Berg- und Hüttenwerken zu keiner regelmäßigen Beschäftig ung angenommen; 2) daß junge Leute, welche das 14. Lebensjahr zurückgelegt haben, vor vollendetem 16. Lebensjahr in Fabriken, Berg- und Hüttenwerken nicht über 8 Stunden täglich beschäftigt werden; 3) daß die Arbeitsstunden nicht vor 6 Uhr Morgens beginnen und nicht über 7 Uhr Abends dauern dürfen, und 4) daß der Absatz I des § 133 der Reichsgewerbeordnung in Weg fall komme. II. Wir wünschen ferner: 1) daß weibliche Arbeiter (nach zurück- gelegtem 18. Lebensjahre) in Fabriken, bei Berg- und Hüttenbetrieb nicht über 10 Stunden täglich beschäftigt werden; 2) daß die Arbeitsstunden derselben nicht vor 6j Uhr Morgens beginnen und nicht über 7 Uhr Abends dauern, und 3) daß verheirathete Frauen des Sonnabends von Mittag ab und 6 Wochen vor und 6 Wochen nach der Niederkunft gar nicht beschäftigt werden dürfen und 4) daß die nöthigen Vorkehrungen zur Erhaltung und Befestigung der Sittlich keit getroffen werden. III. Wir wünschen zur Durchführung der bestehenden und noch zu erwartenden gewerbegesetzlichen Bestimmungen, daß die Fabrik inspectoren vermehrt, ihre Befugnisse verschärft und die Kreisphysiei den Fabrik- Inspektoren zugestcllt, bezw. beigegeben werden, derart, Laß sie in sanitaircr Hin sicht sx oküoio die Fabriken, Berg-und Hüttenwerke inspiciren und überwachen IV. Wir wünschen ferner: daß bei Abschluß von Handelsverträgen mit solchen Nationen, die gleiche oder ähnliche Producte erzeugen oder Fabricate Her stellen, wie wir, die Schutzbestimmungen der Arbeit der Kinder, der jugend lichen und weiblichen Arbeiter und verheiratheten Frauen bei gleichen oder ähnlichen Betrieben der vertragschließenden Staaten gleiche seien und zwar derartig, daß die humanitairsten Bestimmungen des einen Contrahenten von dem anderen acceptirt werden; ferner: der Verbandstag erklärt, daß die Reichsgesetzgebung gegenüber den Petitionen der Glasindustriellen an dem Standpunkte festhalte, daß Kinder unter 16 Jahren nicht während der Nacht in Glashütten beschäftigt werden dürfen. Ebenso fand der Antrag, Bey, Berlin, daß die Gewerkvereinler die Durchführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung zu überwachen haben, Annahme. — Hierauf folgte das Referat des Herrn Polke, Berlin, über die Con tractbru-ch frage. Redner erklärte sich gegen jede Bestrafung des Contractbruchs, bezeichnete denselben gleichzeitig aber für verwerflich. Eine bezügliche Resolution wurde fast einstimmig angenommen. — Betreffs der gesetzlichen Anerkennung der Gewerkvereine befürwortet, Herr Polke, Berlin, von der Discussion abzu sehen und den Verbandsanwalt Herrn vr. Max Hirsch zu ersuchen, die ge eigneten Schritte zur Regelung dieser Frage zu thun. In Anbetracht der reichhaltigen-Tagesordnung beschloß der VerbandStag in diesem Sinne. (Schluß folgt.) Statistik, Volks- und Landwirthschaftliches. § Bautzen. Bei hiesiger Polizeibehörde kamen im III. Quartale 1876 227 männliche und 26 weibliche, in Summa 253 Personen in Haft. Der Grund Ler Verhaftungen war in 10 Fällen Diebstahl, in 7 Widerstand gegen die Staatsgewalt, in 4 Verbrechen gegen die Sittlichkeit, in 10 steckbriefliche Verfolgung, in 56 Landstreichen, in 34 Betteln, in 49 Obdachlosigkeit, in 38 ruhestörender Lärm bez. grober Unfug, in 22 Trunken heit, in 13 verbotswidrige Rückkehr, in 5 verbotswidriges Haufiren, in 2 vorläufige Unterbringung von Geisteskranken und in je 1 Falle Unterschlagung, Hehlerei und Befreiung eines Gefangenen. Die Zahl der im III. Quartale von der Polizeibehörde erkannten Haftstrafen betrug in Summa 445 Tage. Freiberg, 19. Ociober. Infolge der Nichtbezahlung vieler Wechsel in Höhe von circa H Million ist vor 8 Tagen ein allgemeine- Der- äußcrungsverbot gegen die Muldenthal-Papierfabrik erlassen worden und steht bereits außer allem Zweifel, daß nach beendeter gericht licher Taxation der Concurs über das Vermögen diese- Etablissement- er öffnet wird. Der hiesige DarlehnSverein ist Labei mit ca. 350,000 Wechselforderung, einer Sicherheitshypothek im Betrage von ca. 250,000 direct betheiligt und außerdem noch im Besitz einer großen Anzahl Aktien und Prioritäten. Die ca. 1800 Mitglieder de- genannten Verein-, welche mit den im vorigen Jahre ausgetretenen ca. 400 solidarisch haften, ver irren nun nicht allein die erst theilweise eingezahlten 300 sondern müssen noch mindesten- 300-350 nachzahlen, was sich aber bei der Mittellosigkeit vieler Mitglieder und der nothwendigen Liquidation der Ge sellschaft, wobei sich viele faule Außenstände herausstellen werden, voraus sichtlich noch bedeutend steigern wird. Diesen bedauerlichen Fällen werden noch mehrere große Pleiten auf dem Fuße folgen. * sZahlungSeinstellungen.j Zu dem Vermögen des Conditor- Friedrich Robert Lampertz in Kötzschenbroda, zu dem Vermögen der Schnittwaaren-Händlerin Bertha Anna verehel. Bräuer, vorher verw. gew. Tetzner, gewesene Inhaberin der Firma: Gustav Tetzner in Chemnitz, sowie Les Colonialwaaren-HändlerS Robert Moritz Zander und de- Kauf manns Franz Richard Franke, bisherigen Inhabers der Firma: Richard Franke, ebendaselbst, ferner über Las Vermögen des Kaufmann- Eduard Bergemann zu Constadt ist Concurs eröffnet worden. Deutsche Seewarte, 20. October. Baromter Nordosten und Süden etwas gefallen, sonst überall gestiegen. Mittel- und Norddeutschland starke Abkühlung, Süddeutschland wärmer, Provinz Preußen Frost. Das Wetter meist trübe. * Ueber eine Krisis in der böhmischen Flach-garn-Jn- dustrie schreibt die „Magd. Z.": Am 26. Oktober gelangt eine Flachs garnspinnerei in Königinhof mit 600 Spindeln zum exekutiven Verkauf; am 27. Octbr. die mechanische Weberei in Köuiginhof mit 360 Webstühlen; am 30. Octbr. die mechanische W-berei Buran bei Rochlitz mit 90 Web- stühlen; am 20. November die mechanische Flachsgarnspinnerei zu Schatzlar mit 8000 Spindeln; am 30. November die mechanische Flachsgarnspinncrei in Arnsdorf mit 2000 Spindeln. Außer Liesen Etablissements, Lie in Ler industriellsten Gegend Böhmens stehen und zumeist erst vor wenigen Jahren angelegt wurden, sind noch eine Menge von Fabriken außer Betrieb, so z. B. die Nachoder Flachsgarnspinnerei — eine der größten in Oesterreich — mit 13,000 Spindeln und die Radowitzer Flachsgarnspinnerei mit 4000 Spindeln. Durch die Unthätigkeit dieser aufgezählten Fabriken find an 8000 Arbeiter brotlos. Bern, 18. October. Laut Telegramm aus Genf wird die Freude über das der Weinernte günstige Wetter durch die Nachricht getrübt, daß ich bei Culoz die Phylloxera (Reblaus) zeigt. Öl'Antwerpen, 19. Oktober. (Tel.) Bet der heutigen Woll- auction waren 2058 Ballen angeboten, von denen 2000 Ballen verkauft wurden. Die Preise blieben unverändert. Das Geschäft in schönen Wollen war belebt. Der Braunbierschank ist bei Herrn Pötschke, Wendischestraße. Das nächste Brannbter kommt zu Herrn Domsch's Erben, Wendischestraße. Getreide- und Prodneten-Preise zu Banken am 2l.Oet.i876. Getreide-Zufuhr 4486 Sack. Auf dem Markt« von jj »iK Mark. Pf. I! Mark. Pf. An der Börse pro 50 Kilogr. nstto von I! dis Mark. Pf. »Mark. Pf. Weizen pro 50 Kilogr. notto Roggen . « « « Gerste , . - , , Hafer , « , , « Erbsen . - - - « Wicken . « - - » Kaps . « « > Hirse . . « - , , Grütze , - - , , Kartoffeln - - - , Butter « « 1 . Heu , » 50 . Zufuhre von Ferkeln 10 9 7 7 12 16 2 3 4 420 S 95 81 97 70 92 10 50 tück, i 12 10 8 8 3 3 5 Stül 32 12 33 30 6 30 50 ! 10! 5"* I ! ! I I I I i -4-ress 71 49 97 80 -20! 2-,°°«- I I I I I I I I --- 91 81 33 30 Mr di« Redaction verantwortlich: Adv. E. O. Martini in Bautzen. — Druck und Verla« von E. M. Mons« in Bautzen. (Hierzu eine Beilage und Sonntags-Extrabeilage No 24.)