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988 er auf einem Dienstgange den von Kotitz nach Rodewitz führenden Fußsteig passirte, hinter einer in einiger Entfernung vor ihm, etwa 5 bis 6 Schritte rechts vom Wege, auf einer zur Flur deS Ritterguts Rodewitz stehenden Haferfeime in kurzer Aufeinanderfolge mehrere Ltchteischeinungen, gerade so, alS ob Jemand dort mit schlechtem Er folg bemüht sei, ein Streichhölzchen in vollen Brand zu bringen. Er eilte auf die Stelle zu, allein noch bevor er sie erreichte, entstand an der Rückseite der Feime Heller Feuerschein und beim Herankommen vernahm er von einer Männerstimme auf wendisch die Worte: „Das wäre doch zum Teufel, wenn daS nicht würde!" hinter der Feime fand Domschke einen Mann, welcher auf einer auS dem untersten Theile der Feime herausgerissenen und aufgebundenen Garbe kniete und da mit beschäftigt war, in das durch daS Herausziehen der Garbe in der Fetmenwand entstandene Loch einen brennenden Strohwisch nach dem andern zu pfropfen. Während nun Domschke sofort die Zündwische auS der Feimenöffnung riß und den Brand des aus der Feime in einzelnen Halmen herausragenden, bis in halbe Mannshöhe bereits in Flammen stehenden sogen. Federstrohes erdrückte, hatte sich jener Mann, sobald er Domschke's ansichtig wurde, auf das Garbenstroh hingeworfen und stellte sich, als ob er in tiefem Schlummer liege. In ihm erkannte Domschke den heute die Anklagebank einnehmenden, bereits neun Mal wegen einfachen und schweren Diebstahls, Unter schlagung, Trunkenheit und Störung des öffentlichen Gottesdienstes bestraften, erst am 23. April v. I. aus dem Zuchthause entlassenen und von daher unter Polizeiaufsicht stehenden 36jährigen Handarbeiter Andreas Mickan auS Kotitz. Bei der sofort von Domschke vor genommenen Visitation sanden sich in der einen Westentasche Mickan's mehrere noch ungebrauchte Streichhölzchen und am Vormittage ent deckte Domschke an der Brandstelle eine Anzahl völlig gleichartiger halb abgebrannter Streichhölzchen. Die Feime, welche zwar isolirt steht, jedoch 140 Schock Hafer enthält und einschließlich ihres Schutz daches legal auf 4980 gewürdert worden ist, war durch des Gens darm Domschke zufälliges Hinzukommen und resolutes Einschreiten zu Mickan's Glück gerettet worden und war ein nennenswerther wirklicher Brandschaden nicht entstanden. Durch die heutige Abhörung deS SchmiedemeisterS Hirche von Kotitz und dessen Ehefrau, bei denen Mickan zuletzt in Handarbeit gestanden hatte, wurde nun sestgestellt, daß der Letztere am Nachmittage deS 5. Februar von Hirche mit einem Handwagen nach Pommritz geschickt worden war, um von dort Kohlen zu holen, jedoch sich theilS in Pommritz, theils in der Schänke zu Rodewitz in Schnaps so schwer betrunken hatte, daß er etwa in der 5. Stunde, als er mit dem beladenen Wagen von Rodewitz nach Kotitz ausgebrochen, unweit deS ersteren Dorfes auf der Straße besinnungs los zusammengebrochen und auf seinem Wagen von dem Führer eines daherkommenden Geschirres in die Schänke zu Rodewitz zurückgebracht worden war. Hierselbst hatte derselbe bis zum Anbruche der Nacht seinen Rausch einigermaßen auSgeschlasen; sich dann über Nechern auf den Heim weg begeben und war um Mitternacht bei Hirches in Kotitz eingetroffen. Mit der verehel. Hirche, welche ihm geöffnet, hatte er durchaus ver nünftig gesprochen, seinen begangenen Leichtsinn reuig bekannt und, als er vernommen, daß der Kohlenwagen von Hirche'S Söhnen nicht geholt worden war, darauf bestanden, denselben noch in der nämlichen Nacht von Rodewitz herüberzuschaffen, weil Hirche die Kohlen drin gend brauchte. Kaum eine halbe Stunde nach seinem Wiederfort gange von Hirche s war Mickan Domschke's Gefangener. Der Ange klagte bestätigte die Angaben der Hirche'schen Eheleute, bestritt jedoch hartnäckig Domschke's diensteidltche, den Brand an der Feime, sein Ntchtschlafen und das Auffinden von Streichhölzern in seiner Tasche betreffende Depositionen. Die Letzteren erhielten jedoch eine wesent liche Unterstützung dadurch, daß der als Zeuge abgehörte Eigen thümer der Feime, Herr Rittergutspachter Lesche von Rodewttz, beeidete, daß, als am frühen Morgen des 6. Februar er auf die Kunde von dem Geschehenen nach der Brandstätte geeilt sei, er deutlich wahr genommen habe, daß rings um die in der Feime entstandene Oeff- nung die aus der Feime einzeln herausragenden Halmspitzen weg- gebrannt waren. Da die Concurrenz einer dritten Person auf der Brandstätte in jener Nacht in keiner Weise indieirt wurde, so würde man, wollte man Mickan's Unschuldsbetheuerungen Glauben schenken, geradezu annehmen müssen, daß der Gensdarm Domschke selbst die Feime angezündet habe, um den arglos an der Feime cingeschlum- merten Mickan von Neuem in s Zuchthaus zu befördern! Ein greif bares Motiv für die That deS Angeklagten konnte freilich nicht er ¬ mittelt werden. Denn der von Lesche bezeugten Thatsache, daß Mickan von ihm, als derselbe kurze Zeit vor dem Brande in der muthmaß- lichen Absicht, ihn anzubetteln, in sein Gehöfte gekommen, fortgewiesen worden war, trat der Umstand abschwächend entgegen, daß beide Ehe leute Hirche versicherten, der Angeklagte sei in nicht trunkenem Zu stande ein durchaus gutmüthiger Mensch. Derselbe war aber zur Zeit der That nach seiner Versicherung nüchtern, nach Domschke's Angabe nur mäßig angetrunken. Richtiger und mit dem ganzen äu ßeren Auftreten Mickan's übereinstimmender dürste wohl die Annahme sein, daß der Letztere sich zu der Brandstiftung entweder aus einem, auf völliger sittlicher Verkommenheit beruhenden Muthwillen und um sich den Kitzel eines absonderlichen Feuerwerks zu verschaffen, oder zu dem Zwecke, um wieder in die von ihm bereits gekostete, von den meisten Verbrechern hoch geschätzte „schöne Ordnung" in Waldheim zu kommen, entschlossen habe. — Die Geschwornen, welche heute aus den Herren Kaufmann Hertzsch von Zittau, Gutsbesitzer Tränkler von Eckardtsberg, Gutsbesitzer Beck von Nieder-Uhna, Gutsbesitzer Conte von Dittelsdorf, Freigutsbesitzer Schneider von Briefing, Ritterguts pachter Vogel von Harthau, Gutsbesitzer Behr von Ober-Cunewalde, Vorwerksbesitzer Schönfelder von Ostritz, Rittergutsbesitzer Kammerherr ! v. Polenz auf Ober-Cunewalde, Rittergutsbesitzer JeremiaS auf Dürr hennersdorf, Mühlenbefltzer Apelt von Mittel-Weigsdorf und Ritter gutsbesitzer v. Zenker auf Semmichau bestanden, bejahten die Schuld frage hinsichtlich der vorsätzlichen „Inbrandsetzung von Vorräthen landwirthschaftlicher Erzeugnisse" unter Ausschluß der Annahme mil dernder Umstände, verneinten jedoch den Beweis der dem Angeklagten ferner zur Last gelegten Uebertretung des Bettelns bei Lesche. In Folge dessen wurde Mickan wegen Brandstiftung nach 88 308 und 32 des R.-St.-G.-B. zu Zuchthausstrafe in der Dauer von zwei Jahren und fünfjährigem Ehrenrechtsverluste verurtheilt, auch seine Stellung unter Polizeiaufsicht für zulässig erachtet, dagegen wegen Bettelns klagsrei gesprochen. — Der Gerichtshof bestand außer dem Präsidenten, Herrn BezirksgerichtSdirector v. Mücke, aus Herrn Gerichtsrath Zscheile von Zittau und Herrn Assessor Küttner von hier. Die Anklage wurde durch Herrn Staatsanwalt JaSpis von Zittau vertreten, die Vertheidigung führte Herr Adv. vr. Höckner von hier. — Wie wir nachträglich hören, ist Mickan bereits am zweiten Tage nach der Verhandlung in der „schönen Ordnung" zu Schloß Waldheim eingetroffen. Vermischtes. — 6 Vor Kurzem ist in Dresden di« berühmte Violine zur Versteigerung gekommen, welche der Graf von Trautmannsdorff, Obersttruchseß deS Kaiser- Carl VI., unter den eigenthümlichsten Beding ungen von dem berühmten Fabrikanten Steiner erwarb. Der Graf zahlte demselben sofort 60 Karolin in Gold und verpflichtete sich ferner, ihm täglich, so lange er lebte, «in gute- Mahl zu liefern, jeden Monat 100 Goldgulden zu zahlen, ihm jede- Jahr eine vollständige mit Goldborte gallonirte Kleidung zu geben, ferner zwei Tonnen Bier, Wohnung, Feuer- ung, Licht und außerdem, wenn er sich verheirathen würde, so viele Hasen al« er verbrauchen könnte, schließlich lieferte er noch jedes Jahr zwei Körbe Obst, den einen für Steiner selbst, den andern für dessen alte Amme. Da Steiner nach Abschluß dieses Vertrages noch 16 Jahre lebte, so Hal die Violine allein an baarem Gelde 20,000 Goldgulden gekostet. Da- In- strument gelangte neuerdings in di« Händ« eine- österreichischen Aristokraten, dessen Erben e« in Dre-den versteigern ließen, wodurch es für den Prei« von 2500 Thalern (etwa 3600 Goldgulden) in die Hände eine- Russen gelangte. — Ein in blühendster Jugend stehende- Mädchen, «ine Magd in Tharandt, hat am Montag rin schreckliche- Ende gefunden. Eie stand neben einem Geschirr, welche- sie zu beaufsichtigen hatte, als plötzlich die Pferde scheu wurden. Da- Mädchen springt im Schrecken in einen von der Straße ziemlich steil abfallenden Garten und um nicht hinabzustürzen, hält sie sich an einer steinernen Säule fest; diese aber bereit- gelockert, wankt, da« arme Mädchen läßt lo-, verliert da« Gleichgewicht, fällt auf den Rücken und stürzt den Gartenabhang hinunter, hinter ihr drein aber di« steinerne Säule, die den Körper der Unglücklichen mehrmal« mit voller Wucht so schwer trifft, daß sie nach wenigen Augenblicken eine Leiche war. — Am 5. d. hat sich in Niederneuschönberg bei Sayda in einer Bodenkammer seines väterlichen Hause« ein neunjährigerSchulknabe --erhängt. Da man doch kaum annehmen kann, daß hier schon Leben«-