Volltext Seite (XML)
2823 daß zu den Schulamtseandidaten- und Wahlfähigkeitsprüfungen stets Commissare deS Landesconsistoriums zugezogen worden sind, und daß diese Prüfungen, wie ungleich auch ihre Ergebnisse gewesen, den Be weis geliefert, daß von Seiten der Seminaranstalten daraus, daß sich die künftigen Volksschullehrer ein- festbegründete Kenntniß der christ lichen Heilslehre aneignen, der höchste Werth gelegt wird. Aus dem Capitel über die theologische Facultät der Universität Leipzig heben wir heraus, daß die Zahl der Studirenden der Theologie von Michaelis 1870 bis Ostern 1876 von 407 aus 337 (davon 107 In- länder) vermindert hat. Das Lxnmen pro eunäiäatura bestehen jähr lich etwa 40 Studirende. — Candidaten der Theologie und des Predigtamtes waren im Lande am Schlösse des Jahres 1875 zwar 237 vorhanden, allein es haben davon 111 auf Versorgung im geist lichen Amte verzichtet und an den höheren Unterrichtsanstalten Ver wendung gefunden. Es verbleiben mithin nur noch 126 Candidaten, von denen 57 die Wahlfähigkeitsprüfung noch nicht bestanden haben. Die Candidatenvereine, deren es 1860 noch 42 mit meist mindestens 6 Mitgliedern gab, sind in einer Anzahl von Ephorieen ganz ein gegangen, eine Wahrnehmung, die „einen wehmülhigen Eindruck macht und ein sprechendes Zeugniß von dem immer empfindlicher auftretcn- den Candtdatenmangel ist". — Geistliche Stellen wurden in den letztvergangenen Jahren 24 neu gegründet; 7 Stellen wurden ein gezogen, 3 auf Zeit sistirt und 1 Parochie wurde Filialparochie. „Soviel über die kirchlichen Zustände unseres Landes", schließt der Generalbericht. „Freilich zeigen sich in denselben neben einigen Lichtseiten noch viele Schattenseiten. Doch blicken die Freunde der Kirche voll Hoffnung in die Zukunft. Und der treue Gott und Herr, der seiner Kirche aus Erden seinen Schutz verheißen hat, ist unsere Zuversicht und unsere Stärke." lH Dresden, 16. Octbr. Der in morgiger Sitzung der evan gelischen Landessynode zur Berathung kommende Bericht des Verfassungs- ausschusseS (Ref. vr. Lechler) über Erlaß Nr. 9 und das Gesetz vom 8. April 1872, die Emeritirung der evangelisch-lutherischen Geistlichen betr., sowie über das Gesetz vom 9. April 1872 zur Ab änderung und Ergänzung des Gesetzes vom 1. December 1837 die Errichtung einer Prediger-Witwen- und Waisen-Casse betr., beantragt, die Synode wolle ihre Erklärung an das Kirchen- Regiment dahin richten, daß sie mit dem Gesetze vom 8. April 1872 „wohl" und mit demjenigen vom 9. April 1872 „dankbar" einverstanden sei. Der Bericht äußert sich über beide Gesetze in sehr anerkennender Weise; es heißt darin: „I. Das Gesetz vom 8. April 1872, hat die Emeritirung der evangelisch-lutherischen Geistlichen neu regulirt, nach dem das Emeritirungswesen zuerst durch das Gesetz vom 19. Septbr. 1864 in dankenswerther Weise geordnet worden war. Durch das Gesetz vom 8. April 1872 sind manche Desiderien, welche im Laufe der 7 bis 8 Jahre seit Erlaß des Gesetzes von 1864 durch die Er fahrung nahe gelegt worden waren, gehoben worden." Die gegen das Gesetz von einigen Seiten geltend gemachten Ausstellungen weist der Ausschuß namentlich damit zurück, 1) daß man es mit einem Gesetze zu thun habe, welches mit den Ständen des Landes verabschiedet, vor 4^ Jahren promulgirt worden und seitdem in Wirksamkeit getreten ist, 2) daß dieses Gesetz, wenn es auch nicht alle einzelnen Wünsche befriedigt, denn doch unzweifelhaft bedeutende Vortheile bietet und die wohlwollende Fürsorge sowohl der k. Staatsregierung als der beiden Kammern für die evangelisch-lutherischen Geistlichen bethätigt. II. Das Gesetz vom 9. April 1872 zur Abänderung und Ergänzung des Ge setzes, die Errichtung einer Prediger-Witwen- und Waisen-Casse betr., hat nur einzelne Paragraphen des Gesetzes vom 1. December 1837 modificirt und 3 Nachtragsgesetze von den Jahren 1856, 1864 und 1868 aufgehoben. Das Gesetz vom 9. April 1872 enthält so bedeu tende Verbesserungen der Witwengehalte, daß dasselbe vielfach große Befriedigung und lebhaften Dank hervorgerufen hat. Den einzelnen Ausstellungen, dir daran gemacht worden und namentlich dem Wunsche gegenüber, daß die Witwen- und Waisen-Pensionen nicht nach den verschiedenen Diensteinkommen der verstorbenen Ehemänner und Väter bemessen, sondern gleichmäßig normirt werden möchten, weist der Aus schuß darauf hin, daß letzteres früher der Fall gewesen. „Allein im Vergleich mit der damaligen Einrichtung — heißt es in dem Berichte weiter — stellt das Gesetz vom 9. April 1872 unleugbar einen sehr be trächtlichen Fortschritt dar. UnL wir stehen nicht an, die Ueberzeugung auszusprechen, daß schwerlich in irgend einem deutschen Lande für die Witwen der evangelischen Geistlichen in ausgiebigerem Maße gesorgt sein dürfte. Sobald aber auch noch die Minimalgehalte erhöht und Dienstalterszulagen gewährt werden, so dürften am Ende alle irgend billigen Wünsche in Betreff der Witwen- und Waisen-Pensionen Be friedigung finden." — Auch dem Erlaß Nr. 14 und dem dazu gehörigen Entwurf eines Gesetzes, einige kirchendisciplinelle Bestimm ungen betr., stimmt der Verfaffungsausschuß, wie der gleichfalls vor liegende Bericht ergiebt, zu und werden nur einige unwesentliche Ab änderungen, meist redaktioneller Natur, beantragt. Ein Wort über Gemeindegesang und Orgelbegleitung bei Gottesdiensten. Es ist ein erfreuliches Zeichen regen Eifers und anerkennenSwerthen Kunst sinnes, daß sich kürzlich in der Nachbarstadt Löbau der daselbst schon früher bestehende Organisten- und Cantorenverein zu einem solchen für die Kreishaupt mannschaft Bautzen erweitert hat. Eine solche Vereinigung hat ihre Berechtig ung, ja sie ist ein Gebot der Nothwendigkeit, und es ist wunderbar genug, daß man nicht eher zur Einsicht gekommen ist, daß in dieser Beziehung noch ein weites Feld der Arbeit offen sei. Indessen Orgelspiel ist eine Kunst, welche Viele nicht gehörig zu würdigen wissen ihrem inneren Werthe nach, und die auch äußerlich nicht nach Verdienst gewürdigt wird, wenigstens in manchen Fällen, wenn auch die Begeisterung für eine Kunst, zumal wenn sie Beruf ist, au- anderen Gründen herstammen muß, als aus Gründen äußerer Natur; darum ist cs jedenfalls Pflicht, die Kunst auch im Dienste derKirche zu pflegen und den Kunstsinn zu heben. Und wahrlich, diese Bestrebungen, die sich derOrganisten- und Cantorenverein angelegen sein läßt, sind der Mühe werth, die man darauf verwendet. Die Orgel ist bekanntlich das kunstreichste und zusammengesetzteste musikalische Instrument, daher ist gutes Orgelspiel in Wahrheit eine Kunst. Be sonders charakteristisch und zur Natur der Orgel gehörig ist es, daß die Töne ununterbrochen fortklingen. Von diesem Gesichtspunkt au- wird zu nächst die Zwifchenspielfrage zu beantworten sein. Die Zwischenspiele als Zwischensätze sind nöthig, aber sie find einfach und ohne alle künstlichen Ver zierungen zu gestalten, fie müssen dem Charakter des Choralgesanges, dem Wesen der Chorals und der Stimmung wie dem Inhalt, welchen derselbe ausspricht, angemessen sein, wobei namentlich jede unnatürliche, überraschende und weltliche Modulation zu vermeiden sein dürfte. In der Regel wird eine schwächere Regi- strirung anzuwenden sein, damit die Gemeinde weiß, wenn sie einzusetzen habe mit dem Gesänge. Oft hat man diesen Punkt nicht beachtet, in Folge dessen und vielleicht auch in Folge schlechter Zwischensätze dieselben in manchen Ge meinden weggelassen werden. Für die Praxis wird dies dem Organisten selbst anheimzustellen sein, wie er cs damit halten will, nur ist dabei stets auf die Gemeinde Rücksicht zu nehmen. Gestaltet sich der Ge sang ohne Zwischensätze voller und ist die Gemeinde durch ein locales Herkommen gewöhnt, ohne dieselben zu singen, so würde ein Aufdringen derselben unnöthig sein. Man darf eben nicht ver gessen, daß die Orgel um der Gemeinde willen da sei und daß fie sich darum nach dieser zu richten hat; fie soll den Gesang der Gemeinde zwar aus- füllen, tragen und sogar leiten, ohne dabei aber in Rücksicht der Bewegung mit dem Gesänge in Zwiespalt zu stehen. Um nun die Kräfte de- Organisten nur auf das Orgelspiel zu lenken (in vielen Landgemeinden ist bekanntlich Cantor und Organist dieselbe Person), wird es nöthig sein, zumal eben auf dem Lande, ein Knaben- und Mädchcnchor heranzubilden. Die Mühe ist hier gering, da ja ohnehin in der Singstunde der Choralgesang gepflegt wird, aber die kleine Arbeit hat großen Segen. Was von den Zwischenspielen gilt, erleidet im Wesentlichen seine Anwendung, auch auf die Vorspiele, nur daß hier der Organist seine Kunst in Fugen, Phantasie und Variationen in reicher Weise zur Anwendung bringen kann, selbstverständlich nach Maßgabe des Chorals. Soll das Vorspiel mit dem Choral felbst in schöner Harmonie stehen und gleichsam die Ouvertüre zu dem letzteren sein, so dürfte eine Vorbereitung unumgänglich sein, wenn auch, nebenbei bemerkt, wohl nicht eine solche, wie fie eine gute Pre digt erheischt, was man so gern zu sagen pflegt in gewissen Kreisen, da die Thätigkeit Les Geistes beim kirchlichen Orgelspiel doch auf Reproduction beruht und überhaupt mehr Sache des Gefühls ist. Aber deshalb kann auch gute- Spiel auf das Gefühl und Gemüth mächtig einwirken. Der liturgische Theil des Gottesdienstes ist darum wesentlich, hier tritt die Gemeinde selbst thätig ein, während fie sonst empfängt. Um nun den Schein zu vermeiden,'daß etwa der Gesang bloS die Zeit ausfüllen soll, würde e« sich empfehlen, nicht zu viel singen zu lassen, wobei der Organist, zumal wenn er selbst mitsingen soll, nicht allzu sehr angestrengt und seine Kunst handwerksmäßig zu betreiben genöthigt wird. Wird dies vermieden, so wird der Vortheil, selbst bei kürzerer Dauer des Gottes dienste-, doch ein größerer sein. Der Spieler muß es eben verstehen, mit Ge schicklichkeit^ seine musikalischen Gedanken zu ordnen und dem Inhalt des Ge-