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Drittes Blatt Sachliche Boifszeti««y vom 13 Februar lui" Nr. 36 Die Lebensfähigkeit des deutschen Handwerkes. ii. Ganz besonderes Interesse beanspruchen die dem direk- ten Konsumbedürfnisse bezw. die dem individuellen Ge schmack dienenden Gewerbe der Bäcker und Fleischer, Schuh macher und Schneider (Bekleidungsgewerbe). In ersterer Gruppe sind nach Conrad in den Großstädten bedeutende Etablissements entstanden mit mehr als 200 Personen; in dem Bäckergewerbe 9, wobei allerdings die Herstellung von Konditorwaren mit hineingezogen ist, bei den Fleischern 3 mit 1100 Personen. In den kleinen wie großen Städten ist dagegen daneben der Kleinbetrieb unentbehrlich, wenn er sich auch weniger als Alleinbctrieb zn halten vermag. Hier ist die Zunahme des Handwerkes mit 2 bis 6 Personen eine sehr erhebliche gewesen, und auch mit 6 bis 10 Personen ist ein Anwachsen zu verzeichnen. In der Schuhmacherei hat die Einführung des maschinellen Betriebes eine starke Zunahme der Betriebe mit über 50 Personen in den letzten zwölf Jahren zur Folge gehabt und einen starken Rückgang der Kleinbetriebe nach sich gezogen, während umgekehrt wieder die Betriebe mit 11 bis 50 Personen eine Zunahme aufzuweisen haben. Im ganzen ist die Zahl der in der Schuhmacherei beschäftigten Personen nur wenig, von 40-1000 auf 373 000 zurückgegangcn. Alleinbetriebe werden hier noch immerhin 110 000 gezählt. In der Schneiderei ist die Anfertigung der Kleider im großen, die Konfektion, nicht imstande gewesen, den handwerksmäßigen Schneider irgend wie zu unterdrücken. Nicht nur die Gesamtzahl der Be triebe, sondern auch die Alleinbetriebe, dann die eigentlichen Handwerksstätten haben eine Zunahme erfahren, die erheb lich über die Bcvölkerungszunahme hinausgeht. Die Werk stätten mit 2 bis 10 Personen sind von 75 800 auf über 165 000 gestiegen, und die darin beschäftigten Personen von 230 000 auf 290 000. Betrachtet man schließlich noch die Entwickelungs tendenzen in den Gewerben der Goldschmiede, Uhrmacher und Buchbinder, so findet man, daß bei ersteren die Zahl der Betriebe zurückgegangen ist, dafür ist aber die Zahl der beschäftigten Personen stark angewachsen und zwar von 5,9 pro Betrieb im Jahre 1895 auf 10 im Jahre 1907. Die Alleinbetriebe sind in den letzten 12 Jahren erheblich zurück- gegangen, auch etwas die Klein- und Mittelbetriebe, während die Fabrikunternehmungen bedeutend um sich ge griffen haben. In der Uhrmacherei sind die Allein- und Kleinbetriebe alledem etwas zurückgegangen, hier hat sich aber der Kleinbetrieb überwiegend gehalten. Recht be merkenswert ist schließlich noch die Entwickelung der Buch binderei; diese hielt man als Handwerk in der neueren Zeit vielfach als im höchsten Maße bedroht, da jetzt eine Menge Maschinen erfunden worden sind und auch Eingang gefunden haben. Gleichwohl ist der Kleinbetrieb doch weit weniger be einträchtigt worden, als man es hätte erwarten solle». Mit mehr als 50 Personen arbeiten gegenwärtig bereits 218 Buchbindereien gegen nur 126 im Jahre 1895. Dabei ist aber die Zahl der Kleinbetriebe auf der bisherigen Höhe stehen geblieben, und schon die mit 6 bis 10 Personen, und noch mehr die mit 11 bis 50 Personen haben nicht unbe deutend zugenommen, und selbst die Alleinbetriebe sind nur verhältnismäßig wenig znrückgegangen. Aus alledem schließt, wie wir schon vor einigen Tagen hervorhoben, Professor Conrad: „Eine Verdrängung des Handwerkes in irgendeiner bedenklichen Weise tritt nir gends hervor: die Verringerung der Alleinbetriebe war nur mäßig, sicher den Verhältnissen entsprechend und ohne volkswirtschaftlichen Schaden. Der Klein- und Mittel betrieb erlitt nur unbedeutende Einbußen, und nur da, wo der Großbetrieb anderes oder mehr zu leisten vermochte als jener." Eine Unterstützung des bisher noch immer vielfach herrschenden Pessimismus in der Mittelstandsfrage habe die neueste Erhebung unzweifelhaft nicht geboten. Auch für die Auffassung der Sozialdemokratie, daß der Handwerkerstand nicht zn halten sei, sei ein Anhalt nicht vorhanden. Und da ist es nicht uninteressant, für diese Behauptung eine Be stätigung zu finden an einer Stelle, an der man sic am wenigsten vermuten sollte, nämlich in der radikal-sozialdemo kratischen „Leipziger Volkszeitung" (dir. 27). In einem Artikel: „Groß- und Kleinbetrieb" untersucht das Blatt die Ergebnisse der Berufszählung vom Jahre 1907. Wenn das Blatt auch ein „Vordringen der kapita listischen Wirtschaftsform" konstatiert, so muß es doch zu geben: „Ter Prozeß vollzieht sich freilich nicht derart, daß der Kleinbetrieb restlos verschwindet." Ein solches Ver schwinden sei schon ans dem Grunde ausgeschlossen, da es eine ganze Anzahl Gewerbe gebe, die ihrer Natur nach sich nicht zur kapitalistischen Vetriebsform eigneten. Außerdem aber schaffe die Umgestaltung der Lebensbcdingungen be sonders auf dem flachen Lande für eine ganze Anzahl kleiner Gewerbetreibender die Bedingungen einer Cri ste ii z. Der Kleinmeister wie der Geselle verlören an Boden in der Großstadt, aber sie könnten sich noch retten, wenn sie auf dem Lande ihre Wcrtstätte ansschlügen. In der Tat gebe es auch heute ungleich m e h r Schuster. Schneider. Schlosser, Bäcker und Fleischer in den Dörfern als früher. Das Verschwinden der Naturalwirtschaft, daS Steigen der Nachfrage an Erzeugnissen, die in der eigenen Wirtschaft des Ackerbauers nicht hergestellt werden könnten, ermögliche und erheische diese Ausdehnung des Ge werbes auf dem fl a ch en Lande. In noch höheren! Grade gelte das für den Krämer und den Schankwirt, den. Handelsreisenden und Agenten. Für sie schaffe sogar die Entwickelung der Großstadt die E r i st e n z m ö g l i ch ko i t. Mehr kann man tatsächlich au Zugeständnissen von sozialdemokratischer Seite nicht verlangen. Kurz und gut: Tic Entwickelung des Handwerkes kann man immerhin als befriedigend bezeichnen. Seine Zukunft ist in einer Reihe von Betriebszweige» für absehbare Zeit gesichert. Wer heute vor der Berufswahl im Handwerk steht bezw. hier mitznberaten hat, dem eröffnen sich im vorstehenden eine Reihe wertvoller Fingerzeige! 2u linken in ^potbsken, Orox-srisa iiQ<i > ::: XolooikUvLroobanälungon. ::: trkeiul rrr Appetitanregend >Vo lw-nvLi-ts niobt orbLltliob, Vor- SLnä psr kost v/, klssobon ^ 4.— ::: krsnlco Hkotmslimo. ::: Wermutwein L tl«., Xpnnei»«It. 14. 4»^ I'raiii , küsnufsktui-- unl! l.einkn«akön 8sminsi-8ti-sös 2 ksuKLQN 8sminsp8t! sks 2 Mfssvke — IHKoisgen — Tokü^Len Kantinen — Vilnsgen-Lloßfe. o ssstinvn Vsi-cins- sbrvivksn, 8okäl-p8n, fstinsn- bänlisn esc. am schönsten und billigncn bei Mitglied katholischer Vereine, Oppoln K. ^ <4 -- »i i, «I ii ii r» Ii r 1X18. Zchrsmm § kchteiMver. Dressen l.sn^ti3U58ll-. 27 88681t-. 18 MIMIiols» ?il-n»i86ri6 8t,-. 2 von 4 ?fg. SN. ZOO Sorten Zigaretten. 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Seine Gcsichtszüge hatten sich gänzlich verändert, der düstere, schrecken- erregende Ansdruck derselben war gänzlich verschwunden, es lag im Gegenteil jetzt etwas Wohlwollendes, fast Heiteres auf seinem Antlitze; der Graf hatte inzwis,l)en seine Situation wohl erfaßt und versuchte jetzt das letzte Mittel, das ihn rette» konnte. Er erhob sich also, breitete seine Arme weit aus und rief mit gut ge spielter Rührung aus: „Renee, mein Sohn!" Reuec kam indes dieser Ausbruch der anscheiuendcn Zärtlichkeit so un vermutet, daß er erschrockcu zurückprallte, so wenig hatte er diesen plötzlichen, fast wunderbar zu nennenden Wechsel vorhergesehen, daß ihm dies alles eher mit Staunen und Mißtrauen erfüllte. Der Graf ließ die Arme sinken. „Ja." sagte er dann langsam, „ich ahne es . . . Du traust mir nicht ganz, aber du tust Unrecht daran, Renee. Ich kannte dich nicht und mußte dich ebeuso wie deine arme Mutter für tot halten . . . Seit sechzehn Jahren habe ich vergebens zu erforschen gesucht, was aus euch geworden sei . .,. Ich mußte ja glauben, ein Betrüger, ein Abenteurer habe diese Manöver erson nen, wenigstens lag dies so nahe. Niemand weiß etwas von meiner ersten Ehe. Tadle und verurteile mich deshalb nicht ohne weiteres. Ich werde dir alles erklären. Je mehr ich dich betrachte, desto deutlicher erkenne ich die Züge wieder. Ja, du bist wirklich Renee, mein Sohn, den ich tot »nd für immer verloren glaubte. Wie ist dir's ergangen, liebes Kind? Wer hat dich erzogen. Wie hast du meine Spur wiedergefunden, da ich die deinige gar nicht wicderfinden konnte? Und weshalb bis du nicht früher zu mir ge kommen?" — . Wie konnte ich in dem Grafen d'Orsan die Person des Louis Renee de Penhoel vermuten?" antwortete Renee, der durch den Ausdruck der Worte des Grafen und die scheinbare Aufrichtigkeit derselben verblüfft war. „Freilich, freilich," versetzte der Graf gütig, „der neue Titel, den ich seit meiner zweiten Ehe führe, mußte dich irreleiten. Nun, der Zufall, oder sagen wir lieber, die Vorsehung hat uns jetzt wieder zusammengeführt, da ich schon alle Hoffnung aufgegebcn hatte. Aber wo ist deine Schwester?" „Ich weiß eS nicht." „Ich bedauere dies sehr." bemerkte der Graf etwas zitternd, „weshalb konnte ich euch beide nicht zusammen wiederfinden?" „Ich hoffte," erwiderte Renee. „daß du mir gerade über diesen Punkt Aufklärung geben könntest, Vater." „Ich? Wie sollte ich dies?" stieß der Graf hervor, dem ein plötzlicher Gedanke kam. „Wieso?" „Allerdings, eS war auch nicht möglich. Ach, Vater, verzeihe mir . . ." stammelte Renee. „Dir verzeihen — was denn?" fragte der Graf etwas verwundert. — 85 — „Nein, du wirst es nicht tun, ich bitte dich! Warte noch etwas!" „Warten? Weshalb?" erwiderte Renee. „Gewiß, weil du cs meinem Vater versprochen hast." „Freilich habe ich ihm versprochen, selbst nicht zu forschen, aber er ist gekommen und ich habe alles erfahren, ohne zu suchen. Weshalb soll ich warten, da ich in wenigen Minuten das Geheimnis meines Lebens enthüllen kann? Nein, unmöglich, ich würde wahnsinnig werden . . ." „Ich begreife alles vollständig und ich weiß alles wohl zu würdigen! Und dennoch dürfen wir keine Unklugheit begehen, die alles verderben würde, glaube es mir . . ." „Nein, nein," fiel Renee ihr ins Wort, „ich kann nicht warten . . . Graf d'Orsan ist wahrscheinlich mein Vater. — Dann wäre ich ja dein Vetter, Ka- roline, du würdest mir dann noch näher stehen als jetzt ... ist Graf d'Orsan nicht verheiratet?" setzte er hinzu, als ob ihm ein plötzlicher Gedanke gekom men wäre. „Allerdings." „Seit wann?" „Schon lange!" „Und er hat Kinder?" „Einen Sohn!" „Wie alt ist derselbe?" „Etwa sechszehn Jahre." „Ah . . . Aber dann . . ." ..Nun?" „Sonderbar, ich weiß nicht . . . Seit langer Zeit verheiratet . . . . Meine Mutter erst vor fünfzehn Monaten gestorben . . . Sollte er nicht mein Vater sein oder . . .: Der Schweiß perlte ihm von der Stirn. „Ich habe in der Tat Furcht," sagte er langsam, vor sich hinblickend. „Es wäre schrecklich — nein, es kann nicht sein, nicht wahr, Karoline?" „Madame Morisset war vielleicht nicht deine Mutter," antwortete das Mädchen ausweichend. „Vielleicht war er Witwer, als er heiratete. Du weißt, dies war die Idee meines VaterS." „Doch," erwiderte Renee lebhaft, „sie war in der Tat meine Mutter, und alsdann ist er mein Vater. Wer soll sie also ermordet haben?" Renee wagte es nicht, den Gedanken auszusprechen, der ihm vor die Seele trat. Und dennoch erinnerte er sich so lebhaft der Schlußfolgerungen des Herrn Tartois, die mit fast dringender Notwendigkeit auf den Grafen hinwiesen, falls er der Gatte der Witwe Morisset gewesen war . . . „O, glaube es nicht!" rief das junge Mädchen mit dem Ansdrucke unbe schreiblicher Angst aus. „Was denn?" fragte Renee verwundert. „Was habe ich gesagt, was ich glaube, und was glaubst du selbst?" .Ich? Nichts! Nein, du kannst sein Sohn nicht sein, wenn du der Sohn der Witwe Morisset bist, was ja ohne Zweifel feststeht. Wir dürfen nichts vermuten, ehe wir wissen, daß . . ." „Und ich werde es erfahren," sagte Renee, indem er auf die Tür, zuschritt. , „Verstoßen," N s