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Uretäag de« v> August 1VL1 Sächsisch« «ol»»»eit»»§ «L 17S. «eite » Hierauf wurde dem französischen Botschafter unter dem Hb. Juli »in, schriftliche Antwort erteilt. In diese« «rktärte di« deutsche Rcyierung, sie habe e» im Hinblick auf di« große Verantwortung, die sie mit ihrer Antwort auf die Forde rung der französischen Regierung übernehme, für ihre Pflicht gehalten, ihrerseits bei den beteiligten Regierungen anzusragen»- ob auch diese einen Truppentransport nach Oberschlesien ver- lrngcn. Die deutsche Negierung machte in diesem Schreiben daraus aufmerksam, daß sie dies».» Schritt als ein besonderes pichen ihrer absoluten Loyalität betrachte, die in Oberschlesien die Okkupationsmacht auSüben, und knüpfte hieran die Hoff nung, das; die französische Negierung die Motive, von denen die deutsche Negierung sich in dieser Frage hatte leiten lassen, ver siehe» und würdigen werde. Da inzwischen die Ansicht ausgesprochen worden war, das; .die Entsendung der britischen Verstärkungen nach O b e r s cki l e s i e n im Mai d. IS. einen Präzedenzfall für die französische Forderung darstelle, lenkte die deutsche Regierung gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die deutsche Note vom !>. Mai d. Js., aus der sich zweifelsfrei ergibt, datz die Entsen dung der britischen Verstärkungen »ach Oberschlesien von allen beteiligten alliierten Regierungen als gemeinsamer Schritt bei der deutschen Regierung beantragt worden ist. In den auf dieses Schreiben folgenden Tagen wurde der deutschen Regierung bekannt, datz die Frage des Truppentrans portes auf der demnächst stattfinden Tagung des Obersten Rates behandelt und entschieden werden solle. Sie richtete deswegen an den französischen Botschafter ein weiteres Schreiben, in dem sie erneut erklärte, daß sie im Einklang mit ihrer Auf fassung über den Truppentransport die Entscheidung des Obersten Rates anerkennen werde. Auf diese letzte Mitteilung des deutschen Standpunktes er folgte der oben bekanntgegebene Schritt der alliierten Regierun gen, durch de» die Angelegenheit nunmehr ihre Er ledigung gefunden hat. Frankreich lenkt ein London, 3. August. Ter „Manchester Guardian" berichtet: Auf seiten der französischen Sachverständigen mache sich das Be streben beinerkbar, in Oberschlesien nicht nur die polnischen, son dern auch die deutschen Interesse» zu berücksichtigen. In Paris scheine man bereit, auch die Berechtigung dessen anzu« erkennen, was man in London schon vor vielen Wochen vorge schlagen habe, nämlich datz die unanfechtbar deutschen Gebiete sofort Deutschland und die unstreitig polnischen Bezirke Polen znge- wiesen werden sollen. An eine freiwillige französische Anerkennung der deutschen Rechtsansprüche i» Oberschlesien zu glauben, fällt schwer. Vermut lich ist das Einlenken Frankreichs darauf zurückzuführen, daß cs nicht noch einmal vor einer derartigen Isolierung stehen möchte, wie In der Frage der Truppenvcrstärkung, znmal der Weg auS dieser Sackgasse, der Botschafterschritt, noch immer nicht endgültig gesunde» ist. Bor dem neuen Polenaufstand Berlin, 8. August. Wie die Blätter aus Benthe» melden, deuten alle Anzeichen auf einen unmittelbar bevorstehenden pol nischen Putsch hin. Der Terror der Polen greift immer weiter um sich. AuS Nikiichacht haben die deutschen Grubcnbeamlen vor dem Terror flüchten müssen. Auch in Giescwald und Jcuiow wurden die Deutschoesinnten von polnischen Bauden zur Flucht ge zwungen. Au« Laurahütte werden Zusammenrottungen ehm alig er Insu rg ent en gemeldet, die schwere Gefahren für den tentschgcsinnten Teil der Bevölkerung befürchten lassin. Vorläufig versucht die polnische Rcgieirmig noch, den Auf stand von dem sie ganz offen wie von einer selbstverständlichen Tat sache spricht, bis nach der Entscheidung z» verschieben. Sie begegnet aber, wie au» folgender, eine», Teil der Leser bcresis iiiitgetcilter Meldung hervorgeht, bei den Insurgenten großen Schwierigkeiten. Einschreiten der Interalliierten Kommission Breelau, 8. August. Die Interalliierte Kommission sieht sich auf Grund de» zunehmenden Tenor« der Polen, besonders den Gewalttäligkeilen gegenüber den Arbeitern, endlich veranlaßt, im Interesse dcS Arbeitsleben» folgende« anzuordcn: Ans den Gruben und Werken im oberschlesischen Bergbau und Hüttenbezirk ist eS in letzter Zeit wiederholt zu Drohungen und Ausschreitungen gegen einzelne Beamte und Andersdenkende gekommen. Diesir Zustand hat häufig bedauerliche Differenzen, die die Arbeit-Möglichkeit auf das empfindlichste stören, ergeben. Für zukiinitige Beleidigung»» und Körperverletzungen müssen schwere Gefängnisstrafen verhängt weiden, sobald Emzelfälle zur Anzeige gelangen. Man darf es begreift ch finden, datz im Interesse des wirtschaftlichen Lebens alle Differenzen und Zwistigkeiten ans alle Fälle verhindert weiden müsst». Erörterung -er «berschlestsche« Frage Brrsta», ». August. Di» »berschlesttche Urea« »nutz« Heut« vonufttaa i» Oster Präsidium vom preußischen Minister Domt» nttu» mit verirrtem aller Parleteu und der Presse eingehend er» örtert. All« auße». uud iuuerpoltfchen Leite» strr Hage wurde« austksthrlich besprachen, wobei die gegensätzlichen Auffassungen au«, gesprochen und dmründrt wurden. >1» Ergebui« stellte der Minister am Schluffe der Verhandlungen den einmütigen Wunsch de» ver sammelten fest, daß nach den Erklärungen der Parteien und Presse vertretern für die bevorstehende schnüre Zeit der Entscheidung über Obeischlesien die bestehenden Gegensätze vor dem Gebote der Einig keit in dieser deutsche» Lebeusstag« zurückzutreten habe«. Der Reichskanzler über Oberschlesien BrrSla», 3. August. Tie Schlesische Volkszeitung veröffentlicht morgen eine Sondernummer, um den Wünschen a»S ihrem oberschlesischen Leserkreis entsprechend noch in letzter Stunde einen Appell an die Staatsmänner der Entente zu richten. Neben einer Reihe namhafter Oberschlesicr und Politiker haben auch einige Minister Erklärungen abgegeben. Der Reichskanzler Tr. Wirth sagt u. a.: Das oberschlesische Volk hat auch die unsäglichen Leiden der letzten Zeit geduldig ertragen in dem Glauben, dag die Entente jetzt dem Recht nachdrück lich st gegen die Rechtsbrecher zum Siege verhelfen wird. Das deutsche Volk hat auch nach ausländischem Urteil ein bewundernswertes Beispiel aufrichtigster Friedensliebe während des Aufstandes an den Tag gelegt. Ohne Partetunter- schied aber besteht das deutsche Volk aus sein ein Recht ans O b e r sch l e s i e n. Deutschland wünscht weiter im Interesse des Friedens ein gutnachbarliches Verhältnis mit Po len und im Interesse der Kultur und Menschlichkeit einen Ausstieg des jungen polnischen Staates. Deutschland gibt einer geringen >olni chen Minderheit die Freiheit, die eS für die großen deut - chen Minderheiten in Anspruch nimmt, die ohne Bolksab- timmung zu Polen geschlagen wurden. Im Interesse Europas und des demokratischen Fortschritts müßte eS aber, auf seinem guten Recht fußend, gegen eine Regelung der oberschlesi schen Frage protestieren, die den Chauvinismus aus allen Seiten verewigen und einen unauslöschlichen Brandherd im Osten Europas schassen würde. Der Abstiminungserfolg wird eine bleibende Erinnerung des deutschen Volkes sein. Ihn gegen alle widerwärtigen Umstünde durchgesetzt zu haben, wird reiche Genugtuung und Lohn sein für alle, die an diesem Ziel mitgewirkt haben. Ich ergreife die Gelegenheit, nm nochmals zu danke» den Oberschlesier» für ihre Treue, dem deutschen Volke für sein festes Zusnmmenstehen und auch der Presse aller deut schen Parteien in Oberschlesie», Schlesien und dem ganzen Reiche und zuletzt auch den Helden ini deutschen Nbwehrkampf. Die Lage der deutschen Domänenpächter Berlin, 4. August. Der Botschastcrrat hat ans Vorstellung der deutschen Rcg erung die polnischen Behörden angehalten, von einer gewaltsame» Entkernung der dculschen Domänenpachier Ab stand zu nchmkn. Dziennik Gdanski erblickt darin, wie cr in Nr. 160 vom 13. Juli schreibt, eine empsindllche Bloßstellung Polens. „Sowohl die Sache an sich wie auch der Beweggrund, daß man nämlich Polen der Rcchtswidrigkeit beschuldige, kompromit tierten Polen überaus stark." Dev deutsch-ameriktmische Friede und die Entente London, 3. August. Der Washingtoner Korrespondent der „Monring Post" crsäürt ans gut unterrichteter, aber nicht amilicher Quelle, daß die Waihingtoner Regierung, b-wor sie Deutschland die Eröffnung von Verhandlungen über einen Sonderirieden vor- schlng mit den Ha»p1signatar»iäch1eu de« Versasiler Vectra, er ofiiziös Beipreclniiiacn gepflogen habe, um sich zu verge wissern, daß sie in dem Abschluß dieses Vertrags du ch die Ver einigten Staaten keine Schwierigkeiten sehen. Anlaß hierzu habe der Umstand gegeben, daß d r Vertrag mit Teuischland die den Vereinigten Staaten ans Grund der wirlscha'llichen und Reparations- bcstimmungcn dcS Versailler Vertrage« zustiheiiden Rechte und Privi legien umfassen werde. Der.Korrespondent lügt hinzu, die Alliierten Hallen natürlich keinerlei Einwendiingc» erhoben. Die Verteilung der deutschen Zahlungen Paris, 3. August. Wie der „Temps" mitteilt, sind durch die N e p a r a t i o n s k o m in i s s i o n Bestimmungen über die Ver teilung der deutschen Zahlungen getroffen worden. England erhält 124 Millionen Goldmark, die am 1. Mai in der Kasse der Neparationskoinmission vorhanden waren, als Ersatz für seine Okkupationskosten. Ans dem Betrage von 350 Millionen Gold mark, die Deutschland als Abschlagszahlung auf die 1 Milliarde Goldmark geleistet hat, hat Belgien ein Vorzugsrecht zugunsten seiner Kriegsschuld, die ans 2 Milliarden angesetzt wird. Belgien soll von allen Zahlungen Deutschlands die Sumnien erhalten, die in belgischen Franken, Dollars, Gulden oder Peseten geleistet wer den. Tie in französischen Franken erstatteten Summen erhält Fruukretch, lcke Zech<u»M tu Ltu, ItuHe«. vie Rest, »ahlun, von 650 Muttonen Salbmark, di« Deutschland am öl. August zu leisten hat, sott Belgien erhalten. Außerdem schwebert Verhandlungen, wonach Belgien de» ferneren alle Zahlungen er halten soll, die in Pfund Sterling erfolgen. Die Konferenz der Entente-Finanzmlnister Paris, 3. August. Entgegen anderslautenden Meldungen er fährt der „Petit Parisien", daß auf der Konferenz der Finanzmini- ster zunächst die von Deutschland zu zahlenden belgische» Schulden, dann auch die Kosten der BesatzungStruppe» und vielleicht die Aufteilung der Reparationssumme unter die kleinen Staaten, die bekanntlich sechs Prozent erhalten werde», bespro chen werden sotten. Dagegen sei es unwahrscheinlich, daß die Frage der deutschen Scrchlieferungen und infolgedessen die deutsch- französischen Abmachungen erörtert werden. Die Auf- gäbe der Finanzniinister würde übrigens durch eine am 30. Juli getroffene Entscheidung der RcparationSkomniisjiou erleichtert werden. Die Schulden der Bereinigten Staaten Pari», 8. August. Wie „Chicago Tribüne" aus Washington mitteilt, betrug ärmlichen Erklärungen zufolge die nationale Schuld der Vereinigten Staaten am öl. p. Mt« 23 771237008 Dollars. Das bedeutet im Monat Juli einen Rückgang von 200 212 513 Dollars. Tschechische Ausschreitungen gegen Deu sche Prag, 8. August. Das „Prager Tageblatt" veröffentlicht in einer Meldung aus Aussig Einzelheiten über die dort vor- gcfallenen Tätlichkeiten gegen Deutsche. Danach hatten die Legionäre Handgranaten und andere Waffen, mit denen sie die Gäste eines Gasthoses bedrohten. Die Legionäre und tschechische Zivilisten griffen auch Polizeibeamte an uud verletzten mehrere von ihnen. Die deutschen Sozialdemokraten hoben wegen der Nussiger Vorfälle eine Interpellation ringe- bracht. Der „Bohemia" zufolge wurden in Flöhau bei Podcrsam zwei Studenten überfallen und mißhandelt. Die Vorfälle in Aussig und Flöhau wurden in der letzten Nachtsitzung des Abgeordnetenhauses vom Deutschnationalsozia- listen Pahelt besprochen, der noch mitteilte, datz die Legionäre in Aussig Hetzreden hielten und reichsdeutsche Staatsbürger mißhandelten. Auf dem Nussiger Bahnhofe wurden junge Leute mit Kornblumen im Knopfloch mißhandelt. In Flöhau wurde dank dem Einschreiten der Vertreter der politischen Parteien ein Blutbad verhindert. Die angesammelte Bevölkerung wurde in brutaler Weise auseinanwrgetrieben. Wundern Sie sich nicht, schloß der Abgeordnete, wenn sich unsere Bevölkerung nicht mehr mit der Steuervcrweigerunz begnügen wird. Da« jugoslawische Staatsschutzgesetz Belgrad, 2. August. Die Nationalversammlung nahm mit 190 gegen 54 Stimmen das Gesetz über den Schutz des Staa tes und der öffentlichen Ordnung an. Die Koimnunistc», Lo- zialisten, Republikaner und Mitglieder des südslawischen Kvmitces stimmten gegen die Vorlage. Exkaiser Karl (Eigener Drahtbericht der „Sächs. VolkSze ig.Z Wien, 4. August. Die stark verbreiteten Gerüchte, daß Er« kaiser Karl sich in Ungar» anshalic, entsprechen nicht den Laimchcir. Der Kaiser befindet sich nach wie vor auf seinem Schlosse in der Sci w:iz. D e Enischeldurrg über die Donauslollille Paris, 3. August. Ter Schiedsrichter für die in de» Frie- densvertrcigen erwähnten internationalen Fragen der Schiffahrt Walker de Hines hat die Entscheidung in der Frage der D o n cr n f l o t t i l l e, die ihm auf Grund der Bestimmungen der Friedensperträge mit Deutschland, Oesterreich, Ungarn und Bulgarien vorgelegt wurde, bekanntgegeben: Eine der am meisten umstrittenen Fragen war die, zu wissen, ob die während des Krieges von Serbien, Rumänien und Frankreich vorgenommene Beschlagnahme von 609 000 Tonnen Kahnranms und anderen Schleppschiffen gültig sei. Fast alle diese Schiffe wurden von der österreichisch-ungarischen Regierung für militärische Zwecke benützt. Der Schiedsrichter ist der Ansicht, daß sie nicht von der Beschlag nahme befreit werden können. Infolgedessen besteht der Schsids- richler auf der Gültigkeit der Beschlagnahme. Ter Schiedsrichter ist der Ansicht, daß der Bedarf Südslawiens und Rumäniens voll kommen durch die gegenwärtig in ihrem Besitze befindliche Flotte und durch die neue Beschlagnahme, deren Gültigkeit er besonnst hat, gedeckt ist. Er meint, daß Oesterreich einigen Ländern Per- sonendampfer abgcben solle und daß Deutschland Oesterreich, Un garn und außerdem der Tsrhecho-Slowakei in einem bestimm!»'» Verhältnis 70 000 Tonnen Kahnraum und 4450 Schlepper siic den Warenverkehr abtreten solle. Hines führt in Wien am 27. d. M. den Vorsitz in einer Sitzung, worin die den Privateigentum»'»» von den Empfängerstaaten zu zahlenden Entschädigungen gemäß dem Friedensvertrag mit Oesterreich und Ungarn festgesetzt werden. Sächsische Volkszeitung — Nr. 178 — 5. August 1621 Aschenbrödel Originalroman von Erich Ebenstern Copyright 1919 by Greiner u. Comp., Berlin W. 30. (Nachdruck verboten) <9. Fortsetzung.) Aha — dort lag cr. Wirklich auf der nackten Diele. Und d>e Baumann wie esi. Knäuel daneben, heulend und untätig! Daß die Weibsen doch immer gleich den Kopf verloren, wenn etwas passierte! . . . Mit einem leisen Schrei fuhr dic Haushälterin empor, als sie den Herrn von Ottciital erkannte. Dann ein Schwall Er klärungen. Klagen und angstvoller Ausrufe. Ganz gut war es dem Herr» Grafen noch anr Morgen ge nese» I Mit dem besten Appetit verzehrte cr sei» Frühstück und wollte eben seinen gewohnten Spaziergang aiitreten, als er plötz lich zu taumeln begann und einen so merkwürdig starren Blick bekam... ehe sic, die Baumann, noch zuspringc» konnte, lag er schon längclang an. Boden. Und wie sie ihn auch anrief und beschwor — er antwortete keinen Ton. Und nun sei sie ganz allein mit ihm im Hause, die Dienstboten seien alle draußen beim Kartoffeleinbringen. „Weiß ich schon" unterbrai^sie Dcgcrr ungedudlig, „aber statt Ihren Herrn änzuwinscln, hätten Sie ihm lieber helfen sollen! Kisseu unter den Kops — kalte Umschläge — Senf- pklastcr an die Fiißsoh en! Ist dock klar, daß er einen Schlag- nnfall erlitten hat/' > Dabei kniete er schon bei dem leblosen Körper und Hab vor sichtig de» wachöbleicben Kopf mit dem spärlichen weißen Haar. „Ist sei» Zimmer weit von hier?" „Nein. Die zweite Tür dort irn Korridor links." „'Dann wollen wir ihn lieber zuerst mal in sein Bett sck.affen. Jcb fasse ihn an den Schustern, Sie an den Füßen. Vorwärts." Der Körper des alt-n Mannes war trotz seiner Länge federleicht. „Solche mache ich zwei aus mir," dachte Degen, während sie dem bczeichneten Zimmer zuschrrtten. Aber was das für eine verrückte Wirtschaft hier ist, die Kartoffeln erst im Dezember ans der Erde z» nebmenl Landwirt scheint er kein besonderer zu sein. Auch sonst. . . alles kahl und unwirtlich -- als wäre er gestern eingezogen. Und so'' doch reich sein . . . Sie hatten RonSvernS Schlafzimmer erreicht. Einen boben luftigen Raum voll verblichener Pracht, dem alte eingelegte Möbel, schwere Samtvorhänge und große, bis an die Decke rei chende Bücherschränke ein ernstes Gepräge gaben. Persönlicher Konrsort war nirgends vorhanden. In einer Ecke ein schmales hartes Bett ohne Teppich davor, ein eiserner Waschtisch ohne Spiegel, alles durch einen Wandschirm gleichfalls abgegrcnzt gegen die kostbare Ei'-richtung des übrigen Raumes. „Spartanisch," dachie Degen, während er der Bcnimaun half, den Körper ihres Herr» ins Bett zu bringe». „Hausapotheke vorhanden?" fragte er kurz. „Ja, hier über dem Bett das Schränkchen." „Schön. Dann holen Si: kaltes Wasser und Tücher." In der Hausapotheke sirndcn sich Aether und Senfgeist tzor. Von beiden inachlc der Baron sofort Gebrauch, und mit Erfolg. Tenn ehe die Vaamann noch zurück war, schlug Graf RonSperg die Augen auf und starrte verwirrt nm sich. Er mur melte unverständliche Wor'e und sab mit Blicken vor sich hin, die offenbar nichts ans sinner Umgebung wahrnahinen. Weder den fremde» Mann, noch die Baumann. „Na, allzu schlimm scheint cs ' nicht z» sein," meinte Herr von Degen draußen zur Hauff' äitcrin. Er kan» Hände und Füße bewegen und sprechen. Das Ocwujstsein wird sich Wehl wieder cinsiellcr,. Natürlich bedarf er sorgfältiger Pflege. Dazu werden Sic ja vorläufig wohl eines der Hausmädchen habe» ?" „Nein. Außer nur ist niemand in, Hause. Die Dienst boten wohnen hinten am Wirtschaftshof und dürfen das Hcrren- baus nie betreten, wenigstens nicht mit Wisse» des Herrn Gra fen. Ich bediene ih i allein, seit Alber», sein Kainnierdiener, er- kälte! ist." „Aber Köchin und Siilbeiunädchei, muß es- doch geben?" „Wir habe» kein Stubenmädchen. Der Kammcrdicnci: räumt ans, aber er ist seit zwei Tage» krank. Die Köchin ar beitet und schläft im Leut''.haus." „Hin — schöne Wirtschaft! Aber Sie können in Ihrem Alter deich nicht Tag und Nacht a» des Herrn Grasen Bett sitzen, und das wird wohl vorläufig nötig sein." Tie HanShälierin blickte ratlos vor sich hin. „Es ist so schwer mit dem Herrn Grafen," murmelte sie, „er will keine fremde» Leute um sich. Bloß mich und Albert duldet er. Und bisher war er ja auch immrr gesund — da ging es." Herr von Degen batte inzwischen überlegt. In Stich lasten durfte man den Nachbar natürlich nicht. Aber um seine Wunderlichkeiten konnte man sich selbstverständlich jetzt nicht kümmern. „Ich will versuchen, «ine Pflegerin auS der Stadt zn be kommen," sagte er. „Ms sie kommt, müssen wir alle zusammen helfen. Bleiben Sie einstweilen bei dem Kranken, bis ich wie- verkomme." Daheim erwartete ihn seine Gemahlin bereits ungeduldig. „Ich hatte schon Angst »m dich, Hans! Wo bliebst d» nur so lange?" Er erzählte es ihr. „Und da hilft nun nichts, du mußt nachher selbst mit mir hinüber, Pauline," schloß er. „Die Baumann ist ein »ü>eS Wrack, das als Krankenschwesi-r nicht zählt, und sonst ist nie mand vorhanden. Vor morgen kann keine Pflegerin ans der Stadt hier sei», wenn wir überhaupt eine bekommen. Bis da hin könnte sich der Anfall wiederholen. Außerdem scheint mir der Graf sehr pflegebedürftig." Frau von Degen war sofort bereit. „Aber natürlich gehe ich mit. Nur — wenn er mich hinauswirft?" „Unsinn. Dich! Wenn der erst deine linde warme Art um sich spürt, läßt er dich gar nicht mehr fort. Der weiß jo gar nicht, wi« gut und behaglich es einer habe» kann. Du wirst schon sehen —, das reine Räubcrnest. Alles slanbig, verwahr lost, ungemütlich —, wirst Arbeit finden. Nimm nur gleich die Mamsell mit." „Ja, das- will ich in,r. Wir wollen nuS gleich zurecht- mcrchcn. Du aber iß inzwischen etwas, ja? Mußt ja hungrig sei», mein guter Alter. Drüben im Eßzimmer habe ich dir allerlei vorbereitet." Sie tätschelte ihm zärtlich die Wange. Er aber zog ihre Harrd an die Lippen. „Mütterchen, liebes. Ich wollte, ich köunie dir es- mal so richtig danken, daß du mich noch heute nach dreißig Jahre» so verziehst, wie einst, als wir jung waren." „Ach geh," lachte sä', „wirst mich doch nicht eitel machen wollen." Damit huschte sie hinaus, flink und elastisch wie eine junge Fra». Eine halbe Stunde später stand sie in Mantel und Hut wieder vor ihrem Eheherr». Hinter ihr die Mamsell mit einem vcttgepacktrn Korb. „So, wir sind fertig. Ich habe gleich auch ein wenig Dunst- rbsi und Fleischgelee mitgenommen, da du doch sagtest, es- fehl« drüben an manchem." „Famose Idee. Denn nach dem übrigen zn schließen, wird die Ostcrloher Köchin auch nicht gerade sehr auf der Höhe sein. Aber nun noch eine Frage, Mütterchen: Nichts Neues vo» Elcrt?" «Leider nein!" „Und von dem gnädigen Fräulein Maut?" Gesicht und Stimme der alten Dame wurden kühlest wahrend sie der Mamsell einen Wink gab, vorauözngehc». (Fortsetzung folgt.)