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2822 vertagen. Die Versammlung von Staatsmännern in Livadia bedeutet eine KristS in der russischen Politik. Der Czar, der Thronerbe, der Krtegsminister, der Finanzminister, der Befehlshaber der Flotte dcs Schwarzen MeereS, das ist daS osficielle Rußland — gegenüber dem Bosporus, dem Kriegsschauplätze." Türkei. Dem Wiener „Fremdenblatt" wird von Salo nicht geschrieben: Der Zustand der öffentlichen Sicherheit ist in mehreren Theilen deS Bilajets ein sehr trauriger; Räuberbanden treiben sich in der Nähe der Eisenbahnlinie, auf der Straße nach Monastir und in der Um gebung von Verria herum, ohne daß die Behörden ernstliche Anstalten zu ihrer Verfolgung träfen. Die wenigen Gensdarmen, welche der Vali zur Verfolgung der Räuber austrieb, sind dieser Ausgabe nicht gewachsen. An der Grenze der beiden Vilajets von Salonichi 'und Monastir ist eine starke Räuberbande aufgetaucht, hat das Dors Bogatschko bei Schattsta überfallen und einen dort ansässigen reichen Kaufmann, Namens Miko, vollständig ausgeplündert. Die bosnischen Chefs haben, wie den „Times" aus Belgrad telegraphirt wird, an der dalmatinischen Grenze eine Zusammenkunft gehalten. Der Plan einer Autonomie für Bosnien wurde in Betracht gezogen und darauf, als der Lage gar nicht entsprechend, verworfen. In Bosnien sand im Jahre 1690 unter dem Patriarchen Cernovics eine große Auswanderung statt. Dieser Auszug wurde durch die Grausamkeit der Türken veranlaßt und nach seiner Ausführung wurden die Ländereien der Emigranten confisctrt und den Begs, Agas und Beys gegeben. Die bosnischen Chefs verlangen nun, daß die con- fiscirten Ländereien den Nachkommen der ursprünglichen Eigen- lhümer zurückgestellt werden und bereiten ein Memorandum an die Großmächte vor, in welchem dieses Begehren enthalten ist. Vom türkischen Kriegsschauplätze. Wien, 15. October. (A. Allg. Ztg.) Trotz der Haltung Ruß lands werden die Mächte die, jedoch wenig Aussicht auf Erfolg bietende Fortsetzung der Verhandlungen mit der Pforte wegen der Waffenstillstandsbedtngungen versuchen. Belgrad, 15. October. Der von der Pforte vorgeschlagene «monatige Waffenstillstand ist als gescheitert anzusehen, weil die serbische Regierung mit aller Entschiedenheit einen Waffenstillstand von so langer Dauer ablehnt und nur auf einen Waffenstillstand von 6 Wochen eingehen will. Ein Collectivschritt der hiesigen Ver treter der Großmächte bezüglich des Waffenstillstandes wird unter bleiben, Wei! der Minister Ristic dem englischen Consul die vertrau liche Mittheilung machte, daß die Regierung den Beschluß gefaßt hat, den von der Pforte beantragten Waffenstillstand abzulehnen. Für die Ablehnung ist der Umstand maßgebend, daß die Pforte, von einem Extrem in's andere fallend, plötzlich eine so lange Dauer verlangt habe, weil sie, auf keinen Winterfeldzug vorbereitet, nur Zeit gewinnen wolle, sich militairisch aus Asien zu verstärken. Der Pforte sei es überhaupt nicht um den Frieden zu thun, da sie die von den Mächten geforderten Garantieen für die aufständischen Provinzen nicht bewilligen wolle, während Serbien die Vorschläge der Mächte als Basis des Friedens angenommen habe. Serbien könne unmöglich ohne Aus sicht auf Erfolg seine Armee Monate lang im Felde lasten; es könne höchstens auf einen 2monatigen Waffenstillstand eingehen. Die serbische Armee gewinnt mehr und mehr den Charakter eines russischen Armeecorps, das durch russische Offiziere und Unter offiziere mit russischem Commando, mit russischen Waffen versehen, in den Kamps geführt wird. Mit Rücksicht auf diesen Zustand sind einige Daten von Interesse, welche der Belgrader Berichterstatter der „Polit. Corr." mittheilt. Derselbe giebt die Zahl der in der Armee Tscher- najeffs dienenden russischen Offiziere auf 479, jene der Unteroffiziere auf 592 und jene der Kosaken auf 1800 an, welche theilweise mit prächtigen donischen Pferden in Serbien eingetroffen sind. Da die serbische Artillerie nur leichtes Geschütz führte, so wurden aus Moskau 2 Batterieen Mitrailleusen und 2 Batterieen schwersten Calibers nach Belgrad gebracht. Außerdem trafen in den letzten Tagen über Ru mänien, also ebenfalls aus Rußland, große Quantitäten Munition, 12 Kisten mit Säbeln und 22,000 Gewehre in Serbien ein. Aus Deligrad wird dem „N. W. Tgbl." unter dem 12. d gemeldet: Gestern Nachmittags herrschte im Lager große Aufregung, da ein Feuer beinahe sämmtliche Hütten vor dem Quartier des Commandanten zerstörte. Die Soldaten löschten dasselbe und retteten dte Vorräthe der Verkäufer. Einige Patronen explodirten durch das Feuer; es wurde indeß Niemand verletzt. Podgoricza, 15. Octobcr. (Telegramm der N. Fr. Pr.) Gestern hat wieder ein Kamps bei Spuz stattgesunden. Der Ort Jentkoe wurde eingenommen, gänzlich verbrannt und dann wieder verlassen. Zwei neue Anhöhen wurden von den Türken besetzt. Dte Verluste sind gering. Sächsische evangelisch-lutherische Landes-Synode. —A—. Dresden, 16. October. In dem Generalbericht des LandeSconsistoriums über die Zustände der evang.-luther. Kirche, der während der Verhandlungen der Synode von allen Seiten mit Recht große Anerkennung fand, wird auch die erfreuliche Mittheilung gemacht, daß das Verhalten der Geistlichen im Allgemeinen ein würdiges und standesgemäßes sei, und auffallende Disciplinarvergehen seit 1871 nicht vorgekommen sind. Nur in einem Falle hat in Folge erhobener Beschwerden Seitens der Gemeinde zur zwangsweisen Emerttir- ung verschritten werden müssen. Ebenso wird den Geistlichen daS Zeugniß ertheilt, daß sie aus ihre wissenschaftliche Fortbildung bedacht sind und die Nothwendtgkeit erkennen, „in einer Zeit, wie die gegenwärtige, die durch die bedeutendsten Fragen auf dem Gebiete der Religion und der Kirche in eine anhaltende Bewegung versetzt worden ist, durch ernste theologische Arbeit und durch sorgfältige Vertiefung in den ewigen Grund der christlichen Heilslehre nicht nur die ausreichenden Mittel zur lebendigen Verkündigung des seligmachenden göttlichen Wortes, sondern auch die feste Stellung im Kampfe mit den Gegnern des kirch lichen Lebens zu finden. Insbesondere ist auch das Conferenzwesen der Geistlichen gut geordnet. Die Betheiligung bei den Kirchenvorstands wahlen sei zwar im letzten Falle in allen Parochieen des Landes eine sehr geringe gewesen, hat an keinem Orte mehr als 10 Procent betragen, doch sind die Wahlen, mit sehr wenig Ausnahmen, auf kirchlich ge sinnte Männer gefallen ; nur eine verschwindend kleine Minorität wünsche einen andern Wahlmodus, gegen dessen Beseitigung sich auch die Synode bereits erklärt hat. Die Kirchenvorstände haben bisher ihre Thätig- keit mehr auf das Aeußerliche deS kirchlichen Lebens gerichtet, aber in dieser Beziehung bereits viel Ersprießliches geleistet. Doch hofft man, daß sie immer mehr zu einer sittlichen Macht in der Gemeinde heran wachsen werden. Der Besuch der Diöcesanversammlungen wird allent halben als ein sehr zahlreicher gerühmt. Der Erfolg der Kirchen visitationen ist bisher ein entschieden günstiger gewesen, und ist eine Abänderung des 5jährigen Turnus sowie ihrer sonstigen Ein richtung nicht beabsichtigt. Die Werke der inneren Mission nehmen einen sehr gesegneten Fortgang durch Vereine und Anstalten: Rettungshäuser, Kinderbewahrungs- und Erziehungsanstalten, Jüng lingsvereine und Magdalenenvereine, Heimathsstätten für Gesellen und Dienstboten, von denen die Leipziger Herberge zur Heimath im Jahre 1875 nicht weniger als 8441 Gäste beherbergt hat. Die Vereine zur Für sorge für entlassene Sträflinge mehren sich. Die Feste der kirchlichen Vereine gestalten sich oft zu wahren Volksfesten. — Was die Ueber- wachung des Religionsunterrichts in den Volksschulen durch die Geistlichen anlangt, so ist mit Befriedigung zu ersehen gewesen, daß, mit äußerst wenigen Ausnahmen, die Lehrer den Religionsunterricht auf dem Grunde der Schrift und des Bekenntnisses der Kirche in erweck- ltcher Weise ertheilen und mit den Ortsgeistltchen in Eintracht ver kehren, so daß ärgerliche Differenzen zwischen denselben in amtlicher und außeramtlicher Beziehung zu den Seltenheiten gehören. Im Mai 1875 gab eS 2073 evangelisch-lutherische Volksschulen mit 435,648 Schülern, welche von 4925 Volksschullehrern, nämlich 155 Schul directoren, 3735 ständigen Lehrern, 325 Schulvicaren, 566 Hilfslehrern und 144 Lehrerinnen, geleitet beziehendlich unterrichtet wurden. — Die Function eines Vorsitzenden im Schulvorstande ist nur in wenigen kleinen Städten und ländlichen Schulorten nicht dem Geistlichen über tragen worden. In den Unterklassen der Volksschulen müssen wöchent- Ich 3, in den Oberclassen 4 Religionsstunden gegeben werden. Neben der Bibel, dem Katechismus und dem Gesangbuch werden als Lehr mittel beim Religionsunterricht gebraucht: der Kreuzkatechismus und >er Zwickauer Katechismus, 36 verschiedene Spruchbücher; an biblischen Geschichten: das Zwickauer zweite Schulbuch und 34 von verschiedenen Verfassern. In nur wenigen Fortbildungsschulen wird Religions unterricht ertheilt. Von den Seminaren heißt es in dem Bericht,