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2609 westbahn hier eingetroffen. Auf dem schSn geschmückten Perron des Bahnhofes hatten sich außer den dem hohen Gaste zugetheilten Mili- tairS, dem Feldmarschalllieutenant v. Baumgarten und dem Flügel- adjutanten Oberstlieutenant Frhrn. v. Lohneysen, der königl. sächsische Gesandte v. Helldorff, der Landescommandirende Feldzeugmeister Frhr. v. Maroicic, der Statthalter Frhr. Conrad v. Eybesfeld, der Polizei- Präsident Ritter Marx v. Marxburg, der Präsident des Verwaltungs- rathes der Nordwestbahn, Franz Altgraf zu Salm-Reifferscheid, u. s. w. eingefunden. Links vom Hofwartesalon nahm die Ehrencompagnie des Infanterie-Regiments „Ludwig II., König von Bayern" Nr. 5 mit der Mufikcapelle Aufstellung, mit dem Divisionair und dem Bri gadier an der Spitze. Se. Maj. der Kaiser traf in Begleitung des Generaladjutanten Feldmarschalllieutenants Frhrn. v. Monde! wenige Minuten nach 8 Uhr aus dem Bahnhofe ein und um 8 Uhr 25 Min fuhr der vom Oberinspektor Glück geleitete Courierzug in die Halle ein. Die Majestäten, welche langjährige innige Freundschaft verbin det, begrüßten sich in der herzlichsten Weise. Der König Albert, welcher die Uniform seines österreichischen Dragoner-Regiments Nr. 3 trug, nahm unter den Klängen der sächsischen Bolkshymne, die die Mufikcapelle intonirte, die Parade über die zu seinem Empfange auf gestellte Ehrencompagnie ab und fuhr nach erfolgter Vorstellung der anwesenden Honoratioren mit dem Kaiser nach Schönbrunn. Ein zahlreiches Publicum, das vor dem Bahnhofsgebäude sich angesammelt hatte, begrüßte die Majestäten in sympathischer Weise. Nach dem Diner, das Nachmittags in Schönbrunn stattfindet, werden Ihre Maje stäten, der Kronprinz Rudolf, der Grobherzog von ToScana und mehrere Cavaliere zu den Hochwildjagden nach Mürzzuschlag fahren. — Der Prinz Leopold von Bayern, Gemahl der Erzherzogin Gisela, ist heute früh angekommen. — Wie die „Pr." erfährt, begab sich Graf Andrassy am Abend des 22. ganz allein in das Palais der hiesigen türkischen Bot schaft, wo er eine mehr als IMndige Besprechung mit Aleko Pascha Vogorides hatte, in der er ihm den Standpunkt Oesterreich- Ungarns in Betreff des von der Türkei zu gewährenden Waffen stillstandes und der von ihr aufgestellten Friedensbeding- ungen klar auseinanderlegte. Zu Ende der Conferenz theilte hier auf der türkische Botschafter dem Minister des Aeußern mit, daß er den Inhalt derselben sogleich telegraphisch zur Kenntniß seiner Negier ung bringen werde. In hiesigen diplomatischen Kreisen verlautet, Graf Andrassy habe ausdrücklich betont, die Gewährung eines vier wöchigen Waffenstillstandes, wie ihn die Großmächte von der Pforte fordern, sei sehr erwünscht, damit dieselben unterdessen sowohl die Friedensbedingungen zwischen den kriegführenden Parteien verein baren, als auch über die Zukunft Bulgariens, Bosniens und der Her zegowina reiflich berathen könnten. Infolge dessen erwartet man schon für nächsten Montag oder Dienstag eine kaiserliche Jradeh, in der der Sultan einen vierwöchigen Waffenstillstand gewähren wird. Was dann die Friedensbedingungen selbst anbelangt, so soll Graf Andrassy erklärt haben, daß sich Oesterreich-Ungarn hierbei den Ansichten der anderen Großmächte anschließe und sowohl für Serbien als auch für Montenegro den stritten status yuo ante accepttre. Bezüglich des Fürsten Nikita meine aber Oesterreich, daß es gerathen sei, demselben auch die geforderte Gebietserweiterung zu gewähren und ihm so jeden Anlaß zu einer Klage über die schlechte Lage seines Ländchens zu be nehmen. — Die Listen für das November-Avancement dürften be reits abgeschlossen sein. Wahrscheinlich werden diesmal auch die unteren Grade der Infanterie eine entsprechende Berücksichtigung finden. Noch immer giebt es mehr als 600 Oberlieutenants, welche schon im Jahre 1859, also vor 17 Jahren, als Offiziere vor dem Feinde standen. Die Veränderungen in der Generalität werden dem Vernehmen nach zahlreich sein und namentlich eine lange Reihe von Pensionirungen bringen. Prag, 23. September. (N. Pr. Z.) Der am 15. d. hier ein- getroffene päpstliche Nuntius, Mons. Jacobini, hat während seines dreitägigen hiesigen Aufenthaltes eine außerordentliche Thätigkeit ent wickelt. Sonnabend war derselbe von der Kaiserin Maria Anna zum Diner geladen. Es war dies der erste solenne Empfang bei der Kaiserin seit ihrem Witwenstande. Sonntag Vormittag empfing der Nuntius die Vorstände der katholischen Ressource, deS katholisch politischen Vereins, der St. Wenzels-Borschußcasse, des Katholiken- Vereins, der christlichen Akademie und deS Dombau-Vereins, dann die Commandanten der drei bewaffneten Bürgercorps und den Fürsten Moritz Lobkowitz nebst Familie. Der Mittag war der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten Prags gewidmet, worauf Diner beim Cardinal- Erzbischöfe, zu welchem auch der Obersihofmeister der Kaiserin Maria Anna, Graf Pergen, geladen war. Die Reise des Nuntius hat neben seiner persönlichen Orientirung über die böhmischen Ktrchenverhältnisse hauptsächlich den Zweck, den böhmischen Clerus zu ermuntern im Kampfe für den Glauben und gegen die Kirchenstürmer. Dieser Zweck wurde auch dadurch illustrirt, daß der Nunüu« gleich am Sonnabend dem Jesuitenconvente zu St. Ignaz und am Sonntage dem Redemp toristenconvente zu St. Cajetan einen längeren Besuch abstattete, ein Beweis daß man den „starken Nuderknechten" nach wie vor in Rom eine besondere Wichtigkeit beilegt. Agram, 23. Septbr. Von Drenovacz wird eine Grenz verletzung gemeldet; auf Oberlieutenant Török wurde geschossen. Dänemark. Kopenhagen, 22. September. Der KriegS-Minister hat dieser Tage eine Deputation der Sociatdemokraten empfangen, welche ihm die in einer Volksversammlung auf dem Norderfelde gefaßte Resolution, daß die Soldaten künftig humaner behandelt werden möchten, überreichte. Er hat darauf, wie „Socialdemokraten" mittheilt, er- wiedert, dem Reichstage werde ein Gesetzentwurf zur Aenderung der veralteten Militaicstrafgesetze vorgelegt werden, die Classe der Unter offiziere lasse allerdings viel zu wünschen übrig, jeder Mißbrauch dis- ciplinarer Gewalt solle bestraft werden, aber zur Erhaltung der Manns zucht seien strenge Gesetze nothwendig, die nicht gelockert werden dürsten. Schtveiz. Genf, 21. Sept. Der große Rath begann in seiner gestrigen Sitzung mit der Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Güter der aufgehobenen religiösen Corporationen, wonach dieselben einfach zu Staatseigenthum erklärt werden. Der Entwurf wurde von G. Fazy sowohl mit Bezug auf die constitutionellen Ga- rantieen deS Eigenthums, als auch mit Bezug auf die Trennung der Gewalten einer sehr scharfen Kritik unterworfen, der von ihm gestellte Antrag, die Berathung des Entwurfs auf unbestimmte Zeit zu ver schieben, indessen verworfen. Nach einer längeren Berathung wurde die weitere Discussion auf den 23. vertagt. Frankreich. Paris, 23. September. Das „Journal osficiel" veröffentlicht zwei Decrete Betreffs Errichtung von juridischen Facultäten zu Douai und Bordeaux. — Der „Bien Public" meldet: Trotz vielfacher Bemühungen weigert sich Marschall Mac Mahon, den Herzog von Aumale an Stelle Ladmirault's zum Commandanten des ArmeecorpS von Paris zu ernennen. — Schon mehr als 50 Proteste find gegen die Wahl des Herrn de Mun in der Quästur der Deputirtenkammer eingetroffen. — Das Strafgericht hat RaSpail wegen einer von ihm verfaßten Broschüre über die Nothwendigkett der Amnestie zu acht Monaten Gefängniß und 1000 Francs Strafe verurthetlt. Großbritannien. London, 23. September. Heute findet das erste Cabtnets- conseil nach dem Schluß der Parlamentssession statt. — Die neue Panzerfregatte „Alexandra" hat ihre Probefahrten einstellm und nach Chatham zurückkehren müssen, weil während einer dieser Fahrten ihre Kurbe einen Bruch erlitt. Der Unfall, der glücklicherweise mit keinen sehr ernstlichen Folgen verknüpft war, wird die Indienststellung des mächtigen Kriegsfahrzeuges um beträchtliche Zeit verzögern. — Auf einem dieser Tage in Glasgow abgehaltenen Protest- Meeting gegen die türkischen Grausamkeiten in Bulgarien hat der Herzog von Argtll, der im letzten Gladstone'schen Cabinet Minister für Indien war, eine sehr heftige und leidenschaftliche Sprache gegen die Orientpolitik der Regierung geführt. Er tadelte insbesondere die Ablehnung des Beitritts zum Berliner Memorandum und beschuldigte die Regierung großer Parteilichkeit für die Türkei. Spanien. Der aus dem Carlistenkriege bekannte Pfarrer Santa Cruz ist wegen Mordes und Brandlegung jetzt nachträglich von dem Kriegs gerichte in San Sebastian zu zehn Jahren schweren Kerkers v er-