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2036 Eine freiwillige strategische Coinbination, die durch die Maßnahmen des Gegners dictirt wurde! Konstantinopel, 27. Juli. (N. Fr. Pr.) Die vom Kriegs schauplätze cingetroffenen Nachrichten lauten günstig für die Türken. Die von allen Seiten heranziehenden Verstärkungen ermöglichen nach dem Rückzüge der Serben von Ak-Palanka und ihrer letzten Nieder lage am Ttmok eine energische Offensive, wozu unterm 18. d. von der Negierung der Befehl erging. Die nächsten 14 Tage müssen somit die Entscheidung bringen. Pesth, 27. Juli. (Telegr. der N. Fr. Pr.) Fürst Milan ist heute an der Spitze der Kerntruppen von Paracin nach Aleks inac abgegangen, wo er wahrscheinlich selbst den Befehl übernimmt. Heute hat auf der ganzen Linie durch Osman's Truppen mit Energie der Kampf begonnen. — AuS Rußland ist in Belgrad eine ganze Sani- täts-Abtheilung angekommen, welche aus 20 Barmherzigen Schwestern, 10 Aerztcn und 10 Assistenten besteht. — Die Nachricht von der Ein berufung der Skupschtina wird dementirt. Semlin, 27. Juli. (Telegr. der N. Fr. Pr.) Heute Nachts wurde in Belgrad eine Proclamation des Fürsten Peter Kara- georgievich angeschlagen, worin derselbe dem serbischen Volke er klärt, er komme nicht als Fürst, sondern als Patriot, weil Milan be seitigt werden müsse. Es herrschten Verrath im Felde und Jntriguen in der Negierung, und bedürfe es der Tapferkeit der Väter und der Karageorgieviche, um das Vaterland zu retten. Die Proclamation wurde von der Belgrader Polizei in früher Morgenstunde von den Straßenecken beseitigt. Belgrad, 27. Juli. (Pr.) Oberstlieutenant TscholakAntitsch wurde heute an Stelle des Generals Zach zum Commandanten der Jbar-Armee ernannt. Belgrad, 27. Juli. (C.-B.) Officielle serbische De- pesche. Gestern Mittags versuchte ein Theil der türkischen Armee den Timok bei Vracsogernitza zu überschreiten, wurde jedoch von unserer Infanterie gehindert, sich dem Flusse zu nähern. Unsere Ver luste sind unbedeutend, die Verluste der Türken sind bedeutend größer, da unser Feuer auf die Angriffscolonnen gerichtet war, während die Türken unsere Batterieen erfolglos beschossen. — Am 24. d. wurde Derwisch Pascha von Tscholak Antitsch bei Dugapoljana vollständig geschlagen. Die Unsrigen machten eine große Beute. Die Jbararmee hat die Ernennung Tscholak Antitsch's zum Commandanten an Stelle des erkrankten Zach enthusiastisch ausgenommen. Paratschin, 27. Juli. (Boh.) Fürst Milan verläßt morgen das Hauptquartier und begiebt sich ins Lager vor Deligrad, um dort die Truppen zu inspiciren. Petersburg, 27. Juli, Abends. (A. g. R.) Die russischen Zeitungen bringen Telegramme, durch welche der Rückzug der Mon tenegriner von Nevesinje seine Erklärung findet. Moukhtar Pascha fand an Stelle von 9 Bataillonen nur 4 sich gegenüber in Folge eines Fehlers des CommandeurS der Avantgarde, der auch sofort seines Postens entsetzt wurde. Die Montenegriner erwarten, verstärkt durch die morgen eintreffenden Corps der Wojewoden Peko und Boskowich, den Angriff Moukhtars in günstiger Stellung bei Slatina. * Petersburg, 29. Juli. (Telegr. der Bautzener Nachrichten.) Der „Golos" meldet aus Risano vom gestrigen Tage: Die Armee Moukhtar Paschas umging am 25. d. unbemerkt die Monte negriner bei Korito und langte bei Bilek an. Die Lage des Fürsten Nikita und Radonitsch's ist eine verzweifelte. * Konstantinopel, 28. Juli, Abends. (Telegr. der Bautzener Nachrichten.) Ein osficielles türkisches Telegramm bestätigt die am 26. d. erfolgte Zerstreuung der Truppen Nikita's. (Vgl. dagegen daS neueste Wiener Telegramm auf Seite 2033.) Gerichtsverhandlungen. Bautzen, 22. Juli. In der Person des vormaligen Post gehilfen Gottfried Richard Oswald Schubert aus Königsbrück stand heute ein junger Mann vor den Schranken des Gerichts, welchen der Leichtsinn frühzeitig auf die Bahn des Verbre chens geführt hatte. Geboren am 22. Februar 1857 in Hellendorf bei Gottleuba, mithin gegenwärtig erst 19 Jahre alt, genoß er in Königsbrück den gewöhnlichen Schulunterricht, besuchte dann, um sich für das Lehrfach vorzubereiten, von Ostern 1871 bis Ostern 1875 das hiesige landständische Seminar und wendete sich hierauf dem Post- dienste zu. Erst vom Juli bis zum September v. I. bei dem Post amte zu Löbau beschäftigt, wurde ec dann zum Postamt Ebersbach versetzt, am 19. Januar d. I. aber wegen unbefriedigender Dienst- führung wieder entlasten. Auf sein Ansuchen wurde er jedoch am 20. Februar d. I. versuchsweise wieder angenommen und als Privat- Postgehilfe dem Postamte Königsbrück zugetheilt. Allein er lohnte diese Nachsicht schlecht. Denn bereits an: 5. Mai d. I. mußte er wegen des gegen ihn ausgetretenen Verdachtes, sich an der ihm an vertrauten Caste vergriffen zn haben, von seinem Dienste suspendirt werden, am 19. Mai wurde er endgiltig aus dem Postdienste ent lassen und heute hatte er sich auf eine wegen schwerer Beamtenunter- schlagung nach 8 350 und 351 des Neichsstrafgesstzbuches wider ihn erhobene Anklage zu verantworten. Er war des ihm Beigemestenen auch allenthalben geständig. Hiernach war er mit dem von ihm be zogenen Gehalt von früher 48, zuletzt 50 pro Monat nicht aus gekommen, zumal die ihm von seinem in Lückendorf bei Oybin als Grenzzolleinnehmer stationirten Vater gewährte Unterstützung seit dessen Tode weggefallen war; er hatte deshalb Schulden gemacht und um diese zu decken, sich an der ihm dienstlich anvertrauten Schaltercasse vergriffen. Auf Grund eines jedesmal neu gefaßten Entschlusses be raubte er sie im Laufe des Monats April d. I. zu drei verschiedenen Malen; das erste Mal, Anfang April, entnahm er ihr 100 kurze Zeit darauf 40 und Ende April weitere 20 je nachdem er der Beträge gerade bedurfte, und verwendete sie thetls zur Berichtig ung von Schulden, theils zur Bestreitung seines Unterhaltes, obwohl er der Rechtswidrigkeit seiner Handlung sich bewußt war. Nun mußte er sich aber sagen, daß, sobald eine Revision der Schaltercaste erfolge, die von ihm begangenen Unterschlagungen entdeckt werden müßten. Um ihre Entdeckung zu verhüten, nahm er zu dem so oft schon ver suchten Mittel der Fälschung der zur Eintragung und Controls der Einnahmen und Ausgaben des Postamtes bestimmten Bücher und Register, bez. zur unrichtigen Führung derselben, seine Zuflucht und da auch dies nicht genügte, um eine Entdeckung zu vereiteln, auch zur Verfälschung der zu diesen Büchern und Registern gehörigen Belege. Zunächst verlautbarte er die ihm amtlich obliegende Eintrag ung der aus den beim Postamt Königsbrück von der Postagentur zu Schwepnitz eingegangenen Ueberweisungskarten sich ergebenden Beträge von 242 28 H. und von 56 20 H. insofern unrichtig, als er diese in der von ihm zu führenden Monats-Zusammenstellung nur nach Höhe von 202 28 <Z. und von 36 20 <Z. eintrug. Dann änderte er einen darin richtig eingetragenen Betrag von 259 28 in der Weise ab, daß er durch Nadiren und Ueberschreiben ihn auf nur 159 28 H. bezifferte, damit aber das Guthaben der Post ¬ agentur zn Schwepnitz an das Postamt Königsbrück auf den Monat April d. I. um 40, 20 und 100 niedriger angab, als es in Wirklichkeit betrug. Allein auch dies reichte noch nicht hin, nament lich wegen des Unterschleifs der 40 Schubert trug daher in dem Annahmebuch N für Postanweisungen vom Monat April 1876 anstatt der nach Höhe von 285 „M, 123 54 H und 56 83 H. bei dem Postamt Königsbrück wirklich eingezahlten Beträge diese nur nach Höhe von 265 113 54 H. und 46 83 H. ein, änderte aber noch vor Anfertigung der Monatsrechnung diese falschen Einträge wiederum in die richtigen ab und änderte dem entsprechend auch die von ihm zuvor absichtlich falsch aufgerechneten Seitenbeträge. Endlich verfälschte er die Originale der Schwepnitzer Ueberweisungskarten, welche die Grnndlage der Berechnung zwischen den Postanstalten zu Schwepnitz und Königsbrück bildeten und als Belege des Rechnungs werkes dienten, indem er die eingezeichneten Summen von 259 28 H., 242 51 H. und von 56 20 H. durch Nadiren und Ueber schreiben in die Beträge von 159 28 H., 202 51 <H. und 36 20 H. umwandelte und die so verfälschten Belege mit dem Monats abschlusse seinem Vorgesetzten, dem Vorstande des Postamts zu Königs- brück, vorlegte. Die Fälschungen waren aber so plump gemacht, daß sie ohne Mühe entdeckt wurden. Auf Grund dieser Beweisergebnisse wurde der Angeklagte, welcher durch die von ihm bestellte Caution vollen Ersatz geleistet hat, wegen schwerer Beamtenunterschlagung in 15 Fällen unter Annahme mildernder Umstände, für welche sich so wohl der Vertreter der Anklage, Herr Staatsanwalt Petri, wie der Vertheidiger, Herr Adv. Seyfert, verwendete, gemäß 8 350, 351 und 74 des Strafgesetzbuches zu einjähriger Gesängnißstrafe vernrtheilt, auf welche ihm der Gerichtshof, dessen Vorsitz sich in den Händen des Herrn Gerichtsrath v. Metzsch befand, noch den erlittenen sechs wöchigen Nntersuchungsarrest anrechnete, eine Strafe, der sich Schubert