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3382 Rußland. Seitens der Kriegs-SanitätS-Verwaltung wird in allen Theilen Rußlands eine fieberhafte Tätigkeit entfaltet. Bis jetzt sind 84 tem- poraire Kriegsspitäler für je 630 Soldaten, zusammen für 62,000 Mann, errichtet und organisirt. Die Städte Kremenschug und Odessa sind vorerst die Centralpunkte für die Formirung von Kriegsspitälern. Dit Regierung hat bei der Firma Bäschlin in Schaffhausen Spital- reqnisiten im Werthe von 500,000 Franken bestellt. Aerzte, welche in den Militairdienst eintreten, erhalten für daS erste Jahr einen Ge halt von 1627 Rubeln. In Moskau wird ein Eisenbahnbataillon gebildet, welches in der nächsten Woche nach dem Süden befördert werden soll. Die „Moskowskija Wedomosti" bringen die Nachricht, daß einer der Anführer des ehemaligen Kandiote naufstandes, der Grieche Papadaki, unlängst in Begleitung von 20 griechischen Volontairen im griechischen Consulat zu Moskau erschien und die Bitte vortrug, sie nach Griechenland zu befördern, im Falle dort die kriegerische Action eröffnet werden sollte. Das Consulat wandte sich dieserhalb nach Athen und erhielt die Antwort auf diesen Vorschlag, mit der Be förderung dieser Volontaire nach Griechenland zu warten, jedoch die selben bereit zu halten. Odessa, 5. Decbr. (K. Z) Auf der Eisenbahnstation Kulikowo bet Odessa find eine große Menge Gußstahlkanonen, System Krupp, aus der Obuchow'schen Kanonengießerei bei Petersburg an gekommen, welche die Batterieen vervollständigen sollen. Authentischen Nachrichten aus Tiflis zufolge wird die kauka sische Armee in die asiatische Türkei erst einmarschiren, wenn die Rüssen in der Bulgarei auf Widerstand stoßen. Nach einer Bukarester Meldung soll eine Zusammenkunft zwischen den russischen Ober-Com- mandanten und dem Fürsten Carl sowie die Ernennung des Kom mandanten der rumänischen Armee gegen den 16. d. M. erfolgen. Lürkei. Der „Pol. Corr." wird von umfassenden Vorkehrungen gemeldet, welche die Türkei gegen Griechenland trifft. Sämmtlichr gegen Griechenland gerichtete Befestigungen und Festungswerke sind in Ver- theidigungSzustand gesetzt und gleichzeitig wird den Griechen mit einer „tscherkessischen Kriegführung" gedroht: „Die Truppenmacht im Epirus wurde in drei Militairdivisionen eingetheilt. Außerdem muß auch aus die soeben gebildete Nationalgarde und die Tscherkessen, welche letztere trotz aller Vorstellungen der griechischen Regierung in diesen Grenz provinzen angesiedelt wurden, gerechnet werden- Wenn es den Griechen einfallen sollte, aus ihrer bewaffneten Neutralität herauszutreten, so werden sie ebenso wie die Serben die Annehmlichkeiten einer Kriegführung mit Tscherkessen zu kosten bekommen." Nach verläßlichen, auS Scutari eingelangten Nachrichten treffen dort auS Podgorizza bedeutende, nach Konstantinopel bestimmte Truppenzüge fortwährend ein. Vier türkische Bataillone wurden in den christlichen Häusern von Scutari einquartiert. Von 15 bereits nach Konstantinopel abgegangenen Bataillonen sind unterwegs auf der Straße von Scutari nach Antivari 200 Mann gestorben. Von 5000 Pferden sind mindestens drei Viertel dem Futtermangel und Krankheiten erlegen. Derwisch Pascha befindet sich gegenwärtig in Scutari, von wo er zwei Bataillone NizamS zur Besetzung der Dörfer Mledia und Calmeti entsendete. Diese beiden Dörfer bilden eine Position, welche die Eümmunication ntit dem Miriditenlande beherrscht. Serbien. Belgrad, 5. Decbr. Die Debatten der zur Bestimmung der DemarcationSlinie zusammengetretenen gemischten Militaircom- missivn sind nicht ohne heftige Zwischenfälle vorübergegangen. Schon bei dem ersten streitigen Anlaß theilte sich die Commission in zwei Parteien, welche ganz der politischen Haltung und Stellung der betreffenden Mächte entsprachen. Die Vertreter Rußlands, Deutsch lands und Italiens gingen in allen Fragen solidarisch und entschieden zusammen, während die Vertreter Englands und Oesterreichs für die türkischen Interessen mit großer Entschiedenheit eintraten, wobei sie von dem Bevollmächtigten Frankreichs secundirt wurden. Diese prin- eipiellen Gegensätze traten am Lebhaftesten gelegentlich der Verhand lungen über dit von den russischen Militairbevollmächtigten beantragte Räumung von Alexinatz in den Vordergrund. Die Türken haben gar'kein«"Ursache, sich auf die Einnahme dieser Stadt in einer solchen Weifte W« stützen, da dieselbe niemals erfolgt wäre, wenn Tschernajeff rechtzeitig von dem Abschluß deS Waffenstillstandes Kermtniß gehabt oder noch ein paar Stunden mit dem Befehl zur Räumung gewartet hätte. Völkerrechtlich waren also die Vertreter Rußlands, Deutsch lands und Italiens geradezu autorisirt, mit dieser Forderung vor die Commission zu treten, und wenn auch momentan von der Erfüllung derselben abgesehen wurde, so ist diese Frage vorläufig noch offen und ihre Lösung einer höheren Instanz — den Mächten selbst — anheim gestellt. Wenn es auch in obiger Hinsicht den russischen Bevollmäch tigten nicht gelang, ihre Forderung momentan durchzusetzen, so haben sie doch einen den Türken höchst unangenehmen Erfolg bei Feststellung der Demarkationslinie nördlich von Alexinatz erreicht. Die Türken dachten nämlich den Waffenstillstand sehr schlau zu benutzen, indem sie b-i Subotina (östlich der von Alexinatz nach Deligrad führenden Straße) 4 äußerst stark und solid gebaute Werke ausführen ließen. Durch die auf Rußlands Andringen etwas südlich von dem genannten Orte gezogene äußere Linie der neutralen Zone gingen aber diese Fortificativnen für die Türken verloren, da sie jetzt auf dem den Serben gehörigen Gebiete liegen. In dem äußerst hitzigen Verlauf der De batte ließen sich die russischen Offiziere in dem Eifer für ihre Sache so weit fortreißen, daß sie mit den Fäusten auf den Tisch schlugen, so daß Tassen und Gläser in eine den Engländern kaum convenirende Bewegung geriethen. Auch im Uebrigen scheint das Verhältniß zwischen den Commissionsmitgliedern, namentlich den türkischen Behörden gegen über, ein nicht besonders erquickliches gewesen zu sein. Die Türken verstanden es sehr wohl, zwischen den Vertretern der türkenfreundlichen Mächte und den übrigen Commissaren einen Unterschied zu machen, indem sie die ersteren mit allem Comfort beim commandirenden Pascha einquartierten, während sich die anderen mit einem Lager auf Stroh und Heu und der gewöhnlichen türkischen Soldatenration begnügen mußten. (Auf erneuertes Einschreiten der russischen DemarcationS- commiffare wird, wie man der „Pr." telegraphirt, die Frage wegen der Räumung von Alexinatz den Botschaftern in Konstantinopel zur Entscheidung vorgelegt. Die Türken haben bei Javor starke Besestig- I ungen angelegt und manche Werke förmlich in den Felsen gehauen.) Asten. Ein Telegramm aus Hongkong meldet, daß die chinesische Gesandtschaft, welche der Königin von Großbritannien ein Ent schuldigungsschreiben der chinesischen Regierung wegen der Er mordung Margary's überbringt, am 2. d. M. sich in Shanghai nach Europa einschisfte. Afrika. Im Zulu lande hat kürzlich der Kaffernkönig CetchwayS blutige Grausamkeiten gegen junge Weiber verübt, die den Ehegesetzen, denen zufolge der König den Frauen die Männer bestimmt, zuwider gehandelt haben. Auch die männlichen Complicen der unglücklichen Frauen wurden barbarisch behandelt, oft hingerichtet und ihre Leich name öffentlich ausgestellt. Die britische Regierung von Natal hat dem Könige deshalb eindringliche Vorstellungen gemacht. Bom türkischen Kriegsschauplätze. Belgrad, 7. December. (Pr.) Von der auf 60,000 Mann projectirten neuorganisirten Armee dürfte im Kriegsfälle kaum die Hälfte zu mobilisiren sein. — Die rücksichtslosen Requisitionen, wie jeder Mangel an agrarischen Arbeitskräften während des Krieges haben einen großen Nothstand hervorgerufen. Belgrad, 9.Dec. (Telegramm der„Boh") Bei Saitschar wurde die Waffenruhe gebrochen, angeblich zuerst von den Türken. Heftiger Kampf. Beiderseits Todte. Tschernajeff über nimmt angeblich wieder das Commando. (?) Deutscher Reichstag. Berlin, 9. Decbr. Die in der heutigen 27. Sitzung fort gesetzte zweite Berathung des Landeshaushaltsetats von Elsaß-Loth- ringen beginnt mit dem Etat der Verwaltung des Innern. Aby. Win ter er beklagt, daß die Ernennung der Bürgermeister aus poli tischen Gründen oft absichtlich verzögert werde. UnterstaatSsecretatr Herzog protestirt gegen eine derartige ungerechtfertigte Beschuldigung. Bei Cap. 21: „Kreisdirectionen" wendet sich Abg. Winter er gegen die Combinatton des Kreisdirectors mit den Functionen als Vorstand der PolizEection, da durch dieselben ein wahrhaft unerträgliches