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161 -«Zittau, 17. Januar. Nm auch hier für die apostolischen Gemeinden, welche Anfang der drrWtztr Jahre zuerst in England entstanden, Propaganda zu machen, werden fetzt öffentliche Vorträge von deren Reiseprediger in Liegnitz, Herrn G. Hochschild, hier ge halten, deren erster am 13. d. stattfand, gtedner suchte nachzuweisen daß die allgemeine Christenheit mit dem Aufblühen der Wissenschaf auch immer weiter von der wahren Gotteslehre sich entfernt habe, stellte der allgemeinen Bibelauslegung die Seinige gegenüber und hob da durch manchen scheinbaren Widerspruch in der Bibel auf. Alle An zeigen deuteten darauf hin, daß in der gegenwärtigen Zeit die Wissen schäft auf hoher Stufe angelangt, aber auch der Materialismus und der Abfall vom wahren Worte Gottes jetzt am Größten und, nach seiner Auslegung, der Zeitpunkt gekommen sei, wo des Herrn Wieder kunft nahe bevorstehe. Nach dem Vortrage stehen die apostolischen Gemeinden auf einem rein christlichen und kirchlichen Standpunkte, ihre Lehren finden in der Bibel ihren festen Grund, und ihr Bestreben scheint nur auf Belebung und Erneuerung wahrhaft christlichen Sinnes und christlicher Thatkraft gerichtet zu sein. Ihre Prediger lassen sich als die Schnitter, welche die Gläubigen sammeln, und die Gemeinden selbst als die bereits Gesammelten betrachten. Konnte mau dem Gehörten auch nicht vollständig beipflichten, so war doch immerhin manche Wahrheit nicht zu verkennen. Die Versammlung war sehr stark besucht und befinden sich hier bereits verschiedene An hänger dieser Religionsrichtung. Ein zweiter öffentlicher Vortrag soll am 20. d M. folgen. Dresden. Se. königliche Majestät haben dem Assessor beim Bezirksgericht Dresden, Johann Friedrich Ernst Feist, den Charakter eines Commissionsraths in der fünften Classe der Hofrangordnung beizulegen geruht. — Mit allerhöchster Genehmigung ist dem Ober lehrer an der Krcuzschule zu Dresden, I)r. Mil. Gustav William Abendroth, sowie dem Oberlehrer am Gymnasium zu Dresden- Neustadt, vr. Mil. Carl Heinrich Otto Kämmel, der Titel „Professor" verliehen worden. — 17. Januar. (Dr. N.) Heute starb nach langen Leiden der Geh. Justizrath vr. Siebdrat, der Jahre lang eine Zierde des sächsischen Staatsdienstes gewesen war. Er hatte sich durch die Ge diegenheit seines Wissens und die Universalität seiner Bildung ebenso wie durch seine Humanität die allgemeinste Achtung erworben. — Für die Festung Königstein ist ein höherer Offizier als Standes- beamter ernannt worden. Es ist hierbei der Fall einer vollständigen Cernirung derselben vorgesehen. — Gestern ist aus der hiesigen Münze ein Transport neuer Silber- und Nickelmünzen im Betrage von 200,000 nach Bayern abgegangen, um dem dort herrschen den Mangel an neuen Scheidemünzen abzuhelfen. Wünschenswerth wäre es, wenn auch in Sachsen bald eine große Quantität in Umlauf gesetzt würde. — In der Landesversammlung der sächsischen Social demokraten zu Chemnitz war, wie berichtet wird, der Antrag gestellt, eine Petition an den Landtag wegen Gewährung des allge meinen directen Wahlrechts bei den Landtags- und Gemeindewahlen zu richten. Allein trvtz lebhafter Befürwortung Bebels und anderer Redner wurde darüber zur Tagesordnung übergegangen. Bei Be sprechung des Wahlfonds ward mitgetheilt, der Vorstand der social demokratischen Partei zahle an jedem Ersten des Monats 600 Thlr. zu Agitationszwecken aus und mehr als die gleiche Summe im Laufe des Monats noch zu diesen und ähnlichen Zwecken. Berlin, 17. Januar. Die Majestäten wohnten gestern Vormittag mit den hier anwesenden Mitgliedern der königlichen Familie dem Gottesdienste bei, welcher zur Eröffnung des Landtags im Dome abgehalten wurde. Nach der Rückkehr in Palais nahm der Kaiser daselbst ein vom Grasen Harrach gemaltes Bild in Augenschein, welches den Chef des Generalstabes der Armee, General-Feldmarschall Grafen v. Moltke, darstellt, wie derselbe, umgeben von seinen Ad jutanten, vor Paris von seinem Observatorium aus die erste Be schießung der Stadt betrachtet. Um 1 Uhr hatte der Kaiser eine längere Conserenz mit dem Kultusminister vr. Falk und dem Prä sidenten des Evangelischen Ober-Kirchenrathes 0r. Herrmann. — Heute Nachmittags begab sich der Reichscanzler Fürst v. Bismarck zum Vortrage bei dem Kaiser ins k. Palais. — Wie die „Post" hört, verzichtete Prinz Reuß in Ueber- einstimmung mit den Wünschen der größherzoglich sächsischen Familie zunächst auf jede öffentliche Stellung im Staatsdienste und kam daher weder bei Besetzung des Botschafterpostens in Wien, noch bei der des Ober-Präsidiums von Hessen in Frage. — VR6 Der Reichscanzler hat beim BundeSrathe den Antrag gestellt, dem Berliner Comit6 für die Brüsseler internationale Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen eine Bei hilfe von 75,000 zu gewähren und diese in den Nachtragsetat für das Deutsche Reich aufzunehmen. — Die Reichs-Justiz-Com mission ist in ihrer heutigen Berathung von dem § 59 bis zum § 112 des Gerichtsverfassungs-Gesetzes gelangt. Der hervorragendste der heut gefaßten Beschlüsse war der, daß die Bestimmung über den Ort, an welchem das oberste Reichsgericht seinen Sitz haben wird, nicht durch den Kaiser, sondern durch ein besonderes Gesetz getroffen werden soll. — Dem am 19. d. Mts. zusammentretenden Reichstage wird Seitens des Reichscanzlers eine Denkschrift über die Strandung des Dampfers „Deutschland" vorgelegt werden. Sie befindet sich bereits unter der Presse. — Der „Deutschs Reicks-Anz." schreibt: Während das deutsche Eisenbahn-Betriebs-Reglement im 8 48 alle der Selbstentzündung oder Explosion unterworfenen Gegen stände im Privatverkehr ausschließt, läßt das — im klebrigen mit dem deutschen conforme — Betriebsreglement für die österreichisch-ungarischen Bahnen den Trans port von Schießpulver, Schießbaumwolle, Feuerwerkskörpern und Patentspreng pulver lDhnamit und dergl.) unter Beobachtung gewisser bestimmt fvrmulirter Bedingungen zu. Der Umstand, daß nach einer Mittheilung der österreichisch ungarischen Regierung aus diesem seit Jahren bestehenden Verfahren Nachtheile nicht hervorgegangen sind, während andererseits das in Deutschland bestehende Verbot wichtige gewerbliche Interessen, insbesondere den Bergbau — zumal wenn, wie im vorigen Winter, der Verkehr auf den Landstraßen durch Schneeverweh ungen gestört ist — ernstlich beschädigt, nöthigte zur Prüfung der Frage, ob und unter Anwendung welcher Sicherheitsmaßregeln jenes Verbot zu beschränken sein möchte: dies um so mehr, als genügender Grund zu der Besorgniß vorliegt, daß der Transport vielfach schon jetzt unter falscher Declaration erfolgt. Nach ein gehender Erörterung der Frage durch die technischen Behörden mehrerer Bundes taaten, und nachdem diese sich für die Beförderung von Schießpulver, nasser Schießbaumwolle und Dhnamit mit der Eisenbahn bei Beachtung gewisser Be dingungen ausgesprochen hatten, sind im Reichs-Eisenbahnamte die bezüg lichen Transportvorschriften entworfen und den im Besitze von Staatsbahnen befindlichen Bundesregierungen, sowie dem Verein der deutschen Privatbahnen und anderen technischen Behörden zur Prüfung mitgetheilt worden. Inzwischen hat der Reichscanzler aus Anlaß des kürzlich stattgehabten Unglücksfalls in Bremerhaven bei dem Bundesrathe die reichsgesetzliche Regelung des Ver kehrs mit Sprengmitteln in Antrag gebracht. Damit findet die specielle Verfolg ung der Angelegenheit für den Eisenbahnverkehr vorerst ihre Erledigung. — Zur 100jährigen Geburtstagsfeier der Königin Luise; 10. März 1876, beabsichtigt man hier eine Stiftung ins Leben zu rufen, die unter dem Namen „Luisenfonds" den Zweck verfolgen oll, begabten Kindern aus den Volksschulen bis zu ihrer Selbst- tändigkeit beizustehen, wobei jedes zweite Jahr die Kinder von Volks- und Elementar-Schullehrern, welche Mitglieder sind, bevorzugt werden. — Obwohl mit dem Abschlusse der Kriegs-Retablissements-Ar beiten die Thätigkeit in den Militairwerkstätten zu Spandau er- ,eblich nachgelassen hat, werden doch gegenwärtig dort noch 4690 Ar beiter beschäftigt. Davon arbeiten in der Artilleriewerkstatt 1800, in der Gewehrsabrik 1100, im Feuerwerks-Laboratorium 610, in der Ge schützgießerei 600, in der Munitions-Fabrik 210, im Artillerie-Depot 200, in der Pulverfabrik 160 und in der Gasanstalt 10 Arbeiter. — Die orthographische Commission hat ihre Arbeiten be endigt. Das Ergebniß der Berathungen soll zusammengefaßt und in einer Uebersicht der Oeffentlichkeit übergeben werden. Nach den An deutungen einiger Zeitungen scheint es fast, als werde eine erkleck liche Anzahl neuer und ungewohnter Wortbilder dabei herauskommen. Dann hätten wir zu dem neuen Maße und Gewichte und dem neuen Gelde auch noch eine neue Rechtschreibung, an die sich der Deutsche nunmehr gewöhnen müßte. Da es aber hoffentlich auf ZwangS- cinführung nicht abgesehen ist und die liberalen Zeitungen die Kate- gorieen der „Reichsfreundlichkeit" und „Reichsfeindlichkeit" hierbei ruch nicht füglich anbringen können, so wird zunächst wohl nur ein Anstoß zur eiugehenden Erörterung der Sache gegeben sein, und hiermit sind wir ganz einverstanden; denn namentlich daS Bedürfniß der Schule drängt zu irgend einem vorläufigen Abschlusse der durch Grimms bahnbrechende Forschungen entstandenen Bewegung und zu einer prüfenden Sichtung des Rechtschreibungsbrauches, die indeß nicht etwa nach einem mehr oder weniger abstrakten Schematismus erfolgen darf. — fZur orientalischen Frage.f Die „Kreuzzeitung" be- merkl: „Von einer über russische Verhältnisse unterrichteten Seit«