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Die konservative ..Kreuzzeitung' widmet dem Ver- storbenen folgende kurze Zeilen: Weder die Bürde der Jahre noch die des Leides vermochte seine volle Hingabe an den Herrscherberuf zu beeinträchtigen. Mit wahrhaft landeSväterlicher Gesinnung war König Georg während seiner nur kurzen Regierung um die Fürsorge für sein treues Sachsenvolk bemüht und stets darauf bedacht, ihm die Segnungen d»S Friedens zu erhalten und zu mehren. In der Treue als deutscher Bundesfürst folgte er dein hohe» Sinne seines ver ewigten Bruders, und das ganze Deutsche Reich trauert mit Sachsen um seinen Tod. Es ist uns nicht möglich, die Kundgebungen der übrigen Zeitungen zum Abdruck zu bringen. Es sei nur konstatiert, daß alle Nachrufe in höchst sympatischen Tone gehalten sind. Auch die ..Sächsische Arbeiterzeitung" hat für die Person des toten Königs nur den Tadel, daß er Monarch war, während die Sozialdemokraten die Republik anstreben. Auch Sr. Majestät König Friedrich August werden freundliche Worte der Begrüßung gewidmet. So schreibt die „Germania": Der nunmehrige .König Friedrich August von Sachsen erfreut sich einer großen Beliebtheit bei seinem Volke. Das sächsische Volk, daS nicht Nachlassen wird i» der Liebe und Verehrung, die sein König von ihm erwartet, richtet von der Totenbahre des Königs Georg de» Blick zu dem neuen König Friedrich August in dem Vertrauen, daß seine Regierung eine glückliche sein und dem Lande zu neuem und großen Segen gereichen werde. Das walte Gott! Tie Wiener Blätter widmen dem verstorbenen König Georg von Sachsen ehrende Nachrufe. Tas „Frenidenblatt" sagt, mit König Georg werde ein tapferer Kricgsheld zu Grabe getragen, dessen Nnhni sich würdig demjenigen der reisigen Almen des Hauses Wettin zngeselle. Tas Blatt hebt die persönliche Tapferkeit und das militärische Organi sationstalent des Verstorbenen hervor und betont dessen ans allen Verwaltnngszweigen beknndete Kenntnis. TaS Blatt hebt weiter die konservative Gesinnung des Königs hervor, den mit dem Kaiser Franz Josef langjährige herzliche Freundschaft verband, die ans einer alten schönen Tradition begründet war und auch in der Knüpfung inniger verwandt- säxrstlicher Bande ihren Ausdruck fand. Tas Hinscheiden des gütigen Fürsten, sagt das Blatt, werde innerhalb der Monarchie schmerzert'üllte Teilnahme finden. Tie lebten Stunden waren für den König sehr schwer; er -.schlief aber schließlich ruhig ein. Die Königin-Witwe, der jetzige König, Prinz Johann Georg und Prinzessin Ma thilde umstanden das Lrerbelager. Tie Leiche lag bis Sonn tag im Schlafzimmer des Wasserpalais in weißem Gewände mit weißer Decke zngedeckl. Auf der Brust lag eilt Kru zifix und die gefalteten Hände hielten einen Nosentranz. Das Bett war mit frischen Rosen bestreut. Neben der Leiche stand ein Tisclxhen mit einem Kruzifix und zwei brennenden Kerzen. Ans der anderen Seite deS Bettes an der Wand ist ei» kleiner Altar mit Krnzisir und vier brennenden Ker zen ausgestellt. Zn Häupten des Königs befindet sich eine schlichte Pslanzengruppe. Am Sonntag vormittag wurde vom Prosektor am Friedrichstädter Krantenhause, Herrn Geheimen Medizinal rat Dr. Schmorl, im Beisein der Herreit Leibärzte Geheimen Medizinalrat Professor Tr. Fiedler und Generalarzt Dr. belle im Sterbezimnier zu Pillnitz die Leiche des hochseligen Königs Georg geöffnet. Ter ärztliche Befund war folgender: König Georg litt an chronischen Vntzündiiiigsvorgüngen am Herzen, sonne an ErnährnngSstörnngen an diesem und an der großen Körperschlagader (Atherom). Ferner ergab die Sektion eine bedeutende Vergrößerung des Herzens. Hier durch wurden die Beklemmungen und asthmatischen Erschei nungen bedingt. Schließlich wurden durch die Oefsnung der Leiche noch Staunngserscheinnngen im großen und klei nen Kreislauf festgestellt. Tie Schwellung der Ertreinitäten war eine Folge dieser Erkrankungen. Von einem Tarm- leiden, an dem Se. Majestät wiederholt litt, wurden keine Merkmale konstatiert. Tie Sektion hat sonach die bei Leb zeiten des Königs von Herrn Geheimen Medizinalrat Pro fessor Tr. Eurschmann in Leipzig und von den Leibärzten gestellte Diagnose bestätigt. Am Sonntag nachmittag wurde die Leiche in dem mit Bildern von Mitgliedern des Hauses Wettin geschmückten großen Saale des Wasserpalais anfgebabrt. Ans einem Katafalk, umgeben von grünem Pslanzenschmuck, steht der vollständig mit rotem Sammet bekleidete und reich mit Goldstreifen verzierte Sarg. Ter König ist mit großer Ge- neralsunisorm bekleidet. Tas Haupt rnbt auf zwei weißen Atlaskissen. Tie Züge sind ernst, lassen aber die schweren Leiden des Entschlafenen nicht mehr erkennen. Vor dem Sarge liegen Helm, Tegen und Marschallstab: auf einem N»eißen Atlaskissen befindet sich ein herzförmiges Etuis, in dem das Herz des .Königs ruht. Links und rechts vom Sarge stehen je vier Armleuchter, an der linken Saalseite ist ein Altar errichtet. Tas „Armeeverordnungsblatt" veröffentlicht einen Befehl desKaisers vom 15>. Oktober, wonach für den König von Sachsen sämtliche Offiziere der Armee Trauer auf l-1 Tage anznlegen haben. Bei dem Ulanenregimcnt „Hennigs von Treffcnfeld" ialtmärkisches) Nr. 16 währt die Trauer drei Wochen. Politische Nxndscha«. Dcut»^land Trr erste deutsche Wohnungskvngrcß wurde heute mit einer Begrüßungsfeier eröffnet. Nach der Begrüßungs- ansprache des Vorsitzenden Prinzen von Schönaich-Carolath hielten Vertreter deS Reichsamtes des Innern, des Reichs- schatzaintes, der bahcrischen, badischen und hessischen Regie rung Ansprachen. Ein Kartell zwischen den Konservativen und den Nationallibcralrn wird bei den nächsten Landtagswahlen nicht mehr eintreten. Schon jetzt erklären die Nationallibe- ralen der Stadt Riesa öffentlich, daß sie bei der Wahl selb ständig Vorgehen würden, so daß von einer konservativen Kartcllkandidatur keine Rede sein könne. Wir begrüßen diese Entwickelung mit Befriedigung, weil wir sie zur Klä rung der Sachlage für nottvendig erachten. Da mit Sicher- heit zu erwarten ist, daß das Kartell zwischen den Konserva- tiven, den Reformern und dem Bu»ld der Landwirte cu»f- recht erhalten wird, werden die Nationalliberalen Gelegen heit haben, zu beweisen und zu erfahren. was fl« au» eigener Kraft vermögen. — Ei« de»tsch-»oest«frik«ifchr Bank ist dieser Tage in Berlin gegründet worden. Dt« Dresdner Bank hat die Sache in di« Hand genommen; die Reu-ründung soll zu nächst den Geldausgleich in Togo und Kamerun vermitteln. Man darf diese Gründung begrüßen, weil endlich da» Großkapital zu gunsten unserer Kolonien etwas in die Tasche greifen will. DaS Reich hat die vorbereitenden Schritte durch Genehmigung der Kolonialbahnen getan, nun muß daS Privatkapltal Nachfolgen. Der erste Schritt in größeren Maßstabe ist durch die Gründung dieser Bank erfolgt. DaS Zentrum halte also sehr richtig gehandelt, als es die beiden Kolonialbahnen genehmigte, um die Kolonien auf eine höhere Stufe der Entwickelung zu bringen. Was uns aber dort noch vielfach fehlt, sind tüchtige solide Kaufleute und ebensolche Beamte. — Gestern wurde in Tarmstadt der 14. Bundestag der deutschen Bodenreformer vom stellvertretenden Vorsitzenden Marsels-Berlin mit einer Begrüßungsansprache und einem Hoch ans den Kaiser und den Großherzog eröffnet. Staats sekretär Graf Posadowsky hat den Bundestag schriftlich seinen Tank für die an ihn gerichtete Einladung und sein Bedauern ausgesprochen, durch die Geschäftslage verhindert zu sein, einen Vertreter zu entsenden. Nach weiteren Be grüßungen erstattete der erste Vorsitzende Damasche-Berlin den Geschäfts- und Kassenbericht. Hierauf folgten Referate über gesetzgeberische Versuche zur Einführung einer Zu wachssteuer. — Große Empfindlichkeit legt ein früherer Stabsarzt der Reserve. Dr. Lachmann. an den Tag. Am 7. März d. I. haben im Reichstage die Abgeordneten Liebermann von Soimenberg und Bvckler gegen die jüdischen Soldaten. Offiziere, auch gegen die jüdischen Veteranen der letzten Feldzüge, die im Besitze der höchsten Kriegsehrenzeichen sind. Angriffe gerichtet. Die Abgeordneten haben die jüdi schen Soldaten der Kriegstüchtigkeit, Feigheit und Unlust am Heeresdienste geziehen. Weil nun der Kriegs minister nicht sofort für diese jüdischen Offiziere und Mili tärbeamte sich ins Zeug legte — derselbe antwortete aber auch auf andere Angriffe nicht — fühlte sich Dr. Lachmann in „seiner Ehre gekränkt" und bat um seinen Abschied, der ihm auch zu teil geworden ist; gleichzeitig beschwerte er sich gegen den Kciegsminister, hat aber bis jetzt keine Ant wort erhalten. Das „Verl. Tagebl." ist hierüber tief er- bittert und poltert gegen den Kriegsnünister. Wir meinen, wer so empfindlich ist. der soll ruhig seinen Abschied nehmen, denn er paßt nicht gut in das rauhe Kriegshand werk hinein. Die Reden der beiden antisemitischen Ab geordneten waren übrigens nur das Echo aus den Lob gesang, den der freisinnige Abgeordnete Eickhoff auf die Tapferkeit der jüdischen Soldaten anstimmte. — Die „Hut ab"-Angelegenheit iu Oldeuburg. Der Kriegerverein zu Arrum ist aus dem oldenburgischen Krieger bunde ausgeschlossen worden, weil er öffentlich erklärt hatte, er würde der Verordnung des Bundes, bei Paraden vor dein Großherzog den Hut abzunehmen, nicht Nachkommen. Obwohl die Form, in der Verein Arrum 'opponierte, allgemein gemißbilligt wurde, fand man den Ausschluß allgemein zu hart. Der Verein ließ nach der „Weser-Ztg." selber sein Bedauern über sein Vorgehen aussprechen und um Wiederaufnahme bitten. Dieser Tage hielten nun die Kriegervereinsvorstände in Oldenburg eine Konferenz ab. Der Vorsitzende verlaß einen Erlaß des Großherzogs, in dem bestimmt erklärt wird, daß der Landessürst das Pro tektorat niederlege. falls man seinem Wunsche betr. „Hut ab" nicht Raum gebe. In ihrer großen Mehrheit nahm die Versammlung trotzdem gegen das Hutabnehinen Stellung. Man ging ziemlich resultatlos auseinander. Die Vor- sitzenden wollen ihre Vereine mit dem Erlaß des Groß- herzogs bekannt machen und der Vorsitzende hat dem Groß herzog über die Verhandlungen Bericht zu erstatten. Was dann daraus wird, steht dahin. Jedenfalls gibt es keine Revolution! — In der Landtagsersatzwahl im Kreise Pleß-Rybnik ist bekanntlich daS Zentrum unterlegen und zwar deshalb weil die sogenannten Nadikalpolen in der Stichwahl mit den Konservativen. Nativnalliberalen, Antisemiten und dergl. beinahe durchweg gegen den Zentrnmskandidaten Tr. Stephan und für den Vertreter der antipolnischen Schulpolitik, den Krcisschulinspektor Rzernitzek ge stimmt baben. Für das Zentrum war, vor allem wegen des Kandidaten, bei dieser Wahl die Feuerprobe zu bestehen. Derselbe pertritt nämlich einerseits offen und entschieden den Standpunkt des Zentrums, daß der polnischen Bevölke rung die Muttersprache und die Nationalität erhalten wer den muß, und ist insofern ein gehaßter Gegner aller Haka- tisten, andererseits verurteilt er rückhaltslos die unmorali sche und unchristliche Politik Korfantys und Genossen, wie er sie in seinem vor kurzem erschienenen Werke: „Der Beu- tbencr Prozeß im Lichte der Wahrheit" mit vieler Mühe klargestellt hat. Darum wurde in unglaublicher Weise gegen seine Kandidatur agitiert. Seine Erklärungen in den Zei tungen, seine Artikel, zum Teil seine Reden wurden mit einer unglaublickum Spionage überwacht, jedes Wort zu gunsten der Polen wurde als „Unterstützung staatsgefähr- lieber Bestrebungen, als Derbrüderung mit dem inneren Feinde, als Billigung der polnischen Tücke" hingestellt. Lehrer erhielten amtliche Zuschriften desselben Inhalts, vom Landrat von Plcß und dem Fürsten von Pleß ab hängige Leute, wie die über 200 Lehrer, Gemeinde- und Amtsvorstcher, Gastwirte, Steiger, Obersteiger, Rendanten und dergleichen glaubten sich fügen zu müssen. Es ging ja gegen die polnische Gefahr, die man mehr im Zentrum als im Radikalpolonisinus witterte, da man dessen Kandidaten kaum ernstlich angriff. Was ans der polnischen Seite ge leistet wurde, übersteigt alles, was man sonst gewohnt ist. Der Zcntrnmskandidat wurde als der allerschlimmste Ha- katist, als der Hauptfcind der Polen hingestellt. Korsanty hatte seinen ganzen Gcneralstab schon am Abend vor der Wahl nach Sohrau in Oberschlesien gebracht. ES kam zur Wahl. Der Landrat stand pflichtbewußt neben dem Wahl- tisch, sah sich genau die Wahlmänner an und notierte. Mer ihm folgte und wer nicht. Ja, es wurde das offen auSge- sprachen. Ein Zentrumsmann, der neben dem Landrat stand, hat die Worte gehört: «Merken Sie sich den Ma»»k" LlS die Radikalpolen sahen, daß das Zentrum gegen den Kandidaten der Hakatisten einen Vorsprung hatte, so ver bündeten sich die Patrioten und die „polnischen StaatSver- räter", die bisher getrennt gegen Dr. Stephan kämpfte», um das Zentrum zu Falle zu bringen. Es ist ein Irrtum, wenn gesagt wird, die Radikalpolen hätten sich geteilt in Konservative und Zentrum. Das Zentrum hatte in der Stichwahl außer wenigen Ausnahmen nur die Stimmen der Katholikenpartei erhalten, deren Parole war, auf alle Fälle dafür zu sorgen, daß kein Gegner der Polen durch kommt. So endigte die Wahl mit einer Verbrüderung der beiden Extreme, der polnischen Hakatisten und der deutschen Hakatisten. Ob der beabsichtigte Protest wegen der Wahlbeeinflussung etwas erreichen wird, bleibt abzuivarten; aber das steht fest, daß die Sache des Zentrums durch einen solchen Ausgang außerordentlich viel gewonnen hat, vielleicht niehr gewonnen hat, als wenn Dr. Stephan gewählt worden wäre. Es ist konstatiert, daß das Zentrum mit seiner Polenpolitik den wirklich gefährlichen Polen als der schlimmste Feind gilt und deshalb wohl Recht hat, daß die hakatistische Politik ihnen lieber ist und nur zur Verstärkung ihrer Scharen beiträgt. Die Wahl Rzernitzeks ist für daS Zentrum ein außerordentlicher Sieg. Korsanty unter den Rädern. Ter radikalpolnijche Abg. Korsanty hat den Redakteur eines oberschlesischen Zen- trumsblattes wegen Beleidigung verklagt, weil derselbe be hauptet hatte, Korsanty habe früher für sozialdemokratische Zeitungen geschrieben. Der Ausgang des Prozesses war ein höchst blamabler für Korsanty. Der Sozialdemokrat Franz Morawski sagte unter Berufung auf einen Zerigen- eid aus, er habe im Jahre 1896 in Berlin, wo damals die „Gazeta Robotniza", das polnisch-sozialdemokratische Par teiorgan, erschien, zum Korrigieren der Artikel einen pol nisch sprechenden Studenten gesucht und auch gesunden. Als er diesem eines Tages wieder eine Arbeit zum Korrigieren in die Wohnung brachte, fand er einen anderen Studenten, den jetzigen Reichstagsabgeordnetcn Korsanty bei dem Par teigenossen. Korsanty beteiligte sich an der Korrekturarbeit — es handelte sich um den Maifeier-Artikel — und als er fertig war, kam er mit Morawski in ein Gespräch, besten Inhalt diesen in der Ueberzeugung befestigte, es mit einem Gesinnungsgenossen zu tun zu haben. Korsanty konnte diese Tatsache nicht in Abrede stellen: er behauptete, daß er nicht im sozialdemokratischen Sinne mit Morawski sich unter halten habe: letzterer aber blieb bei seiner Aussage. Dev angeklagtc Zentrumsredatteur wurde freigesprochen und Korsanty hat die Kosten des Prozesses zu tragen. Aber auch die moralischen Kosten! Wir kennen Korsanty seit einem Jahre persönlich; uns hat es deshalb gar nicht überrascht, daß der Prozeß diese Wendung nahm. Man lese doch nur einmal die Korfantyschen Reden im Reichstage; sie sind ganz und gar von sozialdemokratischem Geiste getragen; er ver tritt hier nicht nur den Nationalitätenhaß. sondern auch den Klassenstandpunkt. Ob Korsanty von der „führenden deut schen Oberschicht in Oberschlesien spricht oder ein Sozial demokrat von den „oberen Zehntausend", darin finden wir keinen Unterschied. Für Korsanty aber mag es schlimm sein, daß er nur vom Gerichte bestätigt erhält, daß er seit her Mitarbeiter der sozialdemokratischen Zeitungen war. Diese Seelengemeinschaft zeigt sich auch heute noch; wir könnten Erlebnisse aus dem Reichstage mitteilen, wo ein bekannter Sozialdemokrat polnischen Abgeordneten in größ ter Liebenswürdigkeit Tribünenkarten verschaffte. Solches Entgegenkommen findet man sonst nur unter befreundeten Fraktionen! Aber der Abg. Ledebour, dem das Gehen sonst recht schwer fällt, ließ es sich nicht nehmen, Tribünenkarten bis zur polnischen Fraktion herübcrzutragen, wo er mit der größten Freundlichkeit, die über die gewöhnliche Kollegiali tät weit hinausgeht, ausgenommen wurde. Korsanty ist nicht der einzige in der polnischen Fraktion, der der Sozial demokratie nahe steht. — Ter Bremer Sozialistentag wird von dem sozial- demokratischen Abgeordneten Lindemann, dem Verfasser des Kommuualprogrammes, scharf kritisiert. Er tadelt es ins besondere, daß so viele Anträge eingcbracht werden, womit die Zeit verschwendet wird. Auch die Behandlung des Falles Schippel mißfällt ihm. Sei man der Ueberzeugung ge wesen, daß Schippel im Grunde seines Herzens nicht mehr Sozialdemokrat sei, so wäre nicht nur die Resolution ange bracht gewesen, die seine Zweitdeutigkeit auf das schärfste mißbilligte, sondern dann hätte sogar die Frage des Aus schlusses ans der Partei in Frage kommen können, wenn letztere schwer dadurch geschädigt würde. Dieses sei aber tat sächlich der Fall gewesen, und wenn sich der Parteitag nickt zu letzterem Schritte verstehen konnte, sondern Schippel unter anderen nur die eventuelle zukünftige Notwendigkeit einer Mandatsniederlegung ankündigtc, so zeigt dies eine Halbheit des Parteitages, über den zuletzt Schippel als mo ralischer Sieger triumphierte. Recht unwillig ist Linde- mann darüber,, daß das so wichtige Kommunasprogramm zu kurz kam. Ebenso unzufrieden ist er damit, daß man dis Schulfrage in Bremen nicht erörtert habe, zu der Stellung zu nehmen schon jetzt eine politische Notwendigkeit gewesen sei. Ob unter diesen Umständen der Parteitag Arbeit von bleibendem Werte geschaffen habe, darüber könne erst die Zukunft entscheiden. Das einzige, was er am Bremer Par teitag loben kann, daß „Bremen kein Dresden" gewor den sei. Tester» ei rh-Nnqarn. — Wie „Los von Rom"-Bewegung gemacht wird. Nicht genug weiß man auf protestantischer Seite von der riesigen Ausdehnung der „Los von Rom"-Bewegung zu rühmen. Einen recht bedenklichen Eindruck macht aber nachfolgendes, beim Stadtrat zu Graz am 7. Juli d. I. aufgenommene» Protokoll: „..Ich erhielt Ende Mai 1904 die Rubrik de» Stadtrats Graz. Z. 70 420, zugestellt, wonach mein Aus» tritt aus der römisch-katholischen Kirche zur Kenntnis ge nommen wird. Da ich jedoch niemals eine solche Austritt»- anzeige geschrieben oder unterschrieben habe, bitte ich m» Erhebung, wer meine Unterschrift nachgeahmt, bezw. ge» fälscht hat." Diese Aussage hat eine Dame gemacht, di« man oh» ihr Wissen und Wollen «deikehrt" hatte, und. wir müssen zugestehen, mit Recht darüber empört war. Biel-