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938 von sieben Mitgliedern zur Berathung übergeben. Derselbe stellt de» Gerichts stand für Reklamationen wegen Havarie und Verspätung so wie die Grenzen der Haftbarkeit des Frachtführers, des ursprünglichen Spediteurs und der Zwischen spedition fest, ordnet den allgemeine» Grundsatz an, daß der letzte Frachtführer für die Fehler der vorhergehenden Frachtführer haftet, vorbehaltlich seines Rück griffs auf dieselben, so wie das für diesen Recurs einzuhaltende Verfahren, und jtipulirt gewisse einheitliche Formalitäten für die Constatirung innerlicher wie äußerlicher Beschädigung verfrachteter Waaren. Die Einladung zu einer Con- ferenz an diejenigen Staaten, von denen der Zutritt zu einer internationalen Eonfercnz erwartet werden darf, wird schon in nächster Zeit erfolge». — Der „Reichsbote" bemerkt: Die Verbreitung schlechter Romane durch hauflrende Colporteure, welche in Stadt und Land von Haus zu Haus ihre, unser Volk geistig vergiftende Waare unter allerlei Verlockungsmitteln anpreisen, nimmt immer mehr zu. Es wäre sehr zu wünschen, wenn die Sittenpolizei ein strengeres Au'ge auf diese Literatur werfen wollte. Der „Crefelder Ztg." entnehmen wir darüber Folgendes: „Die Polizei richtet gegenwärtig ihr Augenmerk ganz besonders auf die so genannte Colportage-Literatur, und ist es ihr gelungen, einen Verbreiter derselben derart abzufassen, daß er wegen Betrugs und wegen Verbreitung unsitt licher Schriften auf die Anklagebank gezogen werden kann. Wegen Betrugs, weil der saubere Patron gegen Bezahlung die ihm contractmäßig gratis gelieferten beiden ersten Hefte unter allen erdenklichen Vorspielungen aufschwindelte; er hatte u. A die Frechheit, seine Schundliteratur als vom Staate protegirt anzubieten; wegen des letzteren Vergehens, weil sein Roman von den unsittlichsteil und obscönstcn Schilderungen wimmelt. Der ehrsame Verleger dieser Schriften, ein L- Linden berg in Berlin, hat die Unverfrorenheit, unter der Firma „Verein für Volks literatur" seine schmutzigen Erzeugnisse in die Welt zu setzen. Nach dem jedem Hefte angedruckten Statute beabsichtigt dieser edle Verein, seine Mitglieder „mit wirklich guter Original-Lectüre" zu versorge» und den „Kunstgeschmack zu heben". Gegen den Colporteur wird sicher mit aller Strenge des Gesetzes vorgegangen werden; aber giebt es kein gesetzliches Mittel, um den Herren Lindenberg, Schmels und Genossen, welche des materiellen Gewinnes wegen das Volk durch unmora lische Lectüre vergiften und mit verlockenden Besprechungen die Gimpel ins Netz zu bringen suchen, das Handwerk gründlich zu legen ? Gegen diese schlimmste Art von Bauernfängerei wäre gewiß keine Strafe zu hoch." — Die „Neue St. Ztg." fordert den Abgeordneten Lasker auf- die Zeitungen zu nennen, welche sich in der Gründerzeit an dem Gründungsschwindel betheiligt haben, damit nicht auch auf die un schuldigen durch seine inS Allgemeine gehenden Ausdrücke ein falsches Licht fiele. — 0 fAuS dem Landtage.) Das Abgeordnetenhaus hielt heute eine kurze, aber interessante Sitzung ab. Vor Eintritt in die Tagesordnung verlas der Abg. Lasker eine Rechtfertigung des Reichstagsabgeordneten Adickes. Bei der Berathung des Berichtes der Untersuchungscommission über das Eisenbahnconcessionswesen in der vorigen Woche hatte der Abg. Lasker sich dahin geäußert, daß der als Zeuge vorgeladene Abg. Adickes nicht zu finden gewesen sei. Darauf erwiedert der Letztere, daß ihm niemals eine Citation zugekommen sei. Nachdem er aber den gedruckten Bericht der Commission gelesen und daraus ersehen habe, daß man von ihm Auskunft zu erlangen gk- wünscht, habe er sich beeilt, dieselbe nach seinem Wissen schriftlich zu ertheilen. Der Abg. Lasker bestätigte diese Angaben vollständig. Nach dem das Haus sodann den Bericht der Staatsschuldencommission über 1874 und den Gesetzentwurf betr. Aufnahme von Wechselprotesten, genehmigt, begann die zweite Berathung des Gesetzes betr. die Ein verleibung Lauenburg's, an welcher sich Fürst Bismarck leb haft betheiiigte. Eine Discussion entspann sich nur über die Para graphen, zu welchen Anträge Vorlagen. Die Abgg. vr. Lutteroth und Ör. Virchow hatten deren sechs gestellt, von denen 4 aber abgelehnt wurden, unter anderen der, dem Herzogthum den Namen: „Kreis Lauen burg an der Elbe" zu geben. Fürst Bismarck bemerkte dazu, im Herzothum herrsche in allen Schichten der meist bäuerischen Bevölker ung ein starker localisirter Nationalstolz, der eine historische Berechtig ung. Man nenne das Land daselbst noch vielfach Herzogthum Sachsen. ES sei daS Ländchen der letzte Rest des alten mächtigen Herzogthums Sachsen, man möge daher den Namen Herzogthum beibehalten, zumal es ja nichts koste. Mit großer Erwartung sah man der Berathung des §18 entgegen, zu welchem dieselben Abgeordneten den Antrag gestellt hatten, das letzte Alinea zu streichen, welches bestimmt, daß die preußischen Beamten, welche ein lauenburgisches Amt als Nebenamt verwaltet haben, nach Auflösung dieses Verhältnisses drei Viertel ihres Gehaltes als Pension fortbeziehen sollen. Der Abg. Virchow trat von demselben, durch welchen u. A. dem FürstenMSmarck seine Minister- Pension entzogen worden wäre, zurück. Nach sehr kurzer Debatte wurde der Antrag jedoch abgelehnt und das Haus vertagte sich auf Mittwoch. — Voraussichtlich beginnen für das Abgeordnetenhaus die Osterferien am nächsten Freitag. Präsident v. Bennigsen soll be absichtigen, die Pause bis zuin Donnerstag nach dem Feste dauern zu lassen. München, 2. April. Wie die „A. Z." erfährt, hat Se. Maj. der König Se. kgl. Hoheit den Prinzen Luitpold aus Anlaß der 40jährigen Dienstzeit desselben in der Armee zum Generalfeldzeugmeistec befördert und ihn in einem Handschreiben ausS Wärmste beglück wünscht. Aus dem gleichen Anlaß hat gestern der General-Adjutant Graf Pappenheim im allerhöchsten Auftrage dem Prinzen das Kreuz für 40jährige militairische Dienstleistung überreicht. — Der katholische Volks verein in Kttzingen ist polizeilich geschlossen worden. Straßburg, 29. März. (N.-Z.) Es ist von früher her be kannt, daß sich vor etwa 3 Jahren in unserem Lande eine Anzahl von Flüchtlingen der Pariser Commune niedergelassen hat. Dieselben, denen Seiten der Negierung kein Hinderniß in den Weg gelegt wurde, werden in verschiedenen Fabriken (Mülhausen, Schlett- stadt, Lothringen) beschäftigt, und 6 von ihnen haben sich in dem be nachbarten Schiltigheim selbstständig angesiedelt, wo sie eine mecha nische Werkstätte mit Erfolg betreiben. Vor ganz wenig Tagen kam diesen letzteren nun ein Erlaß unserer Regierung zu, wonach 5 der selben binnen 14 und einer binnen 8 Tagen das reichsländische Gebiet zu räumen haben. Selbstverständlich befinden sich die Aus gewiesenen in einer peinlichen Lage, und haben sie deshalb eine von hiesigen Industriellen unterstützte Petition um Aufhebung der Maß regel, beziehungsweise um Aufschub der Ausweisungsfrist, an die Re gierung gerichtet. Ob auch die übrigen im Neichsland sich aufhalten den Communisten von der gleichen Maßregel betroffen wurden, ist zur Zeit hier nicht bekannt, doch ist es sehr wahrscheinlich und dürfte dem Verfahren ein bezügliches Verlangen der französischen Regierung zu Grunde liegen. Oesterreich. Wien, 2. April. Die Kaiserin, welche am Sonnabend hier einzutreffen gedenkt, wird bei ihrer Route Calais-Wien vielleicht einen kurzen Besuch in Baden-Baden bei der Königin Victoria ab statten. — Die Conferenzen der österreichischen und unga rischen Minister werden täglich fortgesetzt, ohne daß sich hierüber Neues berichten ließe. Das Geheimniß wird stricte bewahrt; nicht einmal die Fachreferenten werden über den Gang der Verhandlungen unterrichtet. Dem Kaiser wird täglich über das Resultat der Con ferenzen berichtet. — Man schreibt der „Pol. Corr." aus Ragusa: „Nachdem in Folge des Ergebnisses der letzten hiesigen Verhandlungen noih- gedrungen Waffenruhe in der Herzegowina eingetreten ist, sucht die nimmer ruhende Agitationspartei mit änderet: Mitteln die öffentliche Meinung hierzulande und in der Herzegowina in Spannung zu erhalten. Man läßt sich Depeschen zum Vorzeigen kommen, welche den Nachweis liefern sollen, daß, wenn auch an der Pacification der Herzegowina gearbeitet wird, die Türkei doch noch auf an deren Seiten in Schach gehalten wird. Man verbreitet Siegesnachrichten aus Bosnien, indem man den 'dortigen Insurgentenführer Golub Babich einen großen Erfolg über die Türken bei Unac am Unacflusse davontragen und in Folge dessen direct auf Bosnisch-Grahovo losmarschiren läßt. Aber auch noch mit anderen Nachrichten sucht man dem Insurrectionsstimulus Angesichts der Erfolg verspre chenden Pacifications-Verhandlungen, die im Zuge sind, nachzuhelfen. Mau läßt Londoner Depeschen circuliren, nach welchen Graf John Russell und Mr. Lewis Farley in englischen Kreisen eine Anleihe für die Insurgenten in der Herzego wina und Bosnien zu contrahiren suchen und Graf Derby sich sehr sympathisch für die aufständische Bewegung ausgesprochen haben soll. Auch von einer sym pathischen Kundgebung des Bischofs von Manchester über die Emancipations- Bestrebungen der unter türkischer Herrschaft lebenden Christen ist im südilavischen Lager viel die Rede. Es liegt auf der Hand, daß dies Alles nichts Anderes, als eine verderbliche Einflußnahme auf die zum Pactiren disponirteu Insurgenten bezweckt." Italien. 0 Rom, 1. April. Die gegen den Grafen Mirafiori (Sohn des Königs Victor Emanuel auS morganatischer Ehe) bezüglich der großen Wechselfälschungen eingeleitete Untersuchung hat dessen Unschuld auf's Evidenteste ergeben. Die Briefe, durch welche seine Schuld bewiesen werden sollte, haben sich als ebenso gefälscht er wiesen, wie die Unterschrift der Königs. — Der Papst hat dem Cardinal Ledochowski einen festen Wirkungskreis in Rom zugedacht und man schließt daraus, daß dieser nicht wieder in seine Diöeese zu rückkehren wird. — Im Vatican scheint man geneigt zu sein, der Schweiz gegenüber mildere Saiten aufzuziehen. Gestern haben Car dinal Antonelli und der Erzbischof von Genf, Mermillod, be-