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11SS der Sultan aber diesen Einmischung-Versuch sofort mit einer Energie zurückgewtesen, die seine Wiederholung unbedingt verbietet. Der betreffende Entschluß steht unerschütterlich fest und die nach den noch geltenden Normen berufenen Thronerben haben sich mit einer einzigen Ausnahme — und hier handelt eS sich nur noch um ein Mehr oder Weniger deS zu gewährenden Entgelt- — zum Verzicht auf ihre Rechte zu Gunsten der neu aufzurichtenden Ordnung der Dinge be reit erklärt.) vermischte». — Dresden, 10. Mai. lD. N.) Der Tischlerstrik« hierselbst scheint sich in die Länge zu dehnen und man muß sich wundern über die beiderseitige zähe Ausdauer. — Döbeln, 6. Mai. Am 26. April ist der in Oberranschütz auf Kalkfuhren begriffene Tagelöhner Barthel aus Obersteinbach im Döschützer Steinbruche derartig verunglückt, daß ihm der Leib aufgerissen wurde. Er erlag seinen Wunden am 2. Mai und hinterläßt eine Witwe und 8 Kinder im Alter von 2 bi- 20 Jahren. — Dem „CH. T." wird aus Oschatz, 4. Mai, berichtet: Am letzt- vergangenen Sonntag ist der 11jährige Sohn des Windmühlenbefltzers Gatzsche in Casabra in das Mühlenzeug gekommen, und hat dabei so bedeutende Verletzungen am Kopfe erhalten, daß der Tod sofort erfolgt ist. Wie vermuthet wird, soll der Verunglückte die Mühle in Gang zu setzen versucht haben, dabei einem Kammrade zu nahe gekommen und so hineingezogen worden sein, daß die dadurch erhalt, nen Quetschungen tödtlich geworden. — In der Untersuchungssacht wegen des am 2 November vor. I., Abends, an der sogenannten Zwickauer Kurve stattgefundenen Eisenbahn- Unfalls, dessen Ursache das Auffahren eines gemischten Zuges auf einen an dieser Kurve haltenden Güterzug war, wurde am 3. d. M. das Urtel des kgl. Bezirksgerichts zu Zwickau publicirt, nach welchem die Maschinenführer beider Züge, Landgraf und Kühn, zu je zwei Monaten, und der Packmeister Dittrich, al- Führer des GüterzugeS, zu einem Monat Gefängniß condem- nirt worden find. Locomotivführer L. wird, dem Vernehmen nach, Recurs ergreifen, während sein College K. von der Staatseisenbahn-Verwaltung schon früher entlassen wurde. Wegen der Ansprüche, welche die etwaigen Hinterbliebenen des bei diesem Unfälle getödteten Schaffners Schubert erhoben haben könnten, verlautbarte im gerichtlichen Erkenntnisse Nichts. — Sonntag über acht Tage, den ersten Pfingstfeiertag Vormittags 10 Uhr, findet die feierliche Enthüllung des zu Ehren der im vergangenen Feldzuge g e - fallenen CorpSstudenten auf der Rudelsburg errichteten Denkmals statt. — Unter den in der Berliner Akademie ausgestellten Entwürfen für das Parlamentsgebäude ist der äußerlich imposanteste und wohl auch kostspieligste Entwurf von dem englischen Architekten Giller-Scott und dessen Sohn gefertigt und in eklektischem Styl (klassische Gothik und Renaissance) gehalten. Zur Verstärkung des monumentalen Eindruckes find fast sämmt- liche Skizzen mit ansehnlichen Thurm- und Kuppelbauten ausgepattet, welche geeignet find, den Beschauer an den Ernst und die Wichtigkeit dieses Volks denkmals zu», mahnen. Einer der Architekten empfiehlt für den „Reichs thurm" auf der Südoststrecke seine- Entwurfs das Anbringen eiwr großen Glocke, „der Große Wilhelm" genannt, „deren Namen-träger in der Stunde der allgemeinen Gefahr alle Deutschen zu ihrer Pflicht rief, und welche nun in fernen Zeiten dazu dienen soll, die Reichstagsmitglieder aus allen deutschen Gauen hier zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes zusammen- uberufen, den Reichstag einzuläuten und den öffentlichen Besuch des Kaisers >eim Reichstag zu verkünden, zur Freude des deutschen Volkes". — Unter den Inseraten verschiedener Berliner Blätter befand sich n den jüngsten Tagen auch ein solches, worin der Finder eine- verlorenen stocke- um dessen Rückgabe ersucht wird. Jetzt berichtet da- „Berliner Tageblatt", daß der Kaiser diesen überaus einfachen, naturwüchsigen Stock verloren, der ihm darum besonders werthvoll war, weil er denselben in der Schlacht von Königgrätz von einem Bauern geschenkt bekommen hatte. — Köln, 7. Mai. sArbeitercongreß.j In den Pfingsttagen wird hier eine große social-demokratische Arbeiter-Versammlung stattfinden, worin die Grundsätze, welche Prof. v. Sybel in Bonn über die sociale Frage in seinen Vorträgen ausgesprochen hat, beleuchtet werden sollen. Herr . Sybel, gegen den auch ein« heftig polemifirende Flugschrift auSgegeben wurde, soll zu dieser Versammlung eingeladen werden. — Ein Wiener Bankhaus gab im Filialpostamte in der Land-kron- ^asse am 3. d. einen Brief mit 12,000 fl. zur Weiterbeförderung an die Sparcaffe in Pancsova aus. Al- der Geldpostbeutel auf der Hauptpost ge- entscheidet in solchen Fragen nicht da- Recht, sondern die Macht Fühlen sich die genannten Vasallen stark genug, so benutzen sie diesen Umstand, um sich der weiteren Tributzahlung zu entziehen; ist das nicht der Fall, so unterwerfen sie sich stillschweigend. Die Entscheidung dieser Frage hängt aber vorzüglich von den politischen Verhältnisse! Europa'- ab. Die ehemaligen Lenker deS türkischen Staatswesen! Reschid Pascha, Fuad Pascha, Aali Pascha, verstanden eS wenigstens trotz ihrer anderweitigen Fehler, sich mit den europäischen Mächten auf einen guten Fuß zu stellen ; alle drei hatten es durch wiederholten Aufenthalt in Europa'- Hauptstädten und durch ihre Kenntniß der französischen Sprache ermöglicht, sich über die Verhältnisse Europa'- eine ziemlich klare und richtige Idee zu verschaffen. Von dem jetzigen Großvezier dagegen kann man Gleiches nicht behaupten; für Fragen der auswärtigen Politik geht ihm jedes Verständniß ab, zumal da er keine einzige europäische Sprache kennt. Durch seine massenhaften Absetzungen hat er sich den ganzen Beamtenstand verfeindet, mögen auch diese Absetzungen noch so sehr gerechtfertigt sein; bei solchen massenhaften Umwälzungen sind einzelne Ungerechtigkeiten gar nicht zu vermeiden; und wenn auch drei Viertheile der Abgesetzten ihr Schicksal mit Resignation hinnehmen, das übrige Viertheil, ob mit Recht oder mit Unrecht abgesetzt, wird wühlen, arbeiten, intriguiren, um ihn zu stürzen. Mit Ausnahme deS Sultans, der sich wenig um Regierungsgeschäfte bekümmert, und des Prinzen Jussuff Jzzeddin, der noch zu allen Geschäften unfähig ist, hat er sich die ganze kaiserliche Familie zu Feinden gemacht, selbstverständlich nicht nur die sieben Söhne deS verstorbenen Sultans Abdul Medschid, deren Rechte durch die beabsichtigte Aenderung der Thronfolge vernichtet, sondern auch die nachgeborencn Söhne des Sultans Abdul-Nziz, deren Rechte ebenfalls zertreten werden. Unter solchen Umständen mußte daher die Nachricht von der Mission des Grafen Pralormo eine große Aufregung verur sachen ; um so mehr, al- der Prinz Jussuff Jzzedin mit einer gewissen Auffälligkeit zum Chef der kaiserlichen Garden ernannt wurde. Die gleichzeitig erfolgte Ankunft de- amerikanischen General- Sherman und deS Lieutenants Grant (Sohn deS Präsidenten) veranlaßte noch eine andere ganz unerwartete Diversion von einer Seite her, wo man am Wenigsten dergleichen vermuthen durfte Herr Brown, seit 40 Jahren Dragoman der amerikanischen Gesandtschaft und als solcher, bei dem bekannten amerikanischen System, die eigentliche Seele dieser Gesandt- schäft, einer der gewiegtesten Kenner der Türkei, ließ sich herbn, in Verbindung mit dem General Sherman der Pforte aufmunternde Mittheilungen wegen der beabsichtigten Thronfolgeänderung zu machen, ab aus eigenem Antrieb, oder auf Instruction seiner Regierung, oder auf Antrieb des russischen Gesandten, ist zur Zeit noch unbekannt Gewiß ist nur, daß alle diese Umstände die Aufregung deS PublicumS auf einen sehr hohen Grad brachten. Die Regierung hatte auch, wie man erfuhr, Maßregeln getroffen, um 25,000 Mann Soldaten auS den Provinzen nach der Hauptstadt kommen zu lassen, die auch schon zum Theil angekommen sind. Placate in aufreizender Sprache wurden dem Großvezier in's Haus gebracht und in den Moscheen vertheilt; in allen Kaffeehäusern sprach man von nichts Anderem. Endlich am 25. April verfügte sich der Gesandte einer Großmacht zum Großvezier und erklärte ihm, daß zwar daS Ausland nicht das Recht habe, sich in eine innere Angelegenheit zu mischen, daß aber, falls die Pforte eine bedenkliche Maßregel zu ergreifen im Begriff stehe, daS Ausland die Pflicht habe, ihr guten Rath zu geben, und demgemäß sehe er fich verpflichtet, dem Großvezier zu erklären, daß die Aenderung der Thronfolge eine unheilvolle Maßregel sei, welche zu den be- dsnklichsten Folgen führen könne. Es scheint, daß diese Vorstellungen ihren Eindruck nicht verfehlten; wenigsten? hat sich seit einigen Tagen die Aufregung etwa- gelegt. Es scheint ferner, daß die Diplomatie dem Herrn Brown über seine ganz unberufene Einmengung in eine solche Angelegenheit ernstliche Vorstellungen machte, oder durch seinen Ghef, den amerikanischen Gesandten Herrn Böker, machen ließ, welche ms denselben einen solchen Eindruck machten, daß er vorgestern, Rührend einer Unterredung mit seinem Chef, vom Schlage gerührt < i»urde und schon nach einer Stunde eine Leiche war. (Der osficiöse > Wiener Korrespondent der „Carlsr. Ztg." schreibt: Gutem Vernehmen "ach hat die englische Regierung — und sie soll in der Sache selbst M der österreichischen Regierung derselben Auffassung begegnen — in ' Konstantinopel in der zartesten und schonendsten Form, aber doch in er kindringlichsten Weise gemahnt, an der alt bestehenden und durch M Koran selbst geheiligten Thron folgeordnung nicht zu rühren,