Volltext Seite (XML)
TeutschLauSs Aufgaben i« Genua. Der auch von der ausländischen Presse viel beachtete Autzenpolitiker der „Kreuz-Zeitung", Ab» geordneter Professor Dr. Hoetzsch, beschreibt in seiner Wochenübersicht noch einmal das Programm und den Aufmarsch der Parteien für Genua, wo nach Ausschal tung der Reparationsfrage und der in Paris ratifizier ten Verträge die russische Frage, die Russen im Vordergrund stehen werden. Danach werde sich auch heute Deutschlands Politik zu bestimmen haben. Ja der Reparationsfrage, die nebenher läuft, aber trotz des französischen Widerstandes sich unausgesetzt mit den in Genua zu spinnenden Fäden verschlingen muß, komme eS für Deutschland auf Klarheit und Entschlußkraft an. Und da die Wirtschaftsfragen mit der russischen Frage gleichfalls unlösbar verknüpft find, so muß die Haltung unserer Vertreter in jedem Schritt auch danach bestimmt sein: aktiveRußland- volitik im Hinblick auf das gemeinsame Interesse, daß Frankreich isoliert werde, und im Hinblick aus die Neugruppierungen in der Welt, die sich lang sam vorbererten und in deren Entwicklungsgang jetzt nach Washington Genua eine neue Etappe werden soll. Aach Karls Tod. Der Leichnam des Exkaisers Karl ilst in ungarischer Feldmarschalluniform aufgebahrt. Die Leichenfeierlichkeiten werden in der Friedhosskirche in Funchal zelebriert. Der König von Spanien hat den spanischen Konsul angewiesen, ihn bei der Bei-^ setzung zu vertreten. Die portugiesische Regierung hat der Kaiserin Zita und dem Erzherzog Otto ihr Beileid oussprechen lassen. Die Hilfsaktion für Vie Habsburger. Der König von Spanien hat an den Papst und die übrigen Souveräne Europas Telegramme gesandt, in dem er diesen um seine Fürsprache bittet, damit der Witwe König Karls und ihren Kindern ausreichende Geldmittel für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt werden. Der spanische Hof wird Trauer an legen. Das offiziöse Organ des Vatikans, der „Osser- vatore Romano" wendet sich an die Ententemächte mit der Forderung um Linderung der finanziellen Notlage der Habsburger Familie in Madeira. Gleichzeitig wird die Entente gebeten, die Verbannung in Madeira aup- zuheben, da die Internierung auf einer zeitweise unge sunden Insel eine unnötige Grausamkeit bedeute. * Tic „gefährlichste Frau Europas". Die Notwendigkeit, die frühere Kaiserin Zita auf Madeira in Verbannung zu halten, wird in Kürze Von der Botschafterkonferenz erörtert werden, da man j in offiziellen Kreisen der Verbündeten auch nach dem Tode Kaiser Karls die Gefahr eines neuen Staats streiches in Ungarn nicht für ausgeschlossen hält. Man ist hier der Ueberzeugung, daß Zita der hervorragendste Partner bei Karls früherem Versuche war, den Thron wieder zu gewinnen, und sie wird als die politisch gefährlichste Frau in Europa angesehen. Deutsches Reich. — Berlin, den 6. April 1922. ° Neue Verhandlungen über Vie Sachlieferungen!. Die Reparationskommission will, wie der Pariser transigeant" meldet, die Sachlieferungsverträge jetzt möglichst schnell zur Ausführung bringen. Deshalb ist Bemelmans bereits wieder nach Berlin ge reist, um die von der Reparationskommission aekor- verten Abänderungen an dem mit ihm abgeschlossenen Abkommen durch die Reichsregierung vollziehen zu lassen. Bemelmans wird Ende der Woche in Paris zurückerwartet, worauf das Abkommen sofort Wirk samkeit erlangt. Das Wiesbadener Abkommen, das von der Reparationskommission in gewissen Punkten geändert wurde, tritt zugleich mit dem Abkommen Bemelmans in Kraft. " Tic Antwort au Vie Reparationskommission. Die Reichsregierung ist gegenwärtig mit der Abfassung der deutschen Antwort auf dis Note der ReparationS- kommission beschäftigt. Die Arbeiten dafür können im allgemeinen als abgeschlossen gelten. Die Uebev- gabe der deutschen Note soll noch vor der Abreise der deutschen Genua-Delegation, wahrscheinlich am Freitag, erfolgen. Sie wird dem Berliner Vertreter der Repara tionskommission, Haguenin, übermittelt. ° DaS deutsch-tschechische Wirtschaftsabkommen vor vem Abschluß. Die deutsche-tschechoslowakischen Wirt schaftsverhandlungen dürften gegen Ende der Woche abgeschlossen werden. Sie betreffen gewisse Zusätze zu dem praktisch schon feit 1920 gültigen Wirtschafts abkommen, das in der Tschechoslowakei bisher nur durch eine Ministerialverordnung in Wirksamkeit ge setzt worden war, während es in Deutschland schon seit dem Herbst 1920 formell ratifiziert ist. " Tie amerikanische« Ansprüche aus Vern Unter gang ver „Lusitania". Präsident Harding hat den Senat davon in Kenntnis gesetzt, daß er mit Deutsch land über die Regelung der Ansprüche amerikanischer Bürger wegen des Untergangs der „Lusitania" ver handele. Kleine politische Nachrichten. " Berlin. Dr. Fehr, der neue Reichsminister für Er- nährung und Landwirtschaft, übernahm am Dienstaa sein Amt mit einer kurzen Ansprache an das Gesamtpersonal seines Ressorts. " Berlin. Dienstag hat die russische Delegation für Ge nua Berlin verlassen. Krassin ist zu Verhandlungen nach London gefahren. " Berlin. Der Bund der Handwerker hat in seiner letzten Generalversammlung beschlossen, sich Deutscher Handwerker- bund zu nennen. ° Berlin. An amtlicher Stelle verlautet, daß die Ver haftung des Freiherrn Hubert von Leoprechting erfolgte, weil er von Münchener Gerichten wegen Landesverrats ver folgt wird. Er hat angeblich bayerische Verteidigungsmaß nahmen an die Entente verraten. " Ludwigshafen. Am 1. Juli sollen in Ludwigshafen und Pirmasens französische Handelskammern errichtet werden. ° Wesel. Der „Generalanzeiger für Wesel" ist auf die Dauer von acht Tagen verboten worden. SeuMer Reichstag. — Berlin, 5. April 1922. Innere Politik. Abg. v. Kardorff eröffnet heute d-ie Debatte über den Etat des Ministeriums des Innern. Auch er bedauert, daß der Minister sich in seiner Etats rede vorgestern so wenig Reserve auferlegt hat. Auf die zahlreichen Einzelprobleme, die zu dem Ressort des Innern, dem wichtigsten und vielseitigsten, ge hören, wendet er sich u. a. gegen die neuen Symbole des Reiches. Er vergleicht die jetzigen Verhältnisse in unserem innerpolitischen und kulturellen Leben mit den einstigen, wobei er zu einem Resultate kommt, das den heutigen Zuständen nicht günstig ist. Zu einigen innerpolitischen Fragen sagt er ü. a., was die Weimarer Verfassung den Ländern gelassen habe, müsse ihnen auch bleiben. Er betont dabei besonders die Rechte Bayerns. Die Einheit des Reiches müsse gewahrt werden. Einem Abbau der Schulverwaltungen könne er nicht zustimmen. Der Art. 18 der Verfassung könne den Schlüssel für die Auflösung des Reiche- bilden (Oberschlesien). Das oberschlesische Autonomie- gesetz müsse aufrecht erhalten werden. Den Aufstands geschädigten sei noch nicht ein Pfennig gezahlt worden. Unser ganzer Staatsbetrieb müsse daraus geprüft wer den, wie er vereinfacht und verbilligt werden kann. Reichsminister Dr. Köster wendet sich gegen einige Behauptungen des Vorredners und stellt dabei fest, daß für die Notstandsaktton in Oberschlesien 10V Millionen ausgesetzt sind, wovon 70 Millionen bereits ausgezahlt worden sind. Der Demokrat Pachnickeist gegen ein besonderes Gesundheitsministerium. Er verlangt im Gegenteil die Zusammenlegung mehrerer Ministerien. Auch er ist für die alten Farben Schwarz-weiß-rot. Er wünschte Beibehaltung der Technischen N^thilfe und fordert Aenderung des Wahlgesetzes. Die Sozialistin Frau Pfüls bespricht mehr kul turelle Fragen. Sie wünscht staatliche Unterstützung der Theater und Kinos, damit diese von der Sen sationsgier unabhängige Kultuv- und Unterhaltungs stätten würden. Sie will weiter, daß in den Schulen die Kinder zur Bejahung der Republik erzogen werden. Ihr Kollege von weiter links, Herr Dr. Moses, geht wieder auf das rein politische Gebiet über. Er meint, für Kulturzwecke sei kein Gew da, dafür umso mehr für die Polizei. Es sei ganz so wie früher, von neuem Geist sei nichts zu spüren. Domkapitular Leicht (Bayr. VP.) wendet sich dagegen wieder dem kulturellen Gebiet zu und bespricht Fragen der Jugendfürsorge und der Wohlfahrtspflege. Bei'der Jugend, mit ihrer sittlichen und körperliche» Ertüchtigung, müsse der Wiederaufbau begonnen werden. Hierzu antwortet Reichsminister Köster, indem er darauf hinweist, daß der sittliche Tiefstand unseres Volkes eine Folge des Krieges sei. Er macht weiter darauf aufmerksam, daß die Herstellung von unsitt lichen Schundfilmen in der Hauptsache reichen Aus ländern zuzuschreiben seien, die dank dem hohen Stand« ihrer Valuta diese Schmutzfilme hier billig herstelle» lassen können. Auslands-Rundschau. Kündignng dos cuglisch-französischc« FinauzabkonnnenS. --- Reuter meldet aus Paris, es bestätige sich in britischen Kreisen, daß das Londoner Kabinett nach Paris eine Note abgesandt habe, worin die französische Regierung davon in Kenntnis gesetzt wird, daß der französisch-britische Dreijahrevertrag, der demnächst ab» läuft und nach welchem Frankreich Großbritannien keine Zinsen für die geliehenen Beträge zu zahle» braucht, nicht erneuert wird. Die Vorkonferenz von Genua. Diefranzösische Regierung hat die offizielle Ernladung zu der Vorkonferenz in Genua ! erhalten und angenommen. Gleichzeitig sollte auch eine ! Vorbesprechung der Delegierten der „Kleinen < Entente" stattfinden gemeinsam mit der Besprechung ! der Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens. ! Es ist nunmehr entschieden worden, daß die Versamm lung der Vertreter der „Kleinen Entente" gleichfalls ! mit der offiziellen Konferenz, nicht aber gleichzeitig s mit der Besprechung Frankreichs, Enalands und Jta- i liens stattfindet. An der Besprechung der „Kleinen Entente" werden teilnehmen die Tschechoslowakei, Ru mänien, Polen und Jugoslawien. LkeinlanÄstoektet*. Roman von Clara Viebig. St) (Nachdruck verboten.) »Denkst du vielleicht, du bleibst oben trocken?" „Das ist mir ganz egal!" Sie schüttelte ungeduldig des Kops. »Ich fürch? mich nicht. Herr Hommes ist ja bei mir!" So gingen sie. Es war ein heißer Ausstieg, der Schweiß rann ihnen von der Stirn. Im Wald war's stickig, und wo der Wald aufhört, zog der Sonnenbrand fast die Haut von Gesicht und Nacken. Sie sprachen wenig. Relda rannte immer einige Schritte vorauf; in ihr war «ine brennende Ungeduld. Tiefatmend blieb sie dann Lehen und sah auf den jungen Mann zurück; er kam lang samer nach, den Blick unausgesetzt auf sie gerichtet. Er hätte ihr gern etwas Schönes gesagt, sie gefiel ihm so sehr mit den durchglühten Wangen und der wogenden Brust; sie sah aus wie ein Landmädchen und doch um vieles feiner. Er wagte es nicht. Er ließ nur feine Augen sprechen, und die waren beredt genug; sie umfaßten Neidas Gestalt mit einem langen Blick und blieben dann auf den roten Lippen hasten, über die der kurze Atem aus- und einging. Sie wußten nichts zu reden; endlich sagte Hommes: »Die Sonn hat sich verkrochen, wir kriegen am End doch was auf den Hals, Fräulein Nelda! Sind Sie bang?" Als einzige Antwort schüttelte sie verneinend den Kopf. Sie rannte vorwärts wie gehetzt. Jetzt waren sie oben ein pfeifender Windstoß empfing ste mld riß Relda den Hut vom Kopf. Er wirbelte über den Gipfel wie ein drehender Teller, Hommes setzte hinter ihm drein. Als er mit dem Flüchtling zurückkehtte, fand er Nelda hinter der Wand der kleinen Schutzhülle ver steckt, sie lehnte sich mit dem Rücken an das Mäuerchen und suchte einen Blick in die Ferne zu erhaschen. Mii Zauberfchlag hatte sich der Himmel verändert, das tiefe Glau sich in ein schieferfarbnes, drohendes Grau ver wandelt; weiße Wolkenballen schwammen darin mit zer- rissne» feurig gelben Rändern. Keine Spur von Aussicht. Hunsrück und Mosclberge weggewischt, von den näheren Eifelbergen keine Linie, im Tal nur ein graues Dunft- meer. Jetzt, und jetzt noch einmal, lüftete ein Windstoß mit dumpfem Heulen die verhängenden Schleier. „En toll Wetter!" Der junge Mann sah sich prüfend um. Ein Wirbel feinkörnigen Sandes stäubte auf, die Sandkörner flogen in die Augen und knirschten zwischen den Zähnen. Eine unheimliche Dämmerung senkte sich nieder, eine schwüle, schweslige Luft legte sich wie ein Bann auf die Natur. Nelda fühlte, daß ihr die Glieder matt wurden, aber das war nicht unangenehm; sie fürchtete sich auch nicht, im Gegenteil, es war ihr eine heimliche Lust, mit dem hier an ihrer Seite allein zu sein, durch eine ungeheure Wolken wand von allen übrigen getrennt. Huit — huit! Ein langgezogenes Pfeifen kommt aus der Ferne, mit rasender Schnelligkeit segelt ein fester, dunkelvioletter Wolkenball näher; er stößt die weißen, gelbgeränderten Wolken zur Seite, er Pflanzt sich senkrecht überm Gipfel auf, wie ein drohendes Geschütz. Es wird ganz Nacht Die wenigen Sträucher zittern und ducken sich in die Spalten des Lavagesteins. Ein Rauschen in der Lust. Jetzt ein Brausen, ein dumpfes Dröhnen. „Hagel!" sagte Hommes halblaut. Er konnte Neldas Gestalt kaum noch erkennen, er tastete nach ihrer Hand und zog sie näher zu sich. „Fürchten Sie sich net, Fräulein Relda, es tut Ihnen ckix!" „Ich fürchte mich nichi!" Sie atmete hastig und lachte dann kurz auf. „Es ist schön!" Das starke Brausen machte ihre letzten Worte kaum hörbar. Jetzt ein einziges gelbes Licht und dann wieder tiefe Finsternis. Und nun plötzlich ein Prasseln, ein Raffeln auf die Erde, ein heulender Sturm von allen Ecken und Enden. „Fürchten Sie sich net!" Er zog sie noch näher an sich. „Wir müssen da herein!" Gebückt, dicht nebeneinander, drängten sie sich in die Tür der Schutzhütte; drinnen auf dem schmalen Bänkchen setzten sie sich, Seite an Seite. Er fühlte ihr rasches Atmen, und sie fühlte die Kraft des starken Armes, der sich schützend hinter sie legte. Er flüsterte: „Fräulein Nelda! Nelda!" Sie sagte nichts, sie lehnte den heißen Kopf hinten über an das rauhe Mauerwerk, sie bemühte sich, Gleich gültiges zu denken. Es drehte sich ihr wie ein Rad hinter der Stirn. Durch die Ritzen der roh auf einander ge fügten Steine pfiff der Wind, der Hagel hämmerte aufs Moosdach nieder, als wollte er es zertrümmern. Jetzt war es da — was?! Ihr Herz pochte wild — jetzt —! Sie schreckte zusammen, der Mann war ihr noch näher ge rückt, beide Arme legte er um ihren Leib. Sie wollte aufstehen, etwas sprechen, sie konnte nicht, sie war wie er starrt. Er drückte seinen Kopf dicht an den ihren, sein blonder Schnurrbart streifte ihre Wange. Sie zitterte, noch immer kam kein Laut auf ihre Lippen — da — draußen jam merndes Rufen, zwischen dem Hagelgeprassel Tritte! Mit einem .Kotzdonner' sprang Hommes aus. „He, Wer is da?" Er eilte vor die Hütte. Eine klagende Frauenstimme antwortete. Nelda kam sie merkwürdig bekannt vor, sie schreckte zusamm-n — »h, das war ein Ruf aus der Welt! „Frau — lein — Plan — ke!" Abwehrend streckte sie beide Arme vor sich. Die Finsternis hatte sich merklich gelichtet, es war hell genug, um einander zu erkennen. In der engen Tür der Schutzhütte stand leibhaftig Fräulein Aurora Planke, hinter ihr tauchte neben Hommes ein junger Mensch mit semmelblonden Haaren auf; trau rig hing ihm die Mähne herunter. Und wie sah Aurora Planke aus! Der Hui auf ihrem Kopf war zu einem unförmlichen Nest zusammen- geschlagen, den blauen Leinenschirm hielt sie zersetzt in der Hand, von ihrem schwarzen Kleid troff eine dunkle Brühe; sie weinte fast. Es schien, als wolle sie in Ohn macht sinken, aber als sie Nelda erkannte, wurde sie stramm. Sie zog ihr nasses Kleid so viel als möglich an sich. (Fortsetzung folgt.)