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— 24 — Eine grosse Angst nnt die geliebte Mutter erfaßte sie. und unter dieser peiuvoll gesteigerten Empfindung betrachtete sie seilt die letzten Hergänge in ihrem Elternhanse. ES war dort nicht wie früher, ein Etwas schwebte in der Mist. trotz dem Mntter und Vater sich alle Mütze gaben heiter und glücklich zu erscheinen. Tie zunehmende Nervosität der Mutter, itzre Slmmachk, itzr gespanntes Interesse sür die Tinge ans Blankennein altes das erschien dem jungen Mädchen plötzlich in einem neuen, grellen sichre, das allerdings nicht .Elar heit verbreitete, sondern verwirite und schmerzte. Nur soviel erkannte sie unleugbar, das; einst Beziehmigen zwischen jenem Manne und ihrer Mutter beüanden hatten, und das; ihrem Elternhanse von ihm Unheil drohe. Seine funkelnden Augen, die zusammengekninenen Eippen verrieten Ienidieligteit und Bosheit. Eine dunkle, beklemmende Angst bemächtigte sich Ilses. ans der aber nmnillelbar das Verlangen herverging. die Ihrigen zu schützen und dielen erbitterten alten Mann zu versöhnen. Ab. das war ein glücklicher, erlösender Gedanke, den ihr junger, nn erfahrener Sinn mit Begeisterung feühielt. Ta das Häßliche nicht ihren Abscheu, sondern ihr ganzes Milleid rveckle, so kostete es sie nicht einmal Ueberwmdung, jene zuckenden, gekrümmten Jünger zu berühren. „Bitte, zürnen ne meiner Mutter nicht," sagte sie weich, „und wenn sie ihnen Unrecht znsügle, so müssen sie auch bedenken, das; wir alle, alle irren und Je hl er begehen, durch die wir schuldig werden." Die weichen Mädchenhände berührten schmeichelnd die des Uranken. Tie Bewegung wurde onenbar wohlig enipsnnden, aber das Mißtrauen bannte jede.', srenndlichen Ausdruck. „Hat ihre Mutter sie herübergeschicklM spottete Marwitz. „Nein, ich kam ans eigenem Antriebe", erklärte Ilse mit Überzeugung-:-- vollem Ernst, „von drüben sah ich. das; die Sonne sie belästigte - „Was haben sie hier herüber zu spionieren?" braune der Uranke ans. Tie blauen, so intensiv leuchtenden Mädchenangen senkten sich betrauen, doch schon umspielte ein heimliches Eärheln die blühenden Mppen, und ein nmfas'endes Geständnis folgte. „ES war sicher nicht oberflächliche Neugier, die mich zum Beobachten antrieb —" „Das iü ja herrlich!" unterbrach sie in einem knurrenden Ton der er bitterte, alte Manu, „aber gut, das; sie sich verraten, gegen solche Be lästigungen wird man sich zu schützen wirsen!" „sondern ick, sehnte mich so sehr danach, ihnen einmal Gesellschaft leinen zu dürfen. Ich sah. das; sie immer allein sind —" „Tie scheinheilige Bande", murmelte Marwitz, „was liegt denen daran, wenn ich mich in Groll verzehre, die ivvllen nur mein Geld, und —" iügre er in ohnmächtigem Grimm hinzu, „vor nllein meinen Tod „Ihre 'Verwandten?" fragte Ilse erschreckt. „Ja. natürlich, was wundern Tie sich noch!" „Tie sehen hoffentlich viel zu schwarz", besänftigte Ilse, „aber wenn Sie immer so böse sind, mus; man Ihnen doch gram werden 21 — Es dunkelte vor ihren Angen, alles um sie her schien zu wanken, im Moment war es vorbei mit ihrcr .straft, ihrer streng geübte» Selbstbeherr schung. besiimnngsloS sank sie zur Seite und Eukado urig die Bewußtlose mit seinen Armen ans. Ilse erging sie!; nicht in überflüssigen Angslausrnfen, sie nahm die Wasser karaiie zur Hand und beträufelte vorsichtig Stirn und Hände mit dem kühlenden Nas;, ne.chdem die Mntter ans dem Sofa nieder gelegt worden war. Das Hausmädchen kam herein und legte einen Brief ans den Tisch, niemand beachtete es. „Wir dürien in Mamas Gegenwan über solche schreckliche Tinge gar- rückt mehr sprechen.' Ilie war so erregt, das; das »getagte fast wie ein Schluchzen klang. Mamachen hat ein so weiches, gütiges Herz, das; es ihr zu brechen droht, wenn sie von dem Schicksal solch eines armen, beklagens werten .'lindes hört, zudem hat der Umzug ne mehr angegriffen, als sie ein gestehen will." Tttilie begann lene zu atmen, sie vernahm die Worte ihrer Tochter, und ihr Herz Uampsce von neuem zusammen. Alles, was die Welt an Glück zu vergeben hat, war ihr zu Teil geworden in überreichem Maße: der ehren hafte. liebevolle Gatte. !die nißeii, prächtigen Binder, Wahlhabenheil, Bel ehrung und Irineigrmg, wohin ne sich auch wenden mochte, und jenem Aerinnen alles genommen alles . . ." Und wieder drohten die Sinne sie zu verlassen unter der vernichtenden Anklage eine-.- schuldbeladenen Gewissens. Mikado enlgegnele seiner Tochler nicht-.-. Er harte das gnailvolle Em pfinden. als senke fick; ein undurchdringlicher Nebel, immer enger ihn um schließend. an, ihn Irernieder. es war, als müsse er ersticken. Neglos iah er ans sein Weib nieder, und als er bemerkte, das; sie zu sich lum. preßte er nicht, wie er wob! bisher getan, seinen Bl und ans ihre Stirn, sondern wandte sich schweigend ab. Ta fiel sein Blick ans den 'Brief, er erkannte die Handschrift seines Sohnes und schnell enlschlonen öffnete er i!m. Ein nnlerdrückter Iubellant entrang sich seinen Mppen. Und mm dachte er doch wieder zuerst an die »geliebte seines Herzens, nn sein Weib. ..TaS wird die bene Medizin sür Mama sein!" riet er laut, „Theodor bat ieiit Ingenieur-.rauien ben mdeu und durch die Proleklion seines Professors sogleich eine iür den Anfang geradezu glänzende Sielle erhallen!" Sliilie saß schon ansrecht, ibre zitternden Hände streckten sich nach dem Schreiben an-?, das so frohe 'Botschaft brachte, ans ihren leuchtenden '.'lugen waren alle dimeren Schatten entwichen. Ihr Junge, ihr höchster Stolz! Tech so lange er atmete, balle die 'Vorstellung sie gepeinigt, daß der Himmel ihr in diesem .Emde die Strafe senden würde, für die von ihr be gangene Schuld. Und da sich alles zum »glück sür sie wandte, fürchtete sie jetzt, das; er sein Eramen nicht bestehen würde. Nun war auch diese Sorge von ihr genommen, mm jubelte sie beil ans in der erlösenden .ßmernchl, daß der Himmel ihr verziehen habe. „Bvlleicht hat der Himmel ihn längst für die verlorene Eindheit ent schädia'N, sagte sie halblaut, ihre Gedanken ergänzend, „während man ihn hier veklagt, führt er möglicherweise ein beneidenswertes Dasein."