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Freiheit für die Leherer, daß sie den Nazarener, wie er als Mensch unter Menschen »vandelte, dem Kinde als Führer durchs Leben zeigen könnten. Ja, soll denn das nicht ein Hauptprinzip im Religionsunterricht sein? Christus soll uns ein Vorbild als Mensch sein. Die Menschheit läht sich aber nicht von seiner Gottheit trennen. Mit den Phrasen der „Leipz. Lehrerzeitg." soll verdeckt werden, daß das Grund- dogma des Christentums, die Gottessohnschaft Christi, fallen gelassen werden soll. Das Blatt gesteht daun weiter, daß es ein Irrtum des Ministers sei, wenn er meine, die Lehrer feien noch orthodox gesinnt, da der Religionsunterricht nach den eingegangenen Berichten noch im orthodoxen Sinne erteilt werde. Das geschehe von den Lehrern nur mit Seufzen und nicht mit Freuden. Sie tun es, weil sie sonst aus dem Amte gejagt würden, weil sie ihre Familien nicht in Not und Elend bringen wollten. Wir können es nicht für möglich halten, daß die evangelisch-lutherischen Lehrer im Seminar zu glaubenslosen Männern herangebildet wer den. Allerdings können die Beispiele jener liberalen Pastoren, die von Amtswegen „bekenntnistreu" predigen, persönlich aber der zersetzenden Theologie eines Dav. Strauß, Harnack usw. anhängen, nicht zur Aufrichtigkeit erziehen. Vom wirklichen Gottmenschen Jesus Christus empfängt der katholische Christ sein Licht, seine Wärme, fein Leben; hätte die evangelisch-lutherische Kirche die Kraft und den Willen, alle, die die Gottheit Christi leugnen, von sich auszuschließen, dann wäre der Feind mitten im Lager nicht zur größten Gefahr für die konfessionelle Volks schule und den bekenntnistreuen Religionsunterricht ge worden. ^iV. Politische Rundschau. > DreLden, den 23. Juli 1910. — Der Präsident von Brasilien Marschall Herme- da Fonseca weilt in Berlin. — Der Afrikareisende Dr. Nohrbach will sich in den Reichstag wählen lassen. Da er aber ltnkSliberal ist, wird cs schwer halten, einen Wahlkreis für ihn za finden. Der Südwestafrikanische Farmerbund hat es abgelehnt, Rohr bach die Vertretung in Deutschland zu übertragen. — Tie Erneuerung des Auswärtigen Amtes geht still, aber sicher vor sich: man zieht sich ganz systematisch ältere Beamte nach Berlin und zwar solche, die draußen schon in höheren Stellen tätig waren. Bisher hat inan fast nur junge Leute in der Zentrale beschäftigt und diese haben oft gewechselt. Der neue Leiter der politischen Abteilung, Ge- heinirat Ziniinermann, ist eine energische Kraft. Früher hätte sich schwerlich ein Gesandter gefunden, der Vortragen der Rat zu werden gewünscht hätte. Es ist von gar nicht hoch genug zu bewertender Bedeutung, daß die politische Abteilung jetzt wie der große Generalstab nur aus den besten und befähigsten Köpfen besteht. Nur so kann sie gegen über den Botschaftern und anderen Missionschefs die Auto rität haben, die sie bei der heute durch die telegraphische Befehlsübermittelung bedingten Zentralisierung der Diplo matie unbedingt haben muß, wenn alles glatt gehen und keine Reibung entstehen soll, die immer von einem unnützen Kräfteverbranch begleitet zu sein Pflegt. In einigen Blät tern wird eine Vermehrung der Beamtenzahl gefordert, was uns nicht unbedingt nötig erscheint: andere schlagen vor, daß die Räte in Berlin öfters mit Gesandten draußen auf 12 bis 18 Monate wechseln möchten, um die Erfahrungen zu vervollständigen. Jedenfalls darf man sagen, daß man heute im Auswärtigen Amte gewissenhaft arbeitet. — Anrechnung der Militärdienstzcit der Militäranwär- tcr aus das Bcsoldungsdienstalter. Ter Reichstag hatte in seiner letzten Tagung einen Antrag angenommen, durch den die Reichsregierung ersucht wird, dahin zu wirken, daß in allen Bundesstaaten über die Anrechnung der Militärdienst zeit der Militäranwärter auf das Besoldungsdienstalter gleichmäßige Grundsätze aufgestellt würden. Daraufhin haben Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und den Regierungen der Bundesstaaten stattgefunden, die zu der Erwartung berechtigen, daß in absehbarer Zeit eine völlige Ilebereinstimmnng erzielt sein wird. Im Reiche und in Preußen ist die Frage bereits nach einheitlichen Grundsätzen geregelt, und zwar in Preußen auf dem Wege der Verord nung und ii» Reiche durch eine Interpretierung der be treffenden Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes. In mehreren Bundesstaaten beruht jedoch die Anrechnung der Militärdienstzeit auf das Besoldnngsdienstalter auf landes gesetzlichen Bestimmungen, die nun erst durch entsprechende Vorlagen geändert werden müssen. ES wird sich daher in diesen Bundesstaaten die Angelegenheit nicht so schnell er ledigen lassen, wie in solchen, die eine Aenderung auf dem Wege der Verordnung bewirken können. Es handelt sich dabei »i» die Frage, ob bei Berechnung der Dienstzeit auch die Zeit in Anrechnung kommen soll, während der ein Be amter als anstellungsberechtigte, ehemalige Militärperson nur vorläufig oder ans Probe im Zivildienste beschäftigt worden ist. Für das Reich und für Preußen sind alle Ein schränkungen, die durch verschiedene Auslegung der Bestim mung vorgenommen waren, aufgehoben worden. — Zur Flottcnverstäiidigung. Die deutsche Presse hat sich einmütig für eine „würdige Verständigung" über die Flottenrüstungen ausgesprochen und damit den Reichskanz ler widerlegt, der in England die Ansicht vertrat, daß die Oeffsntlichkeit einem solchen Abkommen sich widersehe. Wie im Reichstage ein solcher Plan aufgenommen wird, wissen wir nicht: aber so viel ist sicl)er, daß die Zentrums- sraktion sich einer die deutschen Interessen wahrenden Vcr- ständigung nicht widersetzcn, sondern sie begrüßen wird. Anders freilich sieht es namentlich bei den Nationalliberalen aus, die schon beim letzten Flottengesetze die treibenden Kräfte waren. In der Sitzung der Viidgetkommission am 9. Dezember 1907, die damals die letzte Marinevorlage be riet, forderte der nationallibcrale Abgeordnete Oriola, mehr zu bewilligen, als die Regierungsvorlage fordereI Man müsse dauernd — auch nach 1912 — beim Bauen bleiben! Herr v. Tirpih erklärte darauf, daß die Regierung gern alle Erweiterungen der Flottenvorlage akzeptiere» werde, sofern sich nur eine Mehrheit im Reichstage dafür findet I Ter nationalliberalc Abgeordnete Seniler förderte gleich falls, daß man mit einem Male eine durchgreifende Reform des Bauplanes durchführen solle. Oder solle 1912 eine neue Vorlage kommen? Jetzt sei die Situation polirisch günsti- ger als 1912. Worauf Herr v. Tirpitz erklärte, die Frage nach den Absichten der Regierung könne er nicht beantwor- ten: er wisse nicht, was in fünf Jahren geschehen könne oder solle. Der freisinnige Abgeordnete Wiemcr fügte seiner Zustimmung für die vorliegende Flottenvorlage die Be merkung hinzu, daß allerdings anzunehmen sei, daß später noch größere Neuforderungen für die Flotte kämen; jetzt aber sei er gegen eine Erweiterung der Regierungsvorlage. Am folgenden Tage, den 10. Dezember, wurde man in der Budgetkommission noch deutlicher. Auch Herr Arendt er klärte für die Freikonservativen, auch er hoffe und erwarte bestimmt in kürzerer Zeit eine neue Flottenvorlage. Ihm schloß sich der freisinnige Abgeordnete Leonhart gleichfalls niit der Erwartung an, daß in vier Jahren ein neues Flottengesetz kommen lverde! Und als Bebel erklärte, daß es so sicher wie 2X2 — 4 sei, daß bis 1912 eine neue Flottenvorlage kommen werde, erscholl aus den Reihen der Blockmehrheit ein lebhaftes „Sehr richtig!". Zum Ueber- flusse erklärte auch wieder Herr v. Tirpitz, daß die Regie rung schon jetzt auch eine Erneuerung der Wittelsbach, klasse (!) annehmen werde, wenn sich nur eine parlamenta rische Mehrheit dafür finde. Ob seither durch die Zer trümmerung des Blockes diese Begeisterung im Bewilligen abgenommen hat, wissen wir nicht; es mag sein, denn da- mals war der Block noch im Liebestaumel. — Der rote Lorbeerkranz für Minister v. Bodmann. Ter badische sozialdemokratische Führer Abgeordneter Dr. Frank macht jetzt zur Frage der Budgetbewilligung im Mainzer Sozialistenblatte Mitteilungen, die hohes Auf- sehen erregen müssen, aber für den Minister eines monarchi- schen Staates einfach tödlich sind, denn jetzt erfährt man. daß die Annahme des Finanzgesetzes für den Minister eine Belohnung sein sollte, weil er die Genossen gelobt hatte. Abgeordneter Frank führt nämlich u. a. aus: „Daß die Fraktion bas Budget dieses Landtages, in dem die Sozialdemokratie ausschlaggebend war, zustimmen würde, wurde seit Monaten von uns als selbstverständlich betrachtet. Es gibt keine Resolution, die für alle politischen Situationen paßt, — aber das oberste ungeschriebene Gesetz jeder Politik gebietet, seine Taktik nach den Verhältnissen cinzurichten. Daß wir nach einer Großblockarbeit von acht Monaten dem Zentrum den Triumph bereiten sollten, fest- znstellen, es sei unentbehrlich für die Erledigung des Bud gets, konnten wir nicht verantworten. Da trat vor einigen Wochen ein Ereignis ein, das unsere Haltung in Frage stellte. In einer Kommissionssitzung äußerte der Minister des Innern v. Bodmann, ein Sozialdemokrat könne nicht vom Großherzog als Bezirksrat ernannt werden. Diese Worte führten zu einem heftigen Zusammenstöße zwischen den sozialdemokratischen Kommissionsmitgliedern und dem Minister. Tie Fraktion kam auf Grund dieses Vorfalles zu dem Entschlüsse, das Budget abzulehnen mit der Erklä rung die Negierung mache uns die Annahme des Budgets, an dem wir so eifrig mitgearbeitet, unmöglich, weil sie uns politisch nicht als gleichberechigt behandele. Am Abend vor der Abstimmung über das Budget fand eine Sitzung unseres Herrenhauses statt, in der von dem klerikalen Baron Stotzingen heftige Angriffe gegen Minister v. Bodmann ge richtet wurden, weil er durch die neue freiheitliche Gemeinde- ordnung die Sozialdemokratie fördere und so die Revolution vorberoite. Der Minister wich nicht zurück, sondern legte als sein Negierungsprogramm dar, die Sozialdemokratie müsse zur Mitarbeit herangezogen werden. „Die Sozial demokratie sei eine großartige Bewegung zur Befreiung des vierten Standes." In diesem offenen mutigen Bekenntnisse schien uns eine Zurücknahme jener in der Kommission ge machten, unsere Parteiehre verletzenden Bemerkungen zu liegen, und am anderen Morgen beschloß die Fraktion nach kurzer Beratung, jetzt für das Finanzgesetz zu stimmen, wie es die politische Situation verlangte. Hätten wir noch Zeit gehabt, dann hätten wir gern dem Parteivorstand Gelegen heit gegeben, mit uns die Sache zu beraten. So aber waren wir gezwungen, sofort zu handeln, — und wir haben es ge- tan und werden dafür die Verantwortung tragen. Es wäre schlimm um die Partei bestellt, wenn es ihr an Männern fehlen würde, die den Mut haben, unausführbare Partei beschlüsse unausgeführt zu lassen." Für diese offenen Worte kann man nur dankbar sein; es ist also keine sachliche Politik welche die badischen Sozial demokraten treiben, sondern eine rein persönliche, dem Mi nister zu Liebe oder zu Leide wird der Etat angenommen, das Volk und die Parteiforderungen stehen in zweiter Linie. Ob Herr v. Bodmann sich besonders wohl fühlt, wenn er nun Jahre hindurch diesen roten Lorbeerkranz zu tragen hat, ist eine andere Frage. Aber er wird unter den deut schen Ministern wenig Kollegen finden, die ihn um diese Auszeichnung beneiden werden. — Der Reichskanzler und da» Zentrum. Unter Be- zugnahme auf die Landauer Rede des Abgeordneten Erz- berger schreibt die „Deutsche Tageszeitung": „Daß Herr v. Bethmann Hollweg kein Höriger des Zentrums ist, ist richtig. Was ihm aber der Abgeordnete Erzberger sonst entgegenhält und vorwirft, schießt weit über das Ziel hinaus. Wir glauben unsererseits, daß der neue Reichskanzler weder ein besonderer Freund, noch ein Gegner des Zentrums ist. sondern daß er ehrlich und auf- richtig bemüht ist, mit der Zentrumspartei zu rechnen und ihr gerecht zu werden." — „Häßliche Dinge gehe« draußen vor! Es ist als ob der deutsche Liberalismus den Beweis liefern wollte, daß er nicht an der Klugheit und dem staatSmännischen Sinn seiner Gegner, sondern an den eigenen Torheiten zugrunde gehen wollte." Mit diesen Worten beginnt der Abgeordnete Dr. Müller-Meiningen einen, in verschiedenen sortschritt- liehen Blättern abgedruckten Artikel und zeichnet damit nicht übel die Situation, in die der Liberalismus, insbesondere der „entschiedene", sich hineinmanöveriert hat. Aber Dr. Müller will noch weiter diesen Weg gehen, denn er schreibt: „Alles in allem: Eine gemeinsame bürgerliche Phalanx gegen die Sozialdemokratie ist unter den jetzigen politischen Verhältnissen in Deutschland eine Utopie! Eine Demütigung einer liberalen Gruppe bi» zu einem Bündnis mit den Ultramontanen bedeutet die stärkste direkte Unterstützung de» Gegner», den man angeblich treffen will. Die beiden liberalen Parteien sind aufeinander mehr angewiesen al» jemals, da sie von allen anderen Parteien rücksichtslos angegriffen werden, ja. angegriffen werden müssen. Lassen die Unterführer die beiderseits verständigen Parteileitungen im Stiche, so darf kein Mittel öffentlicher Erklärung unver sucht gelassen werden, um die Kurzsichtigen aufmerksam zu machen, daß e» sich bei den nächsten Wahlen um die Existenz de» GesamtltberaltSmuS handelt." — Religion ist Privatsache, darum beschlossen die im freien Bauhilfsarbeiterverbande organisierten Arbeiter in Nürnberg, laut „Wehr", dem Verbände bayerischer Frei denker (Sitz Fürth) als Zuschuß für bessere und ausgiebige Agiationsentfaltung gegen das „volksverdummende Pfaffentum" aus der Lokalkasse 60 Mark zu bewilligen!! — Der Polizeipräsident von Kitt« erließ kürzlich eine öffentliche Warnnvg vor dem Eintritt in die drei zu Köln domizilierenden eingeschriebenen Hilfskassen, und zwar der KrankenversicherungSgesellschast „Alliance", MagnuS- straße 25, der Krankenversicherungsanftalt „Securatus". Pfälzerstraße 15, und der Krankenversicherungsgesellschaft „Colonia", Moltkestraße 129. ES ist bezeichnend, daß es öffentlicher Warnung durch den Polizeipräsidenten bedarf, um solche, die leider nie alle werden, von dem Eintritt in solche private HilsSkassen abzuhalten. Vielen privaten Hilfskassen gilt die Hilfe sür die Tage der Krankheit nur als Nebenzweck, während der Hauptzweck, spekulativen Gründern zu horrenden Gehältern und Tantiemen zu ver helfen, an erster Stelle steht. —r Schweiz. — Sozialdemokratischer Terrorismus. Die Genossen der verschiedensten Länder überbieten sich geradezu, in der Praxis gerade das Gegenteil von dem zu beweisen, was sie in der Theorie als obersten Programmsatz aufstellen: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. So ist in der Schweiz ein Kampf ausgebrochen, der die Aufmerksamkeit der christlich organisierten Arbeiterschaft aller Länder ans sich lenken inuß. Der sozialdemokratische Nahrungs- und Genußmittelverband will dort den christlich und im Brauer bunde organisierten Arbeitern das Brot nehmen, wenn diese sich nicht dem Verbände der Genossen anschließen. In dieser Absicht hat der sozialdemokratische Verband einen Tarif- entwurf dein Unternehmertume vorgelegt, der im 8 20 fol gendes Vorsicht: „Sämtliche in dem Verbände schweizerischer Brauereien angeschlossenen Betriebe beschäftigten Arbeiter müssen Mit glieder des (sozialdemokratischen) Verbandes der Lebens und Genußmittelarbeiter sein. Die Einstellung der Ar- beiter erfolgt durch Vermittlung des Arbeitsnachweises letzterer." Damit ist den nicht sozialdemokratisch organisierten Arbeitern jede weitere Lebensmöglichkeit gleichsam abge schnitten. Es ist dieses nichts anderes als eine Forderung des absoluten Organisations- und Arbeitsmonopols, wie es leider in zwei Branchen in unserem deutschen Vaterlande bereits zu verzeichnen ist, im Lithographen- und rm badischen Hafnergewerbe. Da aber das Unternehmertum den Forderungen der Genossen ablehnend gegenübersteht und sich weigert, unter sotanen Umständen in Verhand lungen einzutreten, waren die Genossen so gnädig, frag lichem Paragraphen folgende Fassung zu geben: „Bei Einstellung von Arbeitskräften ist in erster Linie der Nachweis des (sozalistischen) Verbandes des Lebens und Genußmittelarbeiterverbandes zu berücksichtigen. Ar beitskräfte können erst dann anderweitig bezogen werden, wenn der Arbeitsnachweis des Verbandes der Lebens- und Genußmittelarbeiter nicht imstande ist, die gewünschten Arbeitskräfte zu vermitteln." Wir erinnern uns da unwillkürlich an den Streit im deutschen Baugewerbe. Damals hatte das Unternehmertum ungefähr dieselben Bestimmungen, die man jetzt in ver änderter Auflage dem schweizerischen Unternehmertum im Braugewerbe aufoktroieren will, in ihrem Tarif aufge stellt. Wie jammerten damals die Genossen über die Scharfmacherpolitik der Bauunternehmer! Ein wahrer Todeskampf wurde inszeniert. Und nun tun die schweize rischen Genossen ihrerseits dasselbe, was die deutschen Sozialdemokraten an den Bauunternehmern nicht genug verdammen konnten. Man wird sich sozialdemokratischer- seits auf Ausreden verlegen: Was kümmern uns die Schweizer! Indes, es muß hier entgegengehalten werden, daß dis Genossenpresse in Deutschland das Vorgehen der Schweizer nicht nur gut heißt, sondern sogar in widerlicher Weise verteidigt, indem man die Arbeiter der anderen Organisationen einfach als Streikbrecher kennzeichnet. Auch die „Mainzer Volkszeitung" hat in Nr. 159 einen dementsprechenden Artikel gebracht. Man verschweigt aber wohlweislich den wahren Sachverhalt und will nicht zeigen, wie die Genossen dem Wahlspruch: „Gewalt geht über Recht" huldigen. Italien. — In Jmola in der Provinz Bologna ist eS zu den ersten blutigen Zusammenstößen gekommen. Die Arbeiter verlangen, daß die Großgrundbesitzer die den Gewerkschaften gehörenden landwirtschaftlichen Maschinen benutzen. Als ein Großbauer am 21. Juli in Jmola seine eigene Dreschmaschine brauchte, stürmten mehrere hundert Landarbeiter die Maschine, zerstörten sie und steckten die Erntevorräte in Brand. Kavallerie mußte mit blanker Waffe Vorgehen; eine Anzahl Arbeiter wurde verwundet. Die Behörde hat telegraphisch 2000 Soldaten gefordert, da weitere Aus schreitungen zu erwarten sind. — Die Vermittelungsversuchs des Ministerpräsidenten Luzatti zur Beilegung des Agrarkampfes in der Romagna sind gescheitert. Infolgedessen hat sich die Lage der Regie rung noch ungünstiger gestaltet. In Jmola wurde der Generalstreik erklärt. England. — Das Unterhaus verhandelte am 22. d. M. die Re solution. betreffend die Zivilliste, die durch die Kommis sionsbeschlüsse auf 470000 Pfund für den König und den königlichen Haushalt festgesetzt wurde, ferner auf 10 000 Pfund für jeden Sohn mit Ausnahme des Prinzen von Wales, der die Bezüge an den Herzogtümern Cornwall und Lancaster besitzt: weiter auf 16 000 Pfund im Falle der Ver-