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3160 zu sein, wodurch sich der durchgebildete Richter vom Laienrichter unter scheidet und das gehöre in dieses Gesetz. — Abg. vr. Windt hör st (Meppen) wünscht, daß die Regierungen das Gerichtsverfassungsgesetz wieder zurückztehen möchten, da dasselbe nur Material enthalte, wel ches in die Landesgesetzgebung gehöre. Diese Vorlage sei ein Fehler, den die Negierungen gemacht hätten. Redner erklärt sich demnächst gegen die Zulässigkeit der Ertheilung von Gcatificationen an die Richter, welche nur ein Mittel für den Justizminister abgeben, sich den Richter geneigt zu machen. Was nun aber seinen Antrag an lange so halte er Titel und Orden als etwas durchaus Unerwünschtesfür den Richterstand und er glaube, es wäre gut, diese Dinge für den Richter stand gänzlich abzuschaffen. Für den Richter gebe es keinen Orden und keinen Titel, der größer sei, als die Ehre, über die wichtigsten Interessen der Menschen Recht zu sprechen und es gebe keinen Namen, der schöner wäre, als derjenige, der aus dem Richteramte folge. Dir größte Belohnung für den Richter sei das Bewußtsein, ohne Rücksicht auf irgend Jemand das Recht aufrecht erhalten zu haben. Er mache sich zwar hinsichtlich seines Antrages keine Illusion, allein lehne der Reichstag seinen Antrag ab, so habe er (Redner) eine Niederlage nicht erlitten. — Nachdem der sächsische Justizminister Abeken seinen Standpunkt noch einmal dargelegt, erklärt der Justizminister vr. Leonhardt sich gegen den Antrag des Abg. Reichensperger. Der Minister stehe ost großem Unglück gegenüber, wo er mittelst der Ertheilung von Gratificationen helfend müsse eingreifen können. Der Abg. Windthorst habe während seiner Amtsthätigkeit sehr viele Grati- ficationen verlheilt und er könne demselben das Zeugniß geben, daß er ein durchaus rechthandelnder Minister war. Man beurtheile den deutschen Richter doch durchaus falsch, wenn man meine, er sei ein Beamter, auf den dec Justizminister Einfluß ausüben könne; in seiner langen Dienstzeit sei ihm nie ein Richter vorgekommen, von dem er auch nur das leiseste Gefühl gehabt hätte, daß er dem Justizminister zu Willen sei. — Abg. vr. Gneist sucht die Beschlüsse der Com mission gegen die Ausführungen des Zustizministers Abeken zu recht fertigen und erklärt sich gegen den Antrag Windthorst, weil die Ver leihung von Titel und Orden zu den landesherrlichen Prärogativen gehöre. Was die Unabsetzbarkeit der Richter anlange, so beruhe dieselbe auf den Rechtsvorstellungen des Volkes, welche von den Gesetzen wohl declarirt, aber nicht alterirt werden dürfen. Dieser Grundsatz gehe weit über die Competenz der deutschen Landesherren hinaus und durch Festsetzung des selben könne unmöglich in die Dienstpragmatik der einzelnen Staaten ein gegriffen werden. — Abg. Reichensperger (Olpe) rechtfertigt seinen Antrag und nachdem der bayerische Justizminister vr. v. Fällst le die Be schlüsse der Commission als eine nothwendige Consequenz des Beschlusses be zeichnet ein einheitliches Proceßversahren herzustellen, erklärt Abg. vr. Hänel, daß er die innere Berechtigung der Anträge Windthorst u. Reichens- perger anerkenne. Das System der Belohnungen für geleistete Dienste sei anzuerkennen, aber dasselbe dürfe nicht umschlagen, wie es leider der Fall sei, in ein System der persönlichen Beeinflussung. — Bei der Abstimmung werden die Anträge der Abgg. Reichensperger und vr. Windthorst abgelehnt und die sämmtlichsn zu dem Titel „Nichter- amt" gehörigen Paragraphen nach den Commissionsvorschlägen an genommen. — Erster Titel „Gerichtsbarkeit". §3 enthält die Bestimmungen über die Zulassung besonderer Gerichte und bestimmt unter Nr. 3 die „Gemeindegerichte". Die Abgg. vr. Blum und Genossen beantragen Wiederherstellung der Regierungsvorlage: „Ge- meindegerichte, insoweit denselben die Entscheidung über vermögens rechtliche Ansprüche obliegt, deren Gegenstand in Geld oder Geldes- werth die Summe von 60 nicht übersteigt", mit folgendem Zu satze: „jedoch mit der Maßgabe, daß gegen die Entscheidung der Ge meindegerichte das Rechtsmittel einer Berufung an die ordentlichen Gerichte stattfindet, und daß der Gerichtsbarkeit des Stadtgerichts, als Kläger oder Beklagter, nur Personen unterworfen werden dürfen, welche in der Gemeinde den Wohnsitz, eine Niederlassung, oder im Sinne der 88 18 und 20 der Civilproceßordnung den Aufenthalt haben." — Abg. Miquel: Derartige Gerichte, von denen der 8 3 spreche, bestünden nur in Baden und Württemberg, aber in beiden Ländern mit ver schiedener Competenz. Die Stimmen in der Commission von Ab geordneten aus diesen Ländern seien der Institution nicht günstig ge wesen. In der Commission sei behauptet worden, daß diese Gemeinde justiz zu manchen Unzutrüglichkeiten geführt habe, wegen Mangel an Unparteilichkeit und Intelligenz der Richter. Das Institut stehe im Widerspruch mit dem Grundsatz, daß die Justiz geübt werden müsse durch rechtskundige, ständige, geübte Richter. Es wäre auf der anderen Seite aber geltend gemacht worden, daß die Institution dem Bedürsniß der Bevölkerung entsprächt. Der Antrag Blum habe ihm unklar ge schienen, denn was verstehe man denn unter „Berufung an die ordent lichen Gerichte"? Wenn man darunter die Berufung an die Gerichte zweitel Instanz verstehen wolle, so müsse er sagen, daß diese sehr schwer durchzuführen sein würde. — vr. Hoelder (Württemberg) macht geltend, daß der Sinn des Antrages ganz klar sei, da gesagt sei, daß das Rechtsmittel einer Berufung stattfinden solle und das sei dasselbe wie im gewöhnlichen Gerichtsverfahren. Die Vorzüge der Landgerichte bestünden darin, daß den Betheiligten so mancher Gang zum Amts gericht erspart würde, die Männer, welche zu entscheiden hätten, stünden inmitten der Bevölkerung und genössen das vollste Vertrauen der selben. Die Wurzeln der Institution reichten Jahrhunderte zurück und sie selbst hänge eng mit dem ganzen Gemeindeleben zusammen. — Abg. Roemer trat diesen Ausführungen entgegen und charakterisirte die Landgerichte dahin, daß thatsächlich der Amtsrichter erkenne. Redner bezeichnet den Antrag als völlig unwirksam und schließt mit den Worten: „Nehmen Sie den Antrag an oder nicht, mir ist es egal." (Große Heiterkeit.) — Abg. Schmidt (Württemberg) nennt die Aeußerungen des Vorredners bloße Worte ohne wahren Sinn und weist an der Hand der Statistik nach, daß jährlich etwa 15,000 Bagatellsachen von den Landgerichten behandelt würden und von diesen komme nur ein Drittel bei denselben zur Entscheidung, während bei zwei Dritteln Berufung eingelegt würde. Diese Zahlen wögen doch wohl schwerer als die subjective Auffassung eines Abgeordneten. Nicht Particularismus sei der Anlaß zu diesem Antrag gewesen, sondern gerade Liebe zur Rechts- Einheit. — Abg. Lasker hält es für bedenklich, das Institut der Landgerichte durch die Reichsgesctzgebung zu samtiontren, wenn es auch für Baden und Württemberg wohlthätig sein möge, und erklärt, daß er gegen den Antrag Blum stimmen werde. Dagegen erklärt er sich mit einem inzwischen eingebrachten Anträge des Abg. v. Cuny ein verstanden, welcher zu dem des Abg. Blum einen Zusatz wünscht, daß die preußischen Gerichte durch den Antrag nicht berührt würden. Nach dem der Bevollmächtigte zum Bundesrathe Kohlhaas erklärt hatte, daß es den Wünschen der württembergischen Negierung entspreche, wenn der Antrag Blum angenommen werden würde, wird bei der Abstimmung § 3 der Regierungsvorlage mit dem Amendement Blum und dem Unteramendement Cuny genehmigt. — Schluß 5^ Uhr. Bor 25 Jahren, im großen Schnee! (Den 20. und 21. November 1851.) Ich war glücklich als Hilfslehrer in der Gemeinde Kemnitz bei Bernstadt! Aber nach der Wahlfähigkcitsprüfung dachte ich auch weiter und da keine Aus sicht vorhanden, daß meine Stelle bald ständig würde, meldete ich mich in die freundliche Stadt Kamenz, wo mir die guten Gchulverhältnisse bekannt waren. Da erhielt ich eines Tages die Einladung zur Probe und nach den getroffenen Vorbereitungen machte ich mich auf und kam über Löbau nach Bautzen. Hier suchte ich unseren unvergeßlichen Director Dreßler auf und theilte ihm mein Vorhaben mit. Der väterliche Freund beglückwünschte mich, rieth mir aber da bei auch ernstlich, der neuen Stellung meinen Backenbart zu opfern, da die Herren in Kamenz wohl zu solcher Dekoration scheel sehen dürften! Ich folgte mit Wehmuth dem wohlgemeinten Winke und am anderen Morgen, dem 20. Nov., als am Tage meiner Weiterreise, war eine ziemliche Kälte mit Schneefall und ich vermißte nun empfindlich den Schutz meines Halses! Gegen Mittag fiel der Schnee massig und als wir um 3 Uhr Nachmittags mit derWost abfuhren, da trug Ritter Dutschmann auf dem Wassertroge eine Rüstung, 'daß ich. ihn kaum wieder erkannte, obgleich wir uns früher oft nahe gestanden! Mit großer Anstrengung würgten die Pferde den schweren Wagen langsam vorwärts und Abends gegen 7 Uhr kamen wir erst nach Lchndorf, um welche Zeit sonst die Post schon in Kamenz eintraf. Hier fehlte cs nicht an gutem Rathe, den man uns im Betreff der Weiterreise gab und der vielen Rede Sinn war der, nur Lableiben, denn es ist draußen nicht mehr zum Fortkommen. Der Postillon hatte aber kein Gehör und — auch keinen Hafer mehr für die Pferde und ich hatte Sehnsucht, an Ort und Stelle zu kommen, um mich zum wichtigen Vorhaben zu sammeln. So fuhren wir denn, nach 7 Uhr Abends, bei grausigem Schneewetter, von Lehndorf wiederab, nach dem ein halbes Stündchen entfernten Marienstcrn (Panschwitz). Wir waren gewiß an zwei Stunden, die peinlich ver gingen, im Schnee umhcrgeirrt, als der Postillon erklärte, cs nicht länger draußen auf dem Bocke aushalten zu können, auch misse er gar nicht, wo wir uns be fänden und von der Straße sei schon längst keine Spur mehr sichtbar. Ich stieg nun mit meinem Begleiter, einem Landmann, aus, und wir merkten bald, daß man bei dem beißenden, feinen Schnee nicht einen Schritt weit vor sich sehen konnte,