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GG WO Feierabend M Anterhaltnngs-Beilage Her Sächsischen Volkszeitrrng —— . . m Nr. 25 Sonntag den 22. Juni W3 Rezept ill ein Staat im Krieg und Frieden Sich auch wohl beraten seh'n, Seien Männer ihm beschicden, Die ihm stets zur Seite steh'n: Recht gewandt, führ'n sie die Feder, Tapfre, ziehen sie vom Leder. s. H. 6. Sonntag nach Pfingsten Wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir getauft worden sind, im Tode Jesu Ehristi getauft worden sind? (Ep. Röm. 6, 3.) Zwischen den einzelnen Evangelienabschnitten, welche an Sonn- und Feiertagen verlesen werden, und den Episteln an denselben Sonn- und Feiertagen herrscht mit Rücksicht auf den Sinn ein innerer Zusammenhang. Dieser Zu sammenhang zwischen den Sonn- und Festtags-Evangelien auf der einen und den Sonn- und Festtags-Episteln auf der andern Seite drängt sich uns schon bei dem Gedanken auf. daß die Kirche bei der Auswahl der Evangelien und Epistel abschnitte nicht ganz willkürlich verfahren konnte, da sie ja vom heiligen Geiste geleitet wird und daß sie zugleich wieder mit der größten Freiheit bald aus diesem, bald aus jenem Evangelium, bald aus diesem, bald aus jenem Briefe im neuen Testamente ihre Lesungen entnommen hat. Gehen wir aber etwas tiefer auf die Sache ein und vergleichen wir die Evangelien und Episteln mit einander bezüglich ihres inneren Zusammenhanges, dann kann keinen Augenblick lang darüber Zweifel bestehen, daß sie sich in ihrem Sinne sozusagen einander ergänzen, daß die Epistel durchgängig die Anwendung fürs sittliche Leben ans dem zieht, was das Evangelium in einfach geschriebener Weise berichtet. Das heutige Evangelium handelt von der Speisung der viertausend Mann, es erzählt uns, wie der Heiland beim Anblick der großen Menschenmenge, die nichts zu essen hatte, Mitleid empfunden, wie er das Volk sich sehen geheißen und darauf die Verteilung von wenigen Broten und Fischen vor genommen habe. Die Epistel spricht dem Anscheine nach von etwas ganz anderem' sic legt uns nahe, wie wir der Sünde abgestorben, in Christus ein neues Leben führen sollen. Wo ist hier der nähere Zusammenhang zwischen dem Evangelium und der Epistel? Sehen wir doch näher zu, so enthält die heutige Sonntagsepistel in Kürze die Anwen dung. welche das Evangelium mit seiner Erzählung von der Speisung der viertausend Mann beabsichtigt. Schon waren die Viertausend nahe daran, vor Hunger umzu kommen. Drei Tage waren sie bereits bei dem Herrn, obne etwas gegessen zu haben. „Lasse ich sie nngcspeist nach Hause gehen, so werden sie unterwegs verschmachten", spricht der Heiland ferner, „denn einige von ihnen sind weit herge- kommen." Tann wirkt der Heiland das Wunder der Ver mehrung der Brote, und dieses Wunder rettet sie vom Hungertode. So waren auch wir dem geistigen Tode nahe, noch mehr, wir waren schon gestorben und begraben in der Sünde. Durch das Wunder der Taufe sind wir aber wieder auserstanden und wandeln wieder in einem neuen Leben. Die Taufe ist somit für uns nur in einem höheren Sinne das geworden, was die Speisung im heutigen Evangelium für die Viertausende war: die Erneuerung unseres Lebens, natürlich des Lebens der Seele, während die Speisung für die Viertausend nur die Erneuerung ihres leiblichen Lebens bewirkte. Ferner: Wie die Viertausend gleich den Israe liten, welche das Manna gegessen hatten, gestorben sind, so sind auch wir nachträglich wieder den Tod der Sünde ge storben. Da nun aber der leibliche Tod nicht von dem Willen des Menschen abhängig ist, wohl aber der geistige! Tod, die Sünde, ganz von unserem freien Willen abhängt, so ermahnt uns auch der Apostel mit Recht, daß wir, da wir einmal mit Christus auferstanden sind, auch mit ihm immer dar leben sollen, ohne jemals wieder zu sterben. Hätte die Kirche Wohl eine schönere Anwendung unseres heutigen Evangeliums für das sittliche Leben der Christen geben können, als sie der Apostel schon im soeben erklärten Abschnitte seines Briefes an die Römer gegeben hat? Wie weise war darum ihre Wahl, derzufolge sie für heute gerade diese Epistel als Lektion bestimmte, welche mit dem heutigen Evangelium in unverkennbarem Zusammenhänge steht?! Und wie geeignet ist diese Weisheit, uns mit Ehrfurcht gegen die Kirche zu erfüllen, die eine Säule und Grundfeste derl Wahrheit ist! Wollen wir denn in all unserm Tun und Lassen die Lehren und Ermahnungen der heiligen Kirche, unserer Mutter, imnier treu befolgen, insbesondere die heutige Er mahnung derselben zu einem frommen, gottcsfürchtigen Leben in Jesu Christo nicht überhören, damit wir. die wir einmal der Sünde abgestorben, fortan nur noch leben inl Christo Jesu unserm Herrn. ZU wenig Verständnis Von L. L. Nagel, München Nachdruck derbsten. Die ganze Gesellschaft war bereits versammelt, als Michael, der würdige Kammerdiener, ineinen Zögling und mich eintreten ließ. Tie Gräfin saß in einem hochlehnigcn Samtstuhl mitten im Salon und rund um sie herum standen und saßen die schöngeistigen Auserwählten ihrer Mittwolls empfänge, denen sie regelmäßig ihren Sohn vorsübric. Alfred liebte dieses „Gezeigtwerden" aber absolut nicht und ärgerte sich stets von neuem über die vielen Damen, denen er die Hand küssen mußte und die ihm dann immer das'elbe sagten: „Wie groß er geworden sei" und „wie ähnlich er der Mama wäre". Die Gräfin stellte mich flüchtig vor: „Kandidat Berger, Alfreds neuer Lehrer." Vor ihr auf dem Tische lag ein Buch, in giftgelbe Seide gebunden; es fiel mir gleich in die Augen, als ich hercin- trat. Dieses Buch reichte sic jetzt einem fabelhaft elegant ge kleideten jungen Mann, der neben ihr stand und mit den Opalknöpfcn seiner pfanblauen Seidcnweste spielte Er war der Held des Tages, Frddöric Freudeborn. Tie Gräfin hatte bei Tisch schon von ihm gesprochen: er war ein Dichter von eminentem Talent, den man ihr empfohlen hatte und dessen Werke neulich in einem modernen Vortragsabend