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Reichsbahn habe festgesteM, daß die Betriebssicherheit bei der Reichsbahn nach dem Gesamtergebnis der Untersuchun gen in einem Maße gewährleistet sei, wie es billigerweise bet einem öffentlichen Verkehrsunternehmen verlangt tverden könne. Zur Erneuerung des Oberbaues nach gleichen Grund sätzen wie vor dem Kriege müssen noch 7700 Kilometer des Gesamtrückstandes nachgeholt werden, die voraussichtlich im Laufe der nächsten sechs Jahre nach einem hierfür auf gestellten Programm erledigt werden. Aber auch die noch an älteren Oberbauformen vorhandenen Gleise und Weichen sind infolge des erhöhten Aufwandes für ihre Unterhaltung vollkommen betriebssicher. Die Durcheinanderstellung leichter und schwerer Wagen bei der Zugbildung soll nach Möglichkeit vermieden werden. Die Sicherungsanlagen werden fort laufend auf ihre einwandfreie Wirksamkeit untersucht wer de». Aeltere Stellwerksanlagen sollen beschleunigt beseitigt werden. 1928 ist hierfür ein Betrag von 10 Millionen Mark vorgesehen. Die Abstände der Vorsignale auf ein zelnen Schnellzugsstrecken sollen erhöht werden. Neben weiteren Maßnahmen kündigte der Minister auch die zur Entlastung des Münchener Hauptbahnhofs geforderte Herstel lung eines Abstellbahnhofs an. Er beschäftigte sich dann mit den Personalverhältnissen und schloß sich dem Lob des Arbeitsausschusses für das Reichsbahnpersonal rück haltlos an. Was die Dienstdauer des Personals anlange, weise er darauf hin, daß die Regelung der Arbeitszeit in der Vorkriegszeit für das Personal ungünstiger war als heute. Gegen früher 26 Ruhetage habe das Personal heute 52. Auch der Urlaub sei um 100 Prozent gestiegen. In einzelnen Fällen sei allerdings eine Entlastung not wendig. Hier werde mit Beschleunigung Abhilfe getroffen werden. Zusammenfassend stellte der Minister fest- daß di« zar Verbesserung der technischen Anlage«, der Be» Arlebsführnng »nd »er Personal Verhältnisse der Reichsbahn «mabweiSlich gebotene« Maßnahme« einen Aufwand an Geldmittel« erfordern, der sich n«ter Z«grn»deteg«ug eine» «G engste bemessene« Ainan-Programms ans jährlich durch schnittlich 4SS Millionen beläuft. Die Krage der «-» WbSsicherhett der Reichsbahn sei daher im wesentliche» eine Geldfrage. Abg. Scheffel (Sm.) weist darauf hin, daß der Unter suchungsausschuß von 14 000 Dienststellen nur etwa 100 be suchen konnte. Im übrigen seien sich alle Parteien einig, daß die Betriebssicherheit vor allem abhängig sei von den schweren Reparattonslasten. Abg. Dr. Quaatz (Dntl.) erklärt, daß von dem Ge bäude des DaweSplanes einer der wesentlichsten Konstruk- tionSteile bereits im Berste» sei. Ein« weitere Erhöhung der Tarife sei unmöglich. Redner ruft zum Schluß den Reichstag auf, darauf hinzuwirken, daß die Eisenbahn wieder zu einem Instrument der nationalen Wirtschaft werde. Mn« Entschließung des Verkehrs-Ausschusses fordert Maßnahmen zur Erhöhung der Betriebssicherheit und Ent lassung der Reichsbahn aus der Haftung für die Repara tionslasten. Weiterberatung Donnerstag. Deutsches Reich. — Berlin, den 21. Februar 1929. ° Nm Mecklenburgs Selbständigkeit. Am Dienstag erklärte in der Sitzung des Landtages für Mecklen burg-Schwerin der sozialdemokratische Finanzminister Asch gelegentlich seiner großen Rede zum Haushalts plan, daß die Staatsregierung sich für alle Verhand lungen im Reich bisher stets für die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit eingesetzt habe. Die bevorstehende Aenderung des Finanzausgleichsgesstzes und das zu er wartende neue VereinheitlichungZgesetz vermindern aber in beängstigender Weise die Einnahmen der Län der. Die Regierung werde bei der nächsten Gelegenheit bei ihren Verhandlungen im Reich feststellen, auf wel cher Grundlage ein Anschluß an ein anderes Land mög lich sei. Sollten die Bedingungen für den Anschluß günstig sein, so führte der Minister aus, so sei man töricht, sie nicht anzunehmen. — Allzu ernst scheinen die Anschlußabsichten vorläufig noch nicht zu sein. Denn am gleichen Tage hatte die Staatsregierung zu einem Vortrage eingeladen, der die Gründung einer Landesbank für Mecklenburg-Schwerin betraf. AMands-Rmdschau. Krisenluft auch i» London. Die englische Regierung entging am Dienstag nur mit knapper Not einer Niederlage im Unterhaus. Kolonialminister Amery hatte den Entschluß der Re iterung angekündigt, die Entschädigungszahlung an die irischen Loyalisten nur bis 20 000 Mark voll du ch- zuführen, darüber hinaus jedoch Beschränkungen ein treten zu lassen, da die Gesamtforderungen von zu nächst 8 Millionen auf 20 Millionen gestiegen seien. Auf konservativer Seite lösten beide Erklärungen einen Sturm aus. Nachdem jeder Zweifel geschwunden war, daß eine Abstimmung zur Niederlage der Regierung führen müßte, griff Baldwin ein und verhinderte eine entscheidende Niederlage durch den Antrag auf Ver tagung. Preußens Waffenschmied. Zum 50. Todestage Roons. Am 23. Februar jährt sich zum 50. Male der Lag, an dem der Reorganisator des preußischen Heeres Generalfeldmarschall Graf von Roon aus dem Leben schied. Roon war am 8. Februar 1879 von seinem Majorat Krobnitz, wo er im Ruhestand lebte, nach Berlin gereist, um dem Kaiser nach dem Attentat einen Besuch abzustatten. Er wurde sehr gnädig emp fangen, zog sich aber auf einer Wagenfahrt eine schwere Erkältung zu, die fein Ende herbeiführte. Kurz vor seinem Tode besuchte ihn der Kaiser noch persönlich. Beim Abschied sagte er, nach oben weisend: ,,Dort sehen wir uns wieder, und fügte hinzu: „Grüßen Sie mir die alten Kameraden! Sie finden viele!" Die Beisetzung Roons erfolgte am 27. Februar in der Familiengruft in Krobnitz, nachdem tagszuvor in der Berliner Garnisonkirche die Trauerfeier stattgefunden hatte. Der Name Roons ist für alle Zeiten verknüpft mit der großen Epoche preußisch-deutscher Geschichte, die nach drei siegreichen Feldzügen zur Errichtung des deutschen Kaiserreichs geführt hatte. Roon hat das Schwert geschmiedet, das nachher Moltke so sicher zu führen wußte, während Bismarck die militärischen Siege diplomatisch vorzubereiten und auszunutzen Vev» stand. Bald nach der Regierungsübernahme durch den damaligen Prinzen von Preußen war Roon, damals der jüngste Divisionskommandeur, zum Kriegsminister ernannt worden. Seine Aufgabe war es, die Miß stände, die sich in diesem Jahre während der drohen den Kriegsgefahr in der preußischen Armee gezeigt hatten, durch eine umfassende Reform zu beheben. In schwerem Kampfe mit dem Parlament hat er diese Aufgabe durchgeführt, nachdem inzwischen aus seine Veranlassung hin Bismarck zum Ministerpräsidenten berufen worden war. Ein Aoielat in Preußen? Kein Abschluß der zweite» Haushaltslesung vor Oster». Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags be riet am Mittwoch erneut über den Beratungsplan. Es wurde festgestellt, daß man die Absicht, bis zu den Osterferien die zweite Lesung des Haushalts zu be enden, nicht durchfahren kann. Unter diesen Nmstst»« den wird sich die Einbringung eines Notetats für die haushaltslose Zeit kaum vermeiden lassen. Von größeren Haushalten werden erst nach OswcN in zweiter Beratung erledigt werden die Etats des Staatsministeriums, des Finanzministeriums, der Unterrichtsverwaltnng und der Allgemeinen Finanz- Verwaltung. Am kommenden Freitag will das Haos die drei Steuergesetze (Gewerbe-, Grundvermögens- und Hauszinssteuer) in erster Beratung erledigen; diezwette und dritte Beratung sollen noch kurz vor den Oster ferien erfolgen. Am 5. März soll der Entwurf Lider das Flaggen öffentlich rechtlicher Körperschaften zur dritten Beratung kommen. Die Abhaltung von Abendsitzungen dürfte sich er übrigen, da die ursprüngliche Absicht, den Haushaät in zweiter Beratung bis Ostern zu erledigen, nicht durchgeführt werden kann. Sir Schwierigkeiten in Paris. DieTrausfer-Frage. Die Meldungen über die Pariser Sachverständige«, beratungen klingen recht pessimistisch. Nachdem sich Dr. Schacht und Sir Josua Stamp vergeblich bemüht hatten, den Stein der Weisen zu entdecken, hat sich ein fünfgliedriger Ausschuß in derselben Richtung be müht. In einigen Punkten soll eine Einigung erzielt worden sein, aber das Problem, aus nichts Gold zu machen, ist offenbar noch immer nicht gelöst. Verhältnismäßig optimistisch äußert sich der „New Bork Herald". Das Blatt glaubt, der fünfgliedrige Ausschuß werde Vorschlägen, daß die Transfer-Fraa« und die Frage des Wohlstandsindex' an Sonderaus schüsse überwiesen würden. Das deutsche Volk wo«e seinen Zahlungszustand ändern, sei gleichzeitig ab« abgeneigt, den Transferschutz aufzugeben, ohne ettse ausgleichende Sicherung zu erhalten. Die Transfer- klausel sei bisher niemals angerufen worden und werb« auch nach dem gegenwärtigen Plan kaum angeruke« werden, falls nicht unvorhergesehene Umstände e«- träten. Eine Unterbrechung der SchuldenzahlunAem würde auf die ungeheure deutsche Handelsschuld RSE- wirkungen haben und für den deutschen Kredit ei««, harten Schlag bedeuten. Am Trotzkis Asylrecht. Das Einreisegesuch eingetroffen. Ten zuständigen Stellen des Auswärtige» Amtes ist nunmehr der Antrag Trotzkis auf Genehmig»«« der Einreise nach Deutschland, und zwar in Form eine» Antrages auf Genehmigung, beim deutsche« Konsulat i» Pera zugegangen. Da es sich nach Ansicht der zu ständigen Stellen hierbei nicht um einen gewöhnlichen Antrag auf Einreisegenehmigung handelt, sondern in Wirklichkeit um einen Antrag auf Gewährung »es Asylrechtcs, ist der Antrag dem Reichskabinett zus^» leitet worden, das sich vorarrsskchttny vrrrns in von nächste» Tagen mit der Angelegenheit befassen wir». Mniemgenbogen und Sonnrnhof. Eine seltene Himmelserscheinung. In Berlin und Umgebung war am Dienstag ein seltenes Schauspiel am Himmel zu beobachten. Am Vormittag zeigte sich zunächst ein Winterregenbogen am Rande einer stärkeren Nebeldecke, hervorgerufe« durch die Strahlenbrechung auf den Schneekristallcn. In den Mittagsstunden machte sich ein Sonnenring mit mehreren sogenannten Nebensonnen bemerkbar, dt« schwach die Farben des Regenbogens erkennen ließe«. Auch diese Erscheinung war auf die Beugung des Lich tes an den feinen Eiskristallen der dünnen Nebelschicht, die vor der Sonne lag, zurückzufahren. Sehr kalt «nd heiter. Der Luftdruck über Mitteleuropa ist weiter ge stiegen. Das nordöstliche Hochdruckgebiet ist in wei terer Annäherung begriffen. Die damit zusammen- Ruth s Ehe Der Roma» eine» Fraue»schicksals. Bon A. Hruschka. tö. Fortsetzung Nachdruck verboten Herr von Kolkreut, dessen Monokel durchaus nicht parie ren wollte und von seinem Besitzer immer wieder vors Auge «drückt werden mußte, warf einen spöttischen Blick auf die Tanzenden, die ihnen bereitwilligst Platz machten, und ver suchte es dann mit geistreicher Konservation, ohne indessen damit bei seiner Tänzerin viel Gegenliebe zu finden. „Wird er noch kommen oder nicht?" dachte Irene, inner lich erregt und ohne auf das fade Geschwätz ihres Tänzers achten. »Haffen könnte ich ihn, wenn er wirklich nicht Plötzlich zuckte sie zusammen und blieb mitten im Tanz« stehen, die Augen starr nach einem der kleinen Fenster ge richtet. Draußen im Dämmerlicht des sinkenden Tages stand ein Mann, das Gesicht dicht an den Scheiben, und starrte sie aus dunkel glühenden Augen an. Malveidal War es möglich? Der Tolle, Freche —! Sie wurde rot und bleich vor Zorn. Nicht über seine Liebe, son dern über diese wahnsinnige Unbesonnenheit. »Entsetzliche Atmosphäre — bin auch schon ganz schwind lig," sagte Kolkreut, sich mit dem seidenen Taschentuch über die Stirn fahrend. »Befehlen Gräfin, daß wir in das an dere Zimmer zurückkehren?" »Nein — ja —" murmelte Irene, noch ganz benommen von ihrer Entdeckung. Was fiel dem Menschen nur ein, hier plötzlich aufzutauchen? Bedachte er denn gar nicht, daß er sie dadurch bloßstellte? Wenn ihr Mann ihn bemerkte, dann er wachte sein seit der Abreise von Paris so geschickt eingeschlä ferte Argwohn wieder im vollen Umfange, und sie war als dann keinen Augenblick vor seinen Spionen sicher. Zum zweitenmale zuckte Gräfin Wildenmark zusammen: ein Knabe, der sich geschickt durch die Menge gewunden, drückte plötzlich verstohlen in ihre schlaff herabhängende Linke einen Zettel und war im nächsten Augenblick wieder ver schwunden. Irene stand starr vor Wut und Ueberraschung. Sie zwei felte keinen Augenblick, daß ihr Malveida da irgend eine Botschaft gesandt hatte. Was tun? Sie einfach fallen lassen? Dann konnte jeder beliebige Mensch sie aufheben und lesen. Wer weiß, was dieser Verrückte ihr geschrieben! Nein. Sie wollte den Zettel lesen und dann — o dann sie knirschte innerlich vor Wut — dann wollte sie diesem Menschen derartig dienen, daß er es im Leben nicht wieder wagen sollte, sich ihr ungerufen in den Weg zu stellen. „Bitte, lieber Herr von Kolkreut, holen Sie doch meinen Pelz aus dem Nebenzimmer, ja?" sagte sie bestrickend liebens würdig. „Wir wollen ein wenig vors Haus hinausgehen — ich ertrage diese stickige Luft hier im Saal nicht länger." Während Kolkreut davontänzelte, um ihrem Befehl nach zukommen, trat Irene abseits, entfaltete geschickt ihr Taschen tuch, wie um sich Kühlung zuzufächeln, und las dabei: „Ich muß Sie unbedingt sprechen. Seit zwei Wochen hier, warte ich insgeheim auf den Moment, der mir dies ermöglicht. Hinter dem Hause befindet sich eine alte Kegel bahn — dort warte ich auf Sie! Ich bin wahnsinnig vor Sehnsucht, wahnsinnig vor Liebe! Wenn Sie nicht kommen, begehe ich irgend etwas Verrücktes — und müßte ich mir ein Wiedersehen mit Gewalt erzwingen. M." Irene lächelte, als sie den Zettel verstohlen in ihren Hand schuh schob. Aber es war ein böses Lächeln. Als Kolkreut zurückkam, ließ sie sich von ihm den Pelz umhängen und schritt an seinem Arm hinaus. Im Flur stand sie plötzlich Bernd gegenüber. Er ver neigte sich vor ihr steif und befangen mit einem fragenden Blick auf Herrn von Kolkreut, den er nicht kannte. In liebenswürdigster Weise erwiderte Irene seine Begrüßung und stellte die Herren einander vor. Innerlich aber verging sie vor Enttäuschung, denn mit unfehlbarem weiblichem In stinkt fühlte sie sofort: Er ist verändert. Sein Blick ist nicht mehr frei. Er ist mehr bestürzt als freudig bewegt bei mei nem Anblick. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich eingehender mit der Frage zu beschäftigen, welche Ursache dieser Veränderung zugrunde lag. Die Hauptsache war schließlich, daß er allein erschienen und Ruth nicht mitgekommen war. Ihr Fernblei ben aber konnte nur bedeuten, daß sie überhaupt nicht mehr in Betracht kam. Er hatte also bereits mit ihr gesprochen. Die Würfel waren gefallen. „Heinz wird sich freuen, Sie endlich mal wiederzusehen, Baron," sagte sie liebenswürdig. „Begrüßen Sie ihn einst weilen! Er sitzt wie ein Patriarch inmitten dieser braven Leute, die so andauernd schwatzen und mit dem Messer essen, und langweilt sich sicher zum Sterben. Ich selbst will nur einen Atemzug frische Luft schöpfen, denn da drinnen ist es fürch terlich!" Bernd verbeugte sich stumm und setzte seinen Weg fort, verwundert über sich selbst. Wie seltsam fremd sie ihm heute erschien. Nein, ihr An- blick überwältigte ihn nicht länger und am wenigsten rief er ihn zurück aus dem qualvollen Traumland, in das er sich ver irrt hatte — er ließ ihn nicht vergessen, wie er gehofft — der alte Zauber war unwiederbringlich dahin. Inzwischen war Irene mit ihrem Begleiter lachend und plaudernd bis in den Obstgarten gekommen und trippelte dicht vor der alten Kegelbahn vergnügt im Schnee herum. Wenigstens schien es Kolkreut so, daß sie sehr vergnügt sei. An der Wahrnehmung ihrer heimlichen, beunruhigt durch den Garten schweifenden Blicke behinderte ihn sein ewig herunterrutschendes Monokel. Die Kegelbahn war aus dünnen, längst verwitterten Holz" brettern errichtet worden; befand sich jemand darin, so mußte dieser jedes Wort, das die Beiden außerhalb sprachen, deut lich verstehen können. Auch bemerkte Irene klaffende Nisse zwischen den schlcchtgefügten Brettern, durch die man bequem ins Freie sehen konnte. (Fortsetzung folgt.)