Volltext Seite (XML)
Beiblatt zum A-orfer Grenzboten Druck und Verlas von Otto Meyer un- Söhne, A-orf tVovtl l Mv. »26 Evnimbend/Montag (Pfingsten), öen A. Mai/L Nini Ml Mr. 2aH-s. Geist oer Gemeinschaft Zum Kriegspfingstcn. In der alten, bekannten Psingstgeschichte wird berichtet, daß der Geist über die Jünger kam, als sie einmütig bei einander waren. Da erfüllte sie alle ohne Unterschied der Geist von oben mit seinen Gaben und befähigte sie zu Taten, zu denen sie sonst nie fähig gewesen wären. Aus ihrer Gemein schaft erwuchs ihnen zugleich die Geisteskraft. Das ist bedeutsam auch für uns heute. So sehr uns auch die Herrlichkeit der Natur zu Pfingsten in ihrer vollen Früh- lingsblüte erfreut und erhebt, wenn Wald und Wiese, Feld und Heide, Busch und Strauch ihr großes Fest feiern und die große Sinfonie der Freude und des Lebens durch die ganze Natur geht, so sehr uns das alles auch anrührt und mit hineinzieht in den großen Strom der Freude, mehr noch berührt uns heute sene Wunderwirkung des Pfingstgeistes, die er damals wie heute vollbracht hat: er ist ein Geist der Ge- meinschast! Wirkliche Gemeinschaft, das ist etwas, was sich Menschen und Völker wohl alle ersehnen und erhoffen, sich selber aber doch nicht immer geben können. Denn sie ist letztlich ein Ge schenk von oben her, eine fundamental geistige Sache, die immer nur wenige zuerst ergreift und eriüllt, die sie dann anderen milteilen und weitergeben als das Köstlichste, was sie zu geben haben. So wie sie einst wie et» Wunder vom Himmel zu den wartenden und sehnenden Menschen kam und sie zu einer noch nie gewesenen Gemeinschaft äußerlich und innerlich zusammengeschlossen hat. Wir Deutsche haben sie uns immer Heitz ersehnt. Ein so echt deutscher Mann wie Ernst Moritz Arndt wutzte seinen« Volke nichts dringlicher zuzurusen als die Mahnung: „Darum sollt ihr in Einmütigkeit erkennen, daß ihr einen Gott habt, den alten, treuen Gott, und daß ihr ein Vaterland habt, datz alte, treue Deutschland. Ihr sollt die alte Treue und Liebe wieder zusammenbinden und die einträchtige Freundschaft zu- sammcnbinden und brüderlich beschwören. Denn durch der Herzen Zwietracht ist einst das Unheil gekommen. So bitte Gott, datz er dir gebe einen stillen, freundlichen und feste» Geist, einen Geist des Friedens und der Liebe!" Wir dürfen es in diesem uns aufgezwungenen Kriege dankbar bekennen: ein wundervoll großer und starker Geist hat unser Volk in seiner Gesamtheit ergriffen und geeint zu einer einzigen, unvergleichlichen Gemeinschaft in Freude und Leid, in Not und Tod. In dieser Zeit ist es vielleicht zum ersten Male, daß das ganze Volk ven Geist des Opfers nnd des letzten Einsatzes, der Einmütigkeit und Brüderlichkeit und damit der tiefsten innerliche» Schicksalsverbundenheil in sich anfgenommen und zur Tat gemacht Hai. Und wenn es noch etwas darüber hinaus gibt, dann ist es das, daß dieser Geist auch beständig geblieben ist bis aus den heutigen Tag. Keine Versuche und Ränke der Feinde haben es vermocht, die ver schworene Gemeinschaft des deutschen Volkes nnd derer, die gleichgesinnt sind, wieder auseinander zu reißen. In, Gegen teil, das Brause» dieses Geistes wahrer innerer Gemeinschaft geht durch eine alt gewordene Welt, sie zu erneuern zu einer neuen, wirklichen Gemeinschaft des Geistes und der Geister, bis auch sie einmal wieder einmütig beieinander sein werden in gleichem Geist, ein Volk im Blut, ein Volk in Gott geeint, siegreich in« Kampfe mit dem bösen Feind! Solch echter Pfingstgeist möge »ns und unserem ganzen Volk auch diesmal wieder beschicken sein. Nicht schwächer, nein noch entschlossener und härter, noch stärker und fester, noch nrehr bereit, die so schwer errungene Einigkeit und Ein heit zu bewahren und zu halten und auch durch die letzte Probe und Bewährung hindurch zu tragen bis zum siegreichen Ende. Dann wird uns nichts mehr diese Gemeinschaft stören oder zerreißen können, dann wird sie allen Gewalten zum Trotz sich erhalten. Nur daraus kommt cs noch an, datz wir alle treu stehen in dieser Gemeinschaft, alles andere wird der Gottesgeist ausrichten, wie der Dichter sagt: „Und wenn die schöne Erd' zerbricht, / hell lachet Gottes Angesicht / den« Fähnlein, dcni getreuen, / Und wenn die Sonn' am Himmel stirbt, / der Herrgott sür uns kämpft und wirbt, / uns blüht ein holder Maien!" M. „Virke, Dirke, Maienbaum.. Vom Maibaum und Maiscgen. — Deutsche Bräuche zum Pfingstfest nnd ihr Ursprung. drühlingsseier, Maifeier, unausbleiblicher Sieg des Lich tes über das Dunkel! „Die Welt wird schöner mit jedem Tag, inan Weitz nicht, was noch werden mag, das Blühen will nicht enden." — Der Juni bringt nns das Pfingstfest mit seinen schönen, alten Bräuchen, die seit undenklichen Zeiten in unserem Volke wurzeln. Birkenzweige verkörpern von jeher den Psingstschmuck. Die »leisten von nns verbinden beide Begriffe miteinander, nicht alle kennen die tiefere Bedeutung. Die Birke war von alters her nicht nur der typische Maienbaum, sonderm auch der Lebensbaum, dein segenspendende Kraft beigelegl wurde. Aus diesem Grunde schmückt man in vielen Gegenden Deutschlands die Häuser zu Pfingsten mit Birkenzweigen, sogar ganze Bäume werden von Burschen ihren Mädchen vor das Kammer fenster gepflanzt. Und die nicht Tugendhaften werden bestraft, dürres Reisig, ein Dornbusch wird ihnen vors Haus gesetzt, Sägespäne und Häckerling gestreut. Löns besingt diese Sitte in seinem Maitanzlied: „Birke, Birke, Maienbaum, meine Liebe war ein Traum, denn es hat mir Schlechtigkeit Häcker ling vors Haus gestreut." Aber nicht nur der Mensch, auch Haus, Hof, Äcker und Vieh müssen teilhaben an de» Segnungen des Pfingstbaumes. Darum werden die Maienzweige nicht nur vor Tür und Tor gestellt, sondern auf den Düngerhaufen, vor den Stall, sogar vor jedes einzelne Rind nnd Pferd. Bis in die neueste Zeit hat sich auch in manchen Gegenden der Wettaustrieb der Herden am Pfingstsonntag erhalten. Es kommt dabei daraus an, als Erster auf der Weide zu sein, und dem dies gelingt, dessen Herde wird das ganze Jahr vor Schaden und Unbill behütet. Der Sieger heißt „Dauslepper" (das bedeutet Tauabschlepperj. Birkenzweige schmücke» ih», der Zweite ist der „Mückenjägcr", ihn peinigen schon die Mücken, die der Erste aufgestöbert hat. der Letzte ist der „Pfingst hammel", er wird mit bunten Bändern behangen nnd mutz sich den ganzen Tag hänsel» lassen. In Westfalen und in der Lüneburger Heide werde» au« Pfi»gstsonntag auch für die Mädel ein Wettlausc», Hahnen schlagen und Wettringfahren veranstaltet Allen diesen WeU- kämpsen, die sich aus alten Volksbräuchen herausbildete», liegt letzte» Endes dasselbe zugrunde, der Auslcsegedaulc, die Er- Weisung der Tüchtigkeit, wofür dann Ansehen nnd Begchnsein als Preis warten. Nm den Maicnbaum inmitten der Festwiese werde» dann die schönen Volkstänze getanzt, die lustigen Zaypcl- nnd Rüpcltänze, die vielen verschiedenartigen Reigen nnd vor.allein der wunderschöne Bändertanz. Hierbei schlingen die einzelnen Tänzer und Tänzerinnen bunte Bänder nm den Birkciisiamin, so datz eine Art Gewebe entsteht. Ein schönes, symbolisches Bild, die Verbindung vieler zum Ganzen unter dem Zeichen des Lebensbaumes! Am Abend vor dem Fest sanden die Heischgänge (d. h. Bittgänge) der Kinder statt, die von Haus zu Haus nm eine Beisteuer baten, sei es zum gemeinsame» Kuchenbacken, zum Ausschmücken des Festplatzes und der gleichen. Aber auch zu Hause in den eigenen vier Wänden mutz man den Pfingsttagen eine frühlingsmätzige und festliche Note geben. Nutzer dem Birkengrün ist noch die Pfingstrose die aus- crwählte Blume des Pfingstfestes. In vorchristlichen Zeiten war sie der Göttin Freya, der Beschützerin von Liebe und Ehe, geweiht. Durch diesen Zusammenhang wurde auch der Pfingstrose eine besondere Bedeutung beigelegt. Eine ganz eigenartige Ausschmückung einer festlichen Pfingsttafel sah ich einmal in einem etwas abseits liegenden hessischen Gutshaus. In einer Töpservase waren blühende Schlehdornzweige male- risch geordnet, die außerdem noch einige rote Wachskerzen trugen. Die lichten Blütensterne an den braunen winterlichen Zweigen sollten den Sieg des Lehens über den Tod ver- Pfingstliaier Frühling. Photo: Elisabeth Hase (M.) körpern und ergaben am Abend nn Verein mit den leuchtenden Kerzen ein ganz wunderschönes, festliches Bild. In dieser Gegend erlebte ich auch am Pfingstsonntag einen Flurumgang, der schon in altgermanischen Zeilen einen Teil der Maifeiern bildete. Ein Mai-Feldsegen hat sich aus dem frühen Mittelalter her erhalten: „Heil, Mutter Erde! Es aönr,e der allwal tende, ewige Herrscher, datz die Aecker wachsen nnd gedeihen, voll werden und sich kräftigen. Er gönne der Garbe und des Kornes Wachstum, oer guten Gerste und des weitzen Weizens Wachstum und aller Erde Wachstum!" Mngslblumen im Volkstum Von Werner Lenz. Nach seiner kalendarischen Lage ist Pfingsten zugleich ein Fest des in Hochblüte stehenden Frühlings und eine Vorfeier des bereits vielfältiger Reife entgegendrängenden Sommers? noch ist das Grün der Gräser und Blätter maiensrisch, schon aber mischen sich mit den ersten Lenzesblumen leuchtend bunte, lichtgrelle Sommerblüten. Diese Farbensülle gibt der Pfingst- zeit ihren Charakter als der freundlichsten, lieblichsten Spanne des nordischen Jahres; und bei der besinnlichen und poetischen Neigung des deutschen Herzens konnte es nicht ausbleiben, datz sich unser Volkssinn viel mit den Gaben der pfingstlichen Natur beschäftigt hat, was seinen Niederschlag in lebendigen Aeutzerungen unseres Volkstumes fand. Zu den rechten Pfingstblumen gehört das Maiglöckchen. Der Legende nach soll der Samen des Blümchens aus den Bluts tropfen des gefolterten Heilandes entstanden sein; am Himmel- sahrtstage findet man gewöhnlich die ersten weißen Blüten, und die später roten Samenfrüchte bilden sich oft schon nach Pfingsten, wenn die „Maischelle" in voller Blüte stand. Als ein böses Zeichen gilt es, wenn man Maiglöckchen findet, die rote Streifen in den porzellanweißen Glockenblüten tragen; es bedeutet Krieg oder sonstige Notzeit. So sollen um Pfingsten 1914 zahlreiche so gezeichnete Maiglöckchen gefunden woroen sein. Eine typisch andere Pfingstblume ist der gelbe Ginster, der wegen seiner starren Zweigruten, die sich zum Kehren eignen, auch geradezu „Pfingstbesen" oder „Besenginster" ge nannt wird. In Westfalen kehrt man mit blühenden Ginster büscheln zu Pfingsten die Häuser oder doch die Schwelle; man sagt, das vertreibe Ungeziefer und unholde Geister aus dem Hause. In Pommern werden solche buntgeschmückten Ginster besen vor Pfingsten als Kinderspielzeug auf dem Markt ver kauft. Eine schwer deutbare Prophezeiung enthält der Volks glaube, der verheißt, es gäbe im Folgejahr viele Kinder, wenn der Ginster zu Pfingsten sehr stark blühe (Nahetal); und am Rhein erwartet der Bauer eine gute Kornernte, wenn's viel Ginsterblüten gibt. Eine Pfingstblume stellt auch der Aronstab vor; ängst lichen Gemütern sei verraten, daß er seinen Namen kaum dem biblischen Propheten verdankt, vielmehr liegt der ver stümmelte lateinische Pflanzenname „arum" zugrunde. Das „Aronsuchen" fand ehedem gemeinschaftlich am Pfingstdienstag statt; denn nun ist die in der Volksheilkunde begehrte Pflanze besonders aromatisch und frisch. Man verwendet alle Teile dieser echten Pfingstblume, Blätter, Stengel, Blüte und Samen. Besonders absr ist die Wurzel beachtet; kaut man sie, so hilft das gegen Schwindelansälle; pulverisiert legt man sie auf Hundebitzstellen; mit Bärenschmalz (!) oder — was leichter zu haben ist — mit Pfingstbutter gemischt und mit Zusatz von Zwiebeln soll sich die Arumsalbe gut gegen Geschwüre bewährt haben. Besondere Beachtung sand die Blüte des Aronstabes wohl deshalb, weil cr in seinem Blutenkolben „das ganze Leiden Christi" enthält und man die einzelnen Blütenteile den Marterwerkzeugen vergleichen kann, wenn man reichlich Phantasie besitzt. Der Scharfe Hahnenfuß, rgnunculus acor, blüht zu Pfing sten meist sehr üppig. Dem Vieh- nnd Frischfutter ist er schädlich; aber sür erfrorene Hände soll es gut sein, sie in einem Sud von Hahnensußkraut warnt zu baden. Die Wurzel soll so heilkräftig sein, datz, wenn man sie an den kleinen Finger bindet, jedes Zahnweh schnell verschwindet. Gegen Schwindel schützt sich der Gemsjäger der Ostmark dadurch, datz er ei» Stück Ranunkelwurzel i» der Tasche oder am Halse trägt. Eine andere Wiesenpfingstblume ist das Schaumkraut, auch Pfingstblume genannt. Man soll sie nicht abpslücken und heimnehmen, denn sie „zieht den Blitz an". Die Königin aller Pfingstblumen aber ist unstreitig die üppige, strahlende Pfingstrose, die Päonie. Man sagt, sie sei ein Kind des Mondlichtes, hieß deswegen auch früher „seien- oxonum". Man schreibt ihr deshalb Kräfte zu, die nicht nur „zauberisch" im allgemeinen sind, sondern im besonderen auch zur Heilung Mondsüchtiger geeignet sein sollen. Auch wird die Päonie „Gichtrose" genannt. Bereits in das erste Bade wasser eines neugeborenen Kindes legt man mancherorts einen Stengel der Pflanze, damit das Kind sein Lebtag von der Gicht verschont bleibe. Zur Erleichterung des Zahnens hängt man den Kleinen in Süddeutschland eine Kette von den korallenartigen Päoniensamen um. Diese Körner der „Klatschrose" wie auch die Wurzel gelten für blutreinigend. Auch ist die Pfingstrose angeblich dadurch nützlich, weil ihre Samenkörner oder Wurzel, im Hause aufbewahrt, gegen böse Träume nnd „wider die Poltergeister" wirken. — Daß man den genannten Pfingstblumen ausnahmslos besondere Kräfte bei- mitzt, erklärt sich — zusammenfassend gesagt — aus der Tat sache, datz man sie als Erzeugnis der festtäglich gesegneten Scholle betrachtet.