Volltext Seite (XML)
Beilage zu No. S«L de» Bautzener Nachrichten. Mittwoch, dsrs LS. November LSVL. Reklamation Milttairgestellungspfiichtiger betr. Noch immer scheinen die Vorschriften der in Sachsen seit dem I. Jan. t869 in Kraft getretenen Militair-Ersatz-Jnstruction vom 26. März 1868, soweit sich dieselben namentlich auf das Reclamationrvcrfahren bezüglich der militairgestellungSpflichtigen jungen Leute erstrecken, dem Publicum nicht genügend bekannt zu sein, wie die oft zu hörenden Klagen desselben be weisen, nach denen bisher wiederholt Reklamationen der hier fragt. Art wegen verspäteter Anbringung, ungenügender Bescheinigung oder mangeln der Begründung von den Ersatzbehördcn zurückzuweisen gewesen sind. Dürfte 'eS daher für die betr. Gestellungspflichtigen, rcsp. die Eltern oder sonstigen Angehörigen derselben geboten erscheinen, sich in dieser Be ziehung genau zu unterrichten, um einerseits durch ein Uebersehen oder Unterlassen nicht Vortheile zu verlieren, welche das Gesetz in Rücksicht auf einzelne civile Verhältnisse zu Gunsten der Militairpflichtigen oder deren Angehörigen geschaffen hat, andererseits aber Mühe und Kosten für Rekla mationen zu sparen, welche dem Gesetz gegenüber Berücksichtigung nicht finden können, so glauben wir dem allgemeinen Interesse cntgegenzutommcn, wenn wir die betr. Vorschriften der Militair-Ersatz-Jnstru tion in gedrängter Fassung nachstehend wiedcrgeben. Im Allgemeinen ist denselben zunächst vorauszuschicken, daß Zurück stellungen, bczichcndlich Befreiungen vom Militairdienst nur für die Dauer des Friedens stattfinden, daß dementsprechend nach eingctretenem Mobil stand der Armee alle diesbezüglichen Neclamationsanbringcn unzulässig sind und daß Miliiairpflichtigc, welche die vorgcschricbcnc Meldung zur Ein tragung ihres Namens in die Stammrolle unterlassen haben oder unent schuldigt bei der Musterung ausgcblicbcn sind, des aus etwaigen Rccla- mationSgründcn erwachsenden hier fragt. Anspruchs verlustig gehen. Unter Befreiung vom Militairdienst im Frieden ist die Zutheilung der betr. Militairpflichtigen zur Ersatzrescrve zu verstehen. Die Fälle, in denen hiernächst eine Zurückstellung rcsp. Befreiung vom Militairdienst erfolgen darf, erstrecken sich theils auf sogenannte häusliche, theils auf gewerbliche und Lchrverhältnisse und finden sich in der Ersatz-Instruction genau prä- kisirt. Anlangend die erstere Kategorie, so eignen sich lediglich zur Berück sichtigung a) diejenigen Militairpflichtigen, welche die einzigen Ernährer hilfloser Familien oder alleinstehender, erwerbsunfähiger Väter oder Mütter sind, b) der einzige erwachsene Sohn einer Witwe, deren Ernährung kein anderes Glied der Familie übernehmen kann, die aber sich selbst zu er nähren außer Stande ist, e) Eigenthümcr von Grundstücken , die ihnen ohne ihr Zuthun zu- gefallen und die nicht verpachtet sind, zu deren Verpachtung oder einst weiliger Administration und Bcwirthschaftung durch fremde Hilfe aber wegen Kürze der Zeit, oder wegen der Culturvcrhältnisse ^.ohnc bedeutenden Verlust keine Veranstaltung hat getroffen werden können, oder überhaupt nicht getroffen werden kann, ü) Pächter von Landgütern, denen durch dcn Tod ihres Vaters oder Anverwandten, oder durch sonstige Umstände die Fortsetzung der Pacht auf die noch dauernden Pachtjahrc zugefallen ist und die im Laufe der Zeit ohne Nachtheil keine Anstalt zur Vertretung in der Wirthschaft haben machen können, o> solche Eigcnthümer von Fabriken, Manufacturcn und anderen ge werblichen Etablissements, welche mehrere Arbeiter beschäftigen, falls der Betrieb ihnen erst seit der letzten Ersatzmustcrung eigenthümlich zugcfallcn und ihnen keine Zeit geblieben ist, um für eine zweckmäßige einstweilige Aussicht und Führung des Geschäfts zu sorgen. Auf dcn Inhaber eines hwdlungshauses von entsprechendem Umfange findet diese Vergünstigung voilommenden Falles analoge Anwendung, l) ein solcher Militairpflichtigcr, welcher als Sohn eines arbeitS- und aufsichtsunfähigen Grund- oder Fabrikbesitzers, beziehcndlich Pächters, nach dem Urtheile der Ersatzbehördcn als dessen einzige und unentbehrliche Stütze jur Erhaltung des Grundstücks betrachtet werden muß. Es wird dies indeß nur dann der Fall sein können, wenn der betr. Grund- oder Fabrikbesitzer nicht im Stande sein sollte, andere Hilfe sich zu verschaffen, g) der nächstälteste Bruder eines vor dem Feinde gebliebenen oder an den erhaltenen Wunden gestorbenen oder erwerbsunfähig gewordenen Sol daten, sofern durch die Zurückstellung den Angehörigen des Letzteren eine wesentliche Erleichterung gewährt werden kann. Die Berücksichtigung dieser Verhältnisse unterliegt jedoch außer den bereits erwähnten Doraussetzüngen noch den Nachbemerkten Beschränkungen: l) Ergiebt die Prüfung der sul> -r bis k bezeichneten Verhältnisse, daß der Militairpflichtige selbst oder die Angehörigen desselben die geltend ge machten Umstände durch ihre eigene freie Entschließung herbeigeführt haben, z. B. durch Ankauf, Erpacküung rcsp. Uebcrtragung eines Befitzthums rc., so können diese Verhältnisse in der Regel cinc Berücksichtigung nicht be gründen, eben so wenig kann cinc solche die erfolgte Vcrheirathung eines Militairpflichtigen herbciführen, wie denn überhaupt aus irgend welchen durch Vcrheirathung veranlaßten Umständen Ncclamationsgründc nicht ent nommen werden können, 2) desgleichen darf dem Anträge auf Zurückstellung eines Militair- pflichtigcn als einzige Stütze seiner Eltern oder Angehörigen dann nicht staltgcgcbcn werden, wenn ein anderer zur Unterstützung Verpflichteter sich dieser Pflicht durch Verziehen, durch Auswanderung oder auf irgend eine andere Weise entzieht oder entzogen hat und 3) soll die aä a, b bezeichnete Berücksichtigung in der Regel nicht cintrelcn, wenn die Famjsie oder Witwe Unterstützung aus Armensond« schon vorher bezogen hat. Jede auf Grund der unter a bis mit g gedachten Verhältnisse zu er- hebende Reklamation ist von dcn Reclamautcn oder dm von diesen damit Beauftragten in eincm schcmatisirtcn Bogen, welcher für das platte Land von den betr. königl. Gcrichtsämtcrn, in den Städten aber vom Stadt- rathc den Ncclamanten auf Erfordern zu gewähren ist, zusammenzustellen und bei dem zuständigen Gerichtsamtc oder Stadtrathe einzurcichen. Von diesen Behörden wird die Reklamation, nach vorgängiger Erörterung der in derselben angeführten Verhältnisse, unter Anfügung eines Gutachtens und eventueller Bescheinigung der ersteren, an die Krciscrsatz-Commisfion (Amtshauptmannschast) weiter gegeben, bei welcher sic spätestens bis Vor mittags 9 Uhr desjenigen Tages cinzugehen hat, an welchem der Rccla- mktc zur Musterung vor der Kreiscrsatz-Commission gelangt. Wenn noch vielfach die Meinung zu bestehen scheint, daß erst das Re- ültat der Musterung abzuwarten und erst daun, wenn der zu Rcclamircnde ür di nsttüchtig befunden worden ist, die Reklamation anzubring sei, so st dies den bestehenden Vorschriften gegenüber falsch und daher unzulässig. ES ist vielmehr die Reklamation unbedingt Nor der Krcisersatz- Musterung bei dem betr. Gerichtsamtc oder Stadtrathe cin- zurcichcn und hat dies überdies in einem genügenden Zcitabstandc zu ge- chchcn, damit den genannten rcsp. Behörden noch die nöthige Frist ver bleibe, um bis zu dem vorbcmerktcn Schlußcinreichungsterminc bei der Kreisersatz-Commission die bctr. Verhältnisse erörtern und feststellcn zu können. Ergiebt sich hiernächst bei Ler Musterung, daß der Reclamirte un tauglich zum Militairdienst ist, nun so erledigt sich einfach das Rcclamations- anbringen, während die Krcisersatz-Commission sofort über dasselbe ent scheidet, wenn er für dienstfähig befunden wird. Stellt sich die Reklamation als begründet dar, so wird der betr. Militairpflichtige, falls er sich im 1. oder 2. Gestellungs-, also im 20. oder 2l. Lebensjahre befindet, auf ein Jahr, d. i. bis zur nächstjährigen Kreisersatzmusterung zurückgestellt; steht er aber bereits im 3., bcz. einem späteren Gestellungs-, mithin im 22. oder älteren Lebensjahre, so erfolgt seine Designation zur Ersatzrcservc. Er hat sich in diesem Falle bei der auf das Kreiscrsatzgcschäft folgenden Dcparte- mentscrsatz-Musterung nochmals mit zu gcstellcn, wird bei solcher, wenn auch die Departemcnts-Ersatz-Commission die Reklamation als begründet erachtet, definitiv der Ersatzreserve zugctheilt und erhält einen Ersatz- rcservcschcin ausgchändigt, durch dessen Besitz er von jeder weiteren Ge stellung und jedem Militairdienst im Frieden befreit ist. Ist er jedoch, wie erstgedacht, in Anbetracht seines Gcstellungsalters nur auf 1 Jahr zurückgcstellt worden und sind nach Ablauf des letzteren die Verhältnisse, wegen deren scinc Zurückstellung erfolgte, noch dieselben, so hat er, wenn er eine weitere Berücksichtigung beansprucht, ganz in der selben Weise wie das erste Mal bei dem Gerichtsamtc oder Stadtrathe aber mals die Reklamation cinzureichen und dies alljährlich vor der KreiSersatz- musterung bis mit dem 3. Gestcllungsjahrc, bcziehendlich so lange zu wieder- hölen, bis er dcr Ersatzreserve zugetheilt worden ist. Was sodann die zweite Kategorie der hier fraglichen Verhältnisse, dl« gewerblichen oder Lchrverhältnisse anlangt, so handelt es sich dabei ledig lich um eine zeitweilige Zurückstellung von der Militairpflicht- erfüllung, die nicht wie bei den häuslichen Verhältnissen auf vollständige Befreiung'von der Militairpflichterfüllung im Frieden durch Ueberweisung zur Erfutzreserve ausgedehnt werden kann.