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14üit — Professor 0r. Wilhelm Nicolau- Nissen zu Leipzig ist auf sein Ansuchen seiner Function al- stellvertretende- Mitglied der literarischen Abtheilung de- in Gemäßheit de- ReichSgesetze» über daS Urheberrecht an Schriftwerken rc. vom 11. Juni 1870 gebildeten Sach- verständigenvereinS enthoben und an seiner Stelle dem Advocat Franz Iuliu- Berger zu Leipzig die gedachte Function übertragen worden — Wie auS einem Circular deS Herrn BezirkSarzteS vr Niedner hervorgeht, sind während de- jetzigen MassenzuflusseS von Fremder zwei Cholerafälle constatirt worden. Die Krankheitsfälle sollen unter Elbschiffreisendtn vorgekommen sein. Berlin, 3. Juni. Die Kaiserin ist mit dem heutigen Früh zuge hier eingetroffen. Heute Vormittag empfingen beide kaiserliche Majestäten den Besuch deS Schahs von Persien, für welchen ein Gala- diner im Weißen Saale deS Schlosses stattfand. — Der Kaiser hat dem in München zusammengetretenen ConM zur Errichtung eine- Denkmals für JustuS von Liebig einen Beitrag von Eintausend Gulden gespendet. — Der Kronprinz wird zu Ehren deS Schah am Donnerstag Abend im Neuen PalatS ein Fest mit Illumination deS GartenS geben, ähnlich dem, wie solches im Herbst bei dem Besuch deS Kaiser- von Rußland und de- Kaiser- von Oesterreich hier stattfand. Das aus Wunsch deS Kaiser- von dem hiesigen Verein für Pferdezucht und Pferdedressur während der Anwesenheit des Schah von Persien ver anstaltete Extra-Rennen ist auf Freitag Nachmittag festgesetzt. Unter anderen Vergnügungen ist auch eine Wasserfahrt auf den Havelseen bei Potsdam mit dem kaiserl. Lustdampfer „Alexandra" in AuSsichi genommen. Ferner soll in Berlin eine Parade und Exerciren de Gardetruppen im Feuer stattfinden. — Gestern besuchte der Scha von Persien, gefolgt von mehreren ersten Würdenträgern seines Reiche« den zoologischen Garten und verweilte daselbst von 3 bis 5 Uhr Nach mittag-. Der Schah trug einen einfachen schwarzen Uniformrock schwarze weite Beinkleider mit rother Passepoil und al- Kopfbedeckung die bekannte persische Mütze, aber nicht auS Astrachanfell, wie sein Ge- folge, sondern au- feinem Filz. Die Brust umschlang eine prachtvolle Brillantkette. Dem fremden Herrscher schien da-, waS ihm gezeigt wurde und wa- er sah, so weit die orientalische Zurückhaltung solche« erkennen ließ, sehr zu interessiren. Auch das dicht gedrängte Spalier bildende Publicum musterte er aufmerksam, theilS mit, theilS ohne Brille. Als der Schah nach Besichtigung des RaubthierhauseS wieder einstieg, wurde eine- der Extra-Blätter mit seiner Abbildung in den offenen Wagen geworfen, er betrachtete sein Phantafie-Conterfei und ein Lächeln glitt über seine Züge. — Der neu ernannte Botschafter am britischen Hofe, Gra Münster, begiebt sich zum 12. Juni auf seinen Posten nach London — Zn der am Sonnabend abgehaltenen 27. Plenarsitzung de« BundesratheS wurden vorgelegt: 1) die Schreiben des Präsidenten deS Reichstags, betr.: rr) die Zustimmung deS Reichstages zum Post- vertrage mit Italien, i>) den vom Reichstage beschlossenen Entwmj eines Gesetzes über die Volksvertretung in den Bundesstaaten, e) die Beschlüsse deS Reichstag- auf Petitionen; 2) der Entwurf eines Ge setze- wegen Abänderung deS Vereins-Zolltarif-; 3) der Entwurf eine« Gesetzes über die Presse; 4) der Entwurf eines Gesetzes über di« Regelung de- Reich-hauShaltS vom Jahre 1872; 5) daS mit Luxem burg unter dem 4. April d. I. abgeschlossene Uebereinkommen wegen deS gegenseitigen Austausches von Postpacketen; 6) der Entwurf eine« Gesetzes, betr. den Nachtrag zum Reich-hauShaltS-Etat für 1873; 7) Mittheilungen über Meinungsverschiedenheiten, betr. die Auslegung deS § 180 de- deutschen Strafgesetzbuches, und deS tz 56 der Gewerbe ordnung; 8) ein Antrag des Präsidiums, betr. Bildung einer Cholera- Commission; 9) ein Antrag Preußen-, betr. die Bestimmung über die Tara; 10) ein Antrag Baden-, betr. die Errichtung eine» Ansage- Postens bei Lörrach. Au-schußberichte wurden erstattet über den An- trag Bayern- wegen der vorbereitenden geschäftlichen Behandlung der zur Vorlegung beim BundeSrathe bestimmten Gesetzentwürfe; sowie über den vom Reich-tage beschlossenen Entwurf eines Gesetze- wegen Abänderung deS Artikel 32 der Verfassung und über die Vorlage, betr. den zweiten Additional-Postvertrag mit Schweden. — Eine große Anzahl von Superintendenten, Pfarrern, hohen Staatsbeamten, Rittergutsbesitzern rc. aus allen Theilen der preußischen Monarchie erläßt in der „Kreuzztg." eine Einladung zu einer evan ¬ gelisch-lutherischen Lonferenz innerhalb der preußischen Landeskirche. CS beißt darin u. 8.: Die kürzlich publicirten kirchenpolitischen Gesetze, die angekündigte Durch führung einer Synodalverfassung auf veränderten Grundlagen, das iinmcr zu versichtlichere Drängen des Protestantenvereines auf kirchliche Gleichberechtigung des Unglaubens mit dem Glauben, die aus dem Allen sich ergebenden ernsten Gefahren für Lehre und Leben der Kirche haben vielfach die Gewissen mit bangen Fragen beunruhigt und eine allgemeine Erregung der Gemüther hervorgerufen. Tie im Februar und März d. I. in mehreren Provinzen abgehaltenen kirchlichen Conserenzcn haben gezeigt, das; unter dem Eindruck der tiefen Erschütterung deS bisherigen Bestandes und Rechtes unserer Kirche ein lebhaftes Verlangen nach Gemeinschaft in weiten Kreisen erwacht ist. Für dieses berechtigte Verlangen ge währen die bisherigen größeren kirchlichen Versammlungen vielen treuen Gliedern unserer Kirche keine Befriedigung. Der „evangelische Kirchentag" nicht, weil er eine klare Grenze gegen den Protestantenverein bisher nicht zu ziehen vermochte. Die „Octoberversammlung" nicht, weil sie, abgesehen von dem gleichen Mangel, eine Vereinigung der sämmtlichen evangelischen Landeskirchen Deutschlands an strebte, welche auf dem vorgeschlagenen Wege nicht Hcrbeigeführt werden kann und überdies bei der gegenwärtigen Lage und Beschaffenheit der evangelischen Kirche in Preußen nothwendiger Vorbedingungen noch entbehrt. . . Daher haben die Unterzeichneten Angesichts der gegenwärtigen ernsten Lage unserer Kirche und bei dem hervorgetretenen Verlangen nach Gemeinschaft sich im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn entschlossen, eine evangelisch-lutherische Conferenz innerhalb der preußischen Landeskirche vorzubereiten, und laden zu derselben alle Diejenigen ein, welche sich zu Jesu Christo, wahrhaftigem Gott vom Vater in Ewigkeit ge boren und auch wahrhaftigem Menschen von der Jungfrau Maria geboren, als unserem einigen Herrn bekennen und gewillt sind, in rückhaltloser Treue für das Bekenntnis; unserer evangelisch-lutherischen Kirche cinzutreten. Auch wird es uns zu besonderer Freude gereichen, wenn bckenntnißtreue Glieder der lutherischen Kirche aus den neuen preußischen Provinzen und den außerprcußischen Ländem diese Conferenz besuchen. Die Tagesordnung der gegen August d. I. in Berlin abzuhaltenden Versammlung werden wir durch die öffentlichen Blätter sobald als möglich bekannt machen. — Am 15. Mai ist hier eine Versammlung conservativer Männer auS den verschiedenen Provinzen Preußens zusammengetreten und hat sich alS Comitä eine- neu zu gründenden Blatte- con- stituirt. DieS Blatt wird den Namen: „Der ReichSbote" führen, am 1. Juli d. I. in Berlin erscheinen und für daS gesammte constr- oative nördliche und mittlere Deutschland berechnet sein. ES erscheint täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, Abends, einen Druck bogen stark. Da» Blatt wird enthalten : kurze, einleitende Artikel zur Orientirung über Zeitfragen; eine gedrängte Ueberficht der wichtigsten politischen Begebenheiten; Parlamentarische-; wichtige amtliche Nach richten, so wie Nachrichten auS Kirche, «schule und den freien, christ lichen Vereinsthätigkeiten; Localnachrichten auS Berlin und den Pro vinzen; Landwirthschaft, Gewerbe, Handel, Verkehr, Sociale-; Gericht-- Verhandlungen; Wissenschaft und Kunst; Unterhaltende-; CourSberichte; Courszettel; Familien-Anzeigen, Inserate. Der AbonnementSpreiS be trägt einen Thaler vierteljährlich. — Die conservativen (regierungsfreundlichen) Abgeord neten aus der Provinz Preußen haben an ihre Wähler folgende An sprache gerichtet: Wir stehen fest vereint in unerschütterlicher Treue zum Kaiser und Könige auf dem Boden des monarchischen Princips unserer und der Verfassung dis Deutschen Reiches, geleitet von folgenden Grundsätzen: I) wir wollen die jetzige Regierung treu unterstützen in Sicherung des Staates und des Reiches durch eine starke Armee und durch Einrichtungen und Gesetze für Recht und Ordnung nach Innen; 2) wir wollen die neue KrciSordnung praktisch und die Selbstver waltung geregelt und gedeihlich zu machen suchen ; 3) wir streben danach, in der Freiheit des Gewerbes Ordnung und Schutz in der Arbeit herbeizuführcn, das Loos der Arbeiter und ihrer Familien zu bessern, die Sicherung der Ordnung gegen Contractbruch Herbeizuführcn; 4) wir wollen die Kirche iir freier, sclbst- tändiger innerer Organisation unter Aufsicht und Gesetz des Staates; 5s wir vollen Förderung der Landwirthschaft und Berücksichtigung des überbürdeten Grundbesitzes; 6s wir wollen Pflege der Schule und Bildung der Arbeiterklassen mit christlicher Erziehung, und 7s wir wollen Gegenwirkung gegen alle Bestreb ungen, die dem demokratischen Socialismus bewußt oder unbewußt in die Hände arbeiten und dadurch auf Familie, auf sittliches Leben wie auf Moral und Nechtsbewußtscin zerstörenden Einfluß haben. — (Zur Arbeiterbewegung-! Der ständige Ausschuß, der von dem Eisenacher „Kathedersocialisten-Longreß" nieder- gesetzt worden, hielt am Sonnabend in den Räumen deS Abgeord netenhauses eine Sitzung, an der außer dem Vorsitzenden, Professor Gneist, die Herren Professor Brentano, vr. Eckardt, vr. Engel, Buch händler Geibel, Prof. Held, vr. Max Hirsch, Professor von Holtzen- darf, Professor Knapp, vr. Meitzen, Ranisch, Freiherr v. Roggenbach, Landrath Tiedemann und Professor Wagner theilnahmen. In längerer Leratbung wurde ein Aufruf festgestellt, worin eS heißt: „Wir erkennen in der Gesammlhcit der socialen Bewegungen der Gegen wart den im Wesentlichen berechtigten Versuch zur Weitercntwickelung und Um gestaltung der l eutigen Erwerbsgesellschaft. Aus dieser Bewegung tritt znr Zeit er Streit -zwischen Capital und Arbeit gefahrdrohend hervor. Wir sind der lnsicht,'daß hier für Staatlund Gesellschaft.,dringent<Ausgaben der friedlichen