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die märchenhafte Schönheit am nördlichen Skutarisee machte doch einen besonders tiefen Eindruck auf mich. Die Talsohle der Tscheenojewitza ist bis beinahe bis Rijeka seit 1859*) unter Wasser gesetzt, so daß man einen prächtigen Fjord durchfährt, der sich in vielfachen Windungen zwischen hohen, mit südlichen Baumgruppen bedeckten Bergen dahinzieht. In Rijeka gelandet, nahm mich sogleich ein anderer Be amter in Empfang: es war das letzte Mal, daß man mich festhielt und verhörte. Rijeka, in einem tiefen Tale einge bettet, ist ein schmuckes Städtchen, es liegt am gleichnamigen Flusse und bildet nur eine Straße. Die Lage ist sehr schön. König Nikolaus besitzt hier, in etwas erhöhter Lage, seine Winterresidenz. Die Rijeka, ein schäumender Karstflutz, quillt mit einer mächtigen Wassermasse auS einer dunklen Karsthöhle hervor: sie gleicht einen Kilometer flußabwärts einem träge dahinfließenden Strome und erscheint als ein Arm des Skutarisees. Ich sah ein paar lotterige Wagen stehen, und da eine gifte Unterkunft nicht zu finden war, mietete ich einen solchen Fijaker dvoprezan (zweispännige Droschke), um noch die Residenz Cetinje an diesem Tage zu erreichen. Bei uns dürste sich kein Kutscher mit einem sol- chen Gefährt sehen lasten! Der Schlingel von Kutscher hatte mich insofern noch Lbervorteilt, als er unterwegs am Ausgange von Rijeka noch einen Passagier aufnahm. Der hinzugekommene Fahrgast, ein schöner breitschultriger Sohn der schwarzen Berge, trug eine goldstrotzende Weste: er zeigte sich als ein recht angeneh mer Gesellschafter und erklärte mir mit großer Liebens würdigkeit die reizende Gegend. Auch hier empfand ich wieder, daß ein selbst mäßiger Sprachenschatz immer An nehmlichkeiten bietet. Die Leute sind erfreut, in ihrer Mut tersprache von Fremden angesprochen zu werden, und be müht, einem sprachlich fortzuhelfen. — Im Gegensatz zu anderen Wegstrecken trifft man auf der Fahrt von Rijeka nach Cetinje eine Anzahl murmelnder Quellen, welche die steilen Bahnen hinunter eilen. Wir fahren an den malerisch gelegenen Dörfern Dobrsko selo und Strugari vorüber. Dis fliitgcpflegtc Straße beschreibt viele große Windungen, denn sie steigt aus dem tief eingeschnittenen Tale von Rijeka über 600 Meter, bevor die Hochebene von Cetinje erreicht ist. Auf der Höhe angekommen, empfängt uns eine andere Natur, öde und wasserarm. Es dämmert bereits, und als wir in Cetinje einfuhren, war es schon finstere Nacht. Im Grand Hotel und im Gasthof zum „Kralevic Marko" fand ich kein Unterkommen; ich mußte froh sein, privatim, unter dem Dache eines Montenegriners, schlafen zu dürfen. Es war ja nicht das erste Mal, daß ich auf meinen Streifzügen auf Bequemlichkeiten verzichten mußte. Nach einer er quickenden Nachtruhe fand rch dis Morgenluft in Cetinje reckt frisch. Einige Freiübungen sollten den fröstelnden Körper erwärmen. Aber, o Mißgeschick, das ganze Häus chen sing dabei bedenklich an zu wackeln, und um nicht noch etwa Unheil anzurichten, mußte ich schleunigst die Hebung abbrechen. Tis Hauptstadt Montenegros zählt 5000 Einwohner. Trotz seines Charakters als Residenz und als Sitz von einer Anzahl Gesandtschaften verdient Cetinje nach unseren Be griffen kaum den Namen Stadt. Kleine, meist niedrige und ebenerdige oder einstöckige Häuser umsäumen die brei ten, aber reinlichen Straßen. In den Häusern befinden sich bescheidene Läden. Die Touristen verweilen in Cetinje bez. in Montenegro meist nur ein paar Stunden oder einen hal ben Tag. Man kann gewiß mit einer flüchtigen Besichti gung von Cetinje bald fertig sein. Ich betone: bei einer flüchtigen Besichtigung. Ich meine aber, man sollte das Leben und Treiben des Volkes auch näher kennen zu lernen suchen, indem man es auf dem Markte, in der Kirche oder Infolge eine? N r necreignisseS im Winter von 1858— 1859. der qabeligen ^em»,., D 'der seitdem die Hauptmasse seines Wassers der u - > j i l im Secbecken von Skutari cine gewaltige Rück,.e-> im Caf6 beobachtet und mit ihm gelegentlich in 8er> kehr tritt. Bei t enr Städtchen fand ich, gegenüber dem bescheide nen Palaste des Thronfolgers Danilo. eine ganz nette Parkanlage, in der eine 30 Mann starke Militärkapelle recht exakt aufspielte. König Nikita bekam ich mehrmals zu Ge sicht; man sieht ihn, wenn er in der kleidsamen National tracht einhergeht, den Siebzigjährigen noch nicht an. Ep ist ein mittelgroßer, wohlbeleibter Mann, in seiner Kleidung zeichnete er sich noch dadurch von den anderen Montenegri nern aus, daß er über dem langen blaßgrünen Rock noch eine Art Zuavenjäckchen mit bunter Stickerei trug. Dag von ihm bewohnte Palais ist ein Landhaus größeren StA mit einer nach dem anspruchslosen Refidenzplatz hinaus ragenden kleinen Terrasse. Mt seinen Untertanen ver kehrt er wie ein Vater, wie das Haupt einer großen Familie. Ich sah, wie Männer auS dem Volke mit ihm sprachen und ihm die Hand küßten. König Nikolaus gilt als ein er fahrener Krieger altslawischen Schlages und als ein Diplo mat zünftigster Art. In seinem Palais hat jeder Monte negriner freien Zutritt, hier hört er die Bitten und Klagen, hier spricht er auch Recht. In der Nähe des Königlichen Palastes erhebt sich recht malerisch das alte Kloster mit einer Kapelle, der heiligen Mutter Gottes von Kasan geweiht. Am LängSbau des Klosters zieht sich eine Holzgalerie hin. Der Metropolit, ein vom Alter gebeugter Greis, dessen Residenz hier ist, lust wandelte mit einigen Popen auf dem Platze vor dem Kloster. Als ich die Kapelle besuchen wollte, stellte sich auch, genau nach italienischer Art, ein Führer ein. Im Schiff der Ka pelle oder kleinen Kirche sieht man den mit einem kostbaren Teppich bedeckten Sarkophag des 1830 verstorbenen Peter Petrovic 1^ der als Heiliger verehrt wird. Das Innere de? Kapelle ist trotz der bescheidenen Oelbilder stimmungsvoll. Vor dem Kloster find eine stattliche Anzahl im Kriege erbeuteter Kanonen und Mörser aufgestellt, denn ent Museum oder ein Zeughaus zur Aufbewahrung dieser Kriegstrophäen besitzt Cetinje noch nicht. Dem auf einer Anhöhe hinter dem Kloster gelegenen Turm „TaÜa" gcckt mein nächster Besuch. Auf diesem Turme pflegte man noch im vorigen Jahrhundert die Köpfe der im Kriege gefallenst Feinde aufzustecken. Don hier auS sah ich auf der Spitze des Orlovkro das kuppelartige Denkmal, unter welchem Vladika Danilo Petrovic. der Begründer der jetzt regieren den Dynastie beigesetzt ist. Von meinem Standpunkte aus erschien mir dieser Berg nahe gelegen, drei niedere Berg spitzen trennten mich noch von ihm. In der Voraussetzung, daß diese drei Bergspitzen mit dem Orlovkro (Adlerberg) einen Gebirgsstock bildeten, entschloß ich mich, über die drei mit niederem Gestrüpp bewachsenen Spitzen den Adlerberg zu besteigen. Als ich unter mühsamen Klettern in dem Trümmerfelds, welches mit dornigen wilden, strauchförmi gen Birnbäumen, Hainbuchenbüschen und Schwarzdorn be wachsen war, die erste Bergspitze erreicht hatte, sah ich, daß mein Vorhaben nicht ausführbar war. Jede Spitze war durch ein tief eingeschnittenes Tal von der anderen getrennt. Ich mutzte wahrnehmen, daß man nicht ungestraft in den schwarzen Bergen auf eigene Faust spazieren gehen darf. Mit zerrissenen Kleidern und beschundenen Händen langte ich auf der Talsohle an. Auf einem gut gepflegten Wege konnte ich dann nach dem Orlovkro gelangen. Von diesem Berge bietet sich dem Auge ein ganz eigenartiges GebirgS- bild, die eigentliche montenegrinische Karstlandschaft in weitester Ausdehnung. Nach Westen türmten sich in wilder Pracht die albanesischen Alpen auf. In nächster Nähe über sehe ich den schönsten Talkessel von Cetinje. Der dürftige, mit vielen Steinen durchsetzte Kalkboden gibt nur eine spär liche Ernte von Roggen, Gerste, Mais und Kartoffeln. Der Obstbau ist ohne Bedeutung. Auf dem Berge sehe ich in mitten einer Anlage das bescheidene Grabmal von Danilo Petrovic mit einem lebensgroßen brozenen Relief des Hauptes.