Volltext Seite (XML)
— Der Papst hat an Stelle deS verstorbenen Cardinals Llaretti den Cardinal de Luca zum Bischof von FraScati ernannt. — Der Rath der Propaganda hat im Vatican eine wichtige Versammlung in Betreff der orientalischen Angelegenheiten und deS in der Angelegenheit deS armenischen Patriarchen Monsignor Hassun einzuhaltenden Ver fahrens gehalten. — Die „Voce della VerN" meldet, der chaldäische Patriarch, Monfignor Audem, sei in ein SchiSma gefallen und habe auS der Kirche ausgeschlossen werden müssen. Frankreich. Paris, 16. Juli. „Journal deS D6batS" schreibt: „Eine große Anzahl Delegirter von verschiedenen Handelskammern sind seit zwei Tagen in Versailles angelangt, um die Mitglieder der Assemblee auf zufordern, energisch die Rohstofffteuer zu verwerfen. Außerdem erhalten die Deputaten täglich Depeschen zu demselben Zwecke. Heute erhielt Hr. Gent, Deputirter der Vaucluse, folgende Depesche: „Die Handelskammer von Avignon erneuert energisch ihre Protestationen gegen jede Steuer auf Rohstoffe."" — „Wenn die freihändlerischen Mi'glicder der Linken", sagt dasselbe Blatt, „unter dem Einfluß poli tischer Gründe — auS StaatSgründen würde man früher gesagt haben — diese, die Industrie zerstörende Steuer votiren, so sind sie ohne Entschuldigung und leisten damit der Republik einen der tödtlichen Dienste, wie sie die Mehrheit deS Gesetzgebenden Körpers dem Kaiser reich zu leisten verstand." — Die Budgetcommission der Nationalversammlung hat das Projekt DucuingS, welches die Dienstboten mit einer Steuer be- legt, verworfen. — Die Commission, welche das neue Wahl gesetz zu prüfen hat, ist mit ihren Arbeiten zu Ende. DaS neue Gesetz hat 90 Artikel. — Durch die Aufstellung einer gang exclusiven und ziemlich ordi- nairen Candidaten-Liste für den Staatsrath hat die Rechte einen nicht geringen Fehler begangen. „Journal deS D6batS" sagt über diese Liste: „Unter den 33 Namen, die sie bilden, find wenige, d-e nicht Veranlassung zu ziemlich ungünstigen Bemerkungen geben. Einige von diesen Candidaten find ganz unbekannt; man fragt sich, welche Anrechte sie haben, und von wo sie Herkommen. Die Anrechte einiger Anderer sind wie ihre Vergangenheit im Gegentheile zu bekannt." ES haben sich denn auch die drei Fractionen der Linken, deS linken CentrumS und der republikanischen Linken über die Bildung einer gemein samen Commission von je drei Mitgliedern zur Ausarbeitung einer besonder« Liste bereits verständigt. Zwei Candidaten der Rechten, Hr. de BusfiereS und der ehemalige imperialistische Minister Parieu, haben vermittelst Schreiben an den Kammerpräsidenten diese Ehre abge lehnt, waS große Bestürzung erregt, da man weitere Nachahmungen dieses Beispiels fürchtet. — Der Asfisenhof der Seine hat gestern den Geranten deS „Radical", der wegen Beleidigung der Religion und der öffentlichen Moral angeklagt war, freigesprochen. — Die Vertreter der Ost-Departements haben ein Comite eingesetzt, welches die Ausführung der Besprechungen der Regierung, den Bau von Baracken für die BesatzungStruppen betreffend, zu überwachen hat. Lyon, 16. Juli. Gestern begann hier der interessante und für die französische Kriegführung bezeichnende Arbinet'sche Proceß Arbinet. war ein ehrsamer Bürger und Spezerei-Krämer zu Dijon. AlS die Deutschen zu Ende 1870 diese Stadt besetzten und auf ge- nügende Verproviantirung deS Platzes Bedacht nehmen mußten, er- theilten sie den Bürgern, welche sich damit befassen wollten, Geleit- scheine. Einen solchen erhielt auch Hr. Arbinet, der durch Einkauf von Lebensmitteln bei der voraussichtlichen Steigerung der Preise in Dijon ein hübsches Geschäft zu machen hoffte. Allein der gute Mann war von einer fatalen Sucht der Großthuerei, Zudringlichkeit und Geschwätzig keit beherrscht, so daß er sich durch sein Benehmen bald verdächtig machte. Unter diesen Umständen wurde Herr de SerreS, der sich in CHLlon befand, auf ihn aufmerksam und veranlaßte seine Verhaf tung in Beaune. Andern TageS (27. Januar 1870) sandte Herr de Serre-, auf Grund des Berichtes, den ihm der mit der Verhaftung betraute Commissar Georges erstattet hatte, folgende Depesche an den in Beaune commandirenden Division?« General Cremer: „Gestern nurde in Beaune ein Hr. Arbinet verhaftet, Lieferant und Spion deS in Dijon stehenden FeindeS. Versichern Sie sich wohl mit der Civilbehörde der Identität und Qualität dieser Person und lassen Sie ihn heute erschießen." Diese Ordre vollzog General Cremer ohne Weiteres, obgleich Hr. de SerreS nicht sein ordentlicher Vorgesetzter war, und so wurde Hr. Arbinet, ohne jede? vorherige gerichtliche Ver fahren, desselben TageS in Beaune erschossen. Nachträglich nun be hauptet Herr de SerreS, sein Befehl habe ein gerichtliches Verfahren keineswegs ausgeschlossen, sondern vorausgesetzt, während General Cremer seinerseits behauptet, daß er nur dem für ihn maßgebenden Befehl deS RegierungS - CommissarS SerreS pflichtmäßig nachgekommen sei. Es ist wohl klar, daß die beiden angeklagten Herren sich gleichmäßig in die Schuld eines voreiligen und willkürlichen Verfahrens theilen und demgemäß auch wahrscheinlich von dem Kriegsgericht ihre entsprechenden Strafen erhalten werden. Beide befinden fich bereits seit mehreren Wochen in Haft. Unter den citirten 33 Zeugen befinden fich die Generale Bourbaki, Carr^ de BusserolleS, Clinchant und Hr. de Freycinet alS EntlassungSzeuge. Der Präsident dieses Kriegsgerichtes ist der Marschall Baraguay d'Hilliers, Richter find die Marschälle Mac Mahon und Canrobert, die Generale Mettmann, Abbatucci, Texier und Du- preuil. Der General Barry ist Commissar der Regierung. Grotzbrttannten. London, 17. Juli. In Willis' RoomS fand gestern Abend unter dem Vorsitze des Herzogs von Norfolk eine Katholikenver- sammlung statt, welche in mehrern Erklärungen die Unterdrückung der religiösen Orden in Rom und daS Jesuitengesetz in Deutschland verurtheilte. — Graf Bernstorff und Familie reisten heute nach Deutschland ab. — ES liegt eine Kundgebung aus den Reihen der Oran giften- Partei vor und zwar in Form von Beschlüssen, welche die Oran- zistenloge zu Warrington auf ihrer kürzlich abgehaltenen Jahres versammlung gefaßt hat. Dieselben bekunden im Wesentlichen den Entschluß, die protestantische Kirche, die Verfassung und den protestan- lschen Thron als Bollwerk des Protestantismus, der Sicherheit und Freiheit deS Landes und seiner Bewohner aufrecht zu erhalten. Alle Versuche zum Umsturz der Staatskirche werden zurückgewiesen und der Unwille der Versammlung gegen die Bestrebungen der Fenier und die Vertheidiger der irischen Sonderregierung ausgesprochen. Ferner wird erklärt, die gegenwärtige Regierung habe dem Staate großen Schaden zugefügt, da sie eS nicht verstanden habe, in der auswärtigen Politik die Würde der Krone und die Interessen deS StaateS wahr zunehmen, und eS ergeht nun an alle protestantischen Wähler, nament lich an die der arbeitenden Classen, der Ausruf, bei den nächsten Wahlen „eine überwältigende Majorität gut protestantischer und con- stitutioneller Candidatcn in'S Parlament zu senden, um eine starke Regierung wiederherzustellen, die weder dem Einfluß der Priester noch der Einschüchterung deS PöbelS nachgeben wird." Darnach scheint eS fast, als ob die Unternehmer des kürzlich besprochenen conservativen Arbeiter-ZweckessenS im Krystallpalast und die Verfasser obiger Reso lutionen in ziemlich naher Berührung mit einander ständen. — DaS Geheimwahlgesetz wird, wie der „Globe^ erfährt, bald, nachdem eS die königliche Sanction erhalten, in Kraft treten. Die nächste parlamentarische Wahl wird bereits nach dem neuen Princip von Statten gehen. — Eine Versammlung von mehr alS 40,000 Kohlengruben arbeitern auS Süd- und West-Aorkshire und Derbyshire fand vor gestern aus den Queen'S Grounds in BarnSley statt. Mehrere Be schlüsse zu Gunsten einer Schiedsgerichtsbehörde für Beilegung von Streitigkeiten zwischen Grubeneigenthümern und Arbeitern und zu Gunsten der Bill Betreffs Regelung der Kohlengruben sowie endlich zu Gunsten der Vollauszahlung der Löhne wurden gefaßt und Reden von Parlamentsmitgliedern gehalten, in denen die Arbeiter wegen ihres Wohlbefindens beglückwünscht wurden. — Eine 32,000 Theilnehmer zählende Versammlung in Durham beschloß einstimmig, „auf ihrer in Anbetracht der gegenwärtig hohen Preise der Kohlen gewiß gerechten Forderung, einen Antheil am Gewinne zu haben, und eine Erhöhung hreS Lohne? um 15 Proc. zu erhalten, zu bestehen." Eine Arbeits einstellung wird nicht befürchtet. Spanien. Madrid, 15. Juli. Um eine Idee von der vollständigen Or ganisation der carlistischen Banden in Catalonien zu geben, heilt die „Iberia" mit, daß sie einen ganzen Druckerei-Apparat mit ich führen, um ihre Bulletins und Proclamationen nach Bedürsniß zu drucken. — Der Finanzminister Ruiz Gomez beabsichtigt den