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3161 Der Postillon, der schon viel Arges auf seinem ungeschützten Sitz erlitten, weinte jetzt laut und erklärte, wir müßten hier umkommcn! Da wurde Muth zugesprochen und versucht, weiter zu dringen, doch aus Vorficht bestiegen wir jetzt den Wagen nicht. Bald aber waren unsere Kräfte beim Laufen und Waten er schöpft und es wurde Halt gemacht. Wir standen neben Len Pferden, eng bc sammen, dann umkreisten wir wieder den Wagen und hofften auf eine Hilfe, Da nahte sich uns, nach bangem Harren, ein ermatteter, alter Mann, der als Klostcrbote ausgewesen, und er erklärte uns, daß wir wohl rechts von der Chausssc abgckommen und auf den Feldern nach Kuckau zu uns befänden und daß wir bald eine Allee erreichen müßten, die nach Marienstern führt. Jetzt wurde der Wagen wieder bestiegen, der Alte stand uns mit Rath bei und nach den möglich sten Anstrengungen der Pferde erreichten wir die gedachte Allee und Nachts 12 Uhr kamen wir im Gasthofe zu Panschwitz an, wo die Stube voller Leidens gefährten war und sogar Ortsbewohner, die nicht in ihre Häuser und Höfe konnten, übernachten mußten. Am anderen Tage, dem Bußtage, war überall im Schnee Schanzarbeit, um nur den nöthigstcn Verkehr herzustellen, und dazu fielen immer neue Massen Schnee. Mir wurde Abends, auf mein Bestürmen, vom Postvcrwalter die Aussicht,daß auch Sonnabends der Wagen noch nicht würde fahren können, doch wäre es möglich, daß ich mit dem „Schwager'reitend, bis Sonnabend Mittag lUhr, wo ich ja cintrcffen mußte, nach Kamenz kommen könnte. Ein schöner Gedanke, mit lebhaften Erinnerungen an die Proben meiner Sattelfcstigkeit im Hauslehrer- lcben! Doch die bcregte Hoffnung sollte auch nicht Wahrheit werden, denn von allen Seiten traf die Kunde ein- Es ist draußen nicht zum Fortkommen! Diese Nachricht durfte mich nicht mehr stören, ich mußte nun zur Schulprobe! Sonn abend früh, in der siebenten Stunde, machte ich mich mit einem kräftigen Boten auf den Weg, nach dem 2 Stunden entfernten Kamenz. Wir nahmen außer meinem Reisegepäck auch die Briefbeutel mit. Bald wurde mir die Größe meines Wagstückes klar! Ich versank oft mit meinem Begleiter bis an den Leib in den Schnee, wir konnten dann Beide nicht fort und konnten uns wenig helfen. Jeder mußte sich selbst mit großer Anstrengung hcrausarbeiten und so vermochten wir auch nicht 3 Harfenistinnenbeizustehen, die wir, in Miltitzcr Flur, im schrecklichen Zustande im Schnee stecken fanden! Auf weiten Umwegen über Felder rc. ge langten wir gen Kamenz, hier vor der Stadt noch ein merkwürdiges Schnecthor passircnd, und Mittags 12 Uhr endlich kam ich am lang ersehnten Ziele an. Mit bloßem, damals gut bedeckten Haupte, hielt ich, angestaunt, meinen Einzug! Mein „Cylinder" war schon vor einigen Stunden im Schneesturme in die Luft gegangen und der große Mantelkragen mußte mir hohen Schutz bieten. Bei be freundeten Lieben fand ich nach den Strapazen gute Aufnahme und ein „saures Kalbsgcschlinge" war Mittags meine unaussprechliche Stärkung und Labung! Die Schulprobe war zur bestimmten Zeit gar nickt in Aussicht genommen, weil aller Verkehr stockte und man die Bewerber nicht erwartet. Auf mein Ansuchen wurde noch gegen Abend für mich eine Probe veranstaltet und obgleich der nun ausbrcchende Frost mich zuweilen schüttelte, war ich im Ganzen doch mit mir zufrieden und mein Muth steigerte sich noch, als ich in einer Pausedes verehrten Directors Wort vernahm: „So ist's recht, nur immer fest!'' Nach der beendigten Lection wurde mir von den Mitgliedern der Stadtbehörde freundliche Aufmerk samkeit und rege Theilnahme in Betreff des jüngst Erlebten. Ich wurde auf gefordert, später auf dem „Rathskeller" zu erscheinen, um Mittheilungen aus den letzten Tagen zu machen. Da traf ich zur rechten Zeit ein und fand eine große Anzahl Herren versammelt. Es galt einem Schmauß (Wildschwein), zu dem ich auf Stadtkosten als Schwergeprüfter geladen wurde. Der hochverehrte Herr Bürgermeister Haberkorn nahm mich an seine Seite. Man setzte mir schweren Wein vor und mir wurde leicht ums Herz, zumal als ich erfuhr, ich sollte die Stelle mit 150 Thaler bekommen und dazu auch ausnahmsweise eine Neiscent schädigung. Wie saß ich glücklich unter den „Vätern der Stadt" Kamenz und erzählte mit Wärme, was mir bei Kälte und Schnee widerfahren war! Am Sonntage machte ich dann meine Besuche. Zur Rückkehr, die auch nicht ohne Abenteuer war, brauchte ich, des immer noch hemmenden Schnec's halber, auch einige Tage. Die lieben Kemnitzer daheim, auf deren Fluren im Unwetter auch mehrere Personen umgekommen waren, hatten viel Sorge gehabt um mich, den Kleinen (Hilfslehrer), aber ich kam, mit Gottes Hilfe, ganz wohl wieder an! Zum Neujahr erfolgte mein Abschied. Bei meiner Üebersicdelung wurde ich auf der hohen Straße am Löbauer Berge von dem flotten Gefährt umgcworfen, kam mit dem Schreck davon, versäumte aber den Zug in Löbau und traf nicht ein zum Abladen meiner Sachen in Kamenz. Heut sitze ich hier mit meinen Er innerungen und zähle mich, nach mancherlei Heimsuchungen, doch zu Len Zu friedenen und Glücklichen! L. Bermlschtes« — Dresden, 18. November. (Dr. I.) Gestern Nachmittag kam auf dem Leipziger Bahnhof der unverhcirathete Rangirer Earl Ernst Wollmann aus Bühlau beim Auswechseln von Wagen zwischen die Puffer zweier Lowrie- und wurde derartig gequetscht, daß der Tod sofort cinirat. — Lugau, 16. Novbr. Gestern Nachmittag verunglückten im Gottes-Segen-Schachtc hier der Oberhäuer Henker von hier, Vater von 11 meist noch unerzogenen Kindern, und der Lehrhäuer Fischer au- Stollberg, Vater von 3 unerzogenen Kindern, dadurch, daß sich ein ca. 1 Meter hoher Bergversatz von der Decke loslöste und Beide verschüttete, wodurch sie sofort getödtet wurden. — Lommatzsch, 17. Nov. In der hiesigen 1. Bürgerschule ereignete sich folgender Vorfall, der zur Vorficht mahnen mag. Bor vierzehn Tagen wollte der Schüler Richter mit der Stahlfeder in dem Dintenfaß de- Schülers Echümichen, welcher auf einer andern Bank seinen Platz hat, ein» tauchen, was ihm aber nicht gestattet wurde, indem Schümichen die Hand aufs Dintenfaß hielt. Richter aber wollte es erzwingen und stach Schümichen mit der Feder tief in den rechten Zeigefinger. Dieser Vorfall blieb un beachtet, bis am Sonnabend Vormittag, also acht Tage später, nicht nur der rechte Zeigefinger, sondern auch bald der rechte Arm anschwoll, so daß Schümichen aus der Sckule nach Hause geschickt werden mußte. Trotz so fortiger ärztlicher Hilfe hatte die Geschwulst sich auf die rechte Brust und Seite erstreckt, so daß am Montage das Leben des Schümichen in Gefahr stand. Am Dienstag hat sich jedoch der Zustand gebessert und nach dem heutigen Befinden kann man annehmen, daß Schümichen vollständig ge nesen wird. — In Haiden au bei Pirna geriethen einige Bodenräume des Re staurateurs Wolf in Brand; derselbe wurde jedoch durch die Tochter des Hauses rechtzeitig bemerkt und infolge dessen bald erstickt. Hierbei erlitten aber mehrere Personen Brandwunden, auch entdeckte man, daß der Thäter vor Ausführung seines Verbrechens die Plumpe unbrauchbar gemacht hatte. Einige Zeit vorher war ein Mensch beim Versuche, in das Wölfische Haus cinzusteigen, von dem Sohne ertappt und verscheucht worden und man ist daher der Meinung, daß er sich durch Brandlegung habe rächen wollen. — Wie aus Plauen i. V. mitgethcilt wird, ist in einer der letzten Nächte zwischen Eger und Franzensbad Ler Bremser eines Zuges vom Wagen herabgestürzt, wobei ihm beide Arme abgefahren wurden. Nach seiner Verunglückung mußte der Aermste vier Stunden auf dem Ge leise liegen, so daß er noch die Beine erfror. Er wurde zwar ins Krankenhaus nach Eger gebracht, leider dürfte aber an der Erhaltung seines Lebens gezweifelt werden. — Am 11. d. Nachts wurde der Uhrmacher Trombini im Städtchen Finale unweit Bologna von der Polizei verhaftet, als er in seinem Scklafgcmache mit der Ausprägung deutscher Silbermünzen be- chäftigt war. — Seinerzeit wurde gemeldet, daß der Gutsbesitzer Johann Lutz in Zuckerhandel in Mähren von seiner Gattin Marie Lutz und deren Bruder Mlejnek mit Petroleum begossen und hierauf in Brand gesteckt wurde, in Folge dessen er bald darauf verschied. Marie Lutz und Mlejnek, welche die Verübung der That leugneten, wurden jüngst nach viertägiger Verhandlung vom Znaimer Schwurgerichte des Mordes schuldig erkannt und zum Tod« verurtheilt. — Aus Klagenfurt meldet die „Presse": Francesconi's Ge liebte, Caroline Jarnig, reiste nach Wien, um Francesconi's Begnadig ung vom Kaiser zu erflehen. — In Madrid ist am 13, d. das Circustheater nieder- gebrannt, wobei zwei Menschenleben zu Grunde gingen. — Ueber den verheerenden Orcan, der am 31. v. M. das östliche Bengalen heimsuchte, werden der „A. A. C." folgende Einzel heiten gemeldet: Der Sturm begann in der Bay von Bengalen und richtete enormen Schaden unter den auf dcr Fahrt nach Calcutta begriffenen Schiffen an. Viele große Schiffe wurden entmastct. Der „Prince Waldemar" strandete auf einer Sandbank und von seiner Mannschaft konnten nur 4 Personen ihre Rettung bewirken. Ein Schiff, angeblich der „Timour", wurde mit seinem Kiel nach oben auf dem Meere gesehen. Das Schiff „Alahabad", aus Melbourne mit 153 Pferden an Bord, gerieth in den Sturm und kam mit nur neun lebendigen Pferden an. Der Verlust zur See ist indeß gering- ügig im Vergleich mit dem an der Küste angerichteten Schaden. In Chitta gong strandete der Sturm jedes im Hafen befindliche Schiff bis auf eins, die Stadt wurde sehr beschädigt und es sollen auch viele Menschen umge-, ommen sein. Noakholly wurde überschwemmt und viele Menschenleben gingen verloren. Die Sturmwoge strich über die große Insel Dakhin, ähahabazpore, welche den südlichen Theil de- Districts Backergunge an der Mündung des Flusse« bildet, hin. In der Stadt Burrisaul wnrden, wie es heißt, 3000 Häuser nicdcrgeweht. Die Districte Tipperah, Dacca und