Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 13.11.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189211132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18921113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18921113
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-11
- Tag 1892-11-13
-
Monat
1892-11
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 13.11.1892
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Wese verbreitetste unparteiisch« tägliche Zeitung kostet monatlich 2S Pfg. in Ehemnitz frei i»S HauS- Mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch lostet der tägliche „Anzeiger" monatlich 85 Psg. (in Chemnitz frei i»S Hans); außerhalb Chem nitz Zntragcn monatlich 1b Pf. Bei der Post ist der Anzeiger nur «Nit dem Extra-Beiblatt« Lustiges Bilderbuch zu beziehen für 85 Psg. monatlich. (Nr-5580 10. Nachtrag zur Postliste.) Telegr.-Adresse: Generalanzeiger. Fcrnsprechstelle Skr. ISS. Sächsischer Landes- -n - r a l fiio Lhemttitz er g er W Anz - rg - r ttmgegend. «uzrigenpreis: Sgespakte« LorpuSzeile (ca.S Silben fastend) oder deren Rani» 15 Psg. — Bevorzugte Stelle (Kgespalten». Pelitzeile ca. l l Silben sasteud) 30 Psg. Bei wiederholter Auf nahme billiger. — Anzeigen können nnrbisVorinittag lOUHr angcnounne» werden, da Druck und Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. Ausgabe: Wochentags Abend» (mit Datum des nächsten Tage»), — Die Anzeige» finden ohne PreiSansschlag zugleichBer« breitnng durch die Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Nr. 265. — 12. Jahrgang. Verlags-Anstaltl Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstraße 6. j Sonntag, 13. November 1892. Chemnitzer Stadt-Anzeiger. Dl» Freunde „iis«r«S Blatt«» w«rde» ««sacht. >n>» »»lchtig« V«g«ln»helt-i» gütlgst oillz»»«,!«». Chemnitz, 12. November. — Stadt-Theater. Am 17. November wird das Schauspiel «Fürst und Bürger" von Prof. Or. Ohorn anfgefi'chrt worden. — Am 21. November wird Herr Regisseur OScar Borchcrdt vom Stadt-Theater in Leipzig in dem dramaiischeu Gedichte „Nathan der Weise" in der Titelrolle gasti'reu. — Voraussichtlich dürfte die Erst- Anfsührnng dcr Brütt'schc» Oper „Gringoire", die in Leipzig mit großem Beifall ausgenommen wurde, am 25. November erfolgen. * SluS Sem Fenster gestürzt. Heute früh in der neunte» Stunde stieg in dcr im zweiten Stockwerk gelegene» Wohnung eines Hauses dcr Concordieusiraße ei» 2 jähriges Mädchen, als die Mutter die Wohnstube für kurze Zeit verlassen hatte, ans das Fensterbrett und wollte zum Fenster hinausseheu, bekam hierbei das Urbergcwicht und stürzte auf die Straße hinab. Das bedanernswerihe Kind erlitt dadurch einen Schädelbruch, sowie Brnch der linke» Oberarmes und Eine schwere Gehirnerschütterung. Am Auskommen des Kindes wird gezweifelt. —* Unfug. Vorgestern Nachmittag vergnügte sich i» der inneren Klosterstraßc ein angetrunkener Mann, ein Schneider ans Böhme», damit, Geschäflsplakate von eine», Hause herunterzureiße» l'.ud auf de» Plattensußweg z» werfe». Ei» Schutzmann bemerkte de» Unfug »nd sistirle dea Mensche» nach dcr Wache. —* Von einen» Geschirr »mgeriffe». Ein Arbeiter, dcr vorgestern früh auf der Köuigstraße i»it Straßenkehren beschäftigt war, wnrde von einem einspäniitgcn Flcischergeschirr »mgerisse» und erhielt dadurch am rechten Oberschenkel eine starke MnSkclvcrstanchnng, die ihn arbeitsunfähig machte. Da» Geschirr soll übermäßig schnell ind auf der linke» Seite gefahren sein. — Krakehler. I» der Nacht zum Jahrmarktsdiensiag waren zwei junge Männer vor einer Schankwirthschast au der Friedrichstraße, ans welcher sie heran-gekvmnicil, mir einander i» SKci't gerathe». Der Eine derselben erhielt hierbei von dem Ander» mit einem Stock einen Schlag über den Kops und wurde zü Boden geworfen. Ein Schutzmann trennte die Streithähne und stellte die Ruhe wieder h — In Alteudorf ist heule früh 2 Uhr das Schcniiengebände des früher Zimnicrmann'schen Gnies und um 5 Uhr das Schuppe» gcbäudc desselben Gutes »iedergebraiint. Ueber die Entstehung- Ursache der FcnerS ist bi- jetzt noch nicht- bekannt. Mosetto. Da er bckanntist, daß Herr DirectorBeyrcntlicr, Besitzer des Mosclla, weder Mühe »och Kosten scheut, wenn cs nilt, etwas Neues z» bieten, oder ANcs, was rege» Anklang findet, zu erhalten, so ist cs ihm wiederum ge lnugcn, für noch 2 Tage den Altmeister der Dressur, Mstr. Barum, mit seiner Meute Ulmcr Doggen zu gewinne». Minka Brassely, die preis gekrönte Schönheit, scheidet ebenfalls ans dem Repertoir, da dieselbe einem ehrenvolle» Rufe nach Budapest tRcdonlensäle» Folge leisten »mß. Wer sich die kühne Grote-koamc, welche aus schwindelnder Höhe den sogenannten Laviuenstiirz nussührt, noch nicht angesehen hat, rersämnc cs ja nicht. Miß Ophctta mit ihren gclebrtgcu CacadnS tritt ebenfalls zum letzten Mate ans, ebenso die kleinste Sängerin der Gegenwart Miß Lola. Alle obengenannten Personen haben es verstanden, die Gunst dcS hiesigen Publikums zn er werben, und cs sei ihnen ei» baldiges Wiedersehen zngcrnscn. Ne», zum ersten Male, tritt a»i dcr russische Asienmensch EgolinSky mit seinen eigenartige» Productioucn am perpendikulären Seil, die urkomischen Knakaboms To»>- b oni und Need, genannt die lebende Metarniorphose, sowie dcr kleinste Tcavczküiistler und hervorragende Turner Little Wvlli. Im Programm „«bleibt die weltberühmte Consta»zc-Consta»teSl>>-Tr»ppe, genannt ne Madatorc der Akrobatik. Dieselben arbeiten mit Eleganz und biete» eine Vielseitigkeit, wie man sie hier noch nicht gesehen hat. Die Jkarischen Spiele mir chincsi'chen Tonnen sind einzig in der Anssührnng. Daß die hübsche Soubrette Flora Flenrctte, sowie dcr beliebteste Universal-Hnmorist Herr P. F ü li ch im Repertoir verbleiben und dosselbe vervollständige», ist wohl mir anzuerkenucn. Eine» würvige» Schluß des Programms bilce» die Marmor bilder mit Drumoad'sche , Lichteffecten, ebenfalls in großartiger Ausführung. Also wer einige geaußreichc Stunden erlebe» mag, eile »ach Mosella; für jeden Eeichmack, auch den verioohinesten, ist bestens Sorge getragen. Sonn tag Rachmittag findet eine FamilienvorstcUung statt, zn welcher jeder Er wachsene das Nechc hat, ein Kind frei cinznführcn. Da in,» das Programm bei derselben genau jo reichhaltig ist, als bei der Abendvorstellung, so lei dcr Besuch derselben namentlich dem answärligen Publikum angelegentlichst emvsohle». —8. Frau Di'. Wettsteil» als Fabeilarbeitevin i»» Chemnitz. (Auszüge nns dem soeben erschienenen Buche: „3>/z Monate Fabrik arbeiterin", k. Wie wir i» unserer lctzlen Nummer schon miltheilien, hat die Gattin cine» Juristen, Frau Or. Minna Wettstein-Adelt aus Charlvlteitburg, im vergangenen Frühjahre als Arbeiterin einige Zeit in Chemnitz gelebt und die Erfahrungen, die sie als solche ge sammelt, in einem Merkchen »icdergeschricbcuB-'welchcs soeben unter dem Titel: ,,3'/s Monate Fabrikarbeiterin" erschiene» ist (Verlag von I. Leiser, Berlin A). Die Verfasserin beabsichtigt mit diesem Buche, einen Beitrag zur Franenfrage zn geben, weicher die Bewegung auch in den „unteren Schichten" behufs „Gleichberechtigung mit dem Mann" fördern soll. Die Anregung zu ihrem Handeln hat ihr das bekannte Buch von Paul Göhrc: «3 Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbnrsche" ge geben; ebenso wie nun Göhrc seine Erlebnisse innerhalb der Chemnitzer Arbeiterschaft schildert und seine Ansichten darüber niittheill, so beschreibt-auch Frau Or. Weitstem ihre Erfahrungen innerhalb der Chemnitzer Arbeiieriiiucnschaft und zieht Schlußfolgern»^» au-s den selben. Aber eS sei gleich von vornherein ausgesprochen, daß das Buch von Paul Göhrc »»gleich mehr Werth besitzt, als die Schilder ungen der Verfasserin, ganz abgesehen von dem verschiedenen Stand punkt, von dem aus die beiden Verfasset das Thun »nd Treibe» der Arbeiter benrlheilen. Neben inanchem Wahren finde» sich den» dvch ehr v'ele übertriebene Anschauungen und sehr eigenthümliche Schluß folgerungen in dem Werke der Verfasserin, mit denen wir uns absolut nicht ci» verstanden erkläre». Was uns Frau I)r. Wettstei» in ihrer Studie bietet, ist größtentheilS ein ödes, düsteres Nachtstück, von dem mau sich mitunter mit Graue» cibwendet und das lheilweise so „schwarz i» schwarz" erscheint, daß man sich wirklich fragt, ob eine glücklich verheirathele Dame und die Mutter eines dreijährige» Töchtcrchens Derartiges geschrieben haben kann. Die Absicht, Stimm nng zn mache», tritt mehr als bcullich hervor, die Darstellnngsweise ist zuweilen derart realistisch und schlüpfrig, daß wir cs uns versage» müssen, der Verfasserin anf gewisse heikle Punkte zu folgen, geschweige gar, ihre Ansdriickswcisc — die bei einer Dame »»> so mehr ver wundert — wiederzugcbc». Wir habe» in iliiscreni Blatte stets den Ton zn wahren gesucht, den ein für Familien berechnetes Blatt ein- halicn muß, und wir müsse» nns deshalb auch versagen, diese Punkte näher zn berühren. Aber gesagt muß denn doch werde», daß Zola sammt seine» Nachtretern diese Studie einer Dame noch als Studie benütze» können. Einen reichen, interessante» Stoff bietet die Verfassen», der uns Chemnitzer insvlge des Localcolvrits noch ganz besonders z» fesseln vermag. Wir werden zunächst Einiges aus den Abhandlungen wieder- gebe», ohne nns vorläufig anf gewisse Einzelheiten, Anschauungen und Schlußfolgerungen näher ciiiznlasscn, behalten uns vielmehr eine ein gehendere Besprechung dcr Minna Wetlstein'jchen Auslassungen bis zum Schluffe vor. Nachdem sich Frau vr. Weitstem behufs Verwirklichung ihres Plancs, als Arbeiterin imtcr Arbeiterinnen zn lebe», vergeblich in Berlin cm die Direciio» dcr fiscalische» Betriebe, an cine Gewehr- nnd eine Pulverfabrik, sowie an den Kriegsminister mit dcr Bitte ui» Arbeit gewendet hatte, trat sie schließlich als Arbeiterin in cine Berliner Fabrik ei»; allein da sie dvrt, wie sie angiebt, nicht das gewünschte Material finden konnte und ihr um eine typische Arbeilerbevölkernng zn thim war, wandte sie sich nach Chemnitz. Unter dem Namen „Minna Hcrtzog" hat Fra» vr. Weitstem in Chemnitz in vier Fabriken verschiedener Branche» gearbeitet, sowie weiter in einer Fabrik ans dem Lande, um die Landarbeiter- bcvölkernng und die Hausindustrie kenne» zu lerne». Lasse» wir mmmehr die Verfasserin selbst erzählen: ..LulSN Po» Berlin n»s baue ich in einer dcr größie» Chemnitzer Stramps- sabriken Arbeit gefunden';' imr dtN' AtMuk -Md - der «iriri«») ve» Betriebes wußte», wer ich war. ^ An einem schönen FtühliiigSmorgeii- »lachte ich mich zum ersten Mal, als Arbeiterin cieklcidet, auf den Weg zur Fabrik. Hochklopfcnden Herzens betrat ich die Comtoirränuie, de n jl»i»en Mann, der herablassend »ach meinem Be gehr frnsi, antwortend, ich sei vom Director als Arbeiterin cngagirt worden. Der alsbald iiinzngernfcne Director führte mich durch »ichrcre Zwischen' gebände in einen Saal im ersten Stockwerk der Hinterfront, wo die Hesler> innen beschäftigt sind. Ich wnrde vom Ansschcr, einem große», hagere», aber noch ganz junge» Manne, an einen Tisch gewiesen, an welchem etwa fünfzehn Mädchen snßc» »»d Hcrreusocke» heftete,,; dcr einen derselbe» wnrde ich als Lehrmädchen übergebe». Meine Lehrmeister!» war äußerst wortkarg; sobald sie sah, daß ich ortent.ich nähte, kütiinicrie sie sich nicht »icbr »>» mich. Ich ließ die Dinge einfach a» mich herantrAen, weil ich nicht wußte, wie ich mich zu benehmen hatte. — — — — — — — — — — — — — — — Ich hatte mir ei» Marche» jchon vorher ziisaininengcstellt. Als sie liörlcn, ich sei bis jetzt Putzmacherin gewesen, drängte sich jecc srcundschaftlich an mich, cine-icde hatte einen Hut, den sie modernisiert habe» wollte. Dieser Umstand hat mir Zutritt in alle Arbeiterfamilien verschlisst, da ich inanchmal an einem Abend zn vier oder fünf Müd t e» ging, ihnen ihre Hüte anspntzte und dabei Einblick in ihre intimste Hänslichlcit gewinnen konnte. So oft ich die Acbcftcciuuc» der einen Abthcilnng gründlich kannte und von ihnen iiichiS Weiteres zn „lernen" war, verständigte ich de» Director der mich alsbald in einer andere» Abthcilnng imicrbrachtc. So kam es, daß ich in Monaten inehr sah n»d hörte, als andere Arbeiterinnen i» einem Jahre erfahren würden. gast alle meine Arbcftsgcnojsinncti waren ans Chemnitz gcbüriigt oder doch wenigstens a»S Sachsen; in dcr ganzen lange» Zeit fand ich nicht eine, die ans einer andere» Provinz Deutschland- stammte. Deswegen auch be tonte ich in mcincnl Borwoct, daß ich nur vo» dcr sächsischen Arbeiterin svreche. Ich fand ganze Familie» i» derselbe» Fabrik, den Vater als Maschinen meister, Pottier oder Hausknecht, Söhne und Töchter, Nesse», Nichten und Tanten als Fabrikarbeiter. Am schlechtesten wurden die Frauen i» der Strnnipsfabrik gezahlt, wo nia» überall ans Accord arbeitete. Hier verdiente» die Heftcriniic» z. B. 5—6 Mark im Durchschnitt, »nd wenn viel söge »annie Brechwaare (Strümpfe, die ziisammengcfallct, nicht zitsainineugeheftcl werden) in einer Woche hergestcllt wnrde», io verdiente» wir wöchentlich 2,50—3 Mark. Natürlicher Weise äßen wir dann stmilcnlaitg müßig da; die meisten aber schienen für solche Fälle gewappnet zn sei», denn sie führten eine Handacbcit bei sich, meist Häkeleien oder Spitzen in schmutzigstem Zustande. In dcr großen Saison sollen aber die tüchtigen Heftcrmnc» bis zn O Mk. pro Woche verdienen. Für 10 Dutzend Sirümpse erhielten wir 19 Pfennige; wer am frechste» war »nd den ans dcr Appretur kounnctlde» Mädchen die ineisten Strümpfe abnahm, hatte immer Arbeit. A» meine»« Tische z. B- gab es ei» bleiches, inagcrcs, eben erst ans der Schule cMlasscncS Mädchen, das wegen seiner Habgier allgemein verhaßt war; sie hatte itnnicr einige Dutzend Strümpfe vor sich liegen, von denen sie aber auch nicht ein Dutzend den andern abgetreten hätte; und doch vernaschte diese ihren halben Verdienst. Eine junge WiNwe dagegen, die nmnittclbar neben mir saß und zwei kleine Kinder zu Hanse hatte, trat nur oft ein oder zwei Dutzend ihrer Strümpie ab, weil sie glaubte, ich sei in großer Noih. An einem Mittwoch Nachmittag kam dcr Ansschcr an »usern Tisch »nd erklärte nns in dürren Worte», wir seien für dieje Woche entlasse», da mir Arcchwaare in Arbeit sei. Ach, welcher Jammer herrschte da! Die meisten hatte» erst 60 Pfennige bis zn 1,20 Mark verdient und tollten ihre -1 bis 6 Mark Kostgeld wüchcnilich entrichte». Besonders jene Wittwe war äußerst unglücklich; sie Halle seit vierzehn Tagen »nr Kommisbrot und schwarzen, bitteren Kasfce genossen, dcr den Namen Kaffee mit Unrecht führte, und »»» ehlte ihr selbst dies. Auch ich spielie die Niedergeschlagene, so gut ich konnte; und da will ich gleich einer k einen rührenden Episode gedenke», die ich an jenem Tage er lebte. Die Mädchen i» den andern Säle» hatten von dcr Entlassung der Hcslcrinuc» gehört und standen nun gruppenweise beiiamme», über die schlechten Zeiten schimpiend, die auch ihnen den Erwerb nehmen konnte». Al» ich au ihnen vorüber die Treppe himinterging, ries mich die eine, ein mir bis dahin gänzlich fremdes Mädchen, an: „Sie sind wohl jetzt auch in Noih ?" meinte sie theilnehmend; „Sie haben gewiß Ihr letztes Geld auSgegeben, »in hierher zu komme», und nn» finden Sie nicht ciinnal Verdienst, das ist hart! Ich habe selber nicht viel, aber etwas kan» ich Ihne» schon borgen, vielleicht giebt Ihnen eine andere auch »och was dazu." Damit griff sic in ihre Kleidertasche und reichte mir — einen Nickel! Ich war sprachlos vor Rührung und nahm »nr stumm das Geldstück, das ich ihr am nächste» Zahltag wieder zurückgab. — Gleich darauf traf ich im Hofe mit einer anderen Hesterin zusammen, die mir den Vorschlag »»ichie, mit ihr zn gehe» und n»S anf ZcitiiiigS- inserate hin Arbeit z» suche». Ich willigte »nr zu gern ei»; allein in beiten Striimpsgeschäfte», wo wir aiisrngen, erbielt ich — glücklicherweise — ab schlägigen Bescheid, während meine Begleiterin iiu zweite» Geschäft zur ANS« Hülse angenommen wnrde. Die Hestern»,«, wäre» diejenige», die am schlechteste» standen; di« übrige»: Sortiererin»«», Wäscherinnen und Stopferinnen verdienten im Durchschnitt 8 Mark i» der Woche, die Mädchen, die in der Appretur be schäftigt waren, bis zu 10 Mark; das war aber das Höchste und selten an- zntresseiibe, da die Arbeiterinnen in der Appretur meist jahrelang dort arbeitcn müsse», ehe sic diesen Lohn erhalten. Allgemein abcr wurde auf Accord gearbeitet, was die Fleißigen lebhaft bejürworlete», die Faule» »»irrend i» den Kauf nahmen. r Z> Unter diesen Umstanden natürlich herrschte eine ewige Borger« unter den Mädchen; wehr als 15 Pfennige aber verborgte keine. In >vielc» Fälle» ocrborgtcil sie auch ihr Mittag- oder Vesperbrot, d. h. wer zn viel halt«», borgte einer ander» Brot oder Kartoffel», wofür diese am nächsten Zahltag« 3 bis 7 Pfennige entrichtete. S-, ) I» der Weberei, in welcbcr ich Beschäftigung gefunden halte, herrschte erst seit kurzer Zeit das System dcr Akkordarbeit; cS schien bei allen lebhaften Beifall z» finde», weil die Mädchen dadurch mehr verdienen konnte»: merk-' wllrbigcrweise waren diese rohen und frechen Weberinnen ganz bedeutend fleißiger, denn die gesitteten Haiidarbcftcrinuen. — — — — — — In den Webereien verdiente» die Mädchen durchschnittlich 10—12 Mark pro Woche, ja, meine Nachbarin auf dcr Webeuiaschine, die außerordentlich geschickt und fleißig war, verdiente bis zn 18 Mark wöchentlich. Cie webte gewöhnlich Teppiche von 1 Meier Breite nach türkischem Muster, und davon im Tage 4 bis 5 Meter, je »ach dcr Einfachheit dcS Musters. Sie war aber auch stets die letzte, die den Saal verließ und die erste, die wieder arbeitete. Die Landarbeiteriniie» sind merklich besser daran, denn die ander»; fast alle Mädchen nehme» hier 10 dis 16 Mark pro Woche ein »nd gebe» gewöhnlich den Ellern 2 Mark Kostgeld. Die meisten dieser Arbeiterfamilie» besitze» ei» egenes Hänschen, ans 2 Stuben, 1 Kammer und 1.Küche bestehend; so fällt die Sorge für den thenren Mithszins weg »nd erleichtert wescuilich das Budget des Haushaltes. Die Hausarbeiten»»«! sind gewöhnlich Handschnhsteppcniincn, die bei 6- bis Windiger Arbeit 2 bis 3 Marl verdienen. Meist sind cs Franc», die schon als Mädchen in ber Fabrik gearbeitet haben und nun, durch eine Horde hungriger Kinder znm Erwerbe» wieder gezwungen sind. Fleißige Frauen »iiterhaltcn de» Haushalt ost anf diese Weise zur Hälfte, ja im Winter, wenn die Männer zeitweise arbeitslos sind, vollständig allein." (Fortsetzung folgt.) > Drahtnachrichten nnd letzte Meldungen. Chemnitz, 12. November 1892. Hamburg. Der Nevierförster Scharnweber wurde veryaszki, he» ausgestellt hat, vatz er den Schuh macher Witthitft, vei« er aus Versehe» für eine» Will,- diel» gehakte», erschösse» hatte. Hamburg. Heute verliehe» 2t Dampfer mit voller Fracht de», hiesige» Hase», Vie sämmtlich »ach über- sceischeu Pläheu bestimmt siud. Mü»che», »luter eiugeheuder Begründung richtet der bayerische Brauerbund eine Petition au das Finanz ministerium um Bermei,düng bei der Staatörrgteruug, das; bei Neuregelung der llebetgangssteuer des bayerische» Bieres nach Staate« der norddeutsche«, Brausteutr-Grmkiu- schaft eine gleichmähige Besteuerung des eingeführteu Bieres mit dem dort erzeugte,, Biere hergestellt und keinesfalls bei eNvaiger Erhöhung der „orddcntschen Braumalzstcuer im gleichen Veryältnitz auch die Neber- gangsabgabe erhöht me,de. Washington. Es gilt als Regel, vast „ach Ein treten eines Regierungswechsels nur der Senat ein- berufen wird behufs Bestätigung der Mitglieder des Eabinets und der diplomatischen Bertretcr des Ans tandes. Gegenwärtig aber glaubt man allgemein, datz eine Einberufung beider Häuser erfolgen werde, da es sich bei de», Wahlen „m Fragen der inneren Politik ge handelt hat. iwoc'llich: slle Dänisch-». Oki'INch-, und FkaNcktoutsNsHk» Inline T»«tg Nil Sächsisches: Franz Gtltzc; „ir den übrigen Thcil dcr Berlege»; scililmUilh ill ElielNutl Ksimmt Hchttjttllmt empfiehlt ff. Biere: Vievliv» (hell), s«t« ILitoleo. Rllt1UA8tl8vI» I»» 4>»«»l>vn»vnt. Hochachtungsvoll 17. 8el>nvl«»'. Achtung! Ich warne vvr zwei gefährlichen in dieser Stabt und kann Jeder mann AnSklnist erhallen bei M. WeiSflog, Augnjl»sburgerstr. 21. Ei» Kind wird in gniePflege ge geben. Zn erf. Blankenanerstk.4, II. Ein Bäckerbuch ist verl. worden. Abzngebe» Josesinenstraße 6, Part. (ZÜc Ailsbcwahlllilg und siiü.lscildlliig nicht e»bete»ler Matt>lic»lvte wnd nickt aebiilLt-iE VllI!lMI'8tSIil!I. Kk8,ll1l!llkit8ri1lög8 i>. V in klmiliiir, gell?. M8. <1. ?t»1n»l,vilv«r»viiu.) Nlittrr««!», cioir 16. Hovsmkar, irr 6or 24. dLshölieiiä in unck slnkanF i/z8 1)1,r. 8z»vi8vi»»iit»-Irv»» «>» 2 SIui-lL, clio nilsin rur Hisiliiaiims am i?s8ts der'eslrtnAon, vsrircrrrksn Isis Idi«»8tnjx, äeu 15. ci. 51., ^i>ei,ä ciis Horns,, Idr»i»l«I, 51s„stiic1tsr ülarlri: 9, I^Ii. I-. SI«ü«8, I?08tstr!,88s 43, d'rmsur 'II,sntsr8tra.886 58, Otto Ill«88vl, Loniisnslncsss 17,1-stLtersr ltusi, kür vegeimrimodo 8psiss>,. rkiiirsieiisr LstlioiliAunßs lackst ein Eine echte Gra».-Broche ist DienSt. Ab.verl w. Abzug.Josefizuußr
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite