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flderrö-ftusgLoe 112. ^ahrgmlg ^mdels-ArLtun- strnlsblQtt Les Nate» urrL Les pixUTeicuntes Lee StcvLL LeLpAlg - — , , > —.—v . . / „ !.. ...-„' ...» , > - - 92^-405 Hauptschriftleiter: Dr. Everth, Leipzig Sonnabend, dkN 10. August Verlag: Dr. Reinhold L To., Leipzig 1818 Italienische Angriffe in Venetien » - Der deutsche Heeresbericht Amtlich. Gröhes Hauptquartier, 10. August 1918. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Rege Tätigkeit des Feindes zwischen V f e r und Ancre. An vielen Stellen dieser Front führte der Feind Vorstöße und Teilangriffe ans, die vor unseren Linien im Nahkampf obgewiesen wurden. Engländer und Franzosen setzten gestern unter Einsatz starker Reserven ihre Angriffe auf der ganzen Schlachtfront zwischen Ancre und Avre fort. Beiderseits der Somme und rittlings der Strah« Foucaucourt—Villers- Bretonneux warfen wir den Feind durch Gegenstöße zurück. Er erlitt hier schwere Verluste. In der Mitte der Schlachtfront gewann der Feind über Rozidres und Hangest Boden. Unsere Gegenangriffe brachten ihn west lich von Lihons und östlich der Linke Rozidres — Arvi Ilers zum Stehen. Während der Nacht nahmen wir die an -er Avre und am Dom-Bach kämpfenden Truppen in rückwärtige Linien östlich von Montdidier zurück. Südöstlich von Mont- didier schlugen wir einen starken Teilangriff der Franzosen in unseren Linie« ab. Ueber dem Schlachtfelde schossen wir 32 feindliche Flug zeuge ab. Leutnant Löwenhardt errang seinen S2. und 53., Leutnant Udet seinen 46., 47. und 48., Hauptmann Berthold seinen 41. und 42., Leutnant Freiherr von Richthoseu seinen 36. und 37., Leutnant Billik seinen 30. und 31„ Leutnant Bolle seinen 29., Leutnant Koenneke seinen 26., 27. und 28. und Leutnant Neumann seinen 20. Luftsieg. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Zeitweilig auflebender Feuerkamps an der Aisne und Vesle. Der Erste Generalquartiermelster. Ludendorff. (W. T. B.) OesLerr.-ungar. Heeresbericht Wien, 10. August. — Amtlich wird gemeldet!: Italienischer Kriegsschauplatz An der venezianischen Gebirgsfront kam es gestern wieder zu größeren Infanteriekämpfen. Zwischen Lanope und Afiago gingen in den frühesten Morgenstunden En tentekruppen nach einem gewaltigen Feuerschlag in dichten Wellen zum Angriff über. Die feindlichen Skurmkolonnen wurden überall unter schweren Verlusten geworfen. Wo es ihnen vorübergehend gelang, in unseren Linien Fuß zu fassen, trieben wir ste im Gegenstoß zurück. . Ebenso scheiterten alle Versuche des Feindes, sich im A so tone-Gebiet auszubreiten, an dem tapferen Widerstand unserer Truppen. An den anderen Frontteilen Arkillerie- und Pakrouillengeplänkel. Albanien Keine besonderen Ereignisse. Der Chef des Generalstabes. 22000 Tonnen im Mittelmeer versenkt Berlin, 9. August. (Amtlich.) Im Sperrgebiet des Mittelmeers versenkten unsere U-Boote aus stark gesicherten Ge leitzügen sechs Dampfer von zusammen rund 22 000 Br.-Reg.-To., darunter den französischen Truppentransporter .Djemnah" 13716 Br.-Reg.-To.), auf dem sich nach Gefangenenaussage 21 Passagiere und 800 Soldaten befanden. Der Dampfer «sank innerhalb 5 Minuten. Der Chef des Admlralstabes der Marine. (W T.-B.) Die italienischen Slugzettel über Wien «Nb. Wien, 9. August. (Drahtbericht.) Wie schon gemeldet, erschienen vormittag 9.20 sechs italienische Flugzeueg über Wien und warfen in mehreren Bezirken Tausende von Flugzetteln ab. Der Text eines dieser Aufrufe lautete: Wiener! Lernt die Italiener kennen! Wenn wir wollten, wir könnten ganze Tonnen Bomben auf Ture Stadt hinabwerfen, ober wir senden Euch nur einen Gruß der Trikolore, der Trikolore der Freiheit. Wir Italiener führen Krieg nicht mit Bürgern, Kindern, Greisen und Frauen, wir führen Krieg mit Eurer Regierung, dem Feinde der natio nalen Freiheit, mit Eurer blinden, starrköpfigen, grausamen Regierung, die Euch weder Brot noch Frieden zu geben vermag und Euch nur mit Haß und trügerischen Hoffnungen füttert. Wiener! Man sagt von Euch, daß Ihr intelligent seid. Jedoch, seit dem Ihr die preußische Uni form angezogen habt, seid ihr auf das Niveau des Berliner Grobians herabgesunken. Die ganze Welt Hal sich gegen Euch gewandt. Wollt Ihr den Krieg fortführen? Tut es, wenn Ihr Selbstmord begehen wollt! Was hofft Ihr? Den Entschcidungssieg, den Euch die preu ßischen Generale versprochen haben? Ihr Enlscheldungsfieg ist wie das Brot aus der Ukraine, man erwartet es und stirbt, bevor es ankommt. Bürger Wiens! Bedenkt, was Euch erwartet, erwacht! Hoch lebe die Freiheit, hoch lebe Italien, hoch lebe die Entente! — Wien, 10. August. (Drahtbericht unseres Wiener Mit arbeiters.) Die gestrigen Wiener Abendblätter melden über den Besuch der feindlichen Flieger folgendes: DaS Erscheinen der un erwarteten Gäste erregte überall das größte Aufsehen. In den Straßen bildeten sich große Ansammlungen von Menschen, dis den Vorgang erregt besprachen. Die von den Fliegern abgeworfenen Flugzettel wurden von den Passanten aufgehoben und unter großer Spannung gelesen. Die Beklemmung über doS Erscheinen der feindlichen Flieger wich aber bald, als man sah, daß kein Angriff auf die Stadt erfolgte und offenbar auch nicht geplant war« Nach kurzem Aufenthalt über dem Zentrum der Stadt entfernten sich die Flieger in südlicher Richtung. Wien, 10. August. (Drahtberlchkunseres Wiener Mit arbeiters.) Ueber den Weg, den die italienischen Flugzeuge ge nommen haben, wird bekannt, daß die erste Meldung über den Anflug eines FlugzeuggeschwaderS nach Norden von Sk. Veit in Kärnten ge- kommen ist. Daraus ist ersichtlich, daß die Flieger der Front aus gewichen und über die Adria und den Karst geflogen sind. Der Aus- qangshafen scheint der Raum von Venedig gewesen zu sein. Bet der Rückreise wurde ein Geschwader von sieben Fliegern über Lai bach gesichtet, woraus geschloffen werden kann, daß über Wien acht Flieger erschienen waren. Amtlich wird die Aufforderung an die Be völkerung gerichtet, hiervon den italienischen Fliegern abgeworfenen Flugzettel, welche eiMWAochverräterischen Inhalt haben, den Behörden abzuliefern. Eine wkWe Verbreitung, sa sogar nur der bloß, Besitz solcher Zettel, wäre unter Umständen strafbar. Lin Aufruf der Italiener ist in italienischer Sprache abgefaßt und droht damit, daß ganze Geschwader der Entente bereitsteh«», um die österreichischen Landeshauptstädte zu bombardieren, wenn Oesterreich sich nicht sofort zum Frieden entschließen würde. — Die feindlichen-Flieger überflogen die Stadt in einer Höhe von 700 bis WO Meter. Als die Flieger sich de - inneren Stadt genähert hatten, liehen sie den ersten Stoß von Flugzetteln fallen. Das Signal zum Ab werfen gab offenbar der an der Spitze des Geschwaders fliegende Apparat. In den Etraßrn begann eine wilde Jagd nach den abgeworfenen Flugzelteln, die mit großem Interesse gelesen, aber sofort von der Polizei beschlagnahmt wurden, so weit sie eben ihrer noch habhaft werden konnte. Es ist anzunehmcn, daß die Flieger mindestens einen Weg von iOO Kilometer bis nach Wien zurückgelegt haben. Die Aeroplane waren leichte Jagdflugzeuge welche sich mit Liner Geschwindigkeit von 150 bis M Kilometer dewe-t-u. Die Litauer Königswahl Eine Erklärung der litauischen Vertretung in Berlin. Berlin, 9. August. In Anbetracht dessen, daß die Presse über die neulich voll zogene Königswahl in Litauen viel Unrichtiges verbreitet hat, u. a., daß der Herzog von Urach von irgendeinem improvisierten .Staatsrat", oder nur von einem Teil der Taryba, oder nach der Ausschließung einiger Mitglieder derselben gewählt worden sei, sieht sich die Vertretung des litauischen Staatsrats in Berlin genötigt, folgendes zu erklären: .Die Wahl hat am 11. Juli in Wilna in der Plenarsitzung der Taryba unter Teilnahme aller Mitglieder stattgefunden. Das Präsidium (Präsident Dr. Smetona) und zwei Vizepräsidenten (Dr. Schulys und Staugaitis) hat an jenem Tage die Frage der Form des von Deutschland als frei und unabhängig anerkannten Staates Litauen und des Staatsoberhauptes auf die Tagesord nung gesetzt, wobei die absoiute Mehrheit entscheiden sollte. Nach längeren Debatten stimmte die überwiegende Mehrheit für eine konstitutionelle, erbliche Monarchie. Hierauf wurde vom Präsidenten der Herzog von Urach als Kandidat für den litauischen Thron aufgestellt. Von den 20 Mit gliedern der Taryba stimmten 13 für diesen Kandidaten, drei haben sich der Stimme enthalten und die vier sozialistischen Ver treter haben den Sitzungssaal verlassen. Da die Wilnaer Kon ferenz vom September 1917, auf der 220 aus allen Schichten der Bevölkerung Litauens aus Wahlen hervorgegangene Vertreter des litauischen Volkes anwesend waren, die von ihr seinerzeit erwählte und aus 20 Mitgliedern bestehende Taryba ermächtigt hat, noch bis sechs Mitglieder zu kooptieren, so wurde nach der Königswahl und unabhängig von ihr diese Kooption vollzogen." Lloyd George verteidigt sich Haag, 10. August. (Eigener Drahtbericht.) Aus London wird dem Holl. Nieuws Bureau gemeldet: Anläßlich seiner Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Nesth in Wales sprach Lloyd George über die Kriegslage. Er führte u. a. aus: .Ich vergegenwärtige mir, was es für die Welt be deutet, ob wir siegen oder verlieren, oder ob wir weder siegen noch verlieren. Das letztere wäre an sich schon ein Unglück. Man hat den Vorwurf gegen mich erhoben, daß meine Kriegs betrachtungen zu optimistisch gewesen seien. Ich glaube aber nicht, daß ich jemals die Lage zu rosig angesehen habe, denn ich kannte die Gesinnungen des Landes und die Leistungsfähigkeit dieses Volkes. Ich hege unbegrenzte Bewunderung für Frank reich. Ich weih, daß wir für Recht und Gerechtigkeit Kämpfen; deshalb wird Gott uns helfen. Ich weiß auch, daß der Gegner ein Volk ist, daß an den Krieg dachte, vom Krieg redete und vom Kriege träumte. Das ganze deutsche Volk von 70 Mil lionen war auf den Krieg vorbereitet. Sein Nachbarvolk von 52 Millionen wurde ebenfalls mit in den Krieg hineingezogen. Der Gedanke, daß der Krieg in wenigen Monaten beendet und die Deutschen in dieser Zeit besiegt werden könnten, ist mir selbst redend nie gekommen." Aushebung des Jahrgangs 1920 in Italien Zürich, 10. August. (Eig. D r a htb er i cd t.) Die italienischen Konsulate erlassen an öie Angehörigen des italienischen Jahr ganges 1920 Musterungsbefehle. Deamtenbesoldung unk Bevölkerungspolitik Von Karl Hildebrand. Vor kurzem ist dem bayerischen Landtage das neue Be amtenversicherungsgesetz zugegangcn. Es löst in sehr glücklicher Weise den Widerstreit, ob die Unterstützung kinderreicher Familien, deren Notwendigkeit jedermann zugibt, bei den Be amten Ausdruck finden soll innerhalb des Besoldungssystems und in unmittelbarer Verbindung mit dem Berufsleben oder neben hergehend, außerhalb aller Gehalisfragen. Me Vorlage ent scheidet sich dafür, Beamtenbesoldung und Bevölkerungsp-Utik zu trennen und fügt die Kinderzulagevcrsichernng ein in dck ge waltige Gebiet der deutschen Sozialversicherung. Sie lehnt es ausdrücklich ab, .daß bei dem Ausmaße der Besoldungen in Form von Familien- oder Erziehungszulage etwa auf den Familienstan des einzelnen Beamten Rücksicht genommen wird". ES wäre unverantwortlich vom Staate, einen anderen Standpunkt einzu nehmen. Zunächst einiges über das Gesetz selbst. Es umfaßt alle etat mäßigen Beamten sämtlicher Zweige der Zivilstaatsverwaltung, vom Minister bis herab zum letzten Staatsangestellten. Die Bei träge zur Kinderzulageversicherung betragen: bei Ledigen 4 Pro zent, bei kinderlos Verheirateten 2 Prozent, bei den übrigen Versicherten 0,5 Prozent des Gehalts. Die Zulage wird für das erste Kind mit 50 Prozent, für das erste und zweite Kind mit 75 Prozent und beim dritten Kinde mit dem Betrage der vollen Kinderzulage bezahlt. Die Zulage wird bis zum vollendeten 24. Lebensjahre des Kindes gewährt. Sie beträgt jährlich je nach der GehaltSklasse des Vaters, dem Lebensalter, Schulbesuch und Bildungsgang des Kindes 90 bis 300 Mark. Der jährliche Staats zuschuß zu dieser Versicherung wird auf rund 13 Millionen Mark veranschlagt. Die Beamtenschaft selbst hat von jeher eine Verquickung von Besoldungs- und Beoölkerungspolitik abgelehnt und sich entschie den verwahrt, daß künftig die Lust und Kraft zur Fortpflanzung zum ausschlaggebenden Faktor für Gehaltsaufbesserungen gesetzt werde. Der .Sächsische Staatsbcamtenbund", die «Sächsische Gc- meindebeamtenzeitungder Verband mittlerer Reichspost- und Telegraphon-Beamten haben sich in diesem Sinne unzweideutig ausgesprochen. Es wäre in der Tat bedauerlich vom Staate, ein so ungeeig netes Mittel in Erwägung ziehen zu wollen. Ungeeignet, weil der Staat seinem Ende zustcuert, der nicht die sittlichen Kräfte des Familienlebens mit dem Zauber der Ehrwürdigkeit und eines tiefgründigen Gemlltswertes umgiebt. Eine richtige Be völkern n gsp o l i t i k kann nicht lediglich vom qantitativen Gesichtspunkte ausgehen. Die Ethik verlangt unweigerlich einen durch veredelnde Motive geläuterten Geschlechtstrieb. Eine noch so praktisch denkende Bevölkerungs politik hat die Schranke zu beachten, die die ethische Kultur auf richtet, um die Fortpflanzung vom rein Triebhaften fernzuhalten. Ein tiefes sittliches Moment schwingt in diesen Fragen mit. Die Ethik der menschlichen Gemeinschaft verlangt außerdem Gerechtigkeit in der Entlohnung, die Vorbildung, Leistung, Ver antwortung, Berufsschwierigkeitcn weise abwägt. Die Aufgabe, die der Staat durch seine Beamten lösen läßt, müssen selbst die Triebkräfte in Bewegung setzen, wenn sie dem Ganzen dienen wollen. Den Antrieb von fremden Gebieten erst abzuleiten, ist unmöglich. Das ganze Problem überhaupt vom reinen Staaksgedanken aus lösen zu wollen, gibt von vornherein eine falsche Richtung. Kinder ver langen Opfer der Eltern. Daß aber das Einkommen des Be amten so sei, daß eine auskömmliche, ja bequeme Lebensführung in der jedem Beamten zukommende sozialen Schicht möglich ist, ist ohne jede Rücksicht auf Beoölkerungspolitik eine verdammte Pflicht des Staates. Die Regelung der Beamtenbesoldung Hot nur nach Gesichtspunkten zu erfolgen, die mit den Dienstverhält nissen und nur mit diesen in ursäcylichcm Zusammenhangs stehen. Bevölkerungspolitische Ziele und Gedanken sind nebenher zu erledigen und können nur Sache einer Gemeinschaft werden. Dazu aber gibt die bayerische Verwaltung einen gangbaren Weg. Mit der Entlohnung dürfen sie nie etwas zu tun haben. Anhangsweise möge gesagt sein, daß bei all dem furchtbaren Hinwegraffcn der Blüte der Männerwelt, der Väter der kommen den Generation, ein Gedanke beruhigt angesichts des verdürsterten Zukunftsbildes, der Gedanke, daß die jungen Männer aus dem ' Felde den verstärkten Willen zum Leben Heimbringen, weil in ihnen — wie Schopenhauer sagen würde — der Genius der Gattung erwacht ist. Wir batten vor d5r Rationierung der Lebensmittel allerdings eine Rationierung des Sexuallebens, des Zweikinder-, ja Einkindersystem. (Das Tröstende ist, daß nicht Jammer und Elend, nicht Krankheit und Mißwachs die Schuld trugen, sondern gerade das Gegenteil: Reichtum, Wohlleben, Luxus. Deshalb ist es auch sehr fraglich, ob die Ziele der Bcvölke- rungspolitik allein und allzusehr mit finanziellen Leistungen er reicht werden können.) Schopenhauer berichtet aus einer Chronik der Seuchen: Als im 14. Jahrhundert der schwarze Tod die alte Welt größtenteils entvölkert hatte, trat eine ganz ungewöhnliche Fruchtbarkeit unter dem Menschengeschlechte ein. Und aus einem anderen Buche führt er an, daß die Zahl der Zeugungen mit der Sterblichkeit stets gleichen Schritt halte, „welches durch aus gehäufte Belege aus vielen Ländern ganz außer Zweifel sei". — DaS soll die Beoölkerungspolitik nicht im geringsten beirren. Nur möge sie fick von onaeeioneten Mitteln terndalten.