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28N deS neuen Reichstag? die Vorlegung einer Militair-Strafproceßordnung zn erwarten sei. — In Bezug auf frühere officiöse Kundgebungen über die Noth wendigkeit/ die Socialdemokratie zu bekämpfen, bemerkt die „N. Evangel. K.-Ztg.": „Gewiß, die Socialdemokratie muß ernstlich be kämpft werden; aber eben deshalb muß man diese Partei weder unter-, noch: überschätzen, und am Wenigsten beides zugleich, sondern dieselbe vor Allem als ein Product unserer Zustände verstehen lernen, um alsdann dem Uebel nicht nur mit äußeren Machtmitteln, sondern mit inneren an die Wurzel zu gehen." Königsberg, 14- Oct/ Das Außenfort Quednau dcr Königs - berger Festung wird im nächsten Jahre fertig dastehen; die Forts Lauth und Neudamm sind dann die nächsten, welche fertig zu schaffen sind, was ebenfalls im nächsten Jahre bereits zum größten Theile der Fall'sein dürfte. An den anderen drei Forts wird fortdauernd durch die Generalunternehmung, welche den Bau aller sechs Forts über nommen hat, gearbeitet. München, 15. Octbr. Der König hat anläßlich der Kunst- und Kunstgewerbeausstellung an deren ersten Präsidenten nachstehendes, von Schloß Berg, 14. Octbr., datirtcs Handschreiben gerichtet: „Mein lieber Erzgießerei-Jnspector v. Miller! Die deutsche Kunst- und Kunst gewerbeausstellung zu München, welche in diesen Tagen zu Ende geht, war zu Meiner hohen Freude von einem glänzenden Erfolge gekrönt und wird schon allein dadurch, daß sie den Gedanken der Verbindung der Kunst mit dem Gewerbe neu belebt hat, von hervorragender Wirkung sein. Ich sende Ihnen, Mein lieber Jn- spector v. Miller, der Sie an diesem großen Werke vom ersten Beginn bis zur Vollendung den umfassendsten Antheil haben, zum Gelingen desselben Meine wärm sten Glückwünsche und lassen Ihnen mit gegenwärtigen Zeilen das Großcomthur- kreuz des Verdienstordens vom heil. Michael als Zeichen Meiner besondern An erkennung zustellen. Hiermit verbinde Ich den Ausdruck vollster Werthschätzung, mit welcher Ich bin Ihr wohlgeneigter König Ludwig." Unter den aus Anlaß der Kunst- und Kunstgewerbeausstellung von dem Könige decorirten Persönlichkeiten befinden sich der Di rector der Kunstgewerbeschule in Dresden, Pros. Graff, und der Director der Akademie in Leipzig, Prof. Nieper. Beide erhielten das Ritterkreuz erster Clafse des Verdienstordens vom heil. Michael. Oesterreich. Wien, 15. October. Der Kaiser wird dem Vernehmen nach zwischen dem 20. und 26. October von Pardubitz aus der Kaiserin- Witwe Maria Anna einen Besuch in Prag abstatten. Znaim, 15. October. Nachdem gestern AbendS 11 Kallen dorfer Excedenten (vergl. vor. Nr.) verhaftet worden waren, kehrte das Militair und der Untersuchungs-Commissar nach Znaini zurück- Italien. Wie die italienischen Blätter melden, befindet sich die Herzogin von Aosta (Gemahlin des Prinzen Amadeus, der in den Jahren 1871 und 1872 König von Spanien war) so schlecht, daß die Aerzte an ihrem Aufkommen zweifeln. Die erst 29 Jahre zählende Frau kann nicht mehr das Zimmer verlassen und nur sehr wenig Nahrung zu sich nehmen. Frankreich. Paris, 14. October. (K. Z.) Aus sicherster Quelle verlautet, daß Rußland mit Frankreich keineswegs zufrieden ist, weil letzteres auf des erstem Anerbietungen nicht eingehen wollte. Im Elysäe gab es Stimmen, die, wie Däcazes, nicht abgeneigt waren, mit Rußland zu gehen, aber die republikanischen Führer, namentlich Gambetta, sprachen sich entschieden dagegen aus, da sie sich nicht auf Abenteuer einlassen wollen. Die russischen Anerbietungen wurden vor ungefähr zehn Tagen, jedoch ohne Erfolg, in Paris erneuert; in Ita lien wurden ähnliche Anerbietungen gemacht und fanden ein geneigteres Ohr, da man dort für Alles empfänglich ist, was eine Vergrößerung in Aussicht stellt. — Der französische Botschafter Leflo kehrt am Mon tag nach Petersburg zurück. (Der „N. P. Ztg." schreibt man von hier in derselben Angelegenheit: „Thatsache ist es, daß die Be ziehungen zwischen Petersburg und Versailles sich zu stets kühleren zu spitzen, wie denn auch das Leiborgan des Herzogs Däcazes heute aus Anlaß der von Rußland abgelehnten türkischen Waffenstillstands-Vorschläge eine heftige Polemik gegen die Czaren- Regierung eröffnet. Die Politik des „Feldherrn" Gambetta, der durch den „vorzeitigen" Ausbruch der Orientwirren seinen Zukunftsplan, auf dem Tempelhofer Felde die Parade über Troupiers- und Kosaken abzunehmen, vereitelt steht, gewinnt ersichtlich die Oberhand.") Großbritannien. London, 14. Oct. (K. Z.) Der Centralausschuß der Baum wollspinner in Lancashire hat eine Versammlung sämmtlicher Fabrikbesitzer des Bezirks zur Berathung der augenblicklichen, als sehr ernst bezeichneten Geschäftskrisis berufen. — Der General-Post meister entsendet zwei Beamte nach Amerika zum Studium des Telegraphenwesens. — Wie der „Toronto Globe" meldet, ist die Ver- inessung der projectirten kanadischen Pacific-Eisenbahn voll endet. Die Gesammtlänge beträgt 2031 Meilen, der Kostenanschlag achtzig Millionen Dollars. — Zu den bedeutungsvollsten Zeichen des hier eingetretenen Umschwunges der Meinung gehört eine heutige scharfe Erklärung d r „Times". Ihr Leitartikel schließt nämlich mit folgenden Worten: ,Wenn Rußland den von der Pforte gebotenen Waffenstillstand ver wirft oder eine Verwerfung desselben veranlaßt, so wird Rußland zum Feinde Europa's." — Lord-Advokat Watson, Kandidat für die Vertretung der Universitäten Glasgow und Aberdeen, vertheidigte in einem Meeting der Wähler von Glasgow die auswärtige. Politik der Negierung. Er sagt, das wahre Ziel Großbritanniens sei wesent lich nur der Friede, jedoch nicht der Friede um jeden Preis; Englands Pflicht sei, eine gute Regierung in der Türkei zu ermuthigen und zu stützen, selbst mit materieller Hilfe in dem Fall, daß der Bedränger gl stark für den, Schwachen sei. — Ein Blau buch „über den mora lischtn und materiellen Fortschritt Indiens" im letzten Verwaltungsjahre enthält werth- volle Belege für die Hebung Indiens auf dem Gebiete der Volks- wirthschaft, des Gewerbcfleißes, der Gerichtspflege und des Volks- stnterrichts. DaS Wirken der Civilgerichtshöfe in Bengalen, bei denen jetzt auch Eingeborene hohe Posten bekleiden, wird als ein sehr be friedigendes geschildert, die Redlichkeit und Tüchtigkeit der bei ihnen rugestellten einheimischen Richter mit Anerkennung erwähnt. Der liolksunterricht wacht stetige Fortschritte. In Bengalen mehrten sich sie Elementarschulen bedeutend, das Bestreben, englisch zu lernen, wächst und auf Anregung des Prinzen von Wales steuerten wohl habende Eingeborene der verschiedensten Classen reichlich Geld bei, um zum Andenken an seinen Besuch Erziehungsanstalten zu gründen. In Calcutta und anderen großen Städten soll mit dem Fortschritt euro- päischer Schulbildung leider der Hang zum Trunk zugenommen haben) und im Norden Bombays entwischt eine ganz ungewöhnlich große Anzahl Jungen aus den Schulen, um — zu heirathen. Die von der Regierung ergriffenen Maßregeln, dem so entsetzlich häufigen Kindermorde zu steuern, erwiesen sich fortwährend als zweckentsprechend. Ihnen ist es zu danken, daß in den nordwestlichen Provinzen das Berhältniß der Mädchen (die sonst am Meisten dem Morde verfielen) zu der Gesammtzahl der Kinder um 2 pCt., nämlich von 28,9 auf 30,9 pCt. stieg. Die große Thätigkeit für die Entwickelung des in dischen Kohlenbergbaues verheißt auch lohnende Ergebnisse. So wurde, um nur ein Beispiel anzuführen, in den central-indischen Wurrora- Gruben ein ungeheures Lager ganz ausgezeichneter Kohle entdeckt, dessen Gehalt man auf 40 Millionen Tonnen schätzt, genug, um min destens 500 Tonnen täglich auf die Dauer von 200 Jahren zu liefern. Die einheimischen Gewerbzweige sterben in vielen Plätzen aus, theils durch die Mitbewerbung englischer Webstühle, theis durch die Ein führung von Maschinen nach Indien. Die anstelligen Eingeborenen schicken sich bald in die Maschinenarbeit und finden in den Baumwoll-, Jute- und Zuckerfabriken zu Tausenden Beschäftigung. Aber die alt- überkommene Herrlichkeit ihrer Handarbeit hat darum doch nicht an allen Orten der zudringlichen Dampfkraft weichen müssen; noch be hauptet in Orissa und Patna der einfache Webstuhl seinen Platz und in Dacca werden wie seit uralter Zeit noch immer die kostbarsten Musseline der Welt durch Handarbeit dargestellt. Rußland. Petersburg, 14. October. Vorgestern ist die Großfürstin Marie Paulowna von einem Prinzen entbunden worden, der den Namen Cyrill erhalten hat. - Hinsichtlich derWaffenstillftandsfrage spricht daS„Jour- sial de St. Petersbourg" von Garant ieen und schließt folgender maßen: „Manche Winke lassen uns glauben, daß in Stambul selbst man den Krieg für unvermeidlich hält, und daß man den Ent schluß Rußlands annimmt, die Frage nicht auf unbestimmte Zeit zu