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»Ja, dein Pesel — Esel sollte er heißen!" „Da soll ihn der Deubel frikassieren!" Er Silte nach der Tür, um das Strafgericht in etwas milderer Form zu vollziehen, doch Rika hielt ihn fest. „Nichts wirst du ihm tun, gar nichts! Du hättest ihn sehen sollen, als die Scherben zu seinen Füßen lagen. — Ja, dieser Pesel stand da und stierte mich mit seinen dummen Augen an. als fürchte er, er würde schnurstracks geköpft und gerädert werden. Wie Espenlaub zitterte der lange Schlage tot vom roten Schopf bis zu den Elefantenfüßen, und die Hände faltete er wie ein Kind — ja wie ein liebes, bittendes Kind!" wiederholte sie nachdrücklich, weil sie ein Zucken seiner Lippen zu bemerken glaubte, und ganz weich ward ich und sagte nur sanft bedauernd: „Das ist schade, Pesel; ein andermal müssen Sie sich besser vorsehen! Na, und da stürzte er vor mir auf die Knie und küßte inbrünstig den Saum meines Gewandes. Dabei kollerten ihm die dicken Tränen über die Backen. „Gnä' Frau sind ein Engel aus dem Himmelreich!" schluchzte er. „Ja!" Sic nickte ihrem Gatten triumphierend zu. „Ein Engel aus dem Himmel reich! Merk dir das. Und nun sieht mich der arme Mensch immer mit verklärten Augen an, als wollte er sagen: Für gnä' Frau geh' ich durchs Feuer. Ja, und deshalb untersteh dich nicht, ihn anzuschreien. Ich will's nicht!" „Ja, was willst du denn eigentlich? — Jda allein kann mit dem Servieren nicht fertig werden." „Da muß eben Rat geschafft werden," versuchte der Leutnant die Sache ins Reine zu bringen. „Wir nehmen einen Lohndiencr oder borgen uns einen anderen Bur schen." „Nein, das geht nicht," wies die junge Frau diesen Ausweg energisch zurück. „Ich habe Pesel schon gesagt, er solle servieren, und er würde unglücklich sein, wenn ich ihn nun nicht servieren ließe." „Na, na!" wagte Hilmar Tannhcim die Sache weniger tragisch zu nehmen. — „Er würde unglücklich sein," be hauptete Rika desto heftiger. „Du bättcst ihn nur sehen sollen. Wir dürfen ihn auch nicht wcgschicken, denn er ist treu und ergeben. Siehst du, Hilmar, ich werde mir alle Mühe geben, ihn zu dressieren," gelobte Rika dann wieder etwas kläglich, und die Jda muß ihm auspassen. Sie mag ihn freilich nicht, warum, weiß ich nicht. Vielleicht nimmt fie's übel, daß er sie nicht so verklärt anschaut wie mich." „Aber Rika!" Ter junge Ehemann runzelte verstimmt die Brauen. „Mack' keine schleckten Wide, sonst werfe ich den dummen Kerl mit seinen verklärten Augen zum Tempel hinaus." Rika fiel ihm lackend um den Hals und stellte den Frie den wieder her. „Sie haben die Tafel wirklich wunderhübsch geschmückt, meine Gnädige!" lobte der Oberst Habncmann seine kleine niedliche Wirtin. — Rikas Augen glänzten wie schwarze Diamanten. Die freundliche Anerkennung war Balsam auf ihre angstwnnde Seele. Sic zitterte und bebte vor Barthel Pesels Premiere. Wenn er nun. trotz aller ange wandten Mühen, Fiasko machte und seine Herrin bla mierte! Doch — die Suppe ward gegesicn, ebne daß die ge meinschaftliche Angst Grund fand, sich zum Entsetzen zu steigern. Obwohl die eifersüchtige Jda mm durchaus nicht half, servierte Barthel Pesel beinabe tadellos. Angeborene Begabung — die Natur spielt ja zuweilen wunderbar — und die Verehrung für seine angebetetc Drcsscnsc beflügelte die Elefantcnfüße und machte die Tatzen gelenkig. Rika atmete ans und nickte ihrem Fridolin freundlich zu. — Das batte sic nun lieber nickt tun sollen, denn die unsagbare Seligkeit über diese Anerkennung verwirrte seine Sinne. Seine Augen sahen nur der Herrin Lächeln und nickt die Schleppe der Frau Majoriu — streckclang lag Barthel Pesel auf dem Parkett und neben ihm ein Dutzend Teller :n tausend Scherben. Und „Gnä' Frau!" flehend aus tiefster Not — als wär „Gnä' Frau" seine ein zige Richterin und zugleich Retterin! Rika schoß das Blut heiß in das hübsche Gesicht. Sie wagte nicht aufzusehen — am liebsten wäre sie fortgelaufen. Was sollten die Gäste von diesem Notschrei halten? Sie gaben sich ja Wohl den Anschein, als hätten sie weder den Kladderadatsch, noch den Schrei gehört, doch was sie heim lich tuschelten, konnte Rika sich zusammenreimen. Mit zitternden Lippen gab sie dem Obersten Antwort auf eine Frage. In verdoppelter Angst sah sie dem Kommenden ent gegen. — Beim zweiten Gang war Pesel geradezu leiden schaftlich bemüht, seine Entgleisung wieder gut zu machen: er präsentierte das Rogut von Seezungen mit einem so rührenden Eifer, daß er die noch fehlende Routine ersetzte und Rika versöhnte. Sie triumphierte innerlich über den Erfolg ihrer Dressur; ach ja! Die Seczungenragout fand allgemeinen Beifall und wurde beim zweiten Angebot nicht zurückgcwiesen. Nur eine Dame dankte, leider! Denn der tückische Zufall wollte es, daß gerade diese eine den Barthel Pesel gelegentlich mit einem Stück Kuchen beglückt. Dieser Gute erinnerte sich des Burschen dankbares Herz, das weich in der rauhen Hülle schlug. Er schob die Schüssel noch weiter vor. „Nehmen gnä' Frau man noch!" nötigte er mit ein dringlicher Beflissenheit und offenbar aufrichtigem Wunsch. „Die Mächens in die Küchen kriegen genug, un ich brauch nix." Die junge Frau Leutnant Meiners biß sich auf die Lippen, um nicht zu lachen; sie wünschte der kleinen Haus frau die zweite Verlegenheit zu ersparen und wies den guten Pesel mit einer freundlichen Gebärde zurück. So ward Rika, im eifrigen Gespräch mit den: Obersten, nichts von dieser Episode gewahr. Sie wunderte sich nur ein wenig, daß so viele Gäste wie auf Befehl plötzlich ihre Ser vietten an die Lippen führten. Ihr Gatte saß entfernt ge nug, um nichts gehört zu haben. — Pesel zog ahnungslos und seelenvergnügt ab, er meinte, seine Sacke ganz vortreff lich gemacht zu haben. Mit einer verstaubten Weinflasche kehrte er zurück. Vorschriftsmäßig trat er zuerst hinter die Frau Oberst und neigte sich mit seinen: allerfrenndiieh- sten Lächeln zu ihr nieder: „Schlosserhannes, gnä' Frau Oberst. Tie Kochfrau sagt, der täte alte Damens gut." Er sprach's und diesmal platzte die Animierrede ge rade in eine Unterhaltungspanse hinein, deshalb auch in der armen Rika entsetzt avsborchende Obren. — Bleich und starr saß sie da und blickte angstvoll ans die Kommandense, die, wie mänuiglich bekannt, einen Abicken vor den: Worte „Alter" batte — wenn dieses Wort in Per- biudnng mit ihr gebracht wurde. Spitz, sehr spitz in: Aus druck, spitz in Haltung, spitz in Worten wies die Beleidigte dann den guten Burschen zurück — das sah Rika und hörte sie. Tic Tränen traten in RikaS Augen: sie saß wie auf Nadeln und durste dock nichts tun, nickt entsch::Id:gen, nickt rügen — dadurch hätte sie ja das Schlimme noch ver schlimmert. Sie mußte sich zusainmennebmen und die Trä nen hinuuterschlucken. Hilfesuchend irrte ihr Blick nach ihrem Gatten. Er grüßte tröstend hinüber und begann krampfhaft eine Manövergesclucktc zu erzählen — das Ge lächter darüber ranscbte über die Untat hinweg. Doch als dann der liebe Pesel, der für Spitzen kein Verständnis besaß, auf den: illundgange endlich mit seinem Schloß-Johannisberger auch zu feinen: Herrn kam, ta: dieser, was er nun seinerseits besser unterlassen hätte. Er raunte dem Burschen energisch zn: „Nichts Unnötiges mit einzelnen Gästen reden!" Nun blieb der brave Bursche wortkarg — nur ein leises „Bitte" entschlüpfte nach Befehl dem Zaune seiner gesunden Zähne. Nur zuletzt gebot er seinen: wohlwollenden, von E:fcr überflicßcnden Herzen nicht mehr. Er lrat an