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1241 Stocken, welcher die Verwaltung der Angelegenheiten der evangelischen Kirche vom Cultusminister und den Regierungen auf den Oberkirchen- rath und die Consistorien überweist. Die Abgg. Virchow und Klotz (Berlin) hatten dazu einen Artikel 19 u eingebracht, welcher die Bestimmungen des Altkatholikengesetzes über Theilung des Kirchen vermögens rc. auch auf evangelische Verhältnisse übertragen sollte. — Der Cultusminister Falk trat in energischer Weise diesem Anträge entgegen. Während die Regierung sich beim Altkatholikengesetze von der Bekenntnißfrage fern gehalten, wolle man ihr hier eine solche Entscheidung aufdrängen. — Der Abg. Windthorst (Meppen) be nutzte die Aeußerung des Ministers zu der Erklärung, daß seine Partei consequenterweise wie gegen das Altkatholikengesetz, auch gegen den Birchow'schen Antrag stimmen werde. Die Regierung bekämpfe aber das Amendement nur, weil sie in löblichem Bestreben die evan gelische Kirche erhalten wolle, während sie die katholische Kirche zu sprengen beabsichtige. — Der Art. 19 a wurde mit großer Majorität abgelehnt. — Den letzten Anstoß zu einer eingehenden Debatte gab der von der Commission eingefügte Art. 21 a: „Die Verwaltung der evangelisch-theologischen Facultäten der Landesuniversttäten, ins besondere die Anstellung der Professoren, steht ausschließlich den Staats behörden zu/' Nach mäßiger Debatte wurde indeß Art. 21 a in der folgenden, vom Abg. Virchow eingebrachten, Fassung trotz des Ein spruches vom Regierungstische aus angenommen: „Den Organen der Landeskirche steht eine Mitwirkung bei Anstellung der Professoren an den evangelisch-theologischen Facultäten der Landesuntversitäten und der Directoren der Lehrerseminarien nicht zu." Der Rest wurde fast ohne Discusston genehmigt und die Sitzung auf morgen vertagt. — Der Berliner Verein der Centrumspartei hat an das Abgeordnetenhaus eine umfangreiche Petition in Betreff der rechtlichen Stellung der Freimaurervereine gerichtet, in welcher ersucht wird, das Haus wolle die königl. Regierung veranlassen, auf die jenigen Logen und Versammlungen von Freimaurern, welche eine Ein wirkung auf öffentliche Angelegenheiten oder eine Erörterung politischer Gegenstände bezwecken, die Bestimmungen, betreffend die Ueberwachung ähnlicher Vereine und die Beschränkung der Verbindung politischer Vereine unter einander, zur Anwendung zu bringen. — Officiös wird geschrieben: Das Herrenhaus wird voraus sichtlich gleich nach dem 15. Mai, nach der Berathung über die lauen- burgische Vorlage, in die Verhandlungen über die Eisenbahnfrage eintreten. In Regierungskreisen hält man es für gewiß, daß die Vorlage von Seiten des Herrenhauses mit großer Mehrheit geneh migt werden wird. Uebrigens läßt die Thatsache, daß das Herren haus erst am 15. Mai in die erste Berathung der lauenburgischen Vorlage eintreten will, darauf schließen, daß man in parlamentari schen Kreisen den Schluß der Session erst nach Pfingsten in Aussicht nimmt, da die zweite Beschlußnahme über die Vorlage erst nach 21 Tagen erfolgen, also nicht mehr vor Pfingsten stattfinden kann. Wie man hört, liegt eS in der Absicht deS Fürsten Bismarck, an den Berathungen des Herrenhauses, namentlich über die Eisenbahnvorlage, Theil zu nehmen. Breslau, 4. Mai. Die „Br. Ztg." empfiehlt in einem „Zur Reichstagswahl für Breslau" überschriebenen, an der Spitze ihres heutigen Morgenblattes abgedruckten Artikel, an Stelle des Herrn von Kirchmann, den die liberale Partei in Breslau nicht wiederwählen könne, als Vertreter Breslau's in den Reichstag Staatsminister Delbrück zu wählen. Hamburg, 3. Mai. (Social-Demokratie.) Der „Lüb. Ztg." wird geschrieben: „Der deutscheArbeiterverein, welcher in Preußen verboten ist, hat es jetzt vorgezogen, wöchentliche Ver sammlungen in Hamburg abzuhalten. Der Senat, welcher bisher auf unserem republicanischen Boden eine recht große Nachsicht gegen die soelaldemokratischen Elemente geübt, gedenkt nun mit einer gesetzlichen Vorlage hervorzutreten, um dem zu bedeutenden agitatorischen Treiben dieser Leute entgegenzutreten." Karlsruhe, 4. Mai. (Evangelische Conferenz.) Gestern tagte in Dur lach die evangelische Conferenz unter sehr zahlreicher Betheiligung ihrer Mitglieder aus den verschiedensten Ständen. Die Conferenz trat in der Discusston und Beschlußfassung entschieden für daS apostolische GlaubenSbekenntniß ein, dessen Geltung durch keine Generalsynode abgeschwächt und noch weniger umgestoßen werden dürfe. Im Hinblick auf die jüngsten Ernennungen zweier neuen Docenten der Theologie an der Universität Heidelberg, deren Einem (vr. Holsten) die Bibel nur ein Gegenstand der Kritik ist, während der Andere (vr. Bassermann), obgleich er erst drei Jahre im Kirchendienste ge wesen, zum Professor der praktischen Theologie ernannt ist, be schlossen die auf der Conferenz anwesenden Geistlichen (gegen 50), an die Ständekammern eine Petition einzureichen, worin die einseitige Besetzung der Heidelberger Faeultät mit entschiedenen Protestanten- veretnlern beklagt und um Abhilfe nachgesucht wird. Es wurde auf der Conferenz ausgesprochen, daß diese Berufungen für unsere evangelische Kirche überaus schmerzlich seien, daß aber die in Aussicht gestellten Staatsstipendien von jährlich 14,000 Mark für die in Heidel berg studirenden Theologen die Anziehungskraft der Facultät in ein seltsames Licht stelle, sofern nun das Geld thun solle, waS der Geist nicht vermochte. Es wurde auch constatirt, daß der evangelische Ober- Kirchenrath neuerdings bei Besetzung von theologischen Lehrstellen gar nicht mehr gefragt werde, sondern die Ernennungen, wie die übrigen Leute, aus der Zeitung erfahre. , , , München, 4. Mai. „Und wenn ich mit Engelszungen redete", sagte gestern im Münchener Landtage ein liberaler Abgeordneter, „so würde ich das Geschick der liberalen Münchener Kammermandate nicht wenden!" In der That ist auch in der heut fortgesetzten Diskussion der CommissionSantrag aus Cassirung der Wahlen deS ersten Münchener Bezirks angenommen worden. Die ultramontane Oppo- ition gebraucht die Uebermacht, welche ihr das Plus von einigen Stimmen verleiht, und hat andererseits gegen den einstimmigen Wider- pruch der liberalen Minorität die ultramontanen Wahlen deS zweiten Münchener Bezirks gutgeheißen. Im Laufe der Debatte behauptete der zur Majorität zählende Abg. Bezirksgerichtsrath Sch elS, daß in einigen Wahlkreisen Dinge vorgekommen wären, die eines StaateS, der sich einen Rechtsstaat nenne, unwürdig seien. Es hätten die Districtsbehörden die Weisungen der Regierung mit bedienten- -aftem Eifer vollzogen. Der königliche Staatsminister de? Innern, v. Pfeufer, trat dieser Aeußerung sofort mit der Bemerkung ent gegen , daß er insolange, als der Redner nicht den Beweis für die erstere Behauptung liefere, dieselbe mit Entschiedenheit zurückweisen müsse. Was die zweite Aeußerung betreffe, so enthalte sie Beleidig ungen der betreffenden Behörden, und glaube er, daß dieselbe auf Grund der Geschäftsordnung den Ordnungsruf verdient hätte. Darauf bemerkte der Präsident, Freiherr v. Ow, er habe die Aeußer ung nicht vollständig verstanden und werde sich die stenographische Aufzeichnung bringen lassen. Abg. Sch el 8 giebt indessen zu, daß er den Ausdruck „bedientenhast" gebraucht habe, worauf ihn der Präsi dent zur Ordnung ries. Oesterreich. 04 Wien, 4. Mai. Die Delegationen beider Reichshälsten ind, wie die „Politische Correspondenz" meldet, auf den 15. d. M. ach Pesth einberufen. — Die heutige Auffahrt bei dem neu ernannten deutschen Zotschaft er, Grafen Stolberg-Wernigerode, war glänzend. Graf Andrassy erschien unter den Allerersten. — Die gesammte hiesige Presse begrüßt mit Genugthuung den Ab schluß der zwischen den Ministerien beider Staatsgebiete der Monarchie gepflogenen Ausgleichsverhandlungen. Insbesondere wird in innig dankbarer Verehrung" des Kaisers gedacht, dem, wie die Tagespresse" hervorhebt, der Löwenantheil an dem Erfolge des Tages gebühre. Seine Weisheit habe vom ersten Momente an den Standpunkt dargelegt, von welchem allein die richtige Lösung der auf- getauchlen Fragen herbeizuführen gewesen sei. — Wie der „Boh." von hier gemeldet wird, hat der Bankier Aub, der ein geborener Frankfurter ist, den Schutz der deutschen Botschaft gegen die wider ihn verhängte Ausweisungsmaßregel an- gerufem Die Botschaft zeigt sich auch bereit, in diesem Falle zu nterveniren und sie vertritt dabei den Standpunkt, daß sie Verwahr ung einlegen müsse gegen die Voraussetzung, als ob die hier an- ässigen Deutschen sämmtlich von österreich-feindlichen Tendenzen er- üllt wären. Bankier Aub selbst hat in seiner Recursschrift jede Ten- >enz einer Verletzung Oesterreichs oder einer Schädigung des CreditS deS Landes in Abrede gestellt; er bezeichnet seine Aeußerung als einen höchst unbedachten Ausdruck der Erregung und sagt, daß er sie nicht beabsichtigt, daß er sie nicht zu vertreten im Stande wäre, ja selbst auch nicht im Munde eines Dritten zu billigen vermöchte. — Der „Polit. Corr." zufolge find neuerlich 336 Familien mit 2825 Personen aus Bosnien nach Croatien geflüchtet. Nach dem