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245 hiesigen Makler für die Seehandlung stattgefunden. Die Gruppe glaubte hiernach aunehmeu zu dürfens daß der Fittanzminister selbst bei der Sache unbetheiligt gewesen ist. — Die Gruppe von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, welche sich mit der Vorberathung des Etats des Cul tus Ministeriums beschäftigt hat, ist gewillt, in ihren Anträgen u. A. die Stellung des Oberktrchenraths und die Verwendung der 500,000 ^, welche zur Entschädigung der Geistlichen für deren Ausfälle durch das Civil- ehegesetz bestimmt ist, dabei zum Gegenstand der Verhandlung zu machen. — Liberale Landtagsabgeordnete beabsichtigen, wie liberale Blätter mittheilen, während der Vertagungsperiode in ihren Wahl kreisen die Absendung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus anzuregen, welche sich gegen die Beschlüsse der Generalsynode im All gemeinen und gegen die Zusammensetzung der Provinzialsynode ins besondere zu kehren haben. Die Petitionen sollen sich vornehmlich gegen das Wahlsystem durch die Provinzialsynoden und für die wirk samere Einwirkung der Gemeinden auf die Wahl ihrer Vertreter aus sprechen. Die Berliner Protestantenvereinler haben damit einen An fang gemacht. — sEin Jnventarium.s Nach dem Dafürhalten der „Kreuz zeitung" scheint die Stunde der De- und Exmission der „herrschenden Partei" näher und näher zu rücken: so werde es angezeigt sein, ihr immer wieder die Rechnung zu machen, und ein summarisches Inventar ihrer Leistungen und ihrer Hinterlassenschaft aufzunehmen, damit ihr Verduften als bankerotte Firma vor aller Welt festgestellt, und Der jenige, welcher die Erbschaft anzutreten habe, vor unbilligen Ansprüchen und Anklagen gesichert werde. Das Sündenregister des Liberalismus — führt die „Kreuzztg." aus —, so mannigfaltig es sei, lasse sich doch im Grunde auf eins reduciren. Wie im ganzen Bereich der äußern Lebensbedürfnisse fast nichts mehr in solider Aechtheit zu haben, so sei Fälschung an allen Zweigen des wirthschastlichen Daseins, Fälschung aller entscheidenden Factoren des Volkslebens, recht eigent lich das Zeichen und die zehrende Krankheit unserer durch den Liberalis mus beherrschten Zeit. Den Beweis für ihre Behauptungen glaubt die „Kreuzztg." in Folgendem zu führen: Die Gesetzgebung sollte Ausdruck und Leiter des rechtlichen, sittlichen, ge- müthlichen und materiellen Volkslebens sein. Unsere heutige Gesetzgebung steht aber zu den drei ersten dieser Beziehungen meistens im vollständigen Gegensatz, hat in manchen Stücken dem deutschen Gewissen zum verletzenden Anstoß und zum verwirrenden Fallstrick gedient, und in materieller Hinsicht große und mensch lich angesehen unheilbare Schäden Herbeigeführt. Seit zehn Jahren aber war der Liberalismus der spirituo familiaris unserer Gesetzgebung. — Die parlamen tarischen Körperschaften sollten als Darstellung des lebendigen Volksorga nismus und des einsichtsvollen geläuterten Volkswillens, den Regierungsgewalten ein Anhaltspunkt und nöthigenfalls ein Correctiv sein. Unsere Volksvertretungen sind dagegen — abgesehen von dem immer mehr zurückgedrängten und mit fremden Elementen zersetzten Herreuhause — nur Aggregate vou Persönlichkeiten, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl diejenige schablonenartig eingelernte Verstandes richtung vertreten, welche mit Nothwendigkeit alles wahrhaft Nolksthümliche und geschichtlich Gewordene entweder iguorirt, oder mit instinctmäßigem Geschick von der Wurzel aus, wie die pIiMoxsr.r vastatrix den edlen Weinstock, zu vernichten weiß. Und der eigentliche Faiseur dieser Wahlen ist, im Großen und Ganzen, wiederum der Liberalismus. — Politische Parteien sind echt und berechtigt, nur insofern sie die individuellen Ausgestaltungen des Volksgeistes in seinen ver schiedenen Richtungen, Bedürfnissen und Wünschen sind, und sie könnten und sollten, so gestaltet, eine heilsame Ausgleichung jener Verschiedenheiten herbeisühren. Aber bei uns ist das Parteileben schon dadurch verrenkt und verdorben, daß eine Partei, deren Wege mit Abwegen, in welche die Regierung gerathen, zusammen- getrosfen sind, hierdurch zur allein herrschenden sich erhoben; eine Partei, welche, in ihren „Wissenden" wenigstens, an ihre ursprünglichen Principien schon lange nicht mehr glaubt, und von ihnen, nur sich in ihrer Machtstellung zu erhalten, so ziemlich Alles auszugeben bereit ist; die endlichinihrerGrundsatzlosigkest eine nicht geringeAnzahl Solcher, die ihr innerlich ganz fremd sind, in ihre Reihen ausgenommen hat, und die man deshalb eher eine „Gründung" des Scheins und der Heuchelei, als eine politische Partei nennen möchte. Und diese Carieatur einer Partei ist die des Liberalismus. — Die Bedeutung und der Werth der Presse besteht darin, daß sie die im Volks leben sich zeigenden Erscheinungen, die guten wie die schlimmen, bekannt macht, und je nach "ihrer Ansicht die Fragen über ihre Berücksichtigung und Förderung, oder Hemmung und Zurückweisung, zu erörtern trachtet. Statt dessen ist unsere Presse mit wenigen Ausnahmen das Mundstück einzelner Kreise oder Individuen geworden. Die Tonangeber sind zumeist Solche, die sowohl durch Abstammung wie durch Geistes- und Sinnesrichtung unserem Volke fremd sind, nämlich Juden. Daneben eine Schaar zum großen Theil auch jüdischer, geist- uud gesinnungsloser Lohnschreiber, die auf Bestellung zum Werbcrdienste für zweifelhafte Regierungs tendenzen, zur Colportage persönlicher Ansichten oder auch Interessen, ja zur För derung von Geldspeculationen und Gründungen sich gebrauchen lassen. So ist diese Presse nur das Mittel, zum Besten ihrer Partei-, oder Macht-, oder Gcld- interessen, die wirklichen Erscheinungen des Volkslebens ebenso wie die wirklichen Stimmen des Volksbewußtseins zu unterdrücken, zu entstellen oder todtzuschweigen, und damit geflissentlich oder wenigstens factisch die öffentliche Meinung, die Volks Überzeugung zu fälschen und die Gesetzgebung und Verwaltung irrezuleiten und für ihre Zwecke zu benutzen. Der Urheber und Nährvater aber dieses ganzen Preßunfu'gs ist der Liberalismus. — Der Grundbesitz, diese Grundlage aller socialen Ordnung und einer gesunden Volkswirthschnft, ist dermaßen capitalisirt und überbürdet, ist so durchaus seines eigentlichen wirthschastlichen und politischen Charakters entkleidet, daß er in keiner Weise mehr im Staude ist, dasjenige Fun dament, ja nur diejenige erhebliche Potenz zu sein, welche Staat uud Volksleben unbedingt bedürfen, wenn nicht alle Stabilität verschwinden uud eiue unaufhalt same Auflösung aller Verhältnisse eintreten soll. — Handel, Industrie und Gewerbe sollen und können die Kräfte sein, durch welche die materiellen Güter des Volkslebens zu gemeinsamem Vortheil erzeugt und ausgetauscht, und die Be- sitmnterschicde möglichst bis auf die Linie eines durchschnittlichen allgemeinen Wohlstandes ausgeglichen werden. In Folge unserer socialen und volkswirth- schaftlichen Einrichtungen ist der kleine und mittlere Landbau unterdrückt, das selbstständige Handwerk ruinirt, der solide kaufmännische Erwerb gelähmt. DerKem des Volkes, der „dritte Stand", ist zum allergrößten Theil in die bodenlose Existenz der verschiedensten Lohnarbeit hineiugetricben oder in den unsicheren Strom einer kenntnißlosen, leichtsinnigen, schwindelhaften Pfuscherei in allen möglichen „Ge schäften" gelockt, in dessen trüben Gewässern die Herren des Capitals mit den Netzen ihrer Gründungen und Unternehmungen den Nationalreichthum für sich zu fischen wissen. Uebcrhandnehmende Theuerung trotz reichlicher Ernten und neu eröffneter Verkehrswege, drückender Geldmangel trotz der zugeströmten Milliarden, das ist unter den modernen Institutionen der „natürlichen Ausgleichung" und der „freien Concurrenz", aus unsern« nationalen Wohlstände — leichtsinniges Bauen und ängstliches Krachen, das ist aus unserer industrielle«« Bewegung — allgemeines Fressen und Gefreffenwerden, Beschwindeln und Beschwindeltwerden, das ist aus unserm wirthschastlichen Verkehr geworden. Der patentirte. Erfinder und I««- stallator aber jener „natürlichen Ausgleichung" und „freien Concurrenz", wodurch alle volkswirthschaftlicheu und socialen Grundlagen vernichtet werden, ist wiederum 'Niemand anders als der Liberalismus. — Die „N. Evangel. Kirchenztg." sagt in einem Artikel, in welchem sie die Vorschläge bespricht, welche von den Freunden der Kirche zur Wiederbelebung der letzteren ausgehen: „Es ist natürlich, daß das Chaos, in welchem sich unsere sittlichen und wirthschastlichen Zu stande befinden, manche Herzen bewegt und manche Gedanken hervor- rust. Wir haben hin und wieder darauf hingewiesen, daß Stimmen aus allen Kreisen eine Rückkehr zur Religion fordern. Die Politiker wie die Nationalökonomen, Literarhistoriker und sogar einige darwinistisch gerichtete Naturforscher sprechen deutlich ihre Meinung dahin aus, daß das Verschwinden des religiösen Sinnes zum Ruin des nationalen Geistes führen müsse, und.mahnen zur Umkehr. In die Tagespresse dringt dieser ernste Ton noch kaum hinein; aber in Broschüren und Büchern findet man ihn ziemlich häufig. Begreiflicher Weise freue» wir uns dieser Erscheinung, obwohl sie erst ein schwacher Anfang ist. Der Begriff von Religion, welcher diesen literarischen Aussprachen zu Grunde liegt, ist noch viel zu allgemein, viel zu sehr dem positiven Christenthum abgewandt, als daß wir schon große Hoffnungen damit verknüpfen könnten. Besonders in den Vorschlägen, welche zur Ge staltung der Kirche gemacht werden, zeigt sich eine solche Unkenntniß kirchlicher Verhältnisse, ein solcher Mangel an kirchlichem Geist, daß man geradezu nichts damit anfangen kann. Aber es ist ja in Deutsch land nicht zum erstell Mal geschehen, daß ein gesunder Gedanke zu erst in den vagsten Umriffen, in der unpraktischsten Form auftrat und sich nachher in die Farbe der Wirklichkeit kleidete. So ist der Traum eines großdeutschen Universalstaats zum gegenwärtigen Deutschen Reich, die Phantasie des Nationalvereins zum Bismarck'schen Staatsbegriff qeworden; vielleicht allzusehr hat die Idee das Ideal abgestreift und sich mit einer realistischen Wirklichkeit begnügt. Vielleicht nimmt auch der religiöse Gedanke, der in der That mit neuer Kraft, aber in äußerster Unklarheit und Unbrauchbarkeit aufgetaucht ist, endlich »ach Sichtung der auseinandergehenden Meinungen die Richtung zur Realität einer positiv evangelischen Kirchengestalt." — In dem heute begonnenen P roceß gegen den Redacteur der Eisenbahnzeitung, wegen Verleumdung des Aufsichtsraths der rumä nischen Eisenbahngcfellschaft gelangten die incriminirten Zeitungsartikel, welche Angeklagter vor der Veröffentlichung gekannt zu haben zugab, zur Verlesung. Der Gerichtshof hatte auf Antrag der Vertheidigung beschlossen, den Abg. Lasker, sowie den Procuristen der Discontogesell- schast Beyer als Entlastungszeugen vorzuladen; die Zeugenvernehmung beginnt Donnerstag. 6V Bärwalde, 25. Januar. Bei der heutigen Ersatzwahl eines Abgeordneten zum Reichstage für den 5. Wahlbezirk des Re gierungsbezirks Köslin wurde der Candidat der confervativen Partei, Laudrath a. D. v. Busse zu Berlin, mit 192 von 244 abgegebenen Stimmen gewählt. Der Candidat der liberalen Partei, Kreisgerichts- rath Köhne in Neustettin, erhielt 51 Stimmen. Neuß, 23. Jan. (Schreiben der Kaiserin.) Auf eine an die Kaiserin geachtete Petition um deren Intervention zu Gunsten der mit Auflösnng bedrohten Niederlassung der Schwestern vom armen Kindc Jesu ist von derselben folgende Antwort an den Vorstand des