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die Eröffnung deS Hauptverfahrens mitgewirkt haben und namentlich der Richter, welcher Bericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft erstattet hatte, nicht theilnehmen." In dieser Fassung wurde § 17 nach längerer Debatte vom Hause angenommen und alsdann die Weiterberathung auf morgen vertagt. — Von verschiedenen Setten werden Berechnungen über die muth- maßliche Dauer der ReichStags-Session angestellt. Ziemlich über einstimmend wird die Vermuthung ausgesprochen, daß die Arbeiten des Reichstages bis Mitte December beendet sein werden. Gerichtsverhandlungen. Bautzen, 23. November. Am 14. und 15. d. M. verhandelte das hiesige königl. Bezirksgericht unter dem Vorsitze der Herrn Ge- richtSrath von Metzsch eine ziemlich umfängliche Strafsache, in welcher der Mühlenbesitzer Johann Ferdinand Wagner aus Plieskowitz und dessen vormaliger Lehrling, der am 11. Aug. 1858 geborene Friedrich JuliuS Hermann Rausendorfaus Zimpel, gegenwärtig in Berthels dorf bei Neustadt, als Angeklagte erschienen. Wagner, 43 Jahre alt, nicht ganz unbemittelt, bisher noch unbestraft, war der gewerb- und der gewohnheitsmäßigen Hehlerei, sowie der Bestechung, Rausendorf der Beihilfe zu jener Hehlerei angeschuldigt. Auf dem Rittergute Plies kowitz waren von den dort beschäftigten Tagearbeitern und Dreschern schon seit längerer Zeit fortgesetzt Veruntreuungen verübt worden, von welchen der Besitzer jenes Gutes, Herr Scheffel, zwar im Allge meinen Kenntniß hatte, deren er aber jene Personen nicht überführen konnte. In Folge zweier an Herrn Scheffel gerichteter anonymer Briefe gelang eS aber endlich im Februar v. I., hinter das ver brecherische Treiben jener Personen zu kommen und es zu entlarven und es wurde deshalb gegen nicht weniger als 32 jener Tagearbetter die Untersuchung wegen Diebstahls und wegen Hehlerei eingeleitet, welche damit endete, daß 24 der Angeschuldigten wegen der nur ge nannten Vergehen zu Gefängnißstrafe in der Dauer von zwei Tagen bis zu zehn Wochen verurtheilt wurden, welche Strafen dieselben nun mehr sämmtlich verbüßt haben. In dieser Untersuchung hatten nun die Tagearbefter, und bcz. Tagelöhnerinnen Urban und Frau, Hölisch und Frau, Koban sind Frau, Gruhl und Frau, Frenzel und Frau, Mai wald und Frau, Rumlich und Frau, Kube und Frau, ferner die verehel. BämsA^ Mros, verehel. Rekusch, verehel. Tschech, verehel. NitM^ Gschel. Dörnick sowie der Tagelöhner Rötschke im Wesentliche angegeben, daß seit der Ernte 1874, während"M bez. ihre Ehefrauen auf dem Rittergute Plies kowitz mit Dreschen beschäftigt gewesen seien, sie fortgesetzt zu wiederholten''Malen größere und kleinere Quantitäten Korn, Weizen, Hafer, Gerste und Raps und zwar mit Ausnahme der Gerste in un gereinigtem oder halbgereinigtem Zustande gestohlen, indem sie das Getreide theils in besonderen unter ihren Kleidern getragenen Diebes säcken, theils in anderen Säcken oder in ihren Kleidern verborgen, daS Entwendete aber zu dem Angeklagten Wagner geschafft hätten, dessen Mühle unmittelbar neben dem Rittergute liegt und der ihnen dasselbe auch stets bereitwillig abgenommen habe, indem er nach Höhe des durch den Lehrling Rausendorf ermittelten Gewichts der jeweilig angebotenen Quantität.Getreide ihnen dafür entweder Geld oder Pro- ductc seiner Handelsmühle: Mehl, Kleie oder Gries gewährt habe. Gegen Urban waren nun in jener Untersuchung 29, gegen dessen Ehe frau aber 5 verschiedene derartige Diebstähle, gegen Hölisch 17 Dieb stähle und 2 Fälle von Hehlerei, gegen die verehel. Hölisch 8 Dieb stähle, gegen Maiwald 17 Diebstähle und 2 Fälle von Hehlerei, gegen dessen Ehefrau 10 Diebstähle, gegen Kube 20 Diebstähle und ein Fall von Hehlerei, gegen Frenzel, Rumlich und Rötschke je ein Dieb stahl und daneben gegen Frenzel Hehlerei in 2 Fällen, gegen Rumlich Hehlerei in einem Falle, gegen die verehel. Mros 10 Diebstähle, die verehel. Bamsch 8 Diebstähle, die verehel. Gruhl 6 Diebstähle, die verehel. Koban 5 Diebstähle, die verehel. Frenzel, verehel. Tschech, verehel. Nitschke, verehel. Dörnick je 4 Diebstähle, gegen die verehel. Rumlich und die verehel. Rekusch je 3 Diebstähle und endlich gegen Gruhl und Koban Hehlerei in je einem Falle ermittelt und festgestellt worden, obschon noch eine weit größere Anzahl von Diebstählen wider die Genannten oder Einzelne von ihnen beanzeigt waren, weshalb wir vorstehend jedeSmal nur die Mindestzahl angegeben haben. So beziffert sich z. B..die Zahl der wider Kube beanzeigten Diebstähle von Korn, Hafer und Gerste allein auf mehr als 20. Wagner konnte denn auch nicht in Abrede stellen, daß er seit dem Beginn des Dreschens auf dem Rittergute Plieskowitz im Herbste 1874, insbesondere im Winter von 1874 zu 1875, von den auf diesem Gute mit Dreschen beschäftigten Tagelöhnern sehr häufig, meist des Abends, Weizen Korn, Gerste, Hafer und RapS meistentheils in kleineren Quantitäten: Pfund-, mäßchen- und metzenweise erkauft oder eingetauscht und daß er dies seines eigenen Vortheils wegen und um dadurch einen Theil des zum Lebensunterhalte für sich und seine Familie nothwendigen Auf wandes zu erlangen, gethan habe, bis am 18. Februar vor. J8. eine Aussuchung bei ihm veranstaltet und dann seine Verhaftung verfügt worden sei. In der Hauptverhandlung behauptete er nun zwar, daß er von dem unredlichen Erwerb des von jenen Hofearbeitern an ihn veräußerten Getreides weder Kenntniß gehabt, noch auch einen solchen nur vermuthet, indem er vielmehr angenommen habe, das Getreide rühre von der ihnen überlassenen Bucht her, oder sei ihnen als Lohn für das Dreschen gewährt worden. Allein dis Unwahrheit dieses An führens ließ sich unschwer nachweisen. Einmal werden nämlich die Drescher auf dem Rittergute Plieskowitz wie jetzt beinahe auf allen gut bewirthschafteten Gütern schon lange nicht mehr mit Getreide, sondern nur mit Geld gelohnt, was Wagnern offenbar bekannt sein mußte, da er bereits seit mehreren Jahren in Plieskowitz wohnhaft ist und mit den dasigen Wirthschaftsbeamten früher in nahem Ver kehr gestanden hat. Sodann wird den Hofearbeitern in Plieskowitz, die in der Ernte geholfen haben, von der Gutsherrschaft zwar ein Theil der Bucht vom Weizen, Korn und Hafer als Geschenk über lasten, keineswegs aber auch von der Gerste und am Allerwenigsten vom Raps. Und daß die Drescher den von ihnen zum Verkauf ge brachten Raps nicht selbst gebaut hatten, lag auf der Hand. Daß sie ihn aber nicht als Lohn erhalten haben konnten, ging daraus hervor, daß er ungereinigt war, beim sogenannten Scheffeldreschen aber nur gereinigtes Getreide den Arbeitern gegeben wird und zwar in der Regel nur am Ende von einer oder zwei Wochen, nicht aber in kürzeren Zeitabschnitten, wie dies bei den häufigen Verkäufen von Raps Seiten Einzelner der Drescher hätte der Fall sein müssen. Hierzu kam der niedrige Preis, welchen Wagner für das Getreide, namentlich aber für den Raps, den Verkäufern gewährte. Während ein Sachverständiger unter Zugrundelegung der Durchschnittsmarktpreise in der Zeit vor dem 18. Februar v. I. den Werth eines Pfundes ungereinigten Raps auf 12 Pfennige schätzte, hatte Rausendorf angegeben, daß sein Lehr meister den Hofearbeitern dafür nur 8 Pfennige gewährt habe, während Wagner selbst behauptete, daß er mindestens einen Pfennig fürs Pfund weniger gegeben habe als der jeweilige Marktpreis betrug. Sehr bald nach seiner Arretur, am 20. Februar v. I., hatte Wagner vor Gericht ein ziemlich umfassendes Bekenntniß seiner Schuld abgelegt, indem er einräumte, daß er seit einiger Zeit und zwar seit etwa 3 Wochen vor der Arretur in Folge eingezogener Erkundigung davon Kenntniß gehabt habe, daß der von den Plieskowitzer Hofearbeitern ihm zum Kaus angebotene Raps von ihnen aus unrechtmäßige Weise erworben worden sein müsse, daß er aber trotz dieser Ueberzeugung von verschiedenen dieser Leute zu mehreren Malen, so z. B. im Monat Februar von dem Drescher Frenzel in zwei Fällen, ferner von Hölisch, der verehel. Mros, drr Dörnick und der Bamsch Raps in ver schiedenen Quantitäten angekauft habe. Damit vollkommen über- einstimmend versicherte Rausendorf, daß seit Weihnachten 1874 bis zur Arretur Wagners die Plieskowitzer Hofearbeiter sowohl einzeln wie zu zweien jede Woche mehrmals, ja fast jeden Abend Raps zu seinem Lehrherrn gebracht hatten, daß ihm bereits 8 Tage nach Weihnachten Hölisch ganz offen erzählt habe: sie mausten alles Getreide, was sie brächten, daß um dieselbe Zeit die verehel. Mros in seiner Gegenwart Wagner'n eine ähnliche Mittheilung gemacht habe und von dem Letzteren trotzdem aufgefordert worden sei, das Getreide zu ihm zu bringen, ja daß Wagner ihm einige Tage darauf Stillschweigen auferlegt habe, „weil die Leute das Getreide stählen". In der wider sie anhängigen Untersuchung hatte weiter Hölisch versichert, daß er Wagner'n ganz offen mitgetheilt habe, daß das von ihm und seinen Mitarbeitern gebrachte Getreide gestohlen sei, daß Wagner aber gleichwohl ihn ausgesordert habe, ihm Getreide zu bringen und daß, als er in Gemeinschaft mit Urban, Maiwald und Kube auf dem Ritterguts Hafer gedroschen und solchen gestohlen, Wagner ihnen sogar einen Sack dazu geliehen habe. Aehnliches deponirte auch Urban. Nach seiner Angabe hatte Wagner ihn und andere der Drescher gegen Weihnachten 1874 wiederholt ge beten: sie möchten doch das gestohlene Getreide zu ihm bringen und