Volltext Seite (XML)
seht, in denen es für dir -»«-tzichuna zwischen Wärmeerzeugung und Wärme abgabe selbst sorgen muß, kurz' der Wechsel zwischen den eigenen Verrichtungen seines Körpers vor und nach der Geburt und der Unterschied zwischen den von außen kommenden Einflüssen ist ein so großer und so rascher, daß es uns nicht Wunder nehmen darf, wenn wir hierbei manches selbst gut gepflegte Kind er liegen sehen. Viel kommt hierbei auf die Widerstandsfähigkeit des Kindes an. Je kräf tiger ein Kind, desto eher übersteht es innere Wechsel, trotzt es äußeren Einflüssen. Kräftige Kinder werden in der Regel nur von kräftigen Ellern gezeugt. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme. Alles, was eine Familie, ein Voll in seiner Kraft herabfttzt, wird auch die Kindersterblichkeit mehren. Drei Momente find es hauptsächlich, welch« mau als Ursachen der Racen- verschlechterung aunitnmt: Sittenlosigkeit, WhphM und Ehebündnisse unter Blutsverwandten. A./' '' Folgern wir einmal rückwärts. Eine hohe, ja fast die höchste Kinder- sterblichM findet sich im Amtsbezirk Ostritz. Die allgemeine Sterblichkeit ist hier auch eine relativ hohe, namentlich die an Lungenschwindsucht. Ihr, der Lungenschwindsucht, erlagen im vergangen«! Jahre vtm 1060 Bewohnern des ganzen Medieimil-Bezirks 1,«, im Amtsbezirk Ostritz 2,», also beinahe die Hälfte mehr. Lungenschwindsucht deutet immer, wenn sie häufig auftritt, aUf ein all gemeines Siechthum. Wäre dies hier auch nur im Beginnen, woher sollte es stammen? — Wir haben im Ostritzer Bezirke keine Großstadt, keine eigentliche Industrie, nament lich nicht große, der Gesundheit nachtheilige Fabriken, Gesetzesüberschreitungen (mit denen sonst auch die Kindersterblichkeit gern Hand in Hand geht), find hier nicht auffällig häufig, die Prostitution mit ihrer Tochter, der Syphilis, fehlt fast gänzlich; aber, wie steht es mit Ehebündnissen unter Verwandten? — Es ist mir von glaubwürdiger Seite mitgetheilt worden, daß zu solchen hier wohl ost die Konfession den Anlaß gebe. Sollte hierin, in dem Heirathen unter nahen Verwandten, auch nur ein kleiner Bruchtheil der Gesammtzahl der Ursachen für die große Kindersterblich keit liegen, bei der Wichtigkeit der Sache müssen wir auch auf diesen achten. Wir müssen dies um so mehr, als hier (im Ostritzer Bezirke) manche, ander wärts das Leben der Kinder bedrohende Umstände fehlen. Des Fehlens der Großstadt, der Fabriken wurde bereits gedacht. Es möge hier nur noch erwähnt werden, daß auch weder Lage der Gegend, noch deren Klima von ungünstigem Einflüsse sein kann. Nachteilig auf die Kinderwclt wirken hier, wie an manch andern Orten, eng«, schlecht gelüstete, mit Staub und Rauch erfüllte Wohnungen. Man scheut die Kälte und theilt ja selbst die Wohnung mit dem Kinde, ohne Nachthcil an sich zu spüren. Man übersieht hierbei, daß der Erwachsene kräftigere Athmungswerkzcuge hat, als das Kind und daß ihn, den Erwachsenen, schon der Beruf öfters ins Freie führt, wo er sich für die Stickluft des Wohnzimmers entschädigt. Häufig ist in unsrer Gegend Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer eins und dasselbe. Bisweilen ist eine Aenderung nicht möglich. Ost aber könnte man (und man würde dies gewiß nicht ohne Vortheil thun) die kühlere, reine Boden kammer mit der heißen, rauchigen Wohnstube als Schlasgcmach vertauschen. Doch, um nicht etwa mißverstanden zu werden, will ich ausdrücklich be merken, daß unter kühler Luft keineswegs kalte oder Zugluft zu verstehen ist. Es wurde schon vorher angedeutet, daß der kindliche Organismus nicht im Stande ist, den nachtheiligen Einflüssen einer zu tiefen Temperatur oder deren raschem Wechsel genügenden Widerstand zu leisten. Seine Eigenwärme darf ihm nicht schnell und nicht für die Dauer entzogen werden, ohne daß er darunter leide. Mit Recht eifert man daher auch gegen das frühzeitige Austragen und Ausfahren zur Kirchentaufe. Qo. Mayr sagt hieraus bezüglich: „In jedem Falle wird man zugeben müssen, daß der Clerus als wahrer Wohlthäter des Volkes erscheinen würde, wenn er aus freien Stücken im Winter die Kirchentaufe ausgeben und sich zur Haustauft entschließen würde." Berg berichtet, daß der Bischof von Würzburg den Pfarrern seiner Diöcese allgemein die Haustaufe und die Benutzung lauen Taufwassers angerathen habe. Auch die sächsische Gesetzgebung hat in tz 17 der revidirten Hebammen ordnung vom 8. Mai 1872 den Hebammen die Rücksichtnahme auf das Be finden der Kinder, wenn sie früh und in der Kirche getauft werden sollen, streng ammpfohlen. Al« Beweis der Gefährdung der Kinder durch das frühzeitige Austragen überhaupt wird angeführt, daß man in Brüssel seit Aufnahme des Civilstands- acteS der Geburt im Haus« an Stelle der ursprünglich angeordneten Präsen tation der Kinder auf dem Bureau des EivilstandSbeamten eine Abnahme der Sterblichkeit im ersten Lebensmonate um mehr als die Hälfte beobachtet hat. Da die Kirchentaufe bei den Katholiken in der Regel zeitiger erfolgt, al« bei dm Protestanten, habe ich, um zu sehen, ob ein Nachtheil dieser sich auch hier im ersten Mcdicinal-Bezirk und hier auch wieder im vergangenen Jahr« herausstclle, eine genaue Zusammenstellung und Zählung aller im vorigen Jahr« unter Katholiken und unter Protestanten vorgekommenen Todesfälle von Wocheükindern und von Kindern im 1. Lebensjahre «trennt bewirkt und hab« bei d«m hierauf folgende« Vergleicht gesunden: , K 1) daß die Kindersterblichkeit im Amtsbezirk Ostritz, dem vorzuAMtse von Katholiken bewohnten Bezirk», größer ist, als in den übrige» BeMen; 2) daß die SterbiickkH der Aochenknder d«r Katholiken, Md zwar der Katholiken d«s ganzen MeSKMW Heprtzt, glöß« iA al» Unter dW«t Pro testanten, und endlich - ' 3) daß, während im großen Ganzen und so auch bei den hiesige« Pro testantin, die größere Kindersterblichkeit aus dir Sommermonate ASt, diese bei unserer katholischen Bevölkerung umgekehrt die Wintermonate betrifft. Wohl solle« (so lauten die mir zugekommenen pfarramNichM Berichte) die Kinder meist in geschlossenen Wagen zur Kirche gebracht und hier nup kurze Zeit ausgchalten werden. Jndeß das Gelangen zum und vom Wagen'And die kalte Kirchenluft selbst muß auf ein Kind von nur wenig Tagen nachtheilig einwirken. Erfolgt nun vollends, wie es auch vorgekommen ist, Ler Transport zu Schlitten, oder wird unterwegs angehalten, in Schänken gezecht, oder wird das Wochenkind beim ersten Kirchengange der Mutter wieder mit zur Kirche genommen und verweilt es da schon länger in dieser, so können Erkrankungen des kindlichen Organismus kaum ausbleiben. Daß diese Erkrankungen häufig ernster Natur sind, mit dem Tode der Kinder zu enden scheinen, dafür sprech«« obige Erfahrungssätze. Auch gegen Excesse letztgenannter Art hat das Gesetz Vorkehrungen ge troffen. (Vergl. Verordnung vom 28. Mai 1850.) Jndeß immerhin wird in dieser Beziehung auf gesetzlichem Wege weniger zu erreichen sein, als durch Belehrung und durchs Beispiel. Doch gehen wir zurück zur ersten Handreichung und Pflege, welche das Kind alsbald nach der Geburt erfährt oder erfahren sollte. Da wird ein Kind geboren, noch ehe die Hebamme zugegen ist. Man hatte zu spät nach ihr geschickt, oder sie war anderwärts beschäftigt. Ist sie auch an wesend, so bedarf häufig die Mutter ihres Beistandes; das Kind wird zur Seite gelegt. Daß hierbei, wie im nachfolgenden ersten Bade schon häufig Erkältung cinwirkt und Krankheit bewirkt, ist leicht begreiflich. Die Bäder werden übrigens meist zu schnell ausgesetzt. Man bedenkt nicht, daß das Kind bis zur Geburt im Wasser lebte und — daß es in dieftm in keiner seiner Bewegungen ge- hcmmt war. Dies führt zum Wickeln der kleinen Kinder. — Jede Hebamme oder Mutter, welche die Kinder so fest wickelt, daß sie Tage, ja Wochen lang sich nur während Minuten frei rühren können, sollt« einmal vierundzwanzig Stundenlang, so eingeengt und eingezwängt liegen müssen und — gewiß, sie würde das Grau same ihres Gebührens fühlen lernen. § Hier muß den Hebammen gleich noch Etwas vorgehalten werden. Es ist mir nämlich von glaubwürdiger Seite mehrfach berichtet worden, daß in d«r Gegend von Ostritz die Hebammen kreißenden Frauen und neugeborenen Müttern bisweilen fpirituöse Getränke, letzteren wohl auch Schlaftränkchen und Abkoch ungen von Mohnköpsen verabreichen. Beides würde auf die Kinder von größtem Nachtheile sein. Die Hebammen sind deshalb neuerdings von uns wiederholt gewarnt und sind die Polizeiorgane speciell angewiesen worden, auf derartig« Vorkommnisse zu achten, solche zur Anzeige zu bringen, und würden Lieft, wenn erwiesen, auf das Nachdrücklichste bestraft werden. Auch Ler Hcrbeirufung eines Arztes zu einem erkrankten kleinen Kinde bezeigen die Hebammen sich in der Regel nicht geneigt. Im Amtsbezirk Ostritz starben im vorigen Jahre von 20V Kindern unterm Jahre 186, ohne daß ihnen ärztlicher Beistand geleistet wurde. „Bei kleinen Kindern ist Nichts zu thun", lautet gewöhnlich die Entschuldigung, und Loch, wenn der Arzt nur immer früh genug gerufen und auch bezüglich der Pflege und Emährung d«r noch gesunden Kinder gehört würde, er würde häufig das junge Leben «rhalten können. 'i Der Ernährung der kleinen Kinder müssen noch einige Worte im Beson deren gewidmet werdrn. Mutter Natur hat das Kind angewiesen an die Mutterbrust. Aber wie ost wird diese dem Kinde versagt! Wohl giebt es Fälle, in denen es der Mutter unmöglich ist, das Kind selbst zu säugen, ja es kommt vor, daß sie dies gar nicht thun darf; aber dies sind Ausnahmen. Meist ist die Mutter zu bequem, dünkt sich durch's Süllen von der Arbeit (in schlimmer«« Fällen wohl auch von Vergnügungen) abgezog«n, oder, was weit häufiger der Grund des Nichtstiven*