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162 geht uns ein Artikel zu, dem wir nur die Bemerkung beifüge», daß unser Leitartikel in Nr. l2 ebenfalls die Ansicht aussprach, das; Ruß land der Türk.ei gegenüber eine zuwartende Haltung einnimmt, und daß für die Entscheidung zunächst der bosnischen Frage und der orien talischen Frage überhaupt Deutschlands Stellung von größtem Gewichte sein wird. Daß der General Jgnatieff seit der Rückkehr des Fürsten Gortschakoff nach Petersburg keine eigene Politik treibt, haben wir ebenfalls angedeutet." — In dem nun folgenden, mehrere Spalten langen Artikel heißt es am Schlüsse: „Nach unserer Auffassung liegt der Schwerpunkt der ganzen türkischen Angelegenheit, oder vielmehr ihrer schließlichen Ordnung, in Deutschland und seiner Haltung den Interessen derjenigen Mächte gegenüber, die mit der Türkei gren zen. Ein Bündniß Oesterreichs und Rußlands allein, für oder gegen die Türkei, wäre eine wirkliche und gerechtfertigte Beunruhigung für Europa; im Vereine mit Deutschland ist cs eine Garantie, einFriedem- Fundament. Ohne Deutschland wird man in der That so manchen Verdacht nicht loswerden können; mit Deutschland ist das Richtloth und die Wasserwaage für jede Schwankung gefunden. Das wird auch von den dabei zunächst Jnteresstrten vollkommen gewürdigt und an erkannt, und läßt uns sehr viel ruhiger auf die Entwickelung der ganzen Angelegenheit blicken, als wenn Deutschland nicht bei jedem Schritt zu Rathe gezogen und seine Zustimmung nicht für entscheidend gehalten würde." — 6 (Aus den; Landtages Das Herrenhaus wählte in seiner heutigen ersten Sitzung das alte Präsidium Graf Otto zu Stol berg, von Bismarck und Hasselbach wieder, ernannte die Schriftführer und vertagte sich sodann, nachdem es die eingegangenen Vorlagen sämmtlich der Agrarcommission überwiesen, auf unbestimmte Zeit. — Die heutige zweite Sitzung des Abgeordnetenhauses, welche um 11 Uhr begann, wurde ganz von der Wahl der Präsidenten und der Schriftführer in Anspruch genommen. Präsident Bennigsen wurde durch Acclamation wiedergewählt. Besonderes Interesse ge währte die Wahl des ersten Vicepräsidenten, da vr. Löwe von vorn herein erklärte, daß er die Wahl als solcher nicht wieder annehmcu könne. Die Abstimmung ergab, daß 344 Mitglieder anwesend waren Von diesen wurden 340 gütige und 4 weiße Stimmzettel abgegeben. Die absolute Mehrheit fiel auf Du. Hänel, welcher jedoch nicht an wesend war und daher nicht angeben konnte, ob er die Wahl annehmc. Das Haus beschloß, telegraphisch die bezügliche Frage an ihn zu richten und zunächst die Wahl des zweiten Vicepräsidenten vorzunehmen. Graf Bethusy-Huc wird per Acclamation gewählt, ebenso die Schrift führer der vorigen Session. Der Abg. v. Schorlemer-Alst erhält nach Schluß der Wahlen das Wort und richtet, ohne jedoch einen Antrag zu stellen, dir Aufmerksamkeit des Präsidenten und des Hauses auf den Uebelstand, daß die Verkündigung der Einberufung des Landtages so spät erfolgt sei, daß er selbst davon erst zwei Tage zuvor Kenntnis; erhalten habe. Dadurch würden nicht allein die einzelnen Abgeordneten verhindert, sich gehörig vorzubereiten, sondern dies Verfahren entspreche auch der Würde des Hauses nicht. Danach wird die Sitzung auf morgen Vormittag vertagt. — Auf dem schlesischen Provinzial-Landtage machte Graf Henkel darauf aufmerksam, daß die Hannover-Altenbekener Eisenbahn-Priori täten, von denen der Provinz 1,038,000 Thlr. in dem Dotationsfonds, überwiesen sind, am 31. December 90 Br. und (am 2. Januar, als einem Sonntage, war keine Börse) am 3. Januar 95 Br. standen, während sie am 4. Januar wieder auf 90 Br. sanken und seither auch so geblieben sind. Durch diese ausfallende Courssteigerung ist der Provinz — wenn ihr die Papiere nach dem Cours vom 3. Januar berechnet werden — ein Schaden von 51,000 Thlr. entstanden. Diese Mittheilung rief ungeheueres Aussehen hervor; man nimmt all gemein eine künstliche Courssteigerung an, und der Landtag hat sich dahin ausgesprochen: Weil nach dem Dotationsgesetz der Cours des 2. Januar maßgebend sein soll, an diesem Tage aber keine Cours- notirung stattfand, so gelte für diesen Tag die nächstvorhergegangene Coursnotirung, also der Cours vom 31. December, und habe somit die Berechnung nach demselben zu geschehen, und der Landtag hat den Provinzialausschuß beauftragt, daraus hinzuwirken, daß der Cours vom 31. December der Berechnung zu Grunde gelegt werde. Ferner faßte der Landtag den Beschluß, „daß die Rückzahlung des zur Er richtung des Ständehauses aus der Staatscasse gewährten Vorschußes von 50,000 Thaler in Prioritäten der Hannover-Altenbekener Eisen bahn Serie kl. erfolge, und wenn diese zur Tilgung der Schuld nicht ausreichen sollten, in Prioritäten der Halle-Sorau-Gubener Bahn zum Ueberlassungscourse in Anrechnung gebracht werde." (Die Schlesier sind doch auch nicht auf den Kops gefallen, wird Herr Camphausen denken. Seine geliebten Hannover-Altenbekener wird er also wieder zurückkehren sehen.) Posen, 14. Januar. Dem „Kurher Poznanski" wird aus Gosthn telegraphirt, daß die zum 17. d. M. angeordnete Auflösung des Philippinenordens aus höheren Befehl (Mtnisterialverfügung) zurück- genommen ist. — Die exccutivischen Geldstrafen/welche der frühere Landrath Freiherr v. Massenbach als Staatscommissarius über die Geistlichkeit der Erzdiöcese Posen verhängt hat, haben bis jetzt die Höhe von 105,315 erreicht. Altona, 14. Jan. Der Zwist unter den hiesigen Social- Demokraten nimmt immer größere Dimensionen an. Dieser Tage fand eine Versammlung der Anhänger jener Mitglieder der socialistischen Arbeiter-Partei statt, welche wegen ihrer Opposition gegen das Gothaer Programm von dem in Hamburg domicilirten Vorstand der Partei kürzlich aus dem Verein ausgeschlossen worden sind. Die Anhänger des Vorstandes, die Gegner der Erstgenannten, versuchten die Ver sammlung und die Verhandlungen in derselben in tumultuarischer Weise zu stören; es gelang jedoch, die Ruhe wieder herzustellen, und nun" wurde von verschiedenen Rednem der Vorstand und namentlich Hasen clever angegriffen und demselben Unduldsamkeit gegen die Gegner vorgeworfen, indem den Inseraten der Letzteren die Aufnahme in das Parteiorgan verweigert werde. Der Reichstags-Abgeordnete Hasenclever wurde außerdem noch beschuldigt, bei der Gründung einer social demokratischen Zeitung selbstsüchtige Zwecke verfolgt zu haben. Aus Baden. Kürzlich hat es ein römisch-katholischer Priester (Glattselder) gewagt, im Widerspruch mit dem Verbot des Erzbischofs bei der Staatsregierung um Dispensation von dem vorgeschriebenen staatlichen Examen nachzusuchen. Dieselbe wurde ihm bereitwillig crtheilt. Bald darauf übertrug ihm die Negierung die Pfarrei von Balg bei Baden und zugleich forderte dieselbe die erzbischöfliche Curie auf, den neuernannten Pfarrer in sein kirchliches Amt einzuweisen. Die Curie verweigerte dies aber entschieden und ertheilte dem Pfarrvcr- weser in Balg den Auftrag, dem neuen Pfarrer den Eintritt in die Kirche und ins Pfarrhaus zu verwehren. Allein natürlich vergeblich. Der neue Pfarrer bezog unter dem Schutze des Staates die Pfarr wohnung, der Pfarrverweser wurde entfernt und der ultramontan ge sinnten Gemeinde für den Fall von Ruhestörungen militairische Ein quartierung angedroht. Solche Erfahrungen scheinen nun die Curie in Freiburg nachgiebig machen zu wollen. In mehreren Blättern liest man, dieselbe stehe zur Zeit wegen definitiver Anstellung ihrer Geistlichen in Unterhandlung mit der Staatsregierung. Sie habe sich bereit erklärt, entsprechend dem Verlangen des Staates den vor 1869 geweihten Priestern zu gestatten, die Dispensation von der staatlichen Prüfung nachzusuchen, auch sollten von jetzt an die neu geweihten Priester angewiesen werden, die vorgeschriebene Prüfung zu machen, doch solle den zwischen 1869 und 1875 Geweihten nur eine kurze summarische Prüfung abgenommen und damit auch die Befähig ung zur definitiven Anstellung ertheilt werden. Carlsruhe, 15. Januar. Das „Gesetz- und Verordnungs blatt" veröffentlicht den zwischen Baden und der Schweiz abge schlossenen Staats vertrag über die Verbindung der beider seitigen Eisenbahnen bei Schaffhausen und Stühlingen. Oesterreich. Wien, 16. Januar. Die allgemeine Aufmerksamkeit ist hier vorzüglich dem Meinungsaustausche zugewendet, welcher in den letzten Tagen zwischen der Regierung und dem ministeriell gesinnten Theile des Neichsrathes über den Stand der Verhandlungen mit Ungarn stattgefunden hat und noch stattsindet. Daß die cisleithanischen Mi nister über schwebende Verhandlungen, zumal da man sich in den Pesther Conferenzen gegenseitig Geheimhaltung versprochen hat, der Volksvertretung vorläufig Mittheilungen nicht machen würden, war vorauszusehen; hat ja doch auch das ungarische Ministerium dem Pesther Reichstage gegenüber vollständiges Stillschweigen eingehalten. Wohl aber haben sich in den Besprechungen, welche hier in den Clubs des Centrums, der Linken und der Fortschrittspartei statt- gefunden haben, Minister und Abgeordnete in der Ueberzeugung be gegnet, daß Cisleithanien zu Gunsten Ungarns größere Lasten, als ersterem der Ausgleich von 1867 auferlegt hat, nicht über-