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167 Beilage zu No. 14 der Bautzener Nachrichten. Mittwoch, den 19. Januar 1876. Frische Gräber.*) Eine Reihe schwerer Verluste hat im letzten Jahre unsere Landeskirche und mit ihr auch unsern Verein betroffen; unter allen jenen Verlusten ist aber in weitesten Kreisen am Schwersten der Verlust eines Mannes empfunden wor den, und es geziemt sich, daß wir, unserer Sitte folgend, an der Jahreswende an diesen zurückerinnern, um noch einmal einige Worte wohlverdienten ehren den und dankbaren Gedächtnisses an seinem frischen Grabe niederzulegen. Eduard von Könneritz, der greise Präsident unsers evangelisch-lutherischen Landesconsistoriums, war am 10. April 1802 in Merseburg geboren. Unser Vaterland dankt dem Ge schlechte derer von Könneritz viele treue Diener; zu ihnen haben auch ave die vier Brüder gehört, deren jüngster der Verstorbene war. Nachdem Eduard von Könneritz die berühmte Schule in Roßleben besucht und auf unserer Landesuniverfität Leipzig die Rechte studirt hatte, trat er als bald in die Verwaltung ein; er bekleidete einige Jahre die amtshauptmannschaft lichen Posten in Plauen und Freiberg und ward dann als Rcgierungsrath in die Kreisdirection nach Dresden versetzt, von wo er im Jahre 1843 als Kreis director nach Bautzen kam; dieser Stelle hat er 18 Jahre lang vorgeständen. Ende des Jahres 1861 nach Dresden berufen zur Leitung der dafigen Kreis direction, blieb er in dieser Stellung, bi« er bei Einführung der Neuorganisa tion der Behörden 1874 an dir Spitze der obersten Kirchenbehörde des Landes gestellt wurde. Ein äußerst reger Thätigkeitstrieb, verbunden mit einer unbefangenen, von engherziger bureaukratischer Auffassung weit entfernten Anschauungsweise, zeich nete ihn in seiner geschäftlichen Thätigkeit aus; seine Amtsführung als Kreir- director in Bautzen — in den Jahren 1848 und 49 unter ost schwierigen Ver hältnissen — sowie auch später in Dresden fand den ungetheilten Beifall der Provinz sowohl, wie der Regierung. Der hochsel. König Johann schätzte in ihm einen seiner treuesten Diener. Unvergeßlich ist Vielen noch, wie der König ihm bei seiner Rückkehr aus Oesterreich 1866 in Bodenbach, wohin sich K. zur Begrüßung begeben hatte, vor Freude ihn wiederzuschen gerührt um den Hals siel. In seinen Gesinnungen unwandelbar, bewahrte er seinem engeren Vater lande einen so treuen Patriotismus, daß derselbe unter seinen näheren Bekannten förmlich sprüchwörtlich geworden. — Mit besonderer Liebe hing er an König Albert, der, nachdem er die ersten militairischcn Lorbeeren 1849 in Schleswig gepflückt, eine Zeit lang als junger Prinz in Bautzen stand und in dem K.'schen Hause fast täglicher Gast war. — Seine Natur war nicht genial, mehr praktisch nüchtern angelegt. In den Geschäften kam ihm ein außerordentliches Gedächtniß zu Hilfe, welches ihm minutiöse Details und Lie Erinnerung an Persönlichkeiten aus längst vergang ner Zeit mit Genauigkeit wieder vorführte und häufig ihm dadurch die Fassung geeigneter Entschließungen erleichterte. Gerade in der Behandlung der Kirchen- fachen in der Kreisdirection als Consistorialbehörde kam ihm diese Eigenschaft, vermöge deren ihm die Geistlichen seiner Provinz mit ihrer ganzen Persönlich keit leicht wieder vor Augen schwebten, besonders zu Statten. In noch weit höherem,Grade als seine geschäftliche Befähigung waren cs aber andere Eigenschaften, die ihm rasch die Liebe und das Vertrauen aus allen Kreisen, besonders aber von seinen Untergebenen, eroberten. Seine echt christliche Denkungsweise, seine Bereitwilligkeit zu helfen, wo und wie er nur konnte, sein wohlwollendes Eingehen auf die kleinsten Sorgen und Wünsche seiner Unter gebenen, die sich in Folge deß nach allen Richtungen aufs Festeste auf ihn ver ließen. sind wohl der Hauptgrund seiner allgemeinen Beliebtheit. Das, was ihn hierbei leitet« und bestimmte, war in Ler That ein tiefer christlicher Sinn, die praktische Bethätigung des Gebotes Christi: „Du sollst Deinen Nächsten lieben als Dich selbst." Ein jetzt so seltener und darum um so wohlthuenderer Zug seines Charak ter« war auch die glückliche Zufriedenheit und da« Sichgenügenlassen an dem, was er besaß. Sein Haus in Dresdcn, und insbesondere sein Studirzimmer war ihm das Behaglichste, wa« er kannte; cs hielt in seinen Augen den Ver gleich au« mit den ausgesuchtesten und reichstausgestattetcn Räumen. Sein Landsitz Weigsdorf in der Lausitz erschien ihm stets wie das schönste Stückchen Erde. Jeder Baum, jede Blume war in seinen Augen dort schöner und vollkommner, als anderswo.—Hier in Weigsdorf hat er auch seine letzten kurzen Leidenstage gehabt und ist er sanft verschieden. Ein sehr reger und warmer Familiensinn zeichnete ihn aus. Nie war er glücklicher und zufriedener, al« wenn er seine Kinder und Enkel um sich haben *) Aus dem illustrirten Monatsblatt für innere Mission, „Bausteine". konnte, und bis in die entferntesten Glieder der Verwandtschaft galt er stet« al« der Mittelpunkt, der Vertrauensmann, bei dem Jeder in schwierigen Fällen de« Leben« Rath und Hilfe finden konnte und auch wirklich sand. So erwies er sich nach allen Veiten hin als ein christlicher Charak-" tcr, und war al- ein solcher in engeren und weiteren Kreisen bekannt. Kein Wunder daher, daß ihm von Seiten seines Königes das unbegrenzteste Vertrauen cntgegengebracht wurde — kam doch hierzu eine seltene körperliche Rüstigkeit und geistige Frische noch im Alter; als er im Spätsommer vorigen Jahres auf Urlaub ging, um auf seinem Gute einige Zeit von seinen Geschäften zu ruhen, ahnte Niemand, daher so bald zur ewigen Ruhe eingehen und daß es ihm erspart sein werde, die kirchenregimcntlichen Anordnungen, die durch die ihn tief schmerzende Einführung der Civilehe nöthig wurden, mit ausgehen zu lassen. Kein Wun der aber auch nach unserm oben von ihm gezeichneten Bilde, bei dem unser Pinsel kein Quentlein schmeichelnder Farbe hinzugcthan hat, daß ihm beim Antritt seiner neuen vcrantwortungsreichen Stellung an der Spitze unser« Kirchen regiment« ein Vertrauen Seiten der Geistlichen und Seiten aller Freunde der Kirche in unserm Lande cntgegcnkam, wie es schwerlich bei irgend einer andern Wahl der Fall gewesen sein würde. War doch diese« Vertrauen auch dadurch berechtigt, daß von Könneritz als ein Mann bekannt war, der seine Kirche lieb hatte und ihrem Bekenntnisse von Herzcn zugethan war. Dies zeigt sich nicht allein darin, daß er sich mit seinem Hause zu dem Worte und Tische seines Goties hielt, auch nicht allein darin, Laß cs in seinen verschiedenen hohen Aemtern gerade die kirchlichen An gelegenheiten waren, mit denen er sich mit Vorliebe beschäftigte, sondern und vor zugsweise auch in der eifrigen Förderung, die er den verschiedensten kirchlichen Licbesthätigkeiten zuwandtc. Er hat dieselben nicht blos in seinen amilichcn Eigenschaften vielsach indirect unterstützt, sondern er hat sie auch durch seine öffentliche und persönliche Betheiligung direct gefördert, wo und wie er konnte. Wie er ein treuer Freund der Diakoniffensache war, so hat er der Bibelgesellschaft als ihr Präsident gedient und ist er unserm Hauptvereine mit herzlicher Liebe zugethan gewesen. Eine wie große Freude war es ihm, unserm Vereine die Bewilligung einer allgemeinen Kirchencollecte auszusprechen'. Mit wic warmem Worte legte er in der letzten Generalversammlung hiervon Zeug- niß ab! Noch in den letzten Tagen seine« Lebens sprach er dem Herausgeber gegenüber, an dessen Arbeit cr das lebendigste und ehrendste Interesse nahm, unaufgefordert von seinen Wünschen und Plänen, der Förderung dec inneren Mission und ihrer Anerkennung als eines Zweiges der allgemeinen kirchlichen Thätigkeit in noch weiterer Weise zu Lienen. Der Herausgeber war besonLers in der Zeit de« letzten Krieges in ein so nahe« Verhältniß zu dem Verewigten getreten und hat darum auch seinen Heimgang als einen schweren persönlichen Verlust empfunden. Unvergessen wird ihm sein, wie schnell sich damals Lcr treue Mann bereit finden ließ, an die Spitze Les Comitös für Fclddiakonic zu treten, nur mit dem einen Wunsche, daß da« begonnene Werk seinen Charakter als eines schlichten einfachen Werkes christlicher Nächstenliebe bewahren möge, frei von allem Aufputz durch politisches Phrascn- thum. Und wie emsig hat cr, der Vielbeschäftigte, bei Leitung der Felddiakonie mit gearbeitet; cs war ihm cigenthümlich, daß er nicht blos die Ehre eines solchen Amtes annehmen mochte, noch blos seinen Namen für eine Sache leihen; er wollte wirklich mit arbeiten, und cs hat ihn die Leitung der Felddiakonie nahezu ein halbes Jahr täglich einige Stunden gekostet. Rührend war eS, welch' warmes persönliche« Interesse er an jedem einzelnen Felddiakonen nahm; die Verluste, von denen unsere Felddiakonie heimgesucht ward, haben ihm Thränen gekostet. Unvergeßlich wird mir sein, welche Blicke ich damals in das Herz dieses festen und doch so weichen, dieses ernsten und dabei so milden Mannes habe thun können. Wic von Könneritz die Erwartungen, die sich bei seinem Eintritt in das neubegründete Landesconsistorium an seinen Namen knüpften, erfüllt hat, ist be kannt. Er hat mit dem Maß der Gaben, das ihm beschiedcn war, treu ge wuchert und treu gedient; was können wir Größeres von ihm sagen ? Drum durfte sein Beichtvater, al« er seine Leiche am Abende des 15. August, einem stillen SonntagSabende, einscgnete, mit Recht auf ihn da« Wort anwenden: „Herr, nun lässcst du deinen Diener in Frieden fahren", und reichlich hat sich an ihm das Psalmwort erfüllt, mit dem der Seelsorger seiner Lausitzer Ge meinde an seinem Grabe sein Bild zeichnete: „Die gepflanzet sind in dem Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unsere« Gottes grünen. Und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein", G«e I segnet, ja dankbar gesegnet sei uns sein Gedächtniß.