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2W7 auch sofort unterwarf. Eine Zuziehung von Gerichtsschöffen sand nicht statt. z Zittau, 26. Juli. In der heute unter Vorsitz des Herrn Ge- richtSrath Zscheile und unter Mitwirkung von Schöffen abgchaltenen Hauptverhandlung wurde der 30 Jahre alte, bisher noch nicht bestrafte Fleischergeselle Friedrich Wilhelm Hoffmann in Dresden, gebürtig aus Kottmarsdors, vorgeführt, um wegen Betruges zur Verantwort- ung gezogen zu werden. Hoffmann war im Monat September 1872 zu dem Bäcker Joh. Gottlieb Matthes in Alt-Ebersbach gekommen, und hatte denselben unter dem Anführer!, daß er in Beiersdorf sich als Fleischer zu etabliren beabsichtige, um darlehnsweise Borsireck- ung eines Capitals gebeten. Mangels eigner Casse war von Matthes der mit ihm weitläufig verschwägerte Angeklagte zwar abfällig be- schieden, ihm jedoch gleichzeitig zu erkennen gegeben worden, daß 50 Thaler dalägen, die Matthes von seiner Schwiegermutter Marie vrrw. Höhne geborgt habe, und daß solche, falls diese ihre Genehmig ung hierzu ertheile, ihm ausgezahlt werden könnten. Schon am Morgen des andern Tages fand sich der Angeklagte bei Matthes wieder ein, und da er diesem aus Befragen, was die Schwiegermutter wegen der 50 Thaler gesagt, zur Antwort gab: „Du sollst mir das Geld geben", so nahm Matthes nunmehr auch keinen Anstand weiter und zahlte Hoffmann, nachdem dieser noch versprochen, die Rückzahlung pünktlichst im Frühjahr 1873 zu bewirken, die 50 Thaler baar aus. Kaum war dies jedoch geschehen und Hoffmann fortgegangen, traf auch schon ein Vries der Frau Schwiegermama ein, welche ihren Schwiegersohn veranlaßte, von dem.Gelde auch nicht einen Pfen nig dem Hoffmann zu geben, da dieser ihr nichts weniger, als sicher sei. Gab nun die Höhne auch zu, daß der Angeklagte wegen des Borgens der 50 Thlr bei ihr gewesen sei, so behauptete sie dock ganz entschieden, daß ihr durchaus nicht eingefallen sei, Hoffmann'» zur Empfangnahme des Geldes zu autorisiren, daß sie denselben viel mehr nur dahin beschicken habe, „daß sie zunächst mit ihrem Eidam Rücksprache nehmen müsse und sich das Andere alsdann finden würde." Obwohl nun die Depositionen des Matches durch dessen Ehefrau Bestätigung finden, alle drei Zeugen ihre Aussagen auch eidlich erhärten, so ist Hoffmann doch frech genug, mit den Behauptungen aufzutreten, daß die Witwe Höhne ihm ent gegnet habe, „wenn ihr Schwiegersohn das Geld ihm, Hoffmann'», anvertrauen wolle, so möge er es auszahlen", daß er auch nur diese Aeußerung Matthesen mitgetheilt und daß dieser darauf noch entgegnet habe, „wenn die Schwiegermutter später etwa nicht daraus eingehe, er, Matthes, dann die Sache auf seine eigene Hand nehmen wolle, da er Hoffmanns ehrlichem und rechtschaffenem Gesicht vollkommen Vertrauen schenke", ein Vorbringen, welches Seiten der Matthes'fchcii Eheleute als grobe Unwahrheit bezeichnet wird. Nach dem Anträge des Herrn Staatsanwalt Jaspis wurde Hoffmann aus Grund tz 263 des Reichsstrafgesetzbuches zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. Der- theidigung fand nicht statt. — Am 28. Juli. Die heut Nachmittags unter dem Vorsitze des Herrn Gerichtsrath Zscheile abgehaltene Haupt verhandlung hatte 'es mit einem von dem Färber und Handarbeiter Julius Reinhold Berndt aus Spreedorf verübten schweren Dieb stähle zu thun. Berndt, vor 4 Monaten erst 18 Jahre alt geworden und bereits als Knabe von 9 Jahren wegen Diebstahls bestraft, räumte ein, in der Nacht zum 24. Juni l. I. in die im Parterre befindlich: Wohnstube des Fabrik-Expedienten Carl Schwär in Gersdorf, nachdem er den im Fenster befindlichen Schieber, sowie den auf der Innenseite des Fensters vor letzterem befindlichen Laden von Außen zurückgeschoben, eingestiegen zu sein, hierauf die Thür eines verschlossenen Glasschrankcs aufgerissen und eine Ancreuhr mit Kette, sowie den in ca. einer Mark bestehenden Inhalt einer Kindersparbüchse gestohlen zu haben. Die auf 22 50 taxirte Uhr versetzte Berndt andern Tages im Ebers ¬ bacher Leihhause, dagegen versteckte er die auf 3 geminderte silberne Uhrkette in Warnsdorf in einem im Bau begriffenen Hause, woselbst sie auch einige Tage nach der Arretur Berndt's noch vorgefundsn wurde. Der Gerichtshof verurtheilte Berndt'n nach § 243 sub 2 des Reichsstrafgesetzbuches unter Annahme mildernder Umstände zu 6 Mo naten Gefängniß, sprach ihn aber, insoweit ihm ein im strafbaren Rückfall begangener Diebstahl zur Last gelegt worden, straffrei. Vermischte-. — HZittau, 28. Juli. Mit dem heute Nachmittags von Reichen berg ankommenden Zuge langte in Begleitung des ArresthanS-Jnspectors des kgl. Bezirksgerichts der hiesige Raths-Expedient Gustav Adolf Kroll an. um vor der Hand im Bezirksgerichtsgefängnisse Unterkommen zu finden. Kroll war, wie man hört, um einer gegen ihn angestrengten Untersuchung au« dem Wege zu gehen, im vorigen Monat flüchtig geworden, war aber, nachdem er einen mißglückten Selbstentleibungsversuch unternommen, in Reichenberg gerade in dem Augenblicke, al« er diesen Ort mit dem Zuge wieder zu verlassen beabsichtigte, festgenommen worden. — Freiberg, 27. Juli. (F. A.) Eine allem Anscheine nach von bitterer Noth heimgesuchtr Frau von hier versuchte am gestrigen Abende, ihrem Leben ein End: zu machen. Dieselbe sprang mit ihrem 8jährigen Sohne in den mittleren Kreuztetch; ein vorübergehender Mann war recht zeitig noch im Stande, die F-au mittelst einer Barriörestange lebend an« Land zu bringen, der arme Knabe aber, den man später erst auffand, konnte trotz aller ärztlicher Bemühungen zum Leben nicht wieder zurückgerufen werden. Die Frau fand einstweilen Aufnahme im hiesigen Krankenhause. — Eine eigenthümliche Scene spielte sich, wie die „L. N." au« Leipzig berichten, am 26. d. Nachmittags in der Schletterstraße ab und hielt die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden in hohem Grade gefesselt. In der dritten Etage des Hause« Nr. 14 standen nämlich vor dem geöffneten Fenster zwei Vogelbauer, in Lenen sich ein Fink und ein Zeisig befanden. Plötzlich schoß ein Ra ub vogel, ein sogenannter Taubenstößer, auf den Finkenbauer lo« und da er in seinem räuberischen Beginnen nicht gestört wurde — die Logisbcwohner waren zufällig abwesend — glückte es dem gefiederten Unhold nach vieler Mühe, mit seinen langen Krallen den armen Finken herauSzuholen. In diesem Augen blick aber trieb ein Bewohner der unteren zweiten Etage mittelst eines langen Eisenstabcs den Stößer von seinem Standpunkt fort, und zwar flog derselbe durch das geöffnete Fenster in die Stube hinein, wo der Räuber bald darauf von einem gleichzeitig mit der hinzugekommencn Logisinhaberin eintretenden Polizcicorporal unter einem Regal verborgen aufgefunden wurde. Von dem gerödteten Finken fanden sich nur noch wenig Ueberbleisel vor, der erwischte Raubvogel aber wurde in einem Bauer gefangen gesetzt und ist jetzt auf der vierten Polizeibezirkswache am Brandwcg zu Jedermann« Ansicht ausgestellt. — Die Haft Dr. DtrouSberg'S — so schreibt man der Berliner . Tribüne" aus Moskau — ist seit der vor einiger Zeit erfolgten Ver tagung de« Monstre-Processe- eine crhcktich verschärfte«. Es ist ihm zwar vorläufig auch ferner gestattet geblieben, im Hotel zu wohnen; seine Ueber- wachung indcß ist eine bedeutend strengere geworden. An jedem der drei/ Hotel-AuSgänge find ununterbrochen je zwei, im Ganzen also sechs Polizisten stationirt, während ein siebenter den Ex-Eisenbahnkönig unausgesetzt in seinem Zimmer bewacht; ein höherer Polizcibeamter endlich, welcher wieder diese Alle zu controlircn hat, wohnt zu diesem Behufe in demselben Hotel. — Köln, 27. Juli. Die „Köln. Ztg." schreibt: „Endlich scheint das Hinderniß überwunden zu sein, welches den Klöppel der Kaiserglocke immer noch auf der einen Seite von dem Anschlag gegen den Schallring abzuhalten vermochte. Das heute Vormittag veranstaltete Probeläuten hat nämlich nahezu vollständig befriedigt. Die Ausdauer der Technik hat den Eigensinn des Pendels überwunden, denn die Anschläge erfolgten an beiden Seiten in gleichmäßigen Zwischenräumen und fast eben solcher Stärke." — 64? München, 28. Juli. (Tel.) Bei einer gestern Nachmittag zwischen Jmmcnstadt und Oberdorf erfolgten Entgleisung des von Lindau nach hier abgelaffenen Courierzugcs sind im Ganzen 13 Personen zu Schaden gekommen. Tödtlich verllßt wurde Niemand, aber 2 Passagiere haben Beinbrüche, 11 andere Personen leichtere Quetschungen erlitten. Die Entgleisung des Zuge« wurde wahrscheinlich durch einen Achsenbruch herbeigeführt. — Auf Zeche „Unser Fritz" bei Wanne hat, wie aus Essen gemeldet wird, am 25. d. M. Morgens eine Explosion schlagender Wetter stattgefunden, wobei, soweit bis gegen Abend bekannt, 7 Bergleute ihren Tod gefunden und 11 erhckliche Brandwunden erlitten haben sollen. Mehrere Bergleute werden noch vermißt. — Bayreuth, 27. Juli. (N. A. Z.) Mit der gestrigen Probe des dritten Actes der „Götterdämmerung" fanden die Scenenproben mit Requisiten ihren Abschluß. Heute und morgen werden nur die Costume an gepaßt und Sonnabend beginnen di« Hauptproben in Costum, erst dann finden die Generalproben statt. Der letzte Act des Nibelungen-Ringes ist von allen der ergreifendste. Er enthält den Tod Siegfrieds, den grandiosen Trauermarsch und den Abschied Brünnhildens von ihrer Liebe und vom Leben. Mit Grane, dem Schlachtenroß, sprengt sie in die Flammen des Scheiterhaufens, auf dem ihr Held verbrennt. Die wechselnde Sceneric ist wieder von unbeschreiblicher Schönheit. Nunmehr darf man, gestützt auf die Resultate der vorläufigen Proben, dar vollständige Gelingen des großen nationalen Kunstwerkes als un zweifelhaft bezeichnen.