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14, die vorgestern für die Regierung waren, stimmten gestern gegen dieselbe. In Folge dieses unsicheren Auftretens der neuen Majorität ist man im prästventschaftlichen PalaiS in großer Verlegenheit; man befürchtet zwar nicht, daß die Regierung, wenn es sich um ihre Exi stenz handelt, unterliegen werde, aber man sängt an zu glauben, daß die Schwierigkeiten wachsen werden, bis das Regieren mit der jetzigen Majorität schließlich zur Unmöglichkeit wird. . . . Daß die gestrige Abstimmung nicht gegen Lefranc, sondern gegen ThierS ge richtet war, liegt auf der Hand. Der „Franyais" sagt dieses ganz offen; er spendet Hrn. Lefranc sogar Lob und fügt hinzu, daß Thiers es gewesen, den man habe treffen wollen. Um mehr Einheit in ihre Opposition zu bringen, werden die 335 Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten einen großen gemeinschaftlichen Verein bilden. Die „Döbats" sagten gestern und wiederholen es heute, daß trotz des Frei tags-Sieges die Lage eine äußerst ernste sei, und sie haben voll kommen Recht. Rettung auS der schwierigen Lage würde eine, wenn auch nur partielle, Erneuerung der National-Versammlung bringen; erfolgt diese nicht, so bleibt die Stellung der Regierung eine sehr bedrohte." — Wie eifrig man im Kriegsministerium daran arbeitet, die Armee in jeder Hinsicht und zwar so rasch als möglich feldtüchiig zu machen, beweist wiederum ein Erlaß de Eissey'S, welcher die schleunigste Completirung deS PferdebestandeS anordnet. Die durch den letzten Feldzug gerissenen Lücken ergeben einen Gesammt- Verlust von circa 20,000 Pferden. Derselbe ist zwar zum größten Theile wieder gedeckt, doch bleiben immer noch ungefähr 3000 zu be schaffen, und ist den Remontedepots aufgegeben worden, diesem Mangel bis zum Ende des nächsten Monats abzuhelfen. — Die Handelskammer von Lyon hat an den Handels- Minister ein Schreiben gerichtet, in welchem sie sich auf den Artikel 7 des Rohstoffsteuergesetzis, die CompensationSzölle bür., beruft und des halb die Inkraftsetzung des neuen Handelsvertrages mit Großbritannien vom 1. Dccrmber ab für eine Unmöglichkeit erklärt. Außerdem ver langt sie, daß die neuen Tarife, welche gegenwärtig durch die französisch- britische Commission festgestellt werden, vor ihrer Einführung einer Versammlung sämmtlichec französischer Handelskammern zur Begut achtung vorgelcgt werden sollen. Grotzbritannieu. London, I. December. In einer Versammlung der vereinigten Kohlengruben-Vesitzer von Monmouthshire und Süd-Wales wurde be schlossen, vom 1. Januar ab die Löhne ihrer Arbeiter um 10 pCt. her abzu setzen. — Die Arbeitseinstellung der Arbeiter in den Gas- fabriken ist eine allgemeine geworden und die Gasgescllschaften for dern in Folge dessen das Publicum auf, im Verbrauch von Gas mög lichst sparsam zu Werke zu gehen. — Eines der zum Schutze von Plymouth und Devonport con- struirten Lord Palmerston-Forts wurde am 28. November Ex perimenten zu dem Behufe unterworfen, um die Stabilität dieser Ver- theidigungswerke zu erproben. Die Armatur dieser Forts besteht aus 18 und 15 TonS schweren Geschützen. Die Versuche endeten damit, daß sechs dieser schweren Kanonen auf einmal abgefcucrt wurden. DaS Resultat war, daß trotz der gewaltigen Erschütterung weder das Fort noch einer der Kanoniere beschädigt wurde. Türkei. Die großherrliche Familie hat den neuen Scheik - ul - JSlam, dessen Amt erhebliche Repräsentationtkosten verlangt, mit reichen Geschenken bedacht: der Sultan übersandte ihm die Summe von 5000 Pfund türkisch (circa 52,000 Gulden), der Prinz Jussuf Izzedin fügte weitere 1000 Pfd. hinzu, und die übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie beschenkten das Haupt der muselmanischen Geistlichkeit nach Verhältniß. Amerika. Washington, 2. Dccember. Heute wurden die Sitzungen des, Senats und deS Repräsentantenhauses wieder eröffnet. Die Botschaft des Präsidenten Grant an den Kongreß erwähnt zu nächst den tiefen Frieden, dessen sich die Republik im Innern und nach Außen erfreue und daS Wachsen der allgemeinen Wohlfahrt deS Landes, welches nur theilweise und vorübergehend durch die große Feuersbrunst in Boston gestört worden sei. Irgend eine Eventualität, welche den Frieden stören könne, sei nicht abzusehen. Die Differenzen mit Eng land seien in der zufriedenstellendsten Weise und in Gemäßheit der von den Vereinigten Staaten hei diesen Schwierigkeiten inneaehaltenen 3070 Politik ausgeglichen und in Folge der Entscheidung deS Kaiser« Wilhelm in der San-Juan-Frage sei auch der letzte Schatten geschwunden, welcher die freundlichen Beziehungen zu England verdunkelt habe. Das amerikanische Volk ftt dem deutschen Kaiser für seinen mit so großer Sorgfalt und so vieler Mühe erwogenen Schiedsspruch zu be- soliderem Danke verbunden, nicht minder den drei befreundeten Mächten, welche die Mitglieder des Schiedsgerichts in Gens ernannt hätten, durch deren Würde, Geduld und Unparteilichkeit auch die Alabama frage einer befriedigenden Lösung zugeführt worden sei. Die Regierung und daS Volk der Vereinigten Staaten hätten besonderen Grund, die freundschaftlichsten Beziehungen zu Deutschland, zu Rußland, dem treuen, beständigen Freunde der Vereinigten Staaten, zu Frankreich, dem ältesten Alliirten derselben, aufrecht zu erhalten und es könne mit Be friedigung die ungetrübte Fortdauer derselben eonstatirt werden. Tie bevorstehende Weltausstellung in Wien werde die Bande gegenseitigen Wohlwollen? zwischen den Völkern fester knüpfen und den allgemeinen civilisatorischen Bestrebungen weiteren Vorschub leisten. Nach einem anerkennenden Rückblicke auf die Regierung des verstorbenen Präsi denten von Mexico, Juarez, wird die Hoffnung ausgesprochen, daß der neue Präsident durch seine Verwaltung Dasjenige, waS man sich von seiner Weisheit und seinem Patriotismus verspreche, bewahrheiten und dadurch zu Befestigung der guten Beziehungen mit Amerika beitragen werde. ES sei dies um so nothwendiger, als den gesetzwidrigen, die Grenzdistricte beunruhigenden Agitationen ein Ziel gesetzt werden müsse. Die Herstellung friedlicher Zustände auf Cuba sei leider noch nicht ab zusehen. Die Aufrechterhaltung der Sclaverei sei der alleinige Grund, weshalb die Unruhen fortdauerten und obgleich keine Aussicht vor handen sei, daß die Aufständischen schließlich den Sieg davon tragen würden, so scheine eS doch auch Spanien nicht gelingen zu wollen, den Aufstand vollständig zu unterdrücken. — Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat im vergangenen Monate um 1^ Millionen Dollars abgenommen. In den Staatkcassen befinden sich 68Z Millionen Dollars in Gold und 10z Millionrn in Papiergeld. sGegen Opiumgenuß.j Ein zu Philadelphia erscheinendes großes Blatt, der „Ledger", klagt bitter darüber, daß der Opiumgenuß in den Vereinigten Staaten in bedenklicher Weise um sich greife, und namentlich in den westlichen Staaten. Dir Legislatur deS Stank? Kentucky hat sich deshalb veranlaßt gesehen, ein Gesetz zu geben, von welchem sie wenigstens eine Verminderung deS Uebels hofft. Dasselbe lautet: „Wenn zwei achtbare Bürger eidlich bekräftigen, daß «ine Person, welche dem Genüsse des Opiums, des Haschich oder einer andern verderblichen Drogue stöhnt, unfähig geworden ist, sich an- gemesscn aufzuführen und zu betragen, dann kann eine solche Person in Haft gesperrt werden wie ein Trunkenbold oder ein Wahnsinniger." Sächsischer Landtag. A Dresden, 3. Decbr. Die außerordentliche Deputation der Ersten Kammer hat nun auch Bericht über den Gesetzentwurf erstattet, das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betr., Ref. vr. Koch. Auch hierbei tritt die Deputation als Majorität und Minorität mit principiell entgegenstehenden Anträgen vor die Kammer. Dir Majorität (v. König, Hennig, Deumer, Martini, vr. Koch) ist von der Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit überzeugt, die dermalige Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden in Verwaltung?- und Polizei strafsachen ausnahmslos aufzuheben und auf die Gerichtsbehörden zu übertragen Sie sagt u. A.: Dem allgemein sich geltend machenden Grundsätze, Niemandem daS Recht auf gerichtliche Entscheidung zu verkümmern, würde es widerstreiten, wollte man selbst auch nur in geringfügigen Strafsachen dem Bctheiligten das Recht gesetzlich ab sprechen, solche vor Gericht verhandelt und entschieden zu sehen. Daher wahrt der Entwurf dasselbe, ohne jedoch die Weiterungen deS gericht lichen Verfahrens in allen Fällen zur Nothwendigkeit zu machen, denn derselbe gestattet in § 4 den Verwaltungsbehörden innerhalb gewisser Grenzen die Einleitung deS MandatverfahrenS, nach welchem es dem Betheiligten überlassen bleibt, sich der erlassenen Strafverfügung ohne Weiteres zu unterwerfen, oder aber auf gerichtliche Entscheidung zu provociren. Da nun erfahrungSmäßig die bei Weitem größte Mehrzahl der vor kommenden Straffälle durch diese? kurze Verfahren Erledigung findet, so läßt fich der Einwand, daß durch daS neue Gesetz den Ge- richten eine große Last von Geschäften würde zugeführt werden, wenigsten? nicht mit dem Erfolge geltend machen, um dieses Grundes willen daS